Der Fall Martin Heidegger, Philosoph und Nazi

Die Bestandsaufnahme

Martin Heidegger (1889-1976) wird von vielen als einer der Titanen der Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert angesehen. Er erwarb sich internationalen Ruf mit dem Erscheinen von Sein und Zeit im Jahre 1927. Der junge Jürgen Habermas charakterisierte das Buch als "das bedeutendste philosophische Ereignis seit Hegels Phänomenologie..." [1]

Der Erfolg von Sein und Zeit war unmittelbar und sein Einfluss umfassend. Viele Strömungen der zeitgenössischen Philosophie in den letzten 70 Jahren wurden vom Werk Heideggers inspiriert und sind in einigen Fällen direkt aus ihm hervorgegangen. Unter ihnen können wir den Existentialismus, die Hermeneutik, den Postmodernismus und den Öko-Feminismus und zahlreiche Trends der Psychologie, Theologie und Literatur erwähnen. Seine Schriften beeinflussten so unterschiedliche Denker wie Herbert Marcuse, Jean-Paul Satre, Jaques Derrida, Paul Tillich und zahllose andere. Heideggers bemerkenswerte Laufbahn als Professor der Philosophie an der Universität Freiburg wurde von einem außergewöhnlichen Ereignis in seinem Leben verdorben. Nach Hitlers Machtübernahme im Jahre 1933 wurde aus Heidegger, dem Philosophen mit Weltruf, Heidegger der Nazi mit der Mitgliedsnummer 3125894 auf dem Parteiausweis.

Die Diskussion über Heideggers Verhältnis zum Nationalsozialismus ist in letzter Zeit über akademische Fachzeitschriften hinausgegangen und zum Thema in der populären Presse und den Massenmedien geworden. Im vergangenen Jahr strahlte die BBC eine Fernsehserie über drei Philosophen, die unsere Epoche stark beeinflusst haben, Nietzsche, Heidegger und Satre, aus. Die Folge über Heidegger kam nicht umhin, seine Unterstützung für den Nationalsozialismus zu diskutieren. Ende letzten Jahres veröffentlichte die New York Review of Books einen Artikel über die Beziehung zwischen Heidegger und seinen Kollegen Karl Jaspers und Hannah Arendt.

All diese öffentliche Aufmerksamkeit für das, was zuvor ein dunkles Kapitel im Leben eines sehr bekannten Philosophen war, hat eine Welle der Bestürzung verursacht. Zum Beispiel schrieb ein Zuschauer der BBC-Serie über sein Entsetzen, dass "die Tiefe seiner [Heideggers] Zusammenarbeit mit den Nazis erst in jüngster Zeit [...] herausgebracht wurde". Die lang anhaltende Kurzsichtigkeit im Fall von Heidegger kann direkt einer systematischen Verschleierung zugeschrieben werden, die von Heidegger selbst während und nach seiner Zeit als Nazi betrieben wurde und von seinen Schülern und Verteidigern bis heute fortgeführt wird. Bevor wir die Geschichte der Vertuschung untersuchen, die selbst ein langes und faszinierendes Kapitel in den Annalen der historischen Fälschung darstellt, werden wir uns zunächst mit den Tatsachen der Beziehung Heideggers zu den Nazis beschäftigen.

Die Tatsachen können seit der Veröffentlichung des Buches Heidegger und der Nationalsozialismus von Victor Farías im Jahre 1987 nicht länger ernsthaft bestritten werden. [2] Farías ist ein in Chile geborener Student Heideggers, der ein Jahrzehnt damit verbrachte, praktisch sämtliche relevante Dokumente in Bezug auf Heideggers Aktivitäten in den Jahren 1933 bis 1945 ausfindig zu machen. Viele dieser Dokumente wurden in den Archiven der ehemaligen DDR und im Documentation Center des früheren West-Berlins gefunden. Farías Buch stellt einen Meilenstein dar und seit seiner Veröffentlichung sind eine Reihe von Büchern und Artikeln erschienen, die die Fragen im Zusammenhang mit Heideggers Unterstützung für den Nationalsozialismus untersuchen. Eine ausgezeichnete Zusammenfassung des historischen Materials kann in einem Artikel aus dem Jahr 1988, Heidegger and the Nazis, gefunden werden. [3]

Heidegger wurde im schwäbischen Ort Messkirch geboren und wuchs dort auf. Die Region war ökonomisch rückständig, dominiert von kleinbäuerlicher Landwirtschaft und kleinen Fabriken. Die Politik der Region war erfüllt von einem volkstümlichen Katholizismus, der in enger Verbindung zum deutschen Nationalismus, Xenophobie und Antisemitismus stand. Moderne Kultur und die damit verbundenen Ideale des Liberalismus wie auch des Sozialismus wurden als Todsünden angesehen. Die Sozialdemokratische Partei und ihr wachsender Einfluss in ganz Deutschland wurde in dieser Region als "Hauptfeind im Inneren" betrachtet. In den nachfolgenden Jahrzehnten wurde diese Gegend zu einer der Bastionen der Unterstützung für den Nationalsozialismus.

Heideggers Familie entstammte der unteren Mittelklasse. Seine Mutter war bäuerlicher Herkunft und sein Vater Handwerker. Er war ein vielversprechender Schüler und erhielt ein Stipendium für den Besuch einer weiterführenden Schule in Konstanz. Dort besuchte er eine Schule, die auf das Noviziat vorbereitete. Die Schule war von der katholischen Kirche als Bastion der Konservatismus gegen den wachsenden Einfluss von Liberalismus und Protestantismus in der Region eingerichtet worden. Nichtsdestotrotz verschrieben sich einige säkulare Fakultäten der Schule demokratischen und fortschrittlichen Idealen. Ihre Vorlesungen waren unter den beliebtesten an der Schule. Wir wissen nicht genau, wie diese progressiven Ideen von dem jungen Heidegger aufgenommen wurden. Wir wissen, dass er in einer frühen und prägenden Periode bereits mit dem Wechselspiel der Ideen, die in diesem Teil Deutschlands um die Vorherrschaft kämpften, konfrontiert war. Wir wissen auch, dass Heidegger zu der Zeit als er seine Hochschulreife erhielt, den Ruf Priester zu werden zurückwies und sich für eine akademische Laufbahn entschied. Auch war er stark verwickelt in die Partei- und Kulturkämpfe seiner Zeit. Als er Anfang Zwanzig war, war er Anführer einer Studentenbewegung, die die Ideale des rechten katholischen Populismus vertrat.

Die reaktionären und xenophobischen Kräfte in der Region wurden infolge des Ersten Weltkriegs und der russischen Revolution gestärkt. Das Ergebnis des Krieges, festgeschrieben im Versailler Vertrag, bedeutete nicht nur eine erniedrigende Niederlage für die Nationalisten, sondern auch den Verlust von Gebieten an Frankreich. Die verlorenen Gebiete wurden zur Cause célèbre in rechten, nationalistischen Kreisen nach dem Krieg. Die russische Revolution auf der anderen Seite inspirierte die Arbeiterklasse in Deutschland, aber unter den größtenteils katholischen Bauern im ländlichen Süddeutschland verbreitete sie Angst und Schrecken. Ein Gefühl der Krise im welthistorischen Ausmaß bestimmte die Ideologie der rechts-nationalistischen Bewegung in dieser Zeit. Dieser Zeitgeist wurde von dem Philosophen Oswald Spengler, der wiederum von Friedrich Nietzsche beeinflusst war, zum Ausdruck gebracht. Wir wissen, dass Heidegger zu Beginn seiner Laufbahn Sympathien für den nationalistischen Standpunkt hegte. Es ist auch erwiesen, dass das Gefühl der Krise, das in diesem historischen Kontext auftrat, ein Thema wurde, das sich Heidegger als Philosoph in seiner gesamten Laufbahn bewahrte.

Dokumente belegen, dass Heidegger bereits 1932 Sympathie für die Nazis bekundete. Wenn man seine Vorgeschichte betrachtet, sollte einen dies nicht verwundern. Unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme trat Heidegger den Nationalsozialisten bei. Heidegger war ein Beitrag zahlendes Mitglied der NSDAP von 1933 bis 1945. Er wurde Rektor der Freiburger Universität im April 1933, drei Monate nachdem Hitler an die Macht gekommen war. Seine schändliche Antrittsrede hielt er am 27. Mai 1933. Heideggers Verteidiger haben behauptet, dass dieses Grußwort einen Versuch darstellte, die Autonomie der Universität zu behaupten gegen die Anstrengungen der Nazis, die Wissenschaft ihrer reaktionären Doktrin unterzuordnen.

Tatsächlich aber war die Rede ein Ruf zu den Waffen für die Studentenschaft und die Fakultät, um dem neuen nationalsozialistischen Regime zu dienen. Sie feierte den Aufstieg der Nazis als "den Marsch, den unser Volk in seine künftige Geschichte angetreten hat". Heidegger identifiziert die deutsche Nation mit dem nationalsozialistischen Staat in Worten von dem Volk, das sich selbst in "seinem" Staat weiß. Es gibt sogar einen Hinweis auf die faschistische Ideologie des zoologischen Determinismus, wenn Heidegger "die Macht der tiefsten Bewahrung seiner [des Volks] erd- und blutnahen Kräfte" beschwört. [4]

Am 30. Juni 1933 hielt Heidegger eine Rede vor der Heidelberger Studentenvereinigung, in der er seine Sicht auf die Rolle der Universität in der neuen nationalsozialistischen Ordnung darstellte. Der folgende Auszug wirft ein Schlaglicht auf Heideggers Bindung an die nationalsozialistischen Ideale von Blut, Rasse und absoluter Unterwürfigkeit gegenüber dem Führer.

Heidegger empfahl in seiner Rede, die Universitäten in die Volksgemeinschaft einzugliedern und mit dem Staat zu verbinden. Die Universitäten müssten dazu jedoch auf den Stil ihrer Forschung verzichten, dem jede Grenze aus dem Blick gerückt sei und der sich selbst betrüge mit der Vorspiegelung eines internationalen Fortschritts der Wissenschaft.

"Dagegen ist ein scharfer Kampf zu führen im nationalsozialistischen Geist, der nicht ersticken darf durch humanisierende, christliche Vorstellungen...

Von der Arbeit für den Staat kommt keine Gefahr, nur von Gleichgültigkeit und Widerstand. Deshalb soll nur die echte Kraft die Möglichkeit zum rechten Weg haben, aber keine Halbheit."

Das Studium müsse "wieder ein Wagnis werden, kein Schutz für die Feigen. Wer den Kampf nicht besteht, bleibt liegen. Der neue Mut muss sich zur Stetigkeit gewöhnen, denn der Kampf um die Erziehungsstätten der Führenden wird lange dauern. Er wird gekämpft aus den Kräften des neuen Reichs, das der Volkskanzler Hitler zur Wirklichkeit bringen wird. Ein hartes Geschlecht ohne den Gedanken an Eigenes muss ihn bestreiten, das aus ständiger Prüfung lebt und zu dem Ziel, dem es sich verschrieb. Der Kampf geht um die Gestalt des Lehrers und Führers an der Universität." [5]

Nach dem Krieg versuchte Heidegger ein entlastendes Bild von seiner Zeit als Rektor zu entwerfen und behauptete, dass er die Integrität der Universität verteidigt habe gegen die Versuche der Nazis, sie für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Sein Pech war, dass diese und andere Reden von ihm Beweisstücke darstellen, die sein angestrebtes Alibi zunichte machten.

Dokumente aus Heideggers Periode als Rektor markieren folgende Ereignisse:

Am 21. August 1933 setzte Heidegger das Führerprinzip in Freiburg durch. Dies bedeutete, dass der Rektor nicht mehr wie üblich von der Fakultät gewählt, sondern fortan vom nationalsozialistischen Erziehungsminister ernannt wurde. Mit dieser Stellung besaß der Führerrektor uneingeschränkte Autorität über das universitäre Leben. Am 1. Oktober 1933 erreichte er sein Ziel, als er offiziell zum Führer der Freiburger Universität ernannt wurde. Für Heidegger war dies ein Meilenstein in seinem Bestreben, der führende Philosoph des Naziregimes zu werden. Er stellte sich eine Beziehung vor, in der er der Hofphilosoph Hitlers wäre.

