Animal Farm - eine Neuverfilmung im amerikanischen Fernsehen

"Alle Tiere sind gleich, doch einige sind gleicher als andere."(George Orwell, Animal Farm, 1945)

Der US-amerikanische Fernsehsender TNT brachte vor einigen Tagen eine mit großem Werbeaufwand angekündigte Neuverfilmung des George Orwell Klassikers "Animal Farm" (deutsch: Die Farm der Tiere). Regisseur ist John Stevenson. Orwells Buch war 1945 als Parabel auf die Russische Revolution von 1917 und auf die ihr folgende stalinistische Entartung der Sowjetunion geschrieben worden. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bald im deutschen Fernsehen zu sehen sein. Die Art der Neuverfilmung, die in einigen Punkten vom Original abweicht, gibt Anlass zu einer kritischen Besprechung.

Zunächst die Handlung der Geschichte, wie Orwell sie konzipiert hatte. (Der Leser, der die Geschichte noch nicht kennt, wird leicht merken, welche Personen und Ereignisse in der sowjetischen Geschichte angesprochen sind. Zum sofortigen Verständnis geben wird den Schlüssel hier jeweils an der betreffenden Stelle in Klammern an.)

Auf einer Farm, auf der die Tiere grausam von ihrem Bauern unterdrückt und ausgebeutet werden (kapitalistisches Russland), spricht eines Nachts ein alter Eber, der "Alte Major", (stellt sowohl Marx als auch Lenin dar) zu den restlichen Tieren der Farm. Er rät ihnen, sich aufzulehnen, ihren Bauern zu verjagen und ein neues Gemeinwesen unter ihrer eigenen Herrschaft aufzubauen.

Drei Nächte, nachdem er seine Rede gehalten hat, verstirbt der Alte Major, doch befolgen die Tiere seinen Rat und jagen bald darauf den Bauern und seine Frau davon (Oktoberrevolution). Die Führung in dieser Revolution haben die Schweine (Bolschewistische Partei), da sie allgemein als die klügsten unter den Tieren angesehen werden. Auch nach der Verjagung des Bauern stellen sie die Führung der Farm dar. Es werden sieben Prinzipien verkündet und öffentlich auf eine große Wand geschrieben, ein Grundgesetz sozusagen, an dem sich die neue Gesellschaft orientieren soll.

Unter den Schweinen stechen zwei besonders hervor: Schneeball (Trotzki) durch seine Klugheit und sein Organisationstalent und Napoleon (Stalin) durch sein Durchsetzungsvermögen. Bei diesen zwei Schweinen liegt offensichtlich die Initiative zu allen großen Plänen der Tiere (wenngleich Schneeball darauf besteht, dass durch regelmäßigen Unterricht alle Tiere auf das Niveau der klügsten Schweine gehoben werden; vergleiche Lenins Satz, jede Köchin müsse in die Lage gebracht werden, die Staatsführung übernehmen zu können).

Der Bauer versucht in der Folge, sein Gut zurückzubekommen und zettelt eine große Schlacht an, in der die Tiere unter Schneeballs Kommando siegen (Bürgerkrieg ab 1918). Doch hat die Schlacht die Farm in bittere Armut gestoßen. Bald darauf bricht ein Konflikt zwischen Schneeball und Napoleon aus. Schneeball regt den Bau einer Windmühle mit dem Ziel der Elektrifizierung der Farm an (Fünfjahresplan mit Industrialisierung), doch Napoleon spricht sich dagegen aus und will weiter auf die Landwirtschaft setzen. Der Konflikt endet, indem Napoleon Schneeball von der Farm vertreiben lässt - durch eine Handvoll von gefährlichen Hunden (die Geheimpolizei NKWD), die er sich von ihrer Geburt an zu willigen Werkzeugen erzogen hat. Anschließend gibt er Schneeballs Plan von einer Windmühle für seinen eigenen aus.

Für die Tiere beginnt nun ein hartes Leben. Napoleon verlangt härteste Arbeit von den Tieren. Die Versorgung mit Nahrung wird immer schlechter. Ein System von Terror und ständiger Bedrohung durch Napoleons Hunde wird aufgebaut, während sich Napoleon selbst als großer Führer feiern und einen grotesken Personenkult um sich treiben lässt.

Er und seine Clique verraten nach und nach die "Sieben Prinzipien", die anfangs aufgestellt worden waren. Sie beginnen, Alkohol zu trinken, in Betten zu schlafen und führen die Todesstrafe ein (vergleiche die großen "Säuberungen" in den dreißiger Jahren). Jeden dieser Gesetzesbrüche bereiten sie vor, indem sie das ursprüngliche Gesetz nur leicht verändern. Aus "Kein Tier soll ein anderes töten" wird so "Kein Tier soll ein anderes ohne Grund töten." Freilich bestimmen Napoleon und seine Kumpanen, was als Grund zu gelten hat.

Das groteskeste Beispiel gibt uns die Veränderung des letzten Gesetzes: Aus "Alle Tiere sind gleich" wird "Alle Tiere sind gleich - doch einige sind gleicher als andere".

Um diese Zusammenfassung kurz ausfallen zu lassen, sei hier nur gesagt, dass Orwell mit der Aussage schließt, am Ende sei kein Unterschied mehr zwischen den herrschenden Schweinen und den Menschen sichtbar geworden. Er gibt seinem Buch ein pessimistisches Ende und zeigt keine Lösungsmöglichkeiten auf. Eine ältere Zeichentrickverfilmung der "Farm der Tiere" gibt die düstere Prognose ab, eines Tages würden die Tiere die Schweine stürzen und sich die Menschen zurückholen.

Orwells Erzählung ist eine meisterhafte Metapher über die Degeneration der Sowjetunion, die an vielen Punkten an Trotzkis Analyse anknüpft. So wenn Schneeball (also Trotzki) nach der großen Schlacht darauf besteht, Tauben zu den benachbarten Farmen zu entsenden, um auch diese zur Revolution zu bewegen - Napoleon (Stalin) spricht sich dagegen aus. Dies entspricht der Art, wie Trotzki auf der Arbeit an der Weltrevolution beharrte, während Stalin sein Konzept vom "Sozialismus in einem Land" dagegen stellte.

Das hat allerdings nicht verhindert, dass "Die Farm der Tiere" vorwiegend in antikommunistischem Sinne - als Anklage nicht gegen den Stalinismus, sondern gegen den Sozialismus überhaupt - interpretiert wurde. An bundesdeutschen Schulen wurde das Buch, das auch im Original leicht zu lesen ist und sich somit sehr gut für den Englischunterricht eignet, über Jahrzehnte auf diese Weise behandelt.

Orwell selbst kann man dafür nicht verantwortlich machen. Er betrachtete sich als demokratischen Sozialisten und linken Gegner des Stalinismus. Er stand der britischen Independent Labour Party (ILP) nahe, beteiligte sich in den dreißiger Jahren in einer Brigade der POUM am spanischen Bürgerkrieg und verfasste mit Homage to Catalonia(Mein Katalonien) eine vernichtende Anklage gegen die Sabotage der spanischen Revolution durch den Stalinismus. Das brachte ihm nicht nur den Hass der Stalinisten selbst, sondern auch jener Intellektuellen ein, die in den dreißiger Jahren angezogen vom Stalinismus in die Volksfrontorganisationen strömten, um dann nach dem Zweiten Weltkrieg in Scharen ins Lager des Antikommunismus überzulaufen.

Als Orwell 1945 "Die Farm der Tiere" verfasste, war er allerdings selbst nicht frei von jener Enttäuschung und Erbitterung, die viele Intellektuelle zu dem Schluss führte, dass der Kommunismus wenn nicht direkt für den Stalinismus verantwortlich, so doch zwangsläufig zur Degeneration verurteilt war, dass linke Gegner des Stalinismus wie Trotzki also von vornherein auf verlorenem Posten kämpften. Von hier war es nur noch ein kurzer Schritt zur Folgerung, dass die bürgerliche Demokratie einer kommunistischen Gesellschaft vorzuziehen sei.

