Ziel verfehlt

Das Leben ist schön (La vita è bella) Regie Roberto Benigni, Drehbuch Benigni und Vincenzo Cerami

Roberto Benigni ist ein berühmter italienischer Komiker und Regisseur. Sein Film Zahnstocher Johnny(1991) über einen Busfahrer, der für einen Gangster gehalten wird, gilt als erfolgreichste Produktion in der Geschichte des italienischen Kinos überhaupt. Bekannt sind auch Ein himmlischer Teufel(1988) und Das Monster(1995), eine Komödie über einen Serienmörder. Das englischsprachige Publikum kennt ihn vielleicht am ehesten durch seine Rollen in den Filmen von Jim Jahrmusch Down by Law(1986) und Night on Earth(1992) sowie in Blake Edwards Sohn des rosa Panthers(1993).

In Das Leben ist schön kommt Guido (gespielt von Benigni selbst) am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in der toskanischen Stadt Arrezzo an. Er beginnt in einem Restaurant zu arbeiten, in dem sein Onkel Oberkellner ist. Aber er träumt davon, einen eigenen Buchladen zu eröffnen. Immer wieder trifft er mit der attraktiven Lehrerin Dora (Nicoletta Braschi, Benignis Frau) zusammen und fällt ihr schließlich in die Arme. Offensichtlich um sie wiederzusehen, gibt Guido sich als Schulinspektor aus und hält aus dem Stegreif vor den versammelten Schülern und Lehrern eine Rede über die Überlegenheit bestimmter Rassen, die mit einem Striptease endet. Unterdessen sucht Dora zögernd den Beamten auf - ein Mitglied der faschistischen Partei -, dessen Unterschrift Guido benötigt, um die Genehmigung für seine Geschäftseröffnung zu beantragen. Natürlich ist dies ausgerechnet der Mann, den Guido am meisten beleidigt hatte. Guido verdirbt die Verlobungsfeier von Dora und ihrem Auserwählten, zu der er als Kellner verpflichtet worden ist, um an die Gäste zu bedienen. Er reitet zu Pferd in den Saal und entführt die Braut.

Fünf Jahre später haben die Deutschen Italien besetzt. Guido, der Halbjude ist, und sein Sohn Giosué werden ins Konzentrationslager geschickt. Seine nichtjüdische Frau besteht darauf, ebenfalls ins Lager zu gehen. Im Lager erzählt Guido seinem Sohn, daß sie Mitspieler in einem großen Spiel seien und daß Giosué ihnen beiden helfen könne, indem er durch das Einhalten genauer Regeln (sich verstecken, wenn die Wachen kommen, niemals weinen, sich niemals beklagen, wenn man hungrig ist usw.) Punkte sammelt. Als beispielsweise ein brutaler Wächter neuangekommene Gefangene fragt, ob jemand deutsch spreche, hebt Guido die Hand, obwohl er die Sprache nicht kann. Nachdem der Wächter die strengen Lagerregeln herausgebrüllt hat, imitiert Guido dessen Tonfall und verkündet seinem Sohn so die "Regeln" des vorgeblichen Spiels. Auf diese Weise überleben sie die Lagerhaft bis Kriegsende. Im dann einsetzenden Chaos versucht Guido seine Frau wiederzufinden und wird deshalb wegen angeblichen Fluchtversuchs erschossen.

Benigni hat mit seinem Film eine Kontroverse ausgelöst, weil er in dieser höllischen Umgebung eine Komödie spielen läßt. Ich wüßte nicht, daß so etwas prinzipiell unzulässig sein sollte. Ich stimme nicht mit einem Kritiker überein, der den Versuch als "grotesk und verrückt" bezeichnete, weil der Holocaust "ein Ereignis war, das außerhalb des menschlichen Verständnisses" liege. Wenn dies so wäre, dann würde sich dieses Argument nicht nur gegen Benigni richten, sondern gegen jeden Versuch, sei es in der Kunst oder auf anderem Gebiet, sich mit diesen schrecklichen Ereignissen auseinanderzusetzen. Man müßte dann einfach davor kapitulieren. Schindlers Liste hat zumindest gezeigt, daß eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Schicksal der europäischen Juden möglich ist.

Dennoch ist es ein schwieriges Unterfangen, ein komisches Werk dieser Art zu schaffen. Angesichts des Ausmaßes der Schrecken müßte der Filmemacher nicht nur über künstlerische Fähigkeiten, sondern auch über außergewöhnliche moralische Qualitäten verfügen. Er müßte zu einer geradezu übermenschlichen Selbstlosigkeit befähigt sein und an jedem Punkt beweisen, daß er seinen Stoff in keiner Weise ausnutzt, um seine Karriere zu fördern oder sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Ein Künstler, der mit solchen Eigenschaften ausgestattet ist, würde wahrscheinlich gerade deswegen von einem solchen Unterfangen Abstand nehmen.