Am 4. September 1933, in Antwort auf einen Ruf der Universität München, schrieb er: "Ich bin noch nicht gebunden, nur das weiß ich, dass ich unter Zurückstellung alles Persönlichen mich für die Aufgabe entscheiden muss, durch deren Erfüllung ich dem Werk Adolf Hitlers am besten diene." [6]

Am 3. November 1933 erließ Heidegger in seiner Rolle als Führerrektor ein Dekret, das die Rassengesetze der Nazis auf die Studentenschaft der Universität anwandte. Der Kern des Erlasses bestand in der Gewährung von Vergünstigungen für Studenten, die der SS, der SA und anderen Wehrverbänden angehörten. Jüdischen oder marxistischen Studierenden und jedem, der nach den Gesetzen der Nazis als Nicht-Arier angesehen wurde, wurde finanzielle Hilfe verweigert. [7]

Am 13. Dezember 1933 bat Heidegger bei deutschen Akademikern um Spenden für die Herausgabe eines Buches mit Pro-Hitler-Reden, das weltweit vertrieben werden sollte. Am Ende des Briefes merkte er an: "Es bedarf keines besonderen Hinweises, dass Nichtarier auf dem Unterschriftenblatt nicht erscheinen sollen." [8]

Am 22. Dezember 1933 schrieb Heidegger dem badischen Kultusminister mit dem dringenden Anliegen, dass bei der Auswahl der Bewerber für eine Professur danach entschieden werden solle, welcher Kandidat dem nationalsozialistischem Regime und seiner Vorstellung von Erziehung am nächsten stände. [9]

Die Dokumente zeigen auch, dass Heidegger, während er öffentlich die Sache der Nazis lobpreiste, im Privaten daran arbeitete, die Karriere von Studenten und Kollegen zu zerstören, die jüdischer Herkunft waren oder ihm in ihren politischen Ansichten suspekt erschienen. Unter den erdrückenden Beweisen, die gefunden wurden, finden sich folgende Fälle:

Hermann Staudinger, ein Professor für Chemie in Freiburg, dem später, im Jahre 1953, der Nobelpreis verliehen wurde, wurde von Heidegger heimlich aufgrund seines Pazifismus im Ersten Weltkrieg denunziert. Diese Information wurde dem örtlichen Kultusminister am 10. Februar 1934 übermittelt. Staudinger wurde mit dem Verlust seiner Arbeit und seiner Pension konfrontiert. Einige Wochen später setzte Heidegger sich beim Minister für eine mildere Strafe ein. Diese Handlung war nicht durch ein schlechtes Gewissen oder plötzliches Mitleid motiviert, sondern einfach eine taktische Reaktion, da Heidegger fürchtete, dass die Entlassung eines sehr bekannten Akademikers international Aufmerksamkeit erregen könnte. Er schrieb dem Minister, dass seine Bitte, Staudinger nur in den Ruhestand zu versetzen, an seiner Einschätzung der Sache selbst nichts ändere; es gehe allein darum, neuerliche Komplikationen mit dem Ausland zu vermeiden. Das Ministerium zwang Staudinger, einen Antrag auf Entlassung zu unterschreiben. Dieser Antrag lag sechs Monate bei den Akten, bevor das Ministerium, da keine "neuerliche[n] Bedenken" aufgetaucht waren, Staudinger zugestand, seinen Antrag zurückzuziehen, und ihn wieder in seine Position einsetzte. [10]

Der Fall von Eduard Baumgarten bietet ein anderes Beispiel für den krassen Opportunismus und die Rachsucht, die von Heidegger an den Tag gelegt wurde. Baumgarten war ein Student der amerikanischen Philosophie, der an der Universität von Wisconsin in den 20-er Jahren Vorlesungen gehalten hatte. Er kehrte nach Deutschland zurück, um unter Heidegger zu studieren, und die zwei Männer schlossen eine enge Freundschaft. Im Jahr 1931 entbrannte allerdings ein persönlicher Streit unter ihnen, nachdem sich Heidegger gegen Baumgartens Werk über den amerikanischen Pragmatismus gewandt hatte. Baumgarten verließ Freiburg, um amerikanische Philosophie an der Universität von Göttingen zu unterrichten. Am 16. Dezember 1933 übernahm Heidegger einmal mehr die Rolle des Denunzianten und schrieb einen Brief an den Kopf der nationalsozialistischen Professoren in Göttingen, der wie folgt lautete: "Dr. Baumgarten kommt verwandtschaftlich und seiner geistigen Haltung nach aus dem liberal-demokratischen Heidelberger Intellektuellenkreis um Max Weber. Während seines hiesigen Aufenthalts [in Freiburg] war er alles andere als ein Nationalsozialist. Ich bin überrascht zu hören, dass er in Göttingen Privatdozent ist, denn ich kann mir nicht denken, aufgrund welcher wissenschaftlichen Leistungen er zur Habilitation zugelassen wurde. Nachdem Baumgarten bei mir gescheitert war, verkehrte er sehr lebhaft mit dem früher in Göttingen tätig gewesenen und nunmehr hier entlassenen Juden Fränkel." [11]

Dr. Vogel, der Empfänger dieses Briefes, beurteilte ihn als "hassgeladen, unbrauchbar" und weigerte sich, den Brief zu verwenden. Sein Nachfolger allerdings sandte ihn an den Minister für Erziehung in Berlin, der Baumgarten entließ und ihm empfahl, das Land zu verlassen. Baumgarten hatte das Glück, eine Kopie von dem Brief Heideggers durch einen sympathisierenden Sekretär zu erhalten. Nur aufgrund dieser Umstände existiert dieses Beweisstück heute noch. Es ist unmöglich abzuschätzen, wie viele andere vergiftete Briefe von Heidegger in dieser Zeit geschrieben wurden. Baumgarten bekam seine Arbeit zurück, nachdem er an die nationalsozialistischen Autoritäten appelliert hatte. Diese Tatsachen wurden im Zuge der Anhörungen zur Entnazifizierung im Jahre 1946 ans Licht gebracht.

Man könnte noch den Zwischenfall mit Max Müller erwähnen. Müller, der nach dem Krieg ein bekannter katholischer Intellektueller wurde, war einer von Heideggers besten Studenten in den Jahren 1928 bis 1933. Er war auch ein Gegner des Nationalsozialismus. Er hörte auf, Heideggers Vorlesungen zu besuchen, nachdem letzterer am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten war. Einige Monate später nutzte Heidegger seine Autorität als Führerrektor, um Müller von seiner Position als Studentenführer zu entfernen. Aber das war noch nicht das Ende der Geschichte. 1938 intervenierte Heidegger, obwohl er nicht mehr Rektor war, ein weiters Mal bei den Autoritäten, um zu verhindern, dass Müller einen Lehrauftrag in Freiburg bekam. Er schrieb an die Universitätsverwaltung, dass Müller gegenüber dem Regime "negativ eingestellt" sei. Dieser eine Satz bedeutete effektiv das Ende von Müllers akademischer Laufbahn. Müller wandte sich an Heidegger persönlich und bat ihn, den belastenden Satz aus seiner Empfehlung zu streichen. Heidegger spielte die Rolle des Pilatus, weigerte sich dies zu tun und belehrte Müller, indem er dessen Katholizismus ansprach: "Als Katholik müssten Sie wissen, dass man die Wahrheit sagen muss." [12]

Zuletzt gibt es den Fall vom Umgangs Heideggers mit seinem ehemaligen Lehrer Edmund Husserl. Husserl gründete die philosophische Schule der Phänomenologie und genoss einen internationalen Ruf, der dem Heideggers gleichkam. Husserl war außerdem Jude. Er fiel unter den Erlass der Rassengesetzen und ihm wurde verweigert, die Universitätsbibliothek in Freiburg zu benutzen. Bei der Umsetzung der Nazierlasse tat Heidegger nicht nur einfach seine Pflicht als nationalsozialistischer Führerrektor. Es gibt zahlreiche Beweise, die vermuten lassen, dass er begeistert eine Mission erfüllte, mit der er sich identifizierte. Nach dem Zeugnis der Witwe des Philosophen Ernst Cassirer war Heidegger persönlich ein Antisemit. In den letzten Jahren sind andere Beweise ans Licht gekommen, die vermuten lassen, dass Heideggers Antisemitismus nach dem Krieg nicht verschwand. Ein Augenzeuge, Rainer Marten, gab ein Gespräch mit Heidegger gegen Ende der 50-er Jahre wieder, in dem der berühmte Professor seine Besorgnis über die Erneuerung des jüdischen Einflusses in den philosophischen Abteilungen der deutschen Universitäten Ausdruck gab. [13]

Heideggers Verteidiger, zuletzt Rüdiger Safranski, haben versucht, ihn von jeder persönlichen Verantwortung für das Schicksal von Husserl freizusprechen. Sie stellen heraus, dass Heidegger niemals einen Erlass unterzeichnete, der spezifisch Husserls Zugang zur Universität beschränkte. [14] Aber diese in ihrer Konstruktion beschränkte Verteidigung entbindet Heidegger kaum von seiner Komplizenschaft als Durchführender der antijüdischen Erlasse der Nazis; Erlasse, von denen er wusste, dass sie vernichtende Folgen für frühere Freunde und Kollegen haben würden. Sie gibt ebenfalls keine mögliche Erklärung, die Heidegger befreien würde von der schändlichen Tat, dass er bei der Neuauflage seines Werkes Sein und Zeit im Jahre 1941 die Widmung an seinen Mentor Husserl entfernte.

Nach dem Krieg machte Heidegger viel aus der Tatsache, dass er von seinem Posten als Rektor nach dem 30. Juni 1934 zurücktrat. Dies fiel zusammen mit der berüchtigten "Nacht der langen Messer", ein von Kräften, die loyal gegenüber Hitler waren, veranstaltetes dreitägiges Blutbad, in dem Ernst Röhm und über einhundert seiner SA-Leute ermordet wurden. Heidegger bestand später darauf, dass er nach diesem Tag endgültig mit dem Nationalsozialismus gebrochen habe. Doch in einer Vorlesung über Metaphysik ein Jahr nach diesem Ereignis verwies Heidegger öffentlich auf die "innere Wahrheit und Größe" des Nationalsozialismus:

"Was heute vollends als Philosophie des Nationalsozialismus herumgeboten wird, aber mit der inneren Wahrheit und Größe dieser Bewegung (nämlich mit der Begegnung der planetarisch bestimmten Technik und des neuzeitlichen Menschen) nicht das Geringste zu tun hat, das macht seine Fischzüge in diesen trüben Gewässern der ‚Werte‘ und der ‚Ganzheiten‘."[15]

Es ist auch wahr, dass sich Heidegger von bestimmten Aspekten des Nationalsozialismus zu distanzieren begann. Farías argumentiert in seinem Buch überzeugend, dass Heidegger nach 1934 der existierenden Nazipartei eine idealisierte Version des Nationalsozialismus als Alternative gegenüberstellte. Nach Farías identifizierte Heidegger diesen utopischen Nationalsozialismus mit der unterlegenen Röhm-Fraktion. Die These von Heideggers Beziehung zu Röhm hat eine große Kontroverse hervorgerufen und konnte nie zufriedenstellend geklärt werden. Es ist allerdings eine unbestreitbare Tatsache, dass Heidegger an eine Form des Nationalsozialismus, "die innere Wahrheit dieser Bewegung", bis zu seinem Todestag glaubte.

Es gibt eine weitere biografische Tatsache, über die die Verteidiger Heideggers nicht hinweggehen können. Heidegger war sein Leben lang der Freund eines Mannes namens Eugen Fischer. Fischer war in den ersten Jahren der Naziherrschaft als führender Befürworter der Rassengesetze aktiv. Er war der Leiter des Instituts für Rassenhygiene in Berlin, das die Rassentheorien der Nazis propagierte. Einer der "Forscher" an seinem Institut war der berüchtigte Dr. Joseph Mengele. Fischer war einer der geistigen Väter der nationalsozialistischen "Endlösung". Heidegger bewahrte eine herzliche Beziehung zu Fischer zumindest bis ins Jahr 1960, in dem er Fischer ein Weihnachtsgeschenk mit Grüßen sandte. Es scheint nicht vermessen, anzunehmen, dass Heidegger aufgrund seiner persönlichen Beziehung zu Fischer zu einem sehr frühen Zeitpunkt von den Völkermordplänen der Nazis gewusst haben könnte. [16]

Die Bestandesaufnahme zeigt, dass Heidegger nach dem Krieg seine Unterstützung für die Nazis niemals öffentlich oder privat als Unrecht oder Schuld anerkannt hat. Und dies obwohl er von ehemaligen Freunden, darunter Karl Jaspers und Herbert Marcuse, gedrängt wurde, sich nun, nachdem er sicher war, gegen die vielen vom Naziregime begangenen Verbrechen auszusprechen. Heidegger tat dies nie. In einem Vortrag vom 1.Dezember 1949 verwies er allerdings flüchtig auf den Holocaust. Er sagte:

"Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern, das Selbe wie die Blockade und Aushungerung von Ländern, das Selbe wie die Fabrikation von Wasserstoffbomben." [17]

Indem er die Probleme der mechanisierten Landwirtschaft mit dem Holocaust gleichsetzte und dabei den letzteren bagatellisierte, demonstrierte Heidegger seine Verachtung für die jüdischen Opfer der Nazis. Wir kommen auf dieses Thema später zurück, wenn wir Heideggers Philosophie untersuchen.

Nach dem Krieg entschloss sich Heidegger in erster Linie Schweigen zu bewahren über seine Aktivitäten zugunsten der Nazis. Die wenigen Gelegenheiten, bei denen Heidegger eine öffentliche Stellungnahme wagte, waren bemerkenswert. Der erste Fall, in dem er überhaupt eine Einschätzung dieser Periode abgab, war ein eigennütziges Dokument, das er für die Entnazifizierungskommission geschrieben hatte. Wir werden dies im kommenden Teil der Artikelserie kommentieren. Die wichtigste Stellungnahme Heideggers in der Nachkriegszeit zu seinen politischen Aktivitäten in der Vorkriegszeit war ein Interview mit dem Magazin Der Spiegel aus dem Jahre 1966. Weil Heidegger darauf bestand, wurde das Interview erst nach seinem Tod 1976 veröffentlicht. Ein großer Teil der Diskussion dreht sich um die Frage der Technologie und die Bedrohung, die eine unbeschränkte Technologie für den Menschen darstellt. An einem Punkt sagt Heidegger:

"Es ist für mich heute eine entscheidende Frage, wie dem heutigen technischen Zeitalter überhaupt ein - und welches - politisches System zugeordnet werden kann. Auf diese Frage weiß ich keine Antwort. Ich bin nicht überzeugt, dass es die Demokratie ist." [18]

Nachdem er eine ahistorische Vorstellung von der Technologie als absoluter Fluch für die Existenz der Menschheit entwickelt hat, erklärt Heidegger dann, wie er die nationalsozialistische Lösung dieses Problems begreift:

"[I]ch sehe gerade die Aufgabe des Denkens darin, in seinen Grenzen mitzuhelfen, dass der Mensch überhaupt erst ein zureichendes Verhältnis zum Wesen der Technik erlangt. Der Nationalsozialismus ist zwar in die Richtung gegangen; diese Leute aber waren viel zu unbedarft im Denken, um ein wirklich explizites Verhältnis zu dem zu gewinnen, was heute geschieht und seit drei Jahrhunderten unterwegs ist." [19]

Es kann nicht bestritten werden, dass Heidegger zum Zeitpunkt seines Todes den Nationalsozialismus als eine politische Bewegung ansah, die in die richtige Richtung gegangen war. Wenn sie versagt hatte, dann weil seine Führer nicht radikal genug über das Wesen der Technologie dachten.

Die Vertuschung

Nachdem wir bereits die einschlägigen Fakten in Bezug auf die Laufbahn des deutschen Philosophen Martin Heidegger betrachtet haben, wenden wir uns nun den Mythen und Ausreden zu, auf denen sein Ruf nach dem Krieg aufbaute. Die offizielle Version der Geschichte, die von Heidegger und seinen Unterstützern vorgetragen wurde, besagt, dass seine Zuwendung zu den Nazis im Jahre 1933 ein jugendlicher Fehler gewesen sei, ein kurzer Flirt eines Akademikers, der in Fragen der Politik und weltlichen Angelegenheiten unbedarft war. Die Geschichte fährt fort, dass innerhalb weniger Monate der junge Philosoph seinen Fehler bemerkte, von seinem Posten als Rektor der Freiburger Universität zurücktrat und fortan jede Teilnahme an Aktivitäten der Nationalsozialisten verweigerte. Weiterhin besagt die Legende, dass Heidegger sogar in seiner Zeit als Rektor versuchte, die Integrität der Universität vor den schlimmsten Verbrechen der Nazis zu beschützen und sich persönlich bei den nationalsozialistischen Autoritäten zugunsten von jüdischen Studenten und Kollegen einsetze.

Schließlich, selbst wenn man von dieser Darstellung der Ereignisse nicht überzeugt ist, besteht laut den Verteidigern Heidegger der einzige Vorwurf, der gegen ihn erhoben werden kann, darin, dass Heidegger als Mensch an Charakterschwäche litt. Heideggers persönliches Versagen sei allerdings gänzlich getrennt von seiner Philosophie zu betrachten, welche "nach ihren eigenen Verdiensten" beurteilt werden müsse. Dies bedeutet konkret, dass jede Einschätzung von Heideggers Philosophie, die diese mit seiner Unterstützung für den Nationalsozialismus in Verbindung bringt, von seinen Verteidigern für unzulässig gehalten wird. Diese Sichtweise läuft außerdem darauf hinaus, dass es nichts in Heideggers Philosophie aus der Zeit vor der Herrschaft der Nazis, insbesondere in seinem Werk Sein und Zeit(1927), gibt, das irgendeine Wesensverwandtschaft zu den Ideen des Nationalsozialismus beinhaltet. In ähnlicher Weise wurde die spätere Kehre in Heideggers Philosophie als ausschließlich innere Reaktion interpretiert, die nicht mit Politik und den Problemen bei der ursprünglichen Formulierung seiner Gedanken verbunden gewesen sei.

Dies ist ein vielschichtiger Versuch der Schadensbegrenzung. Man kann die Verschleierung als Festung betrachten, auf deren Mauern Heideggers Unterstützer kämpfend stehen und das Hineinschlagen einer Bresche zu verhindern versuchen. Sollte die Fassade, die Geschichte von Heideggers jugendlicher Unüberlegtheit, bröckeln, ist noch nicht alles verloren. Der innere Ring, Heideggers Handlungen als Rektor im Widerstand gegen die Nazis, steht noch. Selbst wenn diese Verteidigungslinie fällt und die Unterstützer gezwungen sind, die Schwächen Heideggers als Menschen zuzugeben, steht immer noch die letzte Verteidigungslinie, die sogenannte Autonomie von Heideggers Philosophie. Indem er ein beeindruckendes Aufgebot an Intellektuellen zu seiner Verteidigung aufstellte, darunter viele Zeugnisse von einwandfreien Antifaschisten, erreichte es Heidegger, seinen Ruf bis in die Mitte der 80-er Jahre relativ intakt zu halten.

Man kann den Beginn der Kampagne zur Rettung von Heideggers Ruf vom Urteil der Nachwelt bis zu den Anstrengungen Heideggers selbst zurückverfolgen. Die Konturen der Legende vom politisch naiven Akademiker sind bereits in dem biografischen Essay, dass Heidegger 1945 dem Entnazifizierungskomitee überreichte, angedeutet. Hier schrieb er:

"Im April 1933 wurde ich in einer Plenarsitzung der Universität einstimmig zum Rektor gewählt (bei zwei Enthaltungen) und nicht, wie ein Gerücht besagt, vom nationalsozialistischen Minister ernannt. [Die Ernennung folgte später, als Heidegger zum Führer der Universität gemacht wurde, was er nicht erwähnt. A.S.] Es war das Ergebnis des Drucks aus meinem Kollegenkreis [...], dass ich einwilligte, Kandidat in dieser Wahl zu werden, und mich einverstanden erklärte, Folge zu leisten. Zuvor hatte ich ein akademisches Amt weder angestrebt noch innegehabt. Ich gehörte niemals einer politischen Partei an [Dies ist nicht wirklich die ganze Wahrheit, denn wie wir wissen, war er in den frühen 20-er Jahren Vorsitzender der rechts-katholischen Jugendbewegung. A.S.], noch unterhielt ich eine Beziehung, weder persönlich noch beruflich, mit der NSDAP oder mit Regierungsbehörden. Ich übernahm das Rektorat widerwillig und allein im Interesse der Universität an." [20]

Nachdem er das Bild seiner widerwilligen Berufung zum Rektor gezeichnet hat, fährt er damit fort zu beschreiben, wie der Autor der NSDAP beigetreten ist - beinahe als nachträgliche Handlung, um die Beziehungen der Universität zu den Behörden zu erleichtern.

"Kurze Zeit nachdem ich das Rektorat übernommen hatte, stellte sich mir der Kreisvorsitzende vor in Begleitung von zwei Funktionären, die für Belange der Universität zuständig waren, und bedrängte mich, in Übereinstimmung mit den Wünschen des Ministers, der Partei beizutreten. Der Minister bestand darauf, dass auf diesem Weg meine offiziellen Beziehungen zur Partei und den Regierungsorganen vereinfacht würden, besonders deswegen, weil ich bislang keinen Kontakt mit diesen Organen hatte. Nach langen Überlegungen erklärte ich mich bereit, im Interesse der Universität der Partei beizutreten, allerdings unter der ausdrücklichen Bedingung, dass ich jede Position innerhalb der Partei oder Arbeit zugunsten der Partei ablehnen würde, und dies sowohl während als auch nach dem Rektorat." [21] [Er erklärt hier nicht, warum, wenn seine Parteimitgliedschaft ausschließlich der Erleichterung seiner Arbeit als Rektor geschuldet war, er sie jährlich erneuerte - bis 1945, also lange nachdem seine Pflichten als Rektor geendet waren. A.S.]

Schließlich präsentiert er Beweise für seinen Opposition gegen den Nationalsozialismus nach seinem Rücktritt vom Posten des Rektors im Jahre 1934.

"Nach meinem Rücktritt vom Rektorat wurde klar, dass, wenn ich weiter lehren würde, meine Opposition zu den Prinzipien der nationalsozialistischen Weltsicht nur wachsen würde. [...] Da die nationalsozialistische Ideologie zunehmend unbeweglich wurde und einer reinen philosophischen Interpretation immer weniger wohlgesinnt war [Mit der "reinen philosophischen Interpretation" möchte Heidegger offensichtlich dem Leser andeuten, warum er sich anfänglich zum Nationalsozialismus hingezogen fühlte, der aber unglücklicherweise 1934 seinen metaphysischen Glanz verlor. A.S.], ist die Tatsache, dass ich als Philosoph tätig war an sich ein ausreichender Ausdruck der Opposition. [...]

Ich zeigte auch öffentlich meine Einstellung zur Partei, indem ich an ihren Versammlungen nicht teilnahm, ihre Insignien nicht trug und, ab 1934, mich weigerte, meine Kurse und Vorlesungen mit dem sogenannten deutschen Gruß [Heil Hitler] zu beginnen. [Wir wissen aus den Dokumenten, die bei Farías veröffentlicht sind, dass die letzte Behauptung eine offenkundige Lüge ist. A.S.] [...]

Es war nichts besonderes an meinem geistigen Widerstand während der vergangenen elf Jahre." [22]

Indem er sich präsentiert als jemand, der unbeabsichtigt und für eine kurze Phase in eine Form von "philosophischem" Nationalsozialismus verwickelt war, die sich später in eine Form des "geistigen Widerstands" umwandelte, versuchte Heidegger eine Mauer um seine philosophischen Ansichten zu errichten. Die Methoden, die er auf den größten Teil seiner Aktivitäten vor und nach 1933 anwandte, waren Schweigen, Ausreden, Halbwahrheiten und glatte Lügen.

In Heideggers Philosophie bedeutet die Kategorie des "Schweigens" nicht einfach die Abwesenheit von Sprache, sondern stellt selbst eine aktive Form des In-der-Welt-seins dar. Desgleichen bedeutete "Schweigen" in seiner Praxis die aktive Unterdrückung von Zeugnissen über seine Jahre im Nationalsozialismus. Ein Großteil der Korrespondenz Heideggers und andere persönliche Dokumente wurden Akademikern über Jahrzehnte hinweg vorenthalten. Diese Dokumente werden von der Familie Heidegger und sympathisierenden Wissenschaftlern unter Verschluss gehalten. Weiterhin war die akademische Gemeinschaft in den unmittelbaren Nachkriegsjahren nicht willens, irgend etwas in Bezug auf Heideggers Unterstützung für den Nationalsozialismus zu publizieren. Guido Schneeberger, der als Wissenschaftler zu einem frühen Zeitpunkt die erste Forschung zu diesem Bereich unternahm, erlebte, dass er für sein Buch nirgendwo einen Herausgeber finden konnte. Schließlich veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Forschung selbst im Jahre 1962.

Heidegger hat auch vor einer völligen Fälschung seiner eigenen Geschichte nicht zurückgeschreckt. Ein gut dokumentiertes Beispiel hierfür ist die Neuauflage seiner Vorlesungen über Metaphysik aus dem Jahre 1935. Die Ausgabe von 1953 beinhaltet die berüchtigte Beschreibung der "inneren Wahrheit" des Nationalsozialismus. Der vollständige Satz lautet in der Ausgabe von 1953 folgendermaßen:

"Was heute als vollends als Philosophie des Nationalsozialismus herumgeboten wird, aber mit der inneren Wahrheit und Größe dieser Bewegung (nämlich mit der Begegnung der planetarisch bestimmten Technik und des neuzeitlichen Menschen) nicht das Geringste zu tun hat, das macht seine Fischzüge in diesen trüben Gewässern der ‚Werte‘ und der ‚Ganzheiten‘." [23]

Die Veröffentlichung dieses Aufsatzes sorgte in Deutschland für ein wenig Bestürzung. Einige fragten, warum Heidegger sich entschloss, den Aufsatz in dieser exakten Form zur Neuveröffentlichung freizugeben. Er antwortete, dass es ihm ein leichtes gewesen wäre, den Text zu ändern, er dies aber nicht wolle, da der Satz historisch zu der Vorlesung gehöre. [24]

Wir wissen inzwischen, dass Heidegger allerdings Änderungen am Text von 1935 vornahm als er ihn für die Neuauflage vorbereitete. Zum einen ist statt von einer eher allgemeinen "inneren Wahrheit und Größe der Bewegung" im Originaltext von der "inneren Wahrheit und Größe des Nationalsozialismus" die Rede. Als ein Assistent, der ihm bei der Drucklegung half, diesen Satz ohne jede kommentierende Fußnote bemerkte, riet er ihm, ihn zu entfernen. Heidegger erwiderte, dass er das nicht machen würde. Nichtsdestotrotz änderte Heidegger den Text wenige Wochen später, ohne es dem Assistenten zu sagen. Er entfernte den direkten Verweis auf den "Nationalsozialismus" und ersetzte den Bergriff durch den allgemeineren Ausdruck "diese Bewegung". Er fügte auch die Erklärung über Technologie in Klammern hinzu. Heidegger blieb bis zu seinem Tod bei der Darstellung, dass er niemals den Text seiner Vorlesung geändert habe. Er wiederholte dies in seinem Interview mit dem Spiegel im Jahr 1966. Bei einem späteren Versuch, die Auseinandersetzung um diese Frage endgültig beizulegen, wurde eine Suche nach dem Originalmanuskript von 1935 unternommen. Die Seite mit dem umstrittenen Satz fehlte. [25]

Die gleiche Methode - Unterdrückung von Dokumenten, Ausreden und Fälschungen - wurde von der großen Schar der Anhänger und Verteidiger Heideggers angewandt. Sie waren, bis zum Erscheinen von Farías epochalem Buch, vor allem darin erfolgreich, jegliche kritische Untersuchung von Heideggers Ideen und ihrer Verbindung zu seinen politischen Ansichten zu verhindern. Ein ironisches Kapitel in diesem Unterfangen wurde von dem Theoretiker der Dekonstruktion Paul De Man beigesteuert. De Man trug viel dazu bei, Heidegger in den 60-er Jahren in Kreisen der amerikanischen Intelligenz bekanntzumachen. In den späten 80-er Jahren wurde posthum bekannt, dass De Man nicht ganz saubere Hände hatte. Er war ein Nazikollaborateur im besetzten Belgien während des Zweiten Weltkriegs und hatte in dieser Eigenschaft einige antisemitischen Artikel für eine von den Nationalsozialisten finanzierte Literaturzeitschrift geschrieben. Nachdem Essays über De Mans Verhalten im Krieg veröffentlicht waren, folgte darauf eine lebhafte Kontroverse über die Beziehung zwischen De Mans Kriegsaktivitäten und seinen nachfolgenden Ideen zur Dekonstruktion. [26]

Ein noch üblerer Verfechter Heideggers war der französische Übersetzer Jean Beaufret. Beaufret, ein ehemaliger Kämpfer der Resistance, veröffentlichte vor seinem Tod 1982 mehrere Bände seiner Korrespondenz mit Heidegger. Über 35 Jahre lang war er der beständigste Verteidiger Heideggers in Frankreich. Die Tatsache, dass er ein Kämpfer in der französischen Widerstandsbewegung war, verlieh seiner Verteidigung eines ehemaligen Nazis Gewicht. Allerdings sieht es so aus, als sei auch Beaufret nicht gerade lupenrein. Für einige Zeit war er ein heimlicher Sympathisant des berüchtigten Holocaust-Leugners Robert Faurisson. Beaufret leugnete wie Faurisson die Existenz des Holocausts und speziell der Gaskammern. In einem Brief an Faurisson wird Beaufret folgendermaßen zitiert:

"Ich glaube, dass ich für meinen Teil annähernd den selben Weg wie Sie gegangen bin und als verdächtig angesehen wurde, weil ich dieselben Zweifel äußerte [in Bezug auf die Existenz von Gaskammern]. Ich hatte Glück, dass ich dies mündlich tat." [27]

Beaufrets Glaubwürdigkeit wurde nie in Frage gestellt bis Faurisson seine Briefe in den 80-er Jahren veröffentlichte.

Im Rahmen ihrer Public-Relations-Kampagne waren Heidegger und seine Anhänger besonders versessen darauf, Zeugnisse von deutsch-jüdischen Philosophen, die selbst unter den Nazis gelitten hatten, heranzuziehen. Zu diesem Zweck wurde die bekannte Philosophin und deutsche Emigrantin Hannah Arendt gebeten, ein Essay für eine Anthologie zu Ehren Heideggers anläßlich seines 80. Geburtstages zu schreiben. Arendts Essay "Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt" enthält die folgende verborgene Anspielung auf Heideggers politische Aktivitäten:

"Nun wissen wir alle, dass auch Heidegger einmal der Versuchung nachgegeben hat, seinen ‚Wohnsitz‘ zu ändern und sich in die Welt der menschlichen Angelegenheiten ‚einzuschalten‘ - wie man damals so sagte. Und was die Welt betrifft, so ist sie ihm noch um einiges schlechter bekommen als Plato, weil der Tyrann und seine Opfer sich nicht jenseits des Meeres, sondern im eigenen Lande befanden. [Dies ist ein Verweis auf den Aufenthalt Platos in Syrakus. Er hoffte, den Tyrannen von Syrakus, Dionysos, beraten zu können. Nach diesem relativ kurzen Versuch, die Herrschaft Dionysos mit einer Prise Weisheit zu mildern, kehrte Plato nach Athen zurück und schloss, dass sein Versuch, seine Theorien in die Praxis umzusetzen, gescheitert war. A.S.] Was ihn selbst anbelangt, so steht es, meine ich, anders. Er war noch jung genug, um aus dem Schock des Zusammenpralls, der ihn nach zehn kurzen hektischen Monaten vor 35 Jahren auf seinen angestammten Wohnsitz zurücktrieb, zu lernen und das Erfahrene in seinem Denken anzusiedeln.

Wir, die wir den Denker ehren wollen, wenn auch unser Wohnsitz mitten in der Welt liegt, können schwerlich umhin, es auffallend und vielleicht ärgerlich zu finden, dass Plato wie Heidegger, als sie sich auf die menschlichen Angelegenheiten einließen, ihre Zuflucht zu Tyrannen und Führern nahmen. Dies dürfte nicht nur den jeweiligen Zeitumständen und noch weniger einem vorgeformten Charakter, sondern eher dem geschuldet sein, was die Franzosen eine déformation professionelle nennen. Denn die Neigung zum Tyrannischen lässt sich theoretisch bei fast allen großen Denkern nachweisen (Kant ist die große Ausnahme). Und wenn diese Neigung in dem, was sie taten, nicht nachweisbar ist, so nur, weil sehr Wenige selbst unter ihnen über ‚das Vermögen, vor dem Einfachen zu erstaunen‘, hinaus bereit waren, ‚dieses Erstaunen als Wohnsitz anzunehmen‘." [28]

Nach dem Zeugnis, das Arendt ihm ausstellt, ergab sich Heideggers verhängnisvoller Fehler weder aus den Umständen, in denen er lebte, noch aus seinem Charakter und fand sicherlich keinen Widerhall in seinen Ideen. Die Tatsache, dass Heidegger ein Nazi wurde, von ihr euphemistisch als "Versuchung [...], seinen ‚Wohnsitz‘ zu ändern und sich in die Welt der menschlichen Angelegenheiten ‚einzuschalten‘" beschrieben, könne ausschließlich dem Berufsrisiko eines Philosophen zugeschrieben werden. Und wenn andere Philosophen Heidegger auf diesem Weg nicht folgten, so deshalb, weil sie das Denken nicht so ernst wie Heidegger nahmen. Sie waren nicht bereit "dieses Erstaunen als ihren Wohnsitz anzunehmen".

Arendts Text ist bemerkenswert wegen seiner völligen Unverschämtheit. Sie schafft es, Heidegger zum Opfer zu machen, das der Größe seiner Gedanken anheimfiel. Wenn sie sagt, es wäre "ihm noch um einiges schlechter bekommen als Plato", so impliziert sie damit, dass er von Kräften, die er nicht beherrschen konnte, herumgeschleudert wurde, dass er keine Verantwortung für seine eigenen Handlungen trägt. Als ob sie die Absurdität ihrer Position erkennen würde, nimmt Arendt das Argument aus dem Textkörper und setzt es in eine lange kommentierende Fußnote. In dieser Fußnote steigt sie herunter von der hochfliegenden Rhetorik ihres Nachsinnens über Plato zu den konkreten Fragen im Umfeld der Affäre Heidegger. Sie kehrt zurück zu dem Thema von Heideggers ursprünglicher Unschuld und politischer Naivität und beklagt, dass Heidegger wie so viele andere deutsche Intellektuelle seiner Generation nie Hitlers Mein Kampf gelesen hätte. [29]

Tatsächlich gibt es guten Grund zu der Annahme, das Heidegger nicht nur Hitlers Opus Mein Kampf gelesen hatte, sondern es auch guthieß. Tom Rockmore hat überzeugend argumentiert, dass in seiner Antrittsrede als Rektor in Freiburg, Heideggers "vielfältige Anspielungen auf den Kampf auch beabsichtigt waren als klare Anspielungen auf Hitlers berüchtigte Sicht auf den Kampf für die Verwirklichung des Schicksals des deutschen Volkes, die er in Mein Kampf formuliert hatte." [30]

Weiter unten in ihrer Fußnote versucht Arendt das Blatt gegen Heideggers Kritiker zu wenden, indem sie die von Heidegger selbst erschaffene Legende von seinem wiedergutmachenden Verhalten nach seinem "Irrtum" auftischt.

"Heidegger korrigierte seinen eigenen ‚Irrtum‘ schneller und gründlicher als viele von denen, die später über ihn zu Gericht saßen - er ging ein erheblich größeres Risiko ein als es während dieser Zeit im literarischen und universitären Leben in Deutschland üblich war." [31]

Auch im Jahre 1971 wusste Hannah Arendt mehr, oder sie hätte mehr wissen sollen, als das Märchen, das sie in dieser peinlichen Verteidigungsschrift erzählt. Sie wusste zum Beispiel sicherlich von der 1953-er Neuauflage von Heideggers Essay über die "innere Wahrheit des Nationalsozialismus". Durch ihre Freundschaft mit Karl Jaspers hatte sie Kenntnis von dem erbärmlichen Verhalten, dass Heidegger gegenüber Jaspers und seiner jüdischen Frau an den Tag legte. (Heidegger brach, kurz nachdem er Rektor geworden war, alle persönlichen Beziehungen zu Jaspers und seiner Frau ab. Erst nach dem Krieg versuchte Heidegger, ihre persönliche Beziehung wiederherzustellen. Trotz eines periodischen Briefwechsels konnten die zwei Philosophen ihre persönliche Beziehung nicht reparieren aufgrund der Weigerung Heideggers, seine Unterstützung für den Nationalsozialismus zu widerrufen.)

Der Hinweis auf ein "erheblich größeres Risiko", das er einging, ist, wie Heideggers "geistiger Widerstand" gegen den Nationalsozialismus, ein Echo auf Heideggers eigene Erfindungen nach dem Krieg. Aber warum setzte sich Hannah Arendt, eine bekannte liberale Gegnerin des Faschismus, mit solchen Feuereifer dafür ein, Heideggers Ruf wiederherzustellen? Man kann nur Vermutungen anstellen. Vielleicht kam ein Element von Loyalität zu ihrem ehemaligen Lehrer zur Geltung, eine Loyalität, die durch Arendts Verfolgung durch die Nazis und ihre Jahre im Exil zwar strapaziert worden war, aber noch vorhanden war. (Arendt saß unter nationalsozialistischer Herrschaft zunächst eine Zeit lang im Gefängnis. Später, nach Kriegsausbruch, war sie im besetzten Frankreich gefangen, von wo aus ihr eine waghalsige Flucht gelang.) Die nachsichtigste Interpretation ihrer grotesken Verteidigung Heideggers ist, dass sie sich von einer Wahrheit, die sie nicht ertragen konnte, abwandte.

Als Farías Buch auf den Markt kam, hatte es eine elektrisierende Wirkung auf Heideggers Anhänger in Frankreich. Nach der Veröffentlichung seines Werkes Heidegger und der Nationalsozialismus im Oktober 1987 erschienen in den darauffolgenden neun Monaten nicht weniger als sechs Studien über Heidegger und seine Unterstützung für die Nazis. Dies war nicht überraschend. Schließlich war es Frankreich, wo Heideggers Einfluss in der Nachkriegszeit seine tiefsten Wurzel schlug. Heideggers Einfluss in Frankreich erstreckt sich vom Existentialismus Satres in der frühen Nachkriegszeit bis zu den jüngeren Wellen des Strukturalismus, Poststrukturalismus, und der Dekonstruktion in Verbindung mit Claude Lévi-Strauss, Michel Foucault und Jacques Derrida. Die Postmodernisten Jean-François Lyotard und Jean Baudrillard traten mit ihrer eigenen Interpretation der Beziehung Heideggers zum Nationalsozialismus hervor.

Man könnte zusammenfassend sagen, dass sich die Reaktionen auf Farías Buch in drei größere Kategorien einteilen lassen. Die erste ist die bedingungslose Verteidigung Heideggers durch seine orthodoxesten Gralshüter. Diese Gruppe wird durch François Fedier repräsentiert, der seit dem Tod seines Lehrers Beaufret der beständigste Verteidiger Heideggers in Frankreich gewesen ist. Fedier leugnet weiterhin, dass Heidegger jemals dem Nationalsozialismus nahe stand, und geht über die Rektoratszeit als jugendlichen Flirt ohne Auswirkung auf Heideggers Denken hinweg. Neben dem umfangreichen Material in Farías Buch und anderen nachfolgenden Veröffentlichungen genießt Fediers Antwort kaum Glaubwürdigkeit, außer bei den glühendsten Verfechtern des Heideggerkults.

Der zweite Typ von Antwort wird von Derrida und seinen Anhängern repräsentiert und erkennt im allgemeinen an, dass es insofern ein Problem mit Heideggers Philosophie gibt, als sie ihm in ihrer Konsequenz erlaubte, Nazi zu werden. Aber dann versucht Derrida, das Blatt gegen Farías zu wenden, indem er darauf besteht, dass der letzte Grund für Heideggers Zuwendung zum Nationalsozialismus die Tatsache war, dass sich Heidegger im Jahre 1933 noch nicht ausreichend von der prä-heideggerianischen Art des Denkens, insbesondere vom Rationalismus und Humanismus, emanzipiert hatte. Nach Derridas gequälter Logik wurde Heideggers Philosophie, nachdem er sich einmal von der "Metaphysik" befreit hatte infolge seiner "Kehre" nach 1935, zur besten Form des Antifaschismus.

Dieser perverse Standpunkt wurde passend zusammengefasst von einem Studenten Derridas, Lacoue-Labarthe, der sagte: "Nationalsozialismus ist ein Humanismus". Hiermit meinte er, dass die philosophischen Grundlagen, auf denen die aufklärerische Tradition des Humanismus aufbaute, in ihrer Konsequenz zur der Beherrschung der Menschheit im Dienste eines allumfassenden Universaltotalitarismus führten. Ein solches Denken ist zum Gemeingut bei Derrida, Lacoue-Labarthe und ihren Anhängern geworden. Die Vorstellung, dass der Nationalsozialismus nur ein anderer Ausdruck des aufklärerischen Universalismus ist, wurde in jüngster Zeit von den Amerikanern Alan Milchman und Alan Rosenberg vertreten. Sie schreiben: "Dieses Prinzip der hinreichenden Vernunft, die Grundlage des kalkulativen Denkens, kann in ihrer totalisierenden und imperialistischen Form als metaphysische Untermauerung, die den Holocaust möglich machte, betrachtet werden." [32]

Auf dieser Prämisse baut Lacoue-Labarthe eine raffinierte Verteidigung Heideggers auf. Anders als die orthodoxen Heideggerianer räumt er ein, dass Heideggers Gedanken mit seiner Unterstützung für den Nationalsozialismus übereinstimmten. Allerdings versucht Lacoue-Labarthe Heidegger zu retten indem er behauptet, dass der Heidegger nach 1935, der die Metaphysik und den Humanismus überwunden hatte, frei sei von jedem nationalsozialistischem Makel. Diese bizarre Argumentation wird dann zu ihrem logischen Ende geführt von anderen Dekonstruktionisten, die darauf bestehen, dass nicht nur der zweite Beginn Heideggers frei ist von faschistischen Zügen, sondern dass sein Werk es zum ersten Mal für uns möglich machen würde "den Holocaust zu denken". Damit der Leser nicht denkt, dies sei eine polemische Spitze, wollen wir den Worten von Milchman und Rosenberg lauschen:

"Während Facetten des Denkens Heideggers Einblick in die Erfahrung der Vernichtung gewähren können, es uns ermöglichen Auschwitz zu denken, kann der Holocaust uns auch helfen, die Undurchlässigkeit des späteren Denkens Heideggers zu durchdringen." [33]

Auf der anderen Seite wurden die Ankläger Heideggers in den Chroniken der Dekonstruktionisten als "Anhänger des Totalitarismus" tituliert. Einmal mehr wurde Heidegger, wie wir es schon bei Arendt gesehen haben, als Opfer von kleingeistigen und neidischen Feinden dargestellt. Vom anderen Ufer des Rheins griff der langjährige Ausleger von Heideggers Schriften Hans-Georg Gadamer in die französische Debatte ein. Mit einem merkwürdigen Echo auf Arendts Essay "Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt" kehrt Gadamer zurück zu dem Bild eines wohlmeinenden aber naiven Denkers, der sich von seinem Versuch, den Prinzen von Syrakus zu erziehen, zurückzog. [34]

Im Gegensatz zu dem philosophischen Obskurantismus, der von Derrida und Lacoue-Labarthe praktiziert wird, erhoben sich einige Stimmen in der französischen Diskussion, die das Problem, das Heideggers lebenslange Beziehung zum Faschismus darstellt, klar anerkannten. Am bekanntesten unter ihnen ist Pierre Bourdieu, der eine umfangreiche Studie über Heidegger verfasst hatte, lange bevor Farías Buch erschien. Dieses Buch wurde auf französisch in einer überarbeiteten Auflage neu veröffentlicht, nachdem die Kontroverse durch Farías Buch ausgelöst worden war.

Die politische Ontologie Martin Heideggers versucht, Heideggers Philosophie in den historischen Kontext zu stellen, aus dem Heidegger hervorkam. Gleichzeitig entgeht Bourdieu der Versuchung, Heideggers Gedanken einfach auf einen Reflex seiner historischen und gesellschaftlichen Position zu reduzieren. Bourdieu lässt sich auf eine Textanalyse von Heideggers Werk ein, um die immanente Beziehung zwischen Heideggers Philosophie und seinen politischen Ansichten nachzuweisen. Seine Textanalyse unterscheidet sich von dem Typus der "immanenten" Deutung von Textcharakteristika von Derrida und anderen Dekonstruktionisten, bei der die Texte künstlich getrennt werden von den Umständen, unter denen sie produziert wurden.

Die vielleicht merkwürdigste und vernichtendste Verteidigung Heideggers in jüngster Zeit kam nicht aus Frankreich, sondern aus Deutschland. Ernst Nolte, ein Historiker und langjähriger Freund der Familie Heidegger, veröffentlichte 1992 eine Biografie Martin Heideggers. Vor der Veröffentlichung dieses Buches war Nolte bereits berüchtigt als revisionistischer Historiker in Bezug auf den Holocaust und als Verteidiger des Nationalsozialismus. Man muss Nolte lassen, dass er wesentlich konsequenter und intellektuell aufrichtiger war als einige der französischen Verteidiger Heideggers.

Für Nolte stellt Heideggers Zuwendung zum Nationalsozialismus überhaupt kein Problem dar. Nolte besteht nicht nur auf der innigen Verbindung zwischen Heideggers Philosophie und seiner Unterstützung für den Nationalsozialismus, sondern er verteidigt auch den Nationalsozialismus als notwendige Reaktion auf die innere und äußere Bedrohung durch die russische Revolution. Für Nolte war der Nationalsozialismus eine notwendige Antwort auf den Bolschewismus und Heidegger reagierte durch seine Zuwendung zum Nationalsozialismus lediglich auf den Ruf der historischen Notwendigkeit. Nolte geht sogar soweit, den Holocaust als Verteidigungsmaßnahme zu rechtfertigen, die durch die Feindlichkeit des Weltjudentums gegenüber dem nationalsozialistischen Regime notwendig gemacht wurde. Noltes Verteidigung des Holocaust liegt in der folgenden rhetorischen Frage:

"Vollbrachten die Nationalsozialisten, vollbrachte Hitler eine ‚asiatische‘ Tat vielleicht nur deshalb, weil sie sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer ‚asiatischen‘ Tat betrachteten? War nicht der ‚Archipel GULag‘ ursprünglicher als Auschwitz?" [35]

Es gibt eine Symmetrie zwischen den frühen Apologeten Heideggers und Noltes Bemühungen. Während die ursprünglichen Verteidiger sich bemühten, Heideggers politische Verstrickung möglichst gering zu halten, und dann eine Trennlinie zwischen seiner politischen Einstellung und seiner Philosophie zogen, dreht Nolte die Argumentation um. In Noltes Sicht war Heidegger nicht nur von Beginn an ein politisch engagierter Denker, sondern er traf auch die richtige Wahl. Er schreibt: "Sofern er dem ‚großen Lösungsversuch‘ [dem Kommunismus] Widerstand leistete, war Heidegger - wie zahllose andere - im historischen Recht [...]. Dadurch, dass er sich für die ‚kleine Lösung‘ [den Nationalsozialismus] engagierte, wurde er vielleicht zum ‚Faschisten‘, aber er geriet deshalb keineswegs von vornherein ins historische Unrecht." [36]

An anderer Stelle kommt Nolte auf die Geschichte zurück, Heidegger sei ein weltfremder Denker gewesen, der für kurze Zeit in politische Angelegenheiten verwickelt war, die er nicht verstand. Dieses verbreitete Bild, eingeführt von Hannah Arendt, wird von Nolte auf den Kopf gedreht. Zweifellos will er hier einer Jüdin nicht das letzte Wort lassen. Er schreibt über Heideggers Unterstützung für Hitler: "Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass es sich dabei nicht um einen episodischen ‚Ausflug‘ aus dem Bezirk der Philosophie in die Region der Tagespolitik handelte, sondern dass diesem Engagement eine ‚philosophische‘ Hoffnung zugrunde lag [...]. Das Verhältnis zu Politik und Geschichte ist in Heideggers Leben und für Heideggers Denken mithin nicht bloß episodisch, sondern wesentlich." [37]

Mit anderen Worten: Heideggers Gedanken und seine Handlungen waren aus demselben Holz geschnitzt. Er war nicht einfach ein Nazi, sondern mit den Worten von Thomas Sheehan "ein normaler Nazi". [38]

Zuletzt sollte die jüngste Heidegger-Biografie, Ein Meister aus Deutschland - Heidegger und seine Zeit, von Rüdiger Safranski erwähnt werden. Dieses Buch ist, anders als Noltes überschwengliche Unterstützung von Heideggers Nähe zum Nationalsozialismus, ein Rückzug zu einer orthodoxeren Verteidigung Heideggers. Wieder einmal präsentiert man uns eine schizophrene Unterscheidung zwischen dem Menschen Heidegger und dem Philosophen. Der Autor legt sorgfältig die bekannten Fakten über Heideggers Verbindung mit dem Nationalsozialismus vor. Es ist nicht länger haltbar, diese Tatsachen zu leugnen. Gleichzeitig trägt er Sorge für eine in großen Teilen positive Deutung von Heideggers Ideen.

Während er die Ausschweifung und logischen Turnübungen von Lacoue-Labarthe und anderen Dekonstruktionisten vermeidet, scheint Safranski unfähig zu sein, irgendein wesentliches Urteil über das Objekt seiner Forschungen zu fällen. Diese Unzulänglichkeit, ein geläufiges Markenzeichen modernen Biografien und der derzeitigen Geschichtsschreibung, wird in dem düsteren kulturellen Kontext heutzutage als Vorzug betrachtet. Die Schlagwörter hierzu lauten "unvoreingenommen" und "ausgewogen". Trotz der detaillierten Fakten ist wenig verstanden worden. Dieses Buch ist auf seine eigene Art ein Beitrag zur Verschleierung. Am Ende stellte sich Safranski auf die Seite derjenigen, die Heidegger dafür loben, dass er es für uns möglich machte "Auschwitz zu denken". Er schreibt:

"Wenn Heidegger die Zumutung zurückwies, sich als potentieller Komplize des Mordes zu verteidigen, dann bedeutete das nicht, dass er sich der Herausforderung verweigerte, ‚Auschwitz zu denken‘. Wenn Heidegger über die Perversion des neuzeitlichen Willens zur Macht spricht, dem die Natur und der Mensch zum bloßen Material seiner Machenschaften wird, ist Auschwitz ausdrücklich oder unausdrücklich immer mitgemeint. Für ihn - wie auch für Adorno - ist Auschwitz ein typisches Verbrechen der Moderne." [39]

Wir kommen nicht umhin, die Arroganz in Safranskis Nebeneinanderstellung von Heidegger und Adorno zu kommentieren. Adorno verachtete Heidegger und hatte nichts als Geringschätzung für Heideggers "Jargon der Eigentlichkeit" über, den er als eine Form der philosophischen Scharlatanerie ansah, die sich selbst als tiefgründige Einsicht ausgibt. Safranskis klägliches Buch stellt trotz seiner Auflistung der Fakten nur eine weitere Verteidigungsschrift für Heidegger Verstrickung in den Nationalsozialismus dar. Nichtsdestotrotz fielen die Besprechungen größtenteils positiv aus.

Ein typisches Beispiel hierfür ist Richard Rorty, der schrieb: "Heidegger war blind gegenüber der Qual seiner jüdischen Freunde und Kollegen, aber nach einem Jahr hektischer Propaganda und Organisierung bemerkte er, dass die höheren Nazis ihm keine große Aufmerksamkeit schenkten. Dies reichte, um ihm zu beweisen, dass er den Nationalsozialismus überschätzt hatte.

Also zog er sich in seine Berghütte zurück und, wie es Safranski so nett sagt, tauschte die Entschiedenheit gegen Unerschütterlichkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg, erklärte er, einfallsreich wenn auch monomanisch, dass Amerikanisierung, moderne Technologie, die Trivialisierung des Lebens und die völlige Vergesslichkeit des Seins (vier Namen, so dachte er, für dasselbe Phänomen) nicht umkehrbar waren." [40]

Wieder einmal treffen wir auf die gewohnte Figur des wohlmeinenden aber geschlagenen Denkers, der sich in seine Berghütte zurückzog. Wenigstens bleibt uns diesmal eine weitere Rückkehr aus Syrakus erspart. Es sollte betont werden, dass es selbst in Safranskis Buch keine Grundlage zu dem Schluss gibt, dass sich Heidegger "nach einem Jahr hektischer Propaganda und Organisierung", seiner Zeit als Rektor in Freiburg, aus dem politischen Kampf zurückzog. Was Safranski sagt, ist, dass Heidegger in einer Periode von mehreren Jahren, nach seinem Rücktritt als Rektor bis 1945, schrittweise seine Verbindungen zum Nationalsozialismus lockerte, ohne damit völlig zu brechen.

Es hat sich herausgestellt, dass Heidegger auch außerhalb der Legion der französischen Dekonstruktionisten Verteidiger hat. Rorty repräsentiert eine Tendenz, die in den vergangenen Jahren unter den amerikanischen Pragmatikern entstanden ist; eine Tendenz, die den Pragmatismus mit Elementen der europäischen Philosophie zu verbinden versucht. In seiner Funktion als so etwas wie ein Sprecher des amerikanischen Pragmatismus hat Rorty vor allem versucht, die Anhänger Heideggers für diesen Zweck zu gewinnen. Im folgenden Teil der Artikelserie werden wir kurz die philosophische Grundlage für diese merkwürdige Verbindung von zwei augenscheinlich unvereinbaren Traditionen untersuchen. Doch selbst eine sehr flüchtige Untersuchung zeigt, dass Rorty, wenn er seinen Blick auf die Beziehung zwischen Heideggers Politik und seiner Philosophie richtet, uns nur eine weitere Version des inzwischen vertrauten Themas liefert, den unbeabsichtigt an die Nazis geratenden Heidegger.

In einem Essay, das 1989, also eine ganze Weile nach dem Erscheinen von Farías Buch, überarbeitet wurde, schrieb Rorty, dass "[...] Heidegger nur zufällig ein Nazi war". In einer Fußnote führt er diesen Gedanken weiter aus: "Sein [Heideggers] Denken war in der Tat im wesentlichen antidemokratisch. Aber viele Deutsche standen der Demokratie und der Moderne zweifelnd gegenüber und wurden keine Nazis. Heidegger wurde es, weil er sowohl ein skrupelloserer Opportunist als auch ein größerer politischer Ignorant war als die Mehrheit der deutschen Intellektuellen, die diese Zweifel hegten." [41]

Obwohl Rorty einige scharfe Worte in Heideggers Richtung schleudert, nämlich seine Charakterisierung Heideggers als "Ignorant" und "Opportunist", ist der Kern seiner Schilderung eine weitere Karikatur des naiven Philosophen, dem die Dinge über den Kopf wachsen. Zu diesem Zeitpunkt sind wir mit dieser Argumentation bereits ziemlich vertraut. Wir haben Variationen davon kennengelernt: Heideggers eigene Verteidigungsschrift für seine Zeit als Rektor, die orthodoxen Verteidiger Heideggers in Frankreich, die Betrachtungen von persönlichen Freunden wie Hannah Arendt und die umgekehrte profaschistische Form in Noltes Biografie. Dass dieses Argument auch angesichts der wachsenden Menge an Belegen dafür, dass Heideggers Beziehung zum Nationalsozialismus mehr als zufällig war, bis zum Erbrechen wiederholt wird, zeigt, dass wir es hier nicht mit einer objektiven, wissenschaftlichen Einschätzung zu tun haben, sondern mit böser Absicht und Apologetik.

Die Debatte in Frankreich hielt nach der Veröffentlichung von Farías Buch 1987 etwa zwei Jahre lang an. Heutzutage hört man sehr wenig in Frankreich über Heideggers politische Einstellung. Im Gegensatz dazu wurde die Diskussion seit Beginn der 90-er Jahre unvermindert in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den englischsprachigen Ländern fortgesetzt. Tatsächlich sind seit 1997 drei verschiedene Bücher zu dem Thema erschienen. Unter diesen steht Julian Youngs Buch Heidegger, Philosophy, Nazism unerschütterlich in der Tradition der Ehrenrettung Heideggers. Tatsächlich kündigt der Autor sein Anliegen gleich zu Beginn an, er sagt im Vorwort: "Dieses Werk setzt sich zum Ziel, was man als ‚Entnazifizierung‘ Heideggers beschreiben könnte." [42]

Tom Rockmore fasste die Essenz von Youngs Buch kürzlich in einer Rezension zusammen. Rockmore schreibt: "Zusammengefasst stellt sich nach Young, trotz der vielen Texte, die das Gegenteil belegen (zum Beispiel das Spiegel-Gespräch, in dem Heidegger das demokratische Ideal in Frage stellt), der Philosoph als mehr oder weniger einer wie du und ich heraus: nämlich als ein Vertreter der liberalen Demokratie. Dies ist allerdings kein glaubwürdiges, sondern ein unglaubliches Bild von Heidegger." [43]

Es ist offensichtlich, dass ein Vierteljahrhundert nach Heideggers Tod die Verschleierung weiter anhält. Gleichzeitig soll damit nicht suggeriert werden, dass es keine gegenläufigen Tendenzen gegeben habe, die sich der Aufdeckung von Heideggers politischer Überzeugungen widmeten. Tatsächlich wurde erst im vergangenen Jahr die vielleicht wichtigste Untersuchung von Heideggers Philosophie im Kontext seiner politischen Überzeugung veröffentlicht, nämlich Johannes Fritsches Werk Historical Destiny and National Socialism in Heideggers Being and Time. Im folgenden Teil der Artikelserie werden wir auf dieses Buch eingehen.

Geschichte, Philosophie und Mythologie

Im Vorfeld einer Diskussion über die Philosophie Martin Heideggers scheint es notwendig, einem möglichen Einwand zu begegnen. Dieser Einwand kann folgendermaßen formuliert werden: Wenn es wahr ist, dass das Denken die Person reflektiert und die Person als moralisch und politisch verwerflich bekannt ist, dann muss das Denken dieser Person ebenso verwerflich sein. Wenn dies der Fall wäre, dann könnten wir ein Urteil über jemandes Denken fällen, ohne tatsächlich zu lesen, was er geschrieben hat. Wenn man es auf diese Weise darlegt, zeigt sich die Absurdität dieser Art des Denkens von selbst. Das Problem mit dieser Art der Beweisführung ist, dass sie etwas teilweise Wahres, nämlich dass tatsächlich ein Denker auf irgendeine Weise die Menschen und ihre Zeit reflektiert, aufgreift und diese Einsicht einseitig in etwas Absolutes verwandelt, so dass sie ebenso falsch wie wahr wird. Allgemein ist die Beziehung zwischen einem Denker und seinen Handlungen zu komplex, als dass sie in einer gut formulierten Maxime zusammengefasst werden könnte.

Gleichzeitig müssen wir die gegenteilige Ansicht, ebenfalls ein einseitiges Urteil, zurückweisen, die von den Verteidigern Heideggers vertreten wird, nämlich dass es keinerlei Verbindung zwischen einem Denker und seiner politischen Überzeugung gibt. Die Vertreter dieser Sichtweise nennen häufig als Beispiel Gottlob Frege, der ein boshafter Antisemit war, dessen politische Ansichten aber offensichtlich keinen Einfluss auf sein technisches Werk über Logik ausübten. Doch selbst wenn man zustimmt, dass es Fälle gibt - besonders in technischen Bereichen, die keine Nähe zu politischen und soziologischen Fragen aufweisen - in denen theoretische Arbeit unabhängig von der Biografie oder sozialen Stellung einer Person stattfindet, folgt daraus nicht, dass eine solche Dichotomie im Werk eines jeden einzelnen Theoretikers vorhanden ist. Es wäre sogar erstaunlich, eine solche Dissonanz zwischen den politischen Aktivitäten eines Menschen wie Heidegger und seinen theoretischen Überlegungen zu finden angesichts des Umstandes, dass seine theoretische Arbeit gründlich auf Fragen des persönlichen und politischen Handelns einging.

Würden wir in Bezug auf Heidegger einem dieser beiden falschen Wege folgen, fänden wir uns möglicherweise in unserem Urteil über seine Person und seine politischen Überzeugungen bestätigt, aber wir würden die Chance verpassen, etwas darüber zu lernen, wie seine Philosophie seine politischen Ansichten beeinflusste oder im Gegenzug von diesen beeinflusst wurde. Insbesondere würden wir unserer Verantwortung vernachlässigen, ein höchst bemerkenswertes Phänomen des bürgerlichen Denkens des fin-de-siècle zu erklären - wie es kommt, dass ein Philosoph, der von vielen der größte Denker des zwanzigsten Jahrhunderts genannt wurde, in der Tat ein Nazi war? Was verrät dieser Umstand über die Art der Philosophie, die von Heidegger und seinen Anhängern praktiziert wurde? Und vor allem: Was sagt dies über den Zustand der kultivierten Meinung zu Beginn des neuen Millenniums?

Als Alternative zu den frommen Plattitüden jener, die Heidegger als Unschuldigen darstellen, der "einem Irrtum verfiel", fassen wir kurz die geschichtliche Denktradition zusammen, in der Heidegger stand. Dabei wird deutlich werden, dass Heidegger weder naiv noch anfällig für Irrtümer war, sondern dass, wie er selbst zugab, in seiner Zuwendung zum Nationalsozialismus und zu Hitler das tiefste Prinzip seines Denkens Ausdruck fand.

Allgemein gesprochen steht Heidegger im Rahmen der romantischen Reaktion gegen die Aufklärung und die französische Revolution. Philosophisch fanden sowohl die Aufklärung wie auch die französische Revolution ihren tiefsten Ausdruck im Werk Friedrich Wilhelm Hegels. Hegel versuchte zu überwinden, was er als Einseitigkeit der Aufklärung und der französischen Revolution ansah, während er gleichzeitig ihr Werk als historisch notwendig für das Entstehen der modernen bürgerlichen Gesellschaft verteidigte. Marx folgte Hegel als Verteidiger der Aufklärung und der französischen Revolution. Allerdings erkannte Marx, dass die Ideale der französischen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - unvereinbar waren mit einer Gesellschaft, deren Grundlage das Privateigentum bildet. Fortan konnten diese Ideale nur durch den Kampf für den Sozialismus verwirklicht werden.

Im Jahre 1848 brachen in ganz Europa revolutionäre Bewegungen aus. Die Arbeiterklasse tat ihre ersten Schritte als eigenständige politische Kraft. Dies fand einen mächtigen Widerhall in allen Schichten der Gesellschaft. Infolge der Ereignisse von 1848 wurde sich die philosophische Reaktion gegen die aufklärerische Vernunft ihrer Ziele bewusster. Kam die ursprüngliche Opposition gegen die Aufklärung im achtzehnten Jahrhundert von den Monarchisten, Junkern und der Kirche, so erlebte das neunzehnte Jahrhundert eine Welle der Opposition gegen das Vermächtnis der Aufklärung von den Kräften, die sich von der aufstrebenden bürgerlichen Gesellschaft am stärksten bedroht fühlten. Sie schauten sehnsüchtig zurück auf ein verklärtes goldenes Zeitalter in der mittelalterlichen Vergangenheit.

Besonders in Deutschland, wo die Bourgeoisie noch ihre politische Vorherrschaft durchsetzen musste, fand die Geburt der politischen Romantik Resonanz bei der Bauernschaft und der Mittelklasse, die sich durch die demokratischen Revolutionen, die in den 1840-er Jahren die alte Ordnung in Europa angriffen, am stärksten bedroht fühlten. Dies spielte den Fürsten, Prinzen und Junkern in die Hände, die kein Verlangen nach einer Teilung der politischen Macht hatten. 1841, zehn Jahre nach Hegels Tod, holten die preußischen Autoritäten seinen früheren Stubenkameraden und philosophische Nemesis Friedrich Schelling zu Vorlesungen nach Berlin.

Wir können sagen, dass in Schellings späterer Philosophie die romantische Reaktion gegen die Aufklärung ihre erste philosophische Stimme fand. Schelling bemühte sich, das aufklärerische Interesse an Vernunft, politischer Freiheit und sozialer Gleichheit durch eine Ablehnung der Vernunft zugunsten von Offenbarung und elitären Werten zu ersetzen. Schellings späteres System heiligte einen Appell an Mythen und Autorität.

Infolge der Niederlage der Revolution von 1848 fielen die anti-rationalistischen Tendenzen, die in der späteren Philosophie Schellings Ausdruck fanden, auf fruchtbaren Boden. Die Verheißung der französischen Revolution, die eine neue Ära in der menschlichen Geschichte einzuleiten schien, machte dem Albtraum der preußischen Reaktion Platz. Anstatt von Begeisterung für neue Möglichkeiten, wurde das geistige Klima durch Resignation und Anpassung an die engherzige politische Praxis bestimmt. Der Begriff der Freiheit wurde subjektiv umgedeutet, als innere Einstellung, die trotz der Wechselfälle des politischen Leben aufrecht erhalten werden kann. Dies ging einher mit einem tiefen Pessimismus bezüglich der menschlichen Fähigkeit, eine humanere Gesellschaft zu erschaffen. Der Name Arthur Schopenhauer wird auf ewig mit dieser Strömung des subjektiven Idealismus verbunden sein.

Nach 1848 fand ein grundlegender Wandel in den gesellschaftlichen Bedingungen statt. Während die politische Romantik in den Jahren vor 1848 dem Kapitalismus feindlich gegenüberstand, wandte sich, insbesondere in Deutschland, ihre politische Stoßrichtung nun gegen die Arbeiterklasse. Das war eine Folge er Erschütterungen jenes Jahres, in denen die Arbeiterklasse zum ersten Mal als unabhängige politische Kraft auftrat. Alles, was vom antikapitalistischen Impuls der frühen Periode der Romantik blieb, war eine Kulturkritik der bürgerlichen Mittelmäßigkeit.

Aristokratische und elitäre Werte wurden als Schutz gegen die große gesellschaftliche Gleichmacherei verfochten, die von demokratischen und sozialistischen Regungen ausging. Es muss nicht darauf hingewiesen werden, dass die greifbare Furcht vor der Arbeiterklasse sich exponentiell vergrößerte, nachdem die Arbeiterklasse 1971 während der Pariser Commune zum ersten Mal für kurze Zeit die Macht in ihre eigenen Hände genommen hatte. Der Gemütszustand des deutschen Kleinbürgers unmittelbar nach der Niederschlagung der Pariser Commune wurde in einem Brief Nietzsches festgehalten:

"Wir dürfen wieder hoffen! Unsere deutsche Mission ist noch nicht vorbei! Ich bin mutiger denn je: denn noch nicht alles ist unter französisch-jüdischer Verflachung und ‚Eleganz‘ und unter dem gierigen Treiben der ‚Jetztzeit‘ zugrunde gegangen. [...] Über den Kampf der Nationen hinaus hat uns jener internationale Hydrakopf erschreckt, der plötzlich so furchtbar zum Vorschein kam, als Anzeiger ganz anderer Zukunftskämpfe." [44]

Nietzsche spielt eine Schlüsselrolle in unserer Geschichte, da durch ihn das Projekt der Aufklärung buchstäblich auf den Kopf gestellt wurde. Nietzsche eignet sich die kritischen Waffen der Aufklärung an und wendet sie gegen die Aufklärung. Er beginnt damit, die Machtbeziehungen hinter den Wahrheitsansprüchen zu enthüllen, eine Technik, die von der Aufklärung in ihrem Kampf gegen religiösen Aberglauben entwickelt wurde, und wendet dies gegen die Aufklärung selbst. Er schließt, dass alle Wahrheitsbehauptungen auf nichts anderes hinauslaufen als den "Willen zur Macht". Er interpretiert die gesamte Geistesgeschichte neu als Ausdruck eines verborgenen Strebens nach Macht.

Nach dieser Auffassung waren wir in den letzten zwei Jahrtausenden Zeuge des "Willens zur Macht" des Christentums, von dem das Schicksal der europäischen Kultur bestimmt war. Nietzsche verachtete die egalitären Bewegungen für demokratische Reformen und Sozialismus, die in dieser Zeit aufkamen. Er betrachtete diese modernen politischen Bewegungen als Bedrohung der aristokratischen Werte, nach denen große Zivilisationen und große Menschen (der "Übermensch") streben sollten. Er klagt das Christentum an, das seiner Ansicht nach von "Sklavenmoral" durchdrungen ist, weil es einen Prozess in Gang gesetzt habe, der seinen Höhepunkt in der abschließenden Demaskierung des religiösen Glaubens durch die Aufklärung fand, ein Ereignis, das er den "Tod Gottes" nennt. Die Aufklärung leitet eine Epoche ein, in der Werte keine Grundlage mehr haben, die Epoche des Nihilismus.

In Nietzsche findet die Gegenaufklärung ihre eigentliche Stimme. Und diese Tradition müssen wir uns anschauen, um Martin Heideggers Philosophie einordnen zu können. Heidegger selbst anerkannte Nietzsche in der Tat korrekt als Gleichgesinnten. Aber während Nietzsche sich als Prophet sah, der den Nihilismus ankündigte, sah Heidegger sich als Biograf eines voll entwickelten Nihilismus. Heideggers Ansicht nahm Gestalt an in der zutiefst pessimistischen Atmosphäre, hervorgerufen durch Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg. Er wurde von dem rechten Schriftsteller Ernst Jünger beeinflusst, dessen Romane den standfesten, entschlossenen Soldaten, der seinem Schicksal in der Schlacht begegnet, verherrlichen. Ein weiterer wichtiger Einfluss war Oswald Spenglers Der Untergang des Abendlandes, ein hysterischer Wortschwall gegen Sozialismus und Liberalismus, denen vorgeworfen wird, sie untergrüben die Werte der westlichen Zivilisation.

Die unmittelbare philosophische Tradition, aus der Heidegger hervorging, wurde von Wilhelm Dilthey in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts eingeleitet. Diltheys Strömung wurde unter der Bezeichnung Lebensphilosophie bekannt. Unter ihren Anhängern befanden sich so unterschiedliche Denker wie Georg Simmel, Oswald Spengler, Max Scheler und Karl Jaspers, so wie die Faschisten Ludwig Klages, Alfred Bäumler und Ernst Krieck.

Die Lebensphilosophie war weniger eine spezifische philosophische Lehre als eine bestimmte kulturelle Stimmung, die große Teile der Intelligenz beeinflusste. Ihr Charakteristikum ist eine strenge Dichotomie von Wissenschaft und Technologie auf der einen und der Kategorie "Leben" auf der anderen Seite. Zu ihrer ideologischen Wappnung lieh sich die Lebensphilosophie die Kritik des wissenschaftlichen Verstehens aus den Debatten, die vor 1848 stattgefunden hatten. Wissenschaftliches Verstehen, als beschränkt und trocken verstanden, wurde der "Erfahrung" gegenübergestellt, die einen intuitiven Zugang zum "Leben" vermittelt. Diese Berufung auf die unmittelbare Intuition, die nach und nach immer stärker betont wurde, zeichnete die Lebensphilosophie als eine Form des Irrationalismus aus.

In seinem wichtigsten Werk Sein und Zeit setzt sich Heidegger selbst die heroische Aufgabe, die Geschichte der Metaphysik der Vergessenheit zu entreißen. Insbesondere behauptet er, dass der moderne Mensch die Bedeutung der Frage nach dem Sein vergessen habe. Er sagt, dass wir beim Gebrauch des geläufigen Wortes "ist" nicht mehr wissen, was wir meinen. Nach Heidegger verdeckt die Subjekt-Prädikat-Logik, die wir täglich benutzen, die wahre Bedeutung der Existenz. Heidegger behauptet, dass die Griechen eine authentische Erfahrung des Seins als "Unverborgenheit" hatten. Aber als die griechische Philosophie ins Lateinische übersetzt wurde, verlor sie den Reichtum dieser ursprünglichen Erfahrung. Die Erfahrung des Seins wurde verdinglicht in eine Beziehung zwischen einem Ding und seinen Eigenschaften. Heidegger betrachtet es als seine Aufgabe, die ursprüngliche Bedeutung von Sein wiederherzustellen, die verlorengegangen ist. Von diesem Ausgangspunkt erklärt er der gesamten Geschichte der westlichen Philosophie nach den Griechen den Krieg.

Der Einfluss Nietzsches ist offensichtlich und wird noch augenfälliger in der späteren Philosophie Heideggers. Wie Nietzsche wendet sich Heidegger von der Geschichte der Philosophie ab, die in seiner Sicht durch eine fehlerhaftes Erkenntnismodel hoffnungslos kompromittiert ist. Seine Methode, Philosophie zu praktizieren, folgt ebenfalls den Fußstapfen Nietzsches. Er verwirft die diskursive Argumentation, die einen unvoreingenommenen Leser durch die Kraft ihrer Logik zu überzeugen versucht, zugunsten von prophetischen Äußerungen und etymologischen Tricks, die darauf zielen, den Leser zu überwältigen.

In seiner späteren Philosophie geht Heidegger sogar noch weiter in seiner Verwerfung der Geschichte der Philosophie. Er behauptet, dass sich nach den Vorsokratikern alle Philosophen der Verfälschung und Verdeckung einer Art der ursprünglichen Erfahrung des Seins schuldig gemacht hätten. Die von ihm geplante Wiederherstellung der ursprünglichen Bedeutung des Seins verwandelt sich in ein Projekt, das auf die "Zerstörung der Metaphysik" zielt.

Sein und Zeit ist erfüllt von einer Diskussion über die Bedeutung des Todes. Nach Heidegger sind es die drohende Gefahr des Todes und unser Wissen darum, die ein "eigentliches" Leben möglich machen. Nur wenn wir das Leben bis zum Äußersten leben und mit unserer Sterblichkeit konfrontiert sind, sind wir in der Lage, das uneigentliche Geplapper unserer tagtäglichen Existenz beiseite zu schieben und mit unserem wahren Selbst einig zu werden. Dieses Thema, das Heidegger das "Sein zum Tode" nannte, war keinesfalls neu in der Geistesgeschichte. Es ist eng verwandt mit den Überlegungen zahlreicher religiöser Autoren von St. Augustin über Kierkegaard bis Tolstoi.

Allerdings hat Heideggers verweltlichte Meditation über die Unmittelbarkeit des Todes und die Verantwortung, die daher auf uns übertragen wird, mehr mit der Heldenliteratur Ernst Jüngers gemein. Vor allem der Soldat ist aufgerufen, im Angesicht des drohenden Todes eine Entscheidung zu treffen, die seinem Leben einen Wert gibt. Heideggers Kategorie der "Entschlossenheit", die in der Existenzphilosophie so wichtig wird, wurzelt in der Situation des Soldaten, der dem Feind im Schützengraben in einem hoffnungslosen Kampf gegenübersteht.

Viele Kommentare schließen aus dieser Eigenart des Heideggerschen Denkens, seiner Betonung der Notwendigkeit, gefährliche, weil das Schicksal besiegelnde Entscheidungen zu treffen, das seine Philosophie im Kern unpolitisch ist. Man kann sich anscheinend entschließen, ein Nazi zu werden - wie Heidegger selbst - oder ein Mitglied der französischen Resistance - wie Sartre -, und immer noch den Kategorien einer eigentlichen Existenz treu bleiben. Der vollkommen hohle Charakter der Kategorien Eigentlichkeit und Entschlossenheit waren der Gegenstand von viel Kritik. Habermas zum Beispiel charakterisierte sie als "Dezisionismus der leeren Entschiedenheit". [45] Heidegger wird vorgeworfen, das bei ihm jedes Kriterium fehlt, mit dem der Wert einer Entscheidung gegenüber einer anderen beurteilt werden kann. Wenn man die landläufige Interpretation Heideggers anerkennt, ist diese Kritik soweit berechtigt. Allerdings verspricht ein soeben erschienenes bemerkenswertes Buch, den Kern der gängigen Meinung zu Heideggers Philosophie komplett umzuwerfen.

In seinem bahnbrechenden Werk Historical Destiny and National Socialism in Heidegger's Being and Time zeigt Johannes Fritsche nicht nur, dass die in Sein und Zeit diskutierten Kategorien nicht unpolitisch sind, sondern das Gegenteil der Fall ist: "Wenn man Sein und Zeit in seinem Kontext liest, sieht man, dass, wie Scheler es ausdrückte, in dem kairos[der Krise] der zwanziger Jahre Sein und Zeit ein hoch politisches und moralisches Werk war, dass der radikalsten Gruppierung auf der revolutionären Rechten Argumente lieferte, nämlich die Nationalsozialisten." [46]

Fritsche stellt fest, dass Heideggers Ausdrucksweise und Sprachgebrauch Bestandteil einer gemeinsamen Tradition rechten Denkens waren, wie sie in den 20-er Jahren in Deutschland aufkam. Der politische Inhalt von Sein und Zeit sei Heideggers Zeitgenossen in Deutschland klar gewesen. Allerdings sei für Leser der französischen und englischen Übersetzung, die ein bis zwei Generationen später in Umlauf kamen, der politische Inhalt vollkommen unverständlich gewesen. Statt dessen, wie es Fritsche spöttisch ausdrückt, war die Lesart dort die folgende: "Ihr seht in Sein und Zeit das furchterregende Gesicht der alten Hexe der Einsamkeit der isolierten bürgerlichen Subjekte oder die unerotische Anordnung in ihrer Gesellschaft, und ihr seht den Wunsch nach einem Sprung aus dieser Gesellschaft hinaus." [47]

Satre und die französischen Existenzialisten übernahmen von Heidegger die Themen der Einsamkeit und Entfremdung sowie die daraus logisch folgende Vorstellung eines heldenhaften und entschlossenen Voluntarismus angesichts einer absurden Welt. Fritsche behauptet, dass, welche Verdienst ihrem eigenen Werk auch zukommen mögen, die Existenzialisten Heidegger missverstanden. Fritsches Beweisführung dafür, dass Heidegger als Philosoph des Nationalsozialismus zu lesen sei, kann unmöglich in diesem Artikel wiedergegeben werden. Sie stützt sich auf eine sehr anspruchsvolle historische und politische Textanalyse von Sein und Zeit. Nachdem er den tatsächlichen Inhalt von Sein und Zeit rekonstruiert hat, vergleicht Fritsche ihn mit den Schriften von zwei anderen berüchtigten rechten Schriftstellern, die Heideggers Zeitgenossen waren, nämlich Max Scheler und Adolf Hitler. Fritsche zeigt, dass die politischen Inhalte von Sein und Zeit und Mein Kampf identisch sind, trotz der Tatsache, dass das erste Buch von einem weltberühmten Philosophen und das zweite von einem Soziopathen aus der Wiener Gosse geschrieben wurde.

Einer der Mythen, mit denen Fritsche aufräumt, ist der, dass Heideggers Begriff der Eigentlichkeit mit der traditionellen Konzeption von individueller Freiheit in Verbindung steht. Fritsche zeigt, dass für Heidegger das Erlangen von "Eigentlichkeit" exakt das Gegenteil von der Ausübung von Freiheit bedeutet. Eher bedeutet es, dass jemand einen "Ruf" zum Leben nach seiner Bestimmung beantwortet. Das Schicksal, dessen Ruf man zu beantworten hat, ist vorgegeben durch Kräfte, die außerhalb der Reichweite des Individuums liegen. Den Ruf zu beantworten ist daher die Antithese zu jeder Vorstellung von Freiheit. Um diese These zu unterstützen, zitiert Fritsche die folgende Passage aus Sein und Zeit:

"Das Dasein [Heideggers Ausdruck für die menschliche Existenz] kann nur deshalb von Schicksalsschlägen getroffen werden, weil es im Grunde seines Seins in dem gekennzeichneten Sinne Schicksal ist. Schicksalhaft in der sich überliefernden Entschlossenheit existierend, ist das Dasein als In-der-Welt-sein für das ‚Entgegenkommen‘ der ‚glücklichen‘ Umstände und die Grausamkeit der Zufälle erschlossen. Durch das Zusammenstoßen von Umständen und Begebenheiten entsteht nicht erst Schicksal. Auch der Unentschlossene wird von ihnen und mehr noch als der, der gewählt hat, umgetrieben und kann gleichwohl kein Schicksal ‚haben‘." [48]

Fritsche kommentiert diesen Auszug folgendermaßen:

"Erstens: Weit davon entfernt, etwas zu sein, das vom Dasein erschaffen, verändert oder gebrochen wird, existiert das ‚Schicksal‘ bereits vor dem Dasein und verlangt die Unterwerfung des letzteren. Die Frage ist nicht, wie ein Schicksal geschaffen oder gebrochen werden kann [was eine typisch existentialistische Auslegung wäre. A.S.]. Das Problem besteht eher darin, ob ein Dasein sein Schicksal akzeptiert, sich ihm öffnet, ergibt, unterwirft oder opfert - was ein eigentliches Dasein tut - oder ob ein Dasein sein Schicksal leugnet und ihm zu entkommen versucht - was ein gewöhnliches und deshalb uneigentliches Dasein auszeichnet." [49]

Das Schicksal, dem sich eigentliches Dasein unterwerfen muss, ist auch keine Art von Existenzangst. Schicksal hat für Heidegger einen bestimmten politischen Inhalt. Das Schicksal des patriotischen Deutschen wurde identifiziert mit der ‚Volksgemeinschaft‘, ein Kampfausdruck der Nazis, der die Gemeinsamkeit auf der Basis von Rasse und Erbe anzeigen sollte. Die Idee der ‚Volksgemeinschaft‘ wurde in rechten Schriften dieser Zeit oft der ‚Gesellschaft‘ entgegengesetzt. Letzterer Begriff stand nach den Ideen der Aufklärung für eine Interessengemeinschaft, die sich auf universelle menschliche Werte stützt. Fritsche führt seine Analyse der Eigentlichkeit fort und kommentiert:

"Im Gegensatz zum gewöhnlichen Dasein und uneigentlichen Dasein begreift eigentliches Dasein, dass es eine gefährliche Situation gibt und verbindet sich selbst mit dem ‚Erbe‘. Dadurch, dass es dies tut, schafft es die Trennung zwischen den Daseins, die ein Schicksal haben, und jenen, die keines haben, d.h. den uneigentlichen Daseins. Im nächsten Schritt begreift das eigentliche Dasein, dass sein Erbe und Schicksal die Volksgemeinschaft ist, die es zum Kampf ruft. [...] Hiernach überlässt sich eigentliches Dasein der Volksgemeinschaft und erkennt, was im Kampf auf dem Spiel steht. [...] Zuletzt beteuert eigentliches Dasein seine Unterwerfung unter die Vergangenheit der Volksgemeinschaft und beginnt mit dem Kampf, das bedeutet mit der Tilgung der Welt des uneigentlichen Daseins." [50]

Fritsche ist bei der Charakterisierung des Kampfes für eigentliches Dasein als "Tilgung der Welt des uneigentlichen Daseins" allzu metaphorisch. Im Klartext verweist die "Tilgung der Welt des uneigentlichen Daseins" auf die faschistische Konterrevolution. Sie erfordert die Zerstörung der bürgerlichen Demokratie und ihrer Institutionen, die Verfolgung und Ermordung von Sozialisten, die Schwächung aller unabhängigen Organisationen der Arbeiterklasse, einen konzertierten und systematischen Angriff auf die Kultur der Aufklärung und natürlich die Verfolgung und schließliche Vernichtung von fremden Kräften inmitten des Volkes, vor allem der Juden.

Wenn Fritsche Interpretation von Sein und Zeit richtig ist, dann kann sie gleichfalls dazu dienen, das Rätsel der Beziehung zwischen Heideggers früher Philosophie und seiner späteren Hinwendung zu einer eigentümlichen Form des Quietismus zu entwirren. Viele Interpreten waren verwirrt durch den scheinbar radikalen Übergang von einer Philosophie, die auf Aktivismus aufbaut, wie die typische Interpretation von Sein und Zeit das Werk verstand, zu einer, die auf der mystischen Resignation gegenüber dem Schicksal beruht, was Heideggers späte Philosophie charakterisiert. Fritsche hat allerdings gezeigt, dass die frühe Philosophie alles andere als voluntaristisch war. Die Vorstellung vom Menschen, der sein Schicksal gemäß seinem Willen umgestaltet, ist ein typisches Motiv der Aufklärung, das wenig Ähnlichkeit mit Heideggers Vision hat. Die letztere besteht eher darin, wie Fritsche gezeigt hat, dass wir nicht so sehr unser Schicksal umgestalten, als vielmehr herausfinden, was es ist, und uns ihm unterwerfen. Somit ist das Gefühl der Resignation in der frühen Philosophie bereits vorhanden. Der Übergang zur späteren Philosophie ist daher kaum so radikal, wie er erscheint.

Wir können hinzufügen, dass an Heideggers Theorie der Eigentlichkeit als Antwort auf den Ruf des Schicksals nichts besonders Einzigartiges ist. Eine auffallend parallele Konzeption findet sich im Werk eines anderen zeitgenössischen Intellektuellen, der Sympathie für den Nationalsozialismus zeigte, dem Schweizer Psychologen Carl Jung. In einer Vorlesung im Jahre 1935 gibt Jung die folgende Einschätzung zur Beziehung zwischen individueller Willenskraft und unserem kollektiven Schicksal ab:

"[...] Unsere persönliche Psychologie [ist] nur eine dünne Haut [...], ein leichtes Kräuseln auf dem Ozean der kollektiven Psychologie. Der machtvolle Faktor, der Faktor, der unser Leben verändert, der die Oberfläche unserer bekannten Welt verändert, und der Geschichte macht, ist die kollektive Psychologie, und die kollektive Psychologie bewegt sich nach Gesetzen, die von denen unseres Bewusstseins von Grund auf verschieden sind. Die Archetypen sind die großen entscheidenden Mächte, sie bringen die echten Ereignisse hervor, und nicht unser persönlicher Verstand und praktischer Intellekt. [...] Es sind ohne Zweifel die archetypischen Bilder, die das Schicksal der Menschen bestimmen. Die unbewusste Psychologie des Menschen entscheidet und nicht das, was wir in der Gehirnkammer unseres Dachstübchens denken und reden." [51]

Wenn wir Jungs Vokabular, das auf seiner mythologischen Aneignung der Psychologie beruht, durch Heideggers Kategorien ersetzen, werden wir eine wesentliche Übereinstimmung der Denkweise von Jung und Heidegger feststellen. Zum Beispiel, wenn "eigentliches Dasein" für "die unbewusste Psychologie des Menschen" eingesetzt wird, dann haben wir einen anderen Ausdruck von Heideggers Argument, dass durch die bewussten Handlungen des Menschen das Schicksal weder geschaffen noch verändert wird. Schicksal ist vielmehr ein Zustand, der schon vor der Existenz gegeben ist, ein Archetyp in Jungs Terminologie, dessen "Ruf" auf einer unbewussten Ebene man zu beantworten gezwungen ist, oder man muss die Konsequenzen der Uneigentlichkeit in Kauf nehmen.

Die Nähe zwischen Heideggers und Jungs Denken sollte nicht als Fall von Fremdbestäubung zwischen Philosophie und Psychologie interpretiert werden. Es zeigt vielmehr eine gemeinsame Auffassung, die einer gemeinsamen ideologischen Quelle entspringt. Dieses gemeinsame Substrat ist die völkische Ideologie, die in Deutschland über ein Jahrhundert vor der Entwicklung des Nationalsozialismus heranreifte. Während die Philosophen der Gegenaufklärung der völkischen Ideologie den Weg bereiteten, waren ihre tatsächlichen Urheber eine eklektische Mischung von Ideologen. Von der romantischen Reaktion gegen die Aufklärung zu Nietzsches Ankündigung, dass der Nihilismus der Höhepunkt der Vernunft sei, wurde der Glaube an den Fortschritt und die Fähigkeit der Vervollkommnung der Menschheit durch Wissenschaft und gesellschaftliche Entwicklung sukzessiv unterhöhlt. Diese Stimmungen trafen bei solchen gesellschaftlichen Kräften auf Resonanz, die sich durch die Industrialisierung Deutschlands in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend verdrängt und marginalisiert fanden. Das Aufkommen der völkischen Ideologie war Ausdruck der Ängste von Bauern, Handwerkern und Grundbesitzern, die durch die Zangenbewegungen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse