"Vorgeführt und lächerlich gemacht"

Wie die PDS auf die Errichtung einer Statue von Rosa Luxemburg reagiert

Am 10. Januar defilierten Lothar Bisky, Gregor Gysi und andere führende Mitglieder der PDS vorbei am Grab Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts auf dem Lichtenberger Friedhof in Ostberlin und legten Nelken nieder. Die jährliche Demonstration zum Gedenken an die Ermordung Luxemburgs und Liebknechts am ersten Wochenende im Januar war Tradition in der früheren DDR und zieht auch heute noch Tausende von Besuchern an.

Diesmal jedoch ist nur zwei Wochen nach diesem Ereignis eine Kontroverse innerhalb der PDS ausgebrochen. Anlaß ist eine Statue von Rosa Luxemburg, die eines Morgens vor der PDS-Zentrale stand, dem Karl-Liebknecht-Haus in Berlin-Mitte. Führende Mitglieder der PDS reagierten ärgerlich auf den "nächtlichen Putsch". Einige Parteimitglieder hatten die Statue nachts auf dem Pflaster vor der Parteizentrale einzementiert. Nach den Worten des PDS-Sprechers Hanno Harnisch sieht sich die PDS-Führung "vorgeführt und lächerlich gemacht". Parteivorsitzender Lothar Bisky versprach, er werde persönlich einen alternativen Ort für die Statue suchen.

Der Streit um die Statue geht auf das Jahr 1995 zurück, als die PDS-Künstlerin Ingeborg Hunzinger bei der jährlichen Parteikonferenz eine Sammlung für eine Skulptur von Rosa Luxemburg initiierte. Sie erklärte, sie wolle auf diese Weise das Verhalten der DDR wiedergutmachen, die zwar allen möglichen Stalinisten Monumente und monströse Denkmäler setzte, nie aber eines dem Andenken Rosa Luxemburgs widmete. Je mehr dieses Projekt an Unterstützung gewann, um so größer wurden die Bedenken der Spitzen des "Realo"-Flügels der Partei. Sie schlugen einen Wettbewerb für das Monument vor. Gleichzeitig betonten sie, man müsse einen anderen Platz als vor der Parteizentrale finden.

Die Bedenken und Zweifel einiger führender Mitglieder der PDS in Bezug auf ein Luxemburg-Denkmal sind vollkommen angebracht. Schließlich hat die Feindschaft der stalinistischen SED gegen die internationalistische Perspektive Rosa Luxemburgs und ihren kompromißlosen Kampf gegen den Opportunismus in der Arbeiterbewegung eine lange Geschichte. Wäre Rosa Luxemburg nicht 1919 ermordet worden, hätte sie sich zweifellos mit all ihrer Energie in den Kampf gegen Stalins Politik gestürzt. Stalin seinerseits anerkannte die große Gefahr, die von Luxemburgs Erbe auch nach ihrem Tod ausging.

1931, inmitten der hysterischen Kampagne gegen Trotzki und die Linke Opposition, schrieb Stalin einen Brief an das sowjetische Magazin Proletskaja revoljutsija, in dem er erklärte, man dürfe Trotzki und die Linke Opposition nicht mehr als Fraktion der kommunistischen Bewegung betrachten. Im selben Brief erklärte er Luxemburg für "schuldig", an der Seite Trotzkis die Perspektive der "permanenten Revolution" entwickelt zu haben. Stalins Brief wurde schnell in Deutsche übersetzt, und KPD-Führer Thälmann feuerte eine Salve nach der nächsten auf Luxemburg und Trotzki ab. Die stalinistischen Vorwürfe wegen Luxemburgs angeblichen Menschewismus und Zentrismus hat Trotzki in seinem Essay "Hände weg von Rosa Luxemburg" von 1932 beantwortet. (Leo Trotzki Schriften zu Deutschland,Bd. I, S. 323)

Stalins Kritik an Luxemburg ist vollständig von den Führern und Theoretikern der SED übernommen worden. In einer offiziellen Parteibiografie von 1951 wiederholt Fred Oelßner praktisch Wort für Wort die Einschätzung Stalins:

"Denn so groß Rosa Luxemburgs Verdienste um die deutsche Arbeiterbewegung waren, so sehr wir uns in Ehrfurcht vor ihrem kämpferischen Leben verneigen, so sehr wir Rosa wegen ihres schonungslosen Kampfes für die Sache der Arbeiter lieben, so dürfen wir nicht vergessen: Groß waren auch ihre Irrtümer und Fehler, die die deutsche Arbeiterklasse auf falsche Bahnen lenkten. Wir dürfen vor allem die Augen vor der Tatsache nicht verschließen, daß es sich nicht um einzelne Fehler handelt, sondern um ein ganzes System falscher Auffassungen (den ,Luxemburgismus‘). Diese Auffassungen waren eine der entscheidenden Ursachen für die Niederlagen der Kommunistischen Partei Deutschlands nach ihrer Gründung, für die Verfälschung der Rolle der Partei durch die Brandleristen, für die Unterschätzung der nationalen Frage und der Bauernfrage, die trotz der Bemühungen Ernst Thälmanns nicht überwunden wurde. ..." (Fred Oelßner, Rosa Luxemburg, Dietz Verlag Berlin 1951, S. 7)

Und weiter: "Der Kampf Ernst Thälmanns um die Schaffung einer Partei neuen Typus in Deutschland war ein Kampf gegen den Sozialdemokratismus in der deutschen Arbeiterbewegung, um den Sieg des Marxismus-Leninismus. Dazu gehörte auch der Kampf gegen die Überreste des Luxemburgismus, der nichts anderes als eine Abart des Sozialdemokratismus darstellt." (ebd. S. 211)

Die stalinistische Bürokratie in der DDR hat immer gerne Teile der beißenden Kritik Rosa Luxemburgs an der Sozialdemokratie für ihre Polemik mit der SPD benutzt, aber das Verhältnis der SED zu Luxemburg blieb immer ambivalent. Das größte DDR-Verlagshaus ließ sich Zeit bei der Edition der "Gesammelten Werke" von Rosa Luxemburg, die erstmals Anfang der siebziger Jahre veröffentlicht wurden. Selbst dann waren sie nicht vollständig. Keine der wertvollen Schriften zur nationalen Frage, die Luxemburg hauptsächlich in den Zeitungen der polnischen sozialdemokratischen Bewegung veröffentlicht hatte, wurde aufgenommen.

Die PDS hat immer wieder betont, sie hätte ihre Geschichte aufgearbeitet und mit ihrer stalinistischen Vergangenheit gebrochen. Die instinktiv feindliche Reaktion ihrer führenden Mitglieder auf die Errichtung einer Statue Rosa Luxemburgs ruft jedoch in Erinnerung, wie tief verwurzelt in dieser Partei die stalinistische Opposition gegenüber dieser großen Marxistin ist.

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