Hier kommt uns als genialer Komiker und Künstler der Filmwelt und als jemand, der über ein beträchtliches Maß an historischem Verständnis verfügte, vielleicht Chaplin in den Sinn. In Der große Diktator(1940) und sogar in Monsieur Verdoux - Der Frauenmörder von Paris(1947) hat er seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Auch Ernst Lubitsch schuf in Sein oder Nichtsein(1942) eine Komödie über eine Gruppe von Schauspielern im besetzten Warschau, die die Gestapo zum Narren halten. Ich zweifle jedoch daran, daß Chaplin oder Lubitsch sich hätten vorstellen können, eine Komödie in einem Konzentrationslager spielen zu lassen.

Wie auch immer, man sollte an Das Leben ist schön dieselben Fragen stellen, wie an jedes Kunstwerk: Ist es aufrichtig? Ist es schön? Vertieft es unser Mitgefühl für die Menschen? Vertieft es unser Verständnis der Welt oder hilft es uns, uns selbst zu verstehen?

Ich halte den Film im wesentlichen für recht schwach. Zwar ist es Benigni zweifellos ernst mit seiner Feindschaft gegen Faschismus und Antisemitismus (sein eigener Vater litt in einem Konzentrationslager), aber mich hat der Film nicht ergriffen. Auch wenn man ihn nicht als beleidigend bezeichnen kann, tendiert er doch dazu, das Erlebnis zu trivialisieren. Die Kluft zwischen der Realität des Konzentrationslagers und deren Darstellung ist erschreckend tief. Giosué zum Beispiel bleibt trotz der schlimmen Bedingungen und des Hungers ein glückliches und gesundes Kind. Und wenn das Konzentrationslager nur metaphorisch gemeint ist, weshalb mußte es dann überhaupt eingeführt werden?

Benigni ist ein begabter komischer Darsteller, mehr aber nicht. Seine Witze ahnt man immer schon lange im voraus. Er ist zu verliebt in sich selbst. Der geschmackloseste Aspekt des Films sind vielleicht die vielen Kameraschnitte, bei denen Dora-Nicoletta Braschi bewundernd auf Guido-Roberto Benigni blickt. Warum müssen wir ständig daran erinnert werden, wie bewundernswert er ist? Um so viel Aufmerksamkeit zu rechtfertigen, wie Benigni sie erheischt, müßte er ein außerordentliches Werk schaffen. Wenn Chaplin oder Keaton die Kamera auf sich ziehen, dann ist das nicht Egoismus - der Schauspieler ist das Interessanteste an seinem Film, und er weiß es.

Noch ein weiterer Aspekt fällt unangenehm auf. Das Schicksal der anderen Gefangenen im Lager, darunter Guidos Onkel und all die anderen Kinder, die vermutlich vernichtet werden, scheint für den Filmemacher von geringem Interesse zu sein. Er konzentriert sich allein auf den erfolgreichen Versuch, Giosué zu retten. Wenn es Benigni darum ginge, den Horror einer Situation zu schildern, in der die Rettung der eigenen Haut zum einzigen Leitprinzip wird, dann wäre das legitim. Aber darum geht es ihm augenscheinlich nicht. In Vordergrund stehen fast ausschließlich Guido und Giosué, während die anderen Unglücklichen meist nur Staffage im Hintergrund bleiben. Vom Zuschauer wird offensichtlich erwartet, dies ganz natürlich und selbstverständlich zu finden.

Ich kann mich auch schwer des Eindrucks erwehren, daß es Benigni abgesehen von seinen ehrenhafteren Absichten zumindest teilweise gerade darum ging, für mutig und provokativ gehalten zu werden. "Eine Komödie über den Holocaust, wer würde das wagen?!" Dieser Verdacht würde nicht entstehen, wenn dies ein Werk wäre, an dem Benigni mehrere Jahre seines Lebens aufopferungsvoll gearbeitet hätte, ein schwierigeres und anspruchsvolleres Werk, das, auch als Komödie, mehr Zeichen einer moralischen und geistigen Auseinandersetzung aufweisen würde. Statt dessen bleibt es viel zu sehr eine routinierte Komödienshow vor dem Hintergrund des Holocaust.

Benigni borgt seinen Titel, in einer gewissen Selbstüberschätzung, so scheint mir, aus dem "Testament" Trotzkis. Eine Pointe der Anfangsszene ist offenbar aus Moderne Zeiten abgeleitet, und selbstverständlich erinnert der Film an Der Große Diktator. Das sind großartige Filme. Benigni beschwört bedeutende Figuren und wichtige Themen. Zu schade, daß er darüber kaum hinaus kommt.

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