Menschenrechte in Österreich: Der gewaltsame Tod des Asylbewerbers Markus Omafuma

Die äußerst brutale Behandlung eines nigerianischen Asylbewerbers in Österreich und dessen gewaltsamer Tod werfen ein grelles Licht auf den Charakter der überwiegend sozialdemokratischen Regierungen in Europa. Dieselben Regierungen, die ihre Beteiligung an der Bombardierung Jugoslawiens mit humanitären Absichten und dem Ruf nach Menschenrechten rechtfertigen, treten im eigenen Land die Menschenrechte mit Füßen.

Während des Deportationsfluges von Wien nach Lagos ist der Nigerianer Markus Omafuma qualvoll erstickt. Drei Beamten des österreichischen Innenministeriums hatten ihn an Händen und Füßen gefesselt und den Mund mit Klebeband mehrfach verklebt. Er war 25 Jahre alt.

Markus Omafuma war im September 1998 über Kamerun und Moskau nach Österreich eingereist, weil ihm - wie er der Asylbehörde angab - in seiner Heimat die Ermordung durch eine religiöse Sekte drohte. Für das österreichische Bundesasylamt war das kein berechtigter Asylgrund. Sein Antrag wurde am 7. Dezember abgelehnt und die Ausweisung nach Nigeria für rechtmäßig erklärt. Die Zeit bis zu seinem Flug nach Lagos verbrachte er in Abschiebehaft.

Am 1. Mai - fünf Tage vor Ablauf der gesetzlichen Frist - wurde Markus Omafuma von drei Beamten des Innenministeriums zum Flughafen gebracht.

Weil er sich aus Angst und Verzweiflung vor dem, was ihn in seinem Herkunftsland erwartete, gegen seine Abschiebung wehrte, fesselten ihn die Polizisten an Händen und Füße und trugen ihn schließlich ins Flugzeug.

Was sich dann abspielte schilderte ein niederländischer Fluggast, Carlo Van Nierop, in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin News einige Tage später. "Ich habe gesehen, wie sie zehnmal, 20mal dieses durchsichtige Klebeband um seinen Kopf gewickelt haben. Das war Wahnsinn. Und dann noch gut zehn Meter dieses Klebebandes um seinen Oberkörper - rauf und runter."

Van Nierop war mit seiner Frau und 28 niederländischen Kindern einer Tanzgruppe auf dem Weg nach Bulgarien, zu einer Tournee. Er belastet die österreichischen Behörden massiv: "Diese Leute waren fünf Reihen schräg hinter mir, das Flugzeug war noch am Boden. Und da habe ich gesehen, wie sie ihm das Klebeband auf den Mund gegeben haben. Es war für mich furchtbar anzusehen. Ich habe sofort gedacht, daß dieser Mann keine Luft bekommt." Omofuma habe anfangs "nicht ein Wort gesagt" und erst protestiert, als er verklebt wurde. Dann habe er krampfhaft nach Luft gerungen und verzweifelt durch die Nase geschnaubt.

Weil sein Todeskampf "entsetzlich laut" gewesen sei, wurde Markus Omafuma nach Aussage van Nierops von den Polizisten sogar verprügelt: "Ein Polizist hat geschrien, ganz laut: Halte deinen Mund! Und dann gab es drei Schläge... Dann war der Mann ruhig." (zitiert nach Der Standard, 11. Mai 1999)

Auch der Cheffunker des Flugzeuges der Linie Balkan-Air, Vasil Iliev, schilderte den dramatischen Ablauf der Ereignisse: "Der Schwarze hat sich wild bewegt und immer wieder verzweifelt nach Luft gerungen, doch die Beamten haben nichts gemacht. Schließlich habe ich die Situation nicht länger ertragen. Der Mann schien tatsächlich um sein Leben zu kämpfen." Als er die Beamten kurz vor der Zwischenlandung in Sofia aufforderte, dem Gefangenen endlich den Klebestreifen abzunehmen, um ihn atmen zu lassen, fühlten sie lediglich seinen Puls. "Kurz darauf ist er immer ruhiger geworden und war schließlich still."

