Gewerkschafter anfällig für Rechtsradikale

Gewerkschaftsmitglieder neigen deutlich stärker zu rechtsradikalen Parteien als nicht organisierte Wähler.

Dies ergab eine Umfrage des Instituts infratest dimap, die am 27. August bekannt wurde. Auf die Frage, "Könnten Sie sich prinzipiell vorstellen, bei der Bundestagswahl im September die Republikaner oder die DVU oder die NPD zu wählen?", antworteten 11 Prozent der Gewerkschafter mit "Ja, sicher" oder "Ja, vielleicht". Bei den Nichtorganisierten waren es nur 7 Prozent. Schlimmer noch fiel das Ergebnis bei den Jungwählern aus. Fast jeder dritte junge Gewerkschafter (32 Prozent) zwischen 18 und 24 Jahren sprach sich für eine Wahl der Rechtsradikalen aus. Bei Jugendlichen, die nicht einer Gewerkschaft angehören, waren es nur 17 Prozent, also gut die Hälfte.

Dasselbe Bild ergab sich bei der Gruppe der Arbeitslosen. Unter arbeitslosen Gewerkschaftsmitgliedern hält es jedes fünfte (20 Prozent) für möglich, sein Kreuz bei DVU, NPD oder Republikanern zu machen. Bei nicht organisierten Arbeitslosen sind es 14 Prozent.

DGB-Chef Dieter Schulte nannte das Ergebnis der Umfrage "schlimm" und sagte, es gebe Versäumnisse in der gewerkschaftlichen Jugendarbeit. Nun wollten die Gewerkschaften ihre Bildungsarbeit zu den Themen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit verstärken, kündigte er im Westdeutschen Rundfunk an, der die Umfrage in Auftrag gegeben hatte.

Dies erklärt allerdings noch nicht den krassen Widerspruch zwischen dem Verhalten von organisierten und nicht organisierten jungen Arbeitern. Sicherlich haben letztere noch weniger Bildungsveranstaltungen über Rechtsextremismus erlebt. Die Umfrage wirft vielmehr die Frage auf, wie weit die Anfälligkeit von Gewerkschaftsmitgliedern für Rechtsradikale mit der Orientierung der Gewerkschaften selbst zusammenhängt.

Die nationalen Parolen der Rechtsextremen, die nicht selten mit sozialer Demagogie gepaart sind, appellieren an die Furcht abstiegsgefährdeter Schichten vor den Folgen der Globalisierung. Wenn man schon gegen die globalen Mächte, die das moderne Wirtschaftsleben beherrschen, nichts unternehmen kann, tröstet man sich eben mit der Überlegenheit der eigenen Rasse und Nation. An die Stelle des Klassenkampfs tritt der Kampf von Deutschen gegen Ausländer. Ohnmächtig gegenüber dem Kapital, läßt man seine Wut an allem aus, was fremd und schutzlos ist.

Die Reaktion der Gewerkschaften auf die Globalisierung trägt ähnliche Züge. Auch sie haben dem Klassenkampf eine Absage erteilt. An die Stelle der Sozialpartnerschaft der siebziger Jahre, die noch mit Streiks und Protesten gepaart war und nicht selten zu sozialen Verbesserungen führte, ist die weitgehende Integration der Gewerkschaften ins Management getreten. Im Namen der "Verteidigung des Standorts Deutschland" tragen Betriebsräte und Vertrauensleute dazu bei, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, indem sie Mitglieder unter Druck setzen, den Krankenstand überprüfen oder Entlassungen durchsetzen.

Das nimmt nicht selten auch ausländerfeindliche Züge an. So wenn Betriebsräte im Bergbau und in der Stahlindustrie türkische Arbeiter unter Druck setzen, den Arbeitsplatz gegen eine Abfindung einzutauschen und in die Heimat zurückzukehren. Oder wenn der IG-Metall-Vorsitzende Zwickel im Magazin Focus Ausländerquoten fordert, "um den deutschen Arbeitsmarkt zu entlasten".

Die Gewerkschaften ziehen schon lange keine Mitglieder mehr an, die nach einer Möglichkeit suchen, gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen. Während ältere Arbeiter oft aus reiner Tradition in der Gewerkschaft bleiben, ist der Organisationsgrad unter der jüngeren Generation notorisch gering. Unter den wenigen, die sich den Gewerkschaften noch anschließen, finden sind nicht wenige Karrieristen und solche, die den rechten Kurs der Bürokratie bewußt unterstützen.

Das dürfte das Ergebnis der Umfrage von infratest erklären.

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