Das Magdeburger Modell

Eine rot-grüne Landesregierung, die sich auf die PDS stützt – das ist das »Magdeburger Modell«. Insbesondere der Wortführer der PDS Gregor Gysi wird nicht müde, die Regierung von Reinhard Höppner als fortschrittliche Variante für andere Landesregierungen und für Bonn anzupreisen. Man könne eine solche Regierung nach links drücken, ihr einen sozialen und humanen Stempel aufdrücken, behauptet er. Doch was ist die Wirklichkeit?

Sachsen-Anhalt, einst industrielles Zentrum der DDR, steht heute an der Spitze der Arbeitslosenstatistik. Die letzten offiziellen Zahlen weisen für das Land 22,8 Prozent (Dezember 1997) aus. Zu den rund 280.000 Arbeitslosen kommen rund 100.000 hinzu, die keinen regulären Arbeitsplatz haben, sondern entweder in ABM, 249h-Maßnahmen, Umschulungsprogrammen, Kurzarbeit etc. befristet beschäftigt sind. Fast jeder fünfte Jugendliche unter 25 Jahren ist arbeitslos. In manchen Gebieten wie im Harz sieht es weitaus schlimmer aus. Im einstigen Zentrum der Chemieindustrie Bitterfeld stieg die Arbeitslosigkeit seit 1996 von 14 auf knapp 26 Prozent, nachdem die Sanierungsprogramme, in denen zahlreiche Arbeiter vorübergehend mit Abriß- und Entsorgungsarbeiten beschäftigt wurden, ausgelaufen sind.

Die Zahl der Sozialhilfeempfänger in Sachsen-Anhalt hat sich seit 1994 um über 20 Prozent erhöht; mit den drastischen Mieterhöhungen in Ostdeutschland 1995 nimmt auch die Obdachlosigkeit stetig zu (Jahresende 1996: rund 15.000).

Die Wut der Bevölkerung über die wachsende soziale Misere und Arbeitslosigkeit hatte sich bei der letzten Landtagswahl 1994 vor allem in beträchtlichen Stimmengewinnen für die PDS niedergeschlagen. Diese wiederum verhalf mit einem Tolerierungsangebot an die SPD einer rot-grünen Minderheitsregierung an die Macht. Nach den kommenden Landtagswahlen im März strebt die PDS eine Regierungsbeteiligung als Koalitionspartner an.

Die Hoffnungen vieler, eine solche Regierung werde die verheerende Politik der Bundesregierung zumindest abmildern, haben inzwischen Ernüchterung Platz gemacht. Schon die Tatsache, daß die Höppner-Koalition ausgerechnet den ehemaligen Treuhandmanager Klaus Schucht (SPD) zum Wirtschaftsminister gemacht hat, der für die Abwicklung der sachsen-anhaltinischen Chemieindustrie im Dreieck Bitterfeld-Halle-Leuna verantwortlich war, sagt das Wesentliche über den politischen Kurs dieser Regierung aus: er knüpft nahtlos an die Politik der Bundesregierung und der früheren CDU-Landesregierung von Bergner an.

»Ohne die PDS geht hier nichts. Das ist das A und O des Magdeburger Regierungsmodells.« – Theo Struhkamp, Pressesprecher des Finanzministeriums von Sachsen-Anhalt

Im Dezember ist mit den Stimmen der PDS der neue Haushalt für 1998 im Magdeburger Landtag beschlossen worden, der vierte Sparhaushalt in Folge. Wie die vergangenen Haushalte wird auch der neue Einschnitte im sozialen Bereich bedeuten. »Sparen ist das Gebot der Stunde«, sagte der Pressesprecher des Finanzministeriums von Wolfgang Schäfer (SPD), Theo Struhkamp gegenüber der gleichheit.

Eingespart werden soll u.a. im Arbeitsmarktbereich (minus 58 Millionen gegenüber 1997); bei der Sozialhilfe (minus 147 Millionen); bei Baumaßnahmen für Krankenhäuser und bei den allgemeinen Finanzzuweisungen an die Kommunen (minus 64 Millionen) sowie den Personalausgaben. Zwar soll auch die Wirtschaftsförderung sprich Subventionen an Unternehmen, die sich in Sachsen-Anhalt niederlassen, um insgesamt 100 Millionen Mark zurückgefahren werden. Allerdings heißt es dazu beschwichtigend in der Presseerklärung des Regierungssprechers vom 22. November 1997, bei geplanten Investitionen könnten zusätzliche Kredite bis zu 150 Millionen Mark aufgenommen werden. »Auch 1998 stellen wir so sicher, daß jeder potentielle Investor die ihm zustehenden Fördergelder erhalten kann.«

Die Höppner-Regierung behauptet, sie sei aufgrund der Kürzungspolitik der Bonner Koalition zum Sparkurs gezwungen. In Wirklichkeit handelt sie nach derselben Maxime wie die Kohl-Regierung – den Armen nehmen, den Reichen geben.

In den vergangenen Jahren flossen Milliardenbeträge aus der Landeskasse an Investoren, Geschäftemacher und sonstige Nutznießer der Wiedervereinigung. Rund die Hälfte der 1,5 Mrd. DM öffentlichen Subventionen sowie 1,1 Mrd. DM Bürgschaftsgelder zahlte die Landesregierung an den französischen Mineralölkonzern Elf Aquitaine für den Raffinerieneubau Leuna 2000. Wenn die Raffinerie in Betrieb geht, wird sie gerade mal 550 Arbeiter beschäftigen, zusätzlich sollen im Umfeld der Anlage im Zuliefer- oder Wartungsbereich rund 2000 Arbeitsplätze entstehen. Einst fanden in den Leuna-Werken 27.000 Menschen Beschäftigung!

Den Kaufvertrag für die Leuna-/Minol-Werke an Elf Aquitaine hatte 1992 der damalige Treuhand-Vorstand und heutige Magdeburger Wirtschaftsminister Klaus Schucht unterschrieben. Schucht ist mittlerweile in einen Schmiergeldskandal des Elf-Konzerns im Zusammenhang mit der Leuna-Privatisierung verwickelt.

1,1 Mrd. DM Fördermittel erhielten die Investoren bei SKET, dem ehemaligen Schwermaschinenkombinat Ernst Thälmann. Von den einst 13.000 gibt es heute noch rund 400 Arbeitsplätze in fünf Kleinbetrieben. Hohe Summen flossen auch in die Errichtung dreier großer Einkaufszentren vor den Toren von Magdeburg, wo lediglich einige 610-Mark-Jobs geschaffen wurden.

Bei den Beschäftigungsgesellschaften, die das Land mitfinanziert hat, fliegt ein Korruptionsskandal nach dem anderen auf. In Burg wurde kürzlich der Ex-Chef der stadteigenen ABM-Gesellschaft SQI wegen Veruntreuung von ABM-Geldern und privater Bereicherung verhaftet.

Das rot-grüne Bündnis geht mit Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst wahrhaft beispielhaft voran!

Eine wichtige Stütze der Höppner-Regierung sind neben der PDS die Gewerkschaften des DGB. Deren Landesfunktionäre sitzen teilweise für die SPD im Landtag, so der IG Bau Vorsitzende Andreas Steppuhn oder die stellvertretende GEW-Vorsitzende Rita Mittendorf. Steppuhn zeichnete mitverantwortlich für die Vereinbarung von Öffnungsklauseln im Tarifvertrag für ostdeutsche Bauarbeiter, die zehnprozentige Lohnkürzungen ermöglichen.

Mit der GEW handelte das Magdeburger Kultusministerium im Februar vergangenen Jahres eine Tarifvereinbarung besonderer Art aus. Als Gegenleistung für einen befristeten Kündigungsschutz hat sie den Lehrern ab August 1997 bis zu 19 Prozent Gehaltskürzung bei gleicher Arbeitszeit beschert. Allein in den Jahren 1997 und 1998 spart die Regierung dadurch rein rechnerisch 3000 Stellen ein.

Auch Kindergärtnerinnen haben im letzten Jahr Lohnkürzungen hinnehmen müssen. Die Gewerkschaften GEW und ÖTV handelten Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen aus, und ermöglichten Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich.

Das Magdeburger rot-grüne Bündnis geht in der Frage der Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst wahrhaft beispielhaft voran! Der vorerst zurückgezogene Vorschlag des ÖTV-Bundesvorsitzenden Herbert Mai, in den kommenden Tarifverhandlungen allgemeine Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich zu vereinbaren, wird hier bereits praktiziert.

Nordrhein-westfälische Beamte, denen man in Sachsen-Anhalt auf Schritt und Tritt begegnet, meinten, daß der jüngste Lehrer-Tarifvertrag im Westen kaum durchsetzbar gewesen wäre. So schrieb Theo Struhkamp, selbst gebürtiger Westfale, in einem Beitrag für die Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht (10/1997, S. 334): »Daß der ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA in einem neuen Bundesland abgeschlossen wurde, ist kein Zufall. Einerseits ist derzeit im Bereich des öffentlichen Dienstes nur dort der ,Leidensdruck’ hoch genug. Andererseits gibt es die Bereitschaft der Tarifvertragspartner, derart weitgehende Regelungen abzuschließen, nur im Osten. Realeinkommensverluste von 19 Prozent, die nicht auf freiwillige Arbeitszeitreduzierung zurückgehen, sind momentan im Westen nicht verhandelbar, selbst nicht gegen mittelfristige Arbeitsplatzsicherheit.«

Höppner übernimmt für eine künftige SPD-geführte Regierung in Bonn die Aufgabe, Konzepte massiver Billiglohnarbeit schon heute auszutesten.