Markus Omafuma war qualvoll erstickt, während seine Peiniger dem Todeskampf zusahen.

Das äußerst brutale und offen rassistische Verhalten der Polizei und Behörden hat weit über Österreich hinaus Bestürzung und Empörung ausgelöst. Am 8. Mai nahmen 3000 bis 4000 Personen an einer Protestdemonstration in Wien teil und forderten den Rücktritt der verantwortlichen Politiker, allen voran des Innenministers Karl Schlögl und des Polizeipräsidenten Stiedl, beide Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, SPÖ.

Seitdem wird die Kritik am Verhalten der österreichischen Bundesregierung - bestehend aus der SPÖ und der konservativen Volkspartei ÖVP - lauter.

Innenminister Schlögl wies alle Rücktrittsforderungen zurück und verteidigte die Beamten seines Ministeriums mit den zynischen Worten, nach einem offenbar längeren "ohnmachtsähnlichen Zustand" des Schubhäftlings sei "plötzlich" der Tod eingetreten.

Auch Kanzler Viktor Klima (SPÖ) stellte sich demonstrativ hinter seinen Innenminister. Während die Oberstaatsanwaltschaft in Bulgarien die drei Begleit-Polizisten für den Tod von Omafuma in vollem Umfang verantwortlich macht und wegen Mordes ermittelt, kehrten die Beschuldigten nach Österreich zurück und wurden dort noch nicht einmal vom Dienst suspendiert.

Gegen kritische Stimmen wandte sich der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit Michael Sika: "Wer erlebt hat, mit welcher Kraft die sich wehren, ist mit Kritik einfach zurückhaltender."

Sowohl Schlögl als auch Sika wollen von der Praxis der "Ruhigstellung" nichts gewußt haben. Tatsächlich werden pro Jahr rund 17.000 Menschen aus Österreich abgeschoben, viele unter Anwendung von Gewalt. 2.889 Menschen wurden im Vorjahr per Flugzeug aus dem Land gebracht.

"Die Anwendung von Zwangsgewalt", schreibt Michael Völker in einem Kommentar der österreichischen Tageszeitung Der Standard, "ist gesetzlich verankert. Der Tod scheint ein einkalkuliertes Risiko zu sein, wenn es darum geht, eine restriktive Asylpolitik (...) in der Praxis durchzuziehen. Mitleid, Rücksichtnahme oder auch die Achtung der Menschenwürde sind in dem Gesetz nicht vorgesehen. Sehr wohl aber die Anwendung von ‚Zwangsmaßnahmen‘ oder auch von ‚Brachialgewalt‘, wie es in dem Erlaß heißt."

Daß außer der Balkan-Air kaum noch eine Fluggesellschaft bereit ist, Abschiebetransporte durchzuführen, läßt auf die brutale Gewalt schließen, mit der sie durchgeführt werden.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen weisen daraufhin, daß die Maßnahmen, die im Falle von Markus Omafuma zur "Ruhigstellung" angewandt wurden, keineswegs unüblich sind. Die Organisation "Asyl in Not" dokumentiert sogar einen Fall, in dem ein Nigerianer mittels Injektion medikamentös ruhiggestellt wurde.

In einem Offenen Brief an ihren Minister geben einige sozialdemokratische Parlamentarier ihrer Überzeugung Ausdruck, "...daß es sich nicht um einen tragischen Einzelfall handelt."

Empörung löste auch die Aussage des Chefs der Wiener Fremdenpolizei, Stefan Storecky aus, der in Bezug auf die Abschiebepraxis sagte: "Würden wir immer bis zum letzten Tag der Frist warten, hätten wir nur noch Einsprüche und könnten niemanden mehr abschieben. Es gibt nämlich Rechtsanwälte, die schöpfen jedes Rechtsmittel aus."

Doch der gewaltsame Tod von Markus Omafuma und die vehemente Verteidigung der brutalen Abschiebemaßnahmen ist weit mehr, als der alltägliche Rassismus, der in der Alpenrepublik besonders gegenüber Schwarzafrikanern ständig geschürt wird. Die sozialdemokratische Partei und ihr Regierungschef nutzen den Vorfall, um in der Ausländerpolitik einen deutlichen Rechtsruck durchzusetzen.