In Orwells Buch bleibt deshalb vieles offen und zweideutig. Welchen politischen Weg er schließlich eingeschlagen hätte, lässt sich nur vermuten, da er wenige Jahre nach der Veröffentlichung des Werks im Alter von 47 Jahren an Tuberkulose starb. Daraus lässt sich aber nicht das Recht ableiten, sein Werk in antikommunistischem Sinne zu verfälschen. Der TNT-Film geht in dieser Hinsicht leider noch weiter als alle bisherigen Interpretationen.

Technisch ist er durchaus bemerkenswert: Mit einem großen Aufwand an Computertechnologie gelang es, als Akteure quasi "echte" Tiere auftreten zu lassen. Dies verdient Respekt - scheint es doch in jeder Sekunde des Filmes, als würden hier tatsächlich sprechende Schweine, Pferde und Schafe agieren. Eine Verschiedenheit von Orwells Version stellt die Erzählperspektive dar: Während im Buch ein allwissender Erzähler spricht, wird im Film nun alles aus der Sicht einer einzelnen Hündin berichtet. Man mag über diese geringfügige Veränderung positiv oder negativ denken - freilich wird die Geschichte hierdurch leichter "verdaulich", doch mischt sich auch ein gehöriger Schuss Sentimentalität bei, den man lieber vermieden hätte.

Das Ende des Filmes weicht dann krass von der Buchvorlage ab: Die Hündin erzählt, wie eines Tages die Herrschaft der Schweine gestürzt worden sei, was ja auch durchaus der Realität der letzten zehn Jahre entspricht - die Stalinisten wurden überall halb davongejagt, halb dankten sie freiwillig ab.

Doch was nun folgt, ist verheerend: Neue Menschen haben die Herrschaft auf der Farm übernommen. Gezeigt wird eine fröhliche amerikanische Familie, die in einem Cabriolet durch das Tor der Farm fährt. Ein Vater, eine Mutter, zwei liebreizende Kinderchen (im Autoradio läuft eine seichte Version von "Blueberry Hill") - die perfekte Familie, die perfekten Besitzer. Was dem Betrachter hierdurch gesagt werden soll, liegt auf der Hand: Gottlob ist der Kommunismus vertrieben, gottlob sind wieder Marktwirtschaft und Menschenrechte eingekehrt. Die neuen Herrschenden als Garanten für Frieden, Freiheit und Wohlstand.

Ein Blick auf die Zustände in nahezu jedem der seit einigen Jahren wieder kapitalistisch regierten Länder Osteuropas lässt diese Version der Geschichte als blanken Unsinn erscheinen. Gerade Russland bietet heute ein Bild des Jammers: Armut, Krankheiten, Korruption, Kriegszustand. So sieht die nachstalinistische Realität aus.

Man kann den Film als hervorragendes Beispiel dafür ansehen, wie Kunst von den herrschenden Klassen instrumentalisiert, in eine bestimmte Richtung gebogen und damit in diesem Falle verfälscht wird. Es soll eine eindeutige politische Stellungnahme gegeben werden, ein Lob auf den Kapitalismus und seine Menschlichkeit (bzw. in diesem Falle seine Tierfreundlichkeit...) Was der Autor einer Geschichte hierzu gedacht hätte, interessiert hierbei ebenso wenig wie die Frage, ob die beabsichtigte Aussage mit der Realität übereinstimmt (was definitiv nicht der Fall ist).

Der Kapitalismus soll in den Köpfen der in ihm lebenden Menschen als einzig humane Gesellschaftsform verankert werden - gerade in einer Zeit, in der er sein lange gewahrtes menschliches Antlitz immer dreister fallen lässt (Krieg gegen Jugoslawien, Sozialabbau, Rechtswendung aller Parteien). Zu diesem Zweck muss man schon einmal beide Augen zudrücken, was historische Realität und künstlerische Intention anbelangt...

Ein erbärmliches Schauspiel.

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