Nichts besser sieht es in der Arbeitsmarktpolitik aus.

Als »innovative Maßnahme« gegen Langzeitarbeitslosigkeit preist die Landesregierung die Einführung der sogenannten »sozialverträglichen« Leiharbeit, genannt START-Modell. Im Unterschied zu anderen Leiharbeitsunternehmen sollen hauptsächlich Langzeitarbeitslose an die Unternehmen ausgeliehen werden. So innovativ ist diese Maßnahme allerdings nicht. In Nordrhein-Westfalen gibt es schon seit 1995 eine »START GmbH«, die von der dortigen rot-grünen Regierung gemeinsam mit dem DGB aufgebaut wurde. Inzwischen hat sich diese GmbH zu einem gewinnträchtigen Leiharbeitsunternehmen gemausert. Die Langzeitarbeitslosen, denen es zugute kommen sollte, sind größtenteils wieder zurück ans Arbeitsamt geschickt worden.

Als weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit will das Magdeburger Sozialministerium eine »Teilzeitoffensive« beginnen und »sozialorientierte Erwerbsbetriebe« fördern. Neu- oder ausgegründete Kleinunternehmen, beispielsweise Baubetriebe, Gaststätten, Wäschereien, Reinigungsdienste, die bei zehn neuen Arbeitsverhältnissen mindestens sieben besonders schwer vermittelbare Arbeitslose einstellen, erhalten vier Jahre lang Fördergelder, allerdings unter der Bedingung, daß sie sich nach vier Jahren selbst auf dem Markt behaupten können. Es ist selbstredend, daß solche Betriebe versuchen werden, mit Lohndrückerei und Dumpingpreisen Marktnischen zu erobern.

Schließlich läuft seit Oktober 1997 eine weitere »Innovation«: ein »Sofortprogramm für Sozialhilfeempfänger«. Es dient dazu, den Beschäftigungsgesellschaften neue billige Arbeitskräfte zuzuführen, nachdem durch die drastischen Kürzungen der Bundesanstalt für Arbeit zahlreiche ABM-Kräfte weggefallen sind.

Hinzu kommen noch einige Maßnahmen zur Frauenförderung, die hauptsächlich aus Kurzpraktika von drei Monaten bestehen. Den Unternehmern bezahlt die Landesregierung damit die Probephase für spätere Niedriglohnkräfte. Ein Großteil der Frauen wird allerdings nach den drei Monaten wieder entlassen. Nach Angaben aus dem Sozialministerium sind von den 2736 Frauen, die seit 1995 Praktikumsmaßnahmen durchlaufen haben, nur 1183 eingestellt worden – zu welchen Bedingungen, darüber sagt die Statistik nichts aus.

Folgender Fall aus Magdeburg spricht dafür Bände über den Charakter dieser Maßnahmen: eine Frau, die ein dreimonatiges Praktikum bei einem Bäcker absolvierte, berichtet, daß sie oft erst nach 13 Stunden harter Arbeit nach Hause kam. »Wir haben alles mitgemacht und nicht aufgemuckt, nur um nach dem Praktikum vielleicht eingestellt zu werden«, sagte sie. Aber nach drei Monaten setzte der Bäcker sie wieder auf die Straße. Kurze Zeit später stellte er neue Kräfte ein – wieder finanziert über das Frauenförderprogramm der Landesregierung.

Höppner rühmt sich, besonders viel für die Jugend getan zu haben. Als einziges neues Bundesland habe Sachsen-Anhalt alle Schulabgänger 1997 in Ausbildungsplätzen untergebracht. Im letzten Herbst berief die Landesregierung einen »runden Tisch« von Politikern, Unternehmern und Gewerkschaften ein und organisierte ein »Bündnis für Ausbildung«.

Zusätzlich zum »Bund-Länder-Programm«, in dem Jugendliche außerbetriebliche Lehrgänge absolvieren, vereinbarten die Teilnehmer des Runden Tischs das neue Programm »Berufsfachschule in Kooperation mit der Wirtschaft« sowie ein »Sonderprogramm für arbeitslose Jugendliche«. Auch hier lohnt es, hinter die Kulissen zu schauen.

Jugendliche, die einen Platz im »Berufsfachschulen«-Programm erhalten, können hier den theoretischen Teil einer Berufsausbildung durchlaufen und anschließend bei einem außerbetrieblichen Träger einen praktischen Teil nachholen. Sie haben lediglich Schülerstatus, beziehen also überhaupt keine Auszubildendenvergütung, es sei denn, sie erhalten Bafög. Die rot-grüne Koalition erprobt auf diese Weise eine fast kostenneutrale Ausbildung.

Nach abgeschlossener Prüfung werden die betroffenen jungen Leute mit ziemlicher Sicherheit arbeitslos sein – welcher Betrieb stellt schon einen jungen Arbeiter ein, der vorher keine Erfahrungen in der Betriebspraxis gesammelt hat?

In diesem Fall bietet ihnen die Landesregierung per »Sonderprogramm für arbeitslose Jugendliche« ein Jahr lang Arbeit bei Beschäftigungsgesellschaften an. Sie werden zum ABM-Tarif von etwa 1.900 Mark brutto monatlich auf Grünanlagen, bei Sanierungsarbeiten, Bau von Fahrradwegen usw. eingesetzt. Sollten sie noch keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, wird ihnen in dieser Zeit eine Ausbildung von sage und schreibe drei Monaten angeboten. Welche Qualifikationen in dieser kurzen Zeit vermittelt werden können, kann sich jeder denken.

Außerdem ist ein sechswöchiges Praktikum bei irgendeinem Klein- oder Mittelstandsunternehmer vorgesehen. Als Beispiel nannte die Geschäftsführerin der Gesellschaft AQB, eine der drei städtischen Beschäftigungsgesellschaften in Magdeburg, Frau Fahtz: »Autohäuser, Läden, Boutiquen etc.« Dies sei für die Betriebsinhaber »kostenneutral«. Die AQB habe Anfang Dezember 130 Jugendliche eingestellt, sagte Frau Fahtz weiter, allerdings vorerst nur für sechs bzw. neun Monate – statt der vorgesehenen 12 Monate. Dies führte sie auf den großen Andrang auf solche Stellen zurück.

Die Jugendprogramme Sachsen-Anhalts ähneln der Politik der sozialistischen Jospin-Regierung in Frankreich, die sich auf die französische Kommunistische Partei, die Schwesterpartei der PDS, stützt. Wie dort dient auch Höppners Beschäftigungspolitik für Jugendliche zwei Zielen: Jugendliche zeitweilig von der Straße zu holen und damit einer sozialen Rebellion zuvorzukommen; und sie gleichzeitig als Lohndrücker einzusetzen. Eine Zukunftsperspektive bietet sie der Jugend nicht. Kein Wunder, daß in Sachsen-Anhalt auch nach Antritt der rot-grünen Koalition im Herbst 1994 die Neonazi-Gruppen von frustrierten Jugendlichen Zulauf erhalten.

Die Arbeitsmarktpolitik Höppners ist in vieler Hinsicht beispielgebend für die Politik einer künftigen SPD-Regierung in Bonn. Nach dem Motto »lieber Arbeit als Arbeitslosigkeit bezahlen« soll das Arbeitslosenheer als Reservoir billiger Arbeitskräfte genutzt werden.

Nicht zufällig war Ministerpräsident Höppner Mitverfasser der Wirtschaftsleitlinien von SPD-Wirtschaftssprecher Gerhard Schröder, die der SPD-Bundesparteitag vor kurzem angenommen hat. Das Kernstück dieses Leitantrags besteht aus der Forderung nach Einführung von Teilzeitjobs und massiver Billiglohnarbeit nach amerikanischen Vorbild. Aus der Feder von Schröder und Höppner heißt es dort, staatliche Mittel, die bisher für Arbeitslosenunterstützung ausgegeben wurden, sollten für »neue Arbeitsplätze mit niedrigen Stundenlöhnen« eingesetzt werden.

Höppner übernimmt für eine künftige SPD-geführte Regierung in Bonn die Aufgabe, in Sachsen-Anhalt solche Konzepte schon heute auszutesten. Insofern hat die Magdeburger Regierung tatsächlich Modellcharakter.

In den Kommunen Sachsen-Anhalts hat sich die PDS längst als gewöhnliche bürgerliche und unternehmerfreundliche Partei entpuppt.

Die PDS spielt bei der Durchsetzung dieser Politik eine Schlüsselrolle. Ihre 21 Landtagsabgeordeten und 891 Stadt- und Gemeinderäten betreiben nur in Worten Opposition, in ihren Taten stellen sie einen gewichtigen und von der Landesregierung sowie den Wirtschaftsverbänden anerkannten Ordnungsfaktor dar. »Der Pakt mit dem Teufel hat in Sachsen-Anhalt die Besonderheit, daß der Teufel ziemlich zuverlässig ist«, erklärt Hans-Jochen Tschiche, Fraktionsführer von Bündnis 90/Grüne. »Wenn Verabredungen geschlossen werden, hält sich die PDS daran.« Tschiche, dessen Partei mitregiert, aber eine viel kleinere Landtagsfraktion von nur fünf Abgeordneten führt, fungiert als Vermittler zwischen PDS und SPD.

Die PDS behauptet, eine SPD-Grünen-Regierung könne durch eine starke PDS im Parlament und durch außerparlamentarische Bewegungen unter Druck gesetzt werden, den Interessen der Bevölkerung entgegenzukommen. In Wahrheit ist es umgekehrt. Die Höppner-Regierung kann ihre Sparmaßnahmen nur mit Hilfe der PDS durchsetzen. Theo Struhkamp: "Ohne die PDS geht nichts. Das ist das A und O des Magdeburger Regierungsmodells."

Bei dem gegenwärtigen Haushalt laufe es wie bei allen anderen vorher auch, erläuterte Struhkamp weiter. Die PDS protestiere lautstark gegen einige Punkte, dann gebe es Verhandlungen und geringfügige Änderungen, und schließlich stimme die Mehrheit der 21köpfigen Fraktion zu. Üblicherweise werden vor der entscheidenden Abstimmung im Landtag Probeabstimmungen in der Fraktion abgehalten, so daß gesichert ist, daß genügend PDS-Abgeordnete für den Haushalt stimmen und ihn über die Bühne bringen.

Alle sozialen Angriffe hat die PDS bisher mitgetragen. Man habe Schlimmeres verhüten können, so lautet meist ihre lapidare Begründung. Die zusätzlichen 10 Millionen Mark für Personal in der Kinder- und Jugendarbeit, die die PDS nach zahlreichen Protesten von Jugendprojekten im Haushalt 98 durchgesetzt hat, haben nur Alibifunktion. Ohnehin sollen diese Gelder an anderer Stelle, beispielsweise durch mehr Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst, wieder eingespart werden.

Wenn die PDS tatsächlich Druck auf die Magdeburger Regierung ausübt, so geht dieser vor allem in eine Richtung: Gelder locker zu machen für ostdeutsche Existenzgründer und ausgegründete Kleinunternehmer, unter denen sich nicht wenige ehemalige Wirtschaftskader und Funktionäre der SED befinden. Deshalb bemühte sie sich bei den Haushaltsverhandlungen um einen »Sanierungsfonds zur schnellen Hilfe für privatisierte Unternehmen«. Auch die zusätzlichen 100 Millionen für die Kommunen, die die PDS ausgehandelt hat, dienen ausdrücklich nicht dem sozialen Bereich, sondern sind an Investitionsprogramme im Straßen- und Wohnungsbau gebunden, die wiederum klein- und mittelständischen Auftragsnehmern zugute kommen.

Höppners Politik auf dem Arbeitsmarkt, die der öffentlichen Bezuschussung von Billiglohnarbeit dient, kommt den Vorstellungen der PDS von einem »öffentlich geförderten Beschäftigungssektor« entgegen. Seit längerem fordert die PDS, daß künftig öffentliche Fördergelder nicht mehr wie bisher individuell pro Arbeitsloser, sondern pauschal an kleine Projekte und Betriebe in Ostdeutschland gezahlt werden sollten, um deren »wirtschaftliche Flexibilität zu erhöhen und Diskriminierungen gegenüber der Privatwirtschaft zu beseitigen«, »die Auftragslage kleiner und mittlerer Unternehmen zu verbessern«, dazu beizutragen, »daß solche Unternehmen neu entstehen« und deren »Produkte und Dienstleistungen ... bis zur Marktfähigkeit entwickelt werden.« (Parteibeschluß in Schwerin, Januar 1997)

Vor Ort in den Kommunen Sachsen-Anhalts – sie stellt 37 Bürgermeister – bemüht sich sich die PDS ebenso wie die CDU oder SPD, Gewerbeansiedlungen anzulocken, indem sie stadteigenen Boden zum Schleuderpreis verkauft und Investoren Subventionsgelder hinterherwirft. Längst hat sie sich dort als gewöhnliche bürgerliche und unternehmerfreundliche Partei entpuppt.

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