Per Gesetz soll jede Flucht nach Österreich, die auf dem Landweg passiert, als Asylverweigerungsgrund festgeschrieben werden. Die Berufungsfristen sollen erneut verkürzt, die Informationsrechte des UNHCR weiter beschnitten werden. Alle Nachbarländer sollen als sichere Drittstaaten definiert werden, obwohl festgestellt wurde, daß die Slowakei für Flüchtlinge kein sicherer Drittstaat sei, und Ungarn bloß bedingt.

Unter der Bezeichnung "Polizeikooperation" sollen die Asylbehörden die Verfolgerländer umgehend über alle Aussagen und Kritikpunkte des Asylbewerbers informieren können.

Mit dieser geplanten Verschärfung des Asylrechts übernimmt die SPÖ wesentliche Forderungen der neofaschistischen FPÖ und bereitet die Grundlage für eine engere Zusammenarbeit mit Haiders "Freiheitlichen". Bei den Europawahlen im kommenden Monat wird allgemein mit starken Stimmengewinnen der FPÖ gerechnet.

Bereits seit mehreren Jahren hat die sozialdemokratische Partei versucht, den Neofaschisten das Wasser abzugraben, indem sie wesentliche Teile deren rassistischer Politik übernommen hat. Dadurch hat sie nicht nur die politische Atmosphäre des Landes vergiftet, sondern auch den Einfluß der Rechtsradikalen gestärkt. Bei den Nationalwahlen im Herbst könnte die FPÖ zur stärksten Partei werden, und es gibt einen einflußreichen Flügel der SPÖ, der auf eine Zusammenarbeit mit der FPÖ zusteuert.

So ist es keineswegs zufällig, daß Innenminister Schlögl sich gegen die Rücktrittsforderungen vor allem auf die Zustimmung aus den Reihen der FPÖ stützt. Viele österreichische Vollzugsbeamte sind in der rassistischen FPÖ-Polizeigewerkschaft organisiert. Deren Vorsitzender, Josef Kleindienst erklärte unmittelbar nach dem Tod von Omafuma, es stehe "außer Zweifel, daß die Zwangsmaßnahmen auch im Innenministerium bekannt und gebilligt waren". Die SPÖ solle diese Maßnahmen offensiv verteidigen.

Man werde sich für Schlögl gegen "linkslinke Gutmenschen" einsetzen, "solange er dieses Vertrauen rechtfertigt", erklärte Kleindienst.

Die Opposition innerhalb der Sozialdemokratie formuliert der Verband Sozialistischer StudentInnen und die Sozialistische Jugend. Sie forderten Schlögls Rücktritt, machten die "feige und menschenfeindliche Politik der SPÖ" für den Tod von Markus Omafuma verantwortlich, und verurteilten die "Anbiederung an FPÖ und Kronenzeitung".

Der Fall des ermordeten Markus Omafuma wirft nicht nur grelles Licht auf die gärenden politischen Verhältnisse in Österreich. Er ist ein Glied in einer ganzen Kette von staatlich abgedeckten rassistischen Übergriffen auf Ausländer nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa.

Bekannt geworden sind die Fälle von Joy Gardener in Großbritannien und von Semira Adamu in Belgien. Am 28. Juli 1993 drangen früh morgens fünf Polizisten und ein Beamter der Einwanderungsbehörde in die Wohnung von Joy Gardener ein, um sie und ihren 5jährigen Sohn Graeme zu deportieren. Joy wurde zu Boden geworfen, gefesselt und mit Klebeband geknebelt. Sie erstickte vor den Augen ihres Sohnes.

Im September 1998 starb die 20jährige Nigerianerin Semira Adamu, nachdem ihr Polizisten bei der Abschiebung ein Kissen mehrere Minuten lang aufs Gesicht gedrückt hatten.

Der Terror europäischer Sozialdemokratien nach außen - als Kriegsparteien gegen Jugoslawien - verschärft auch den Terror gegen Ausländer in den europäischen Ländern selbst und beschleunigt die Integration faschistischer Elemente in die Politik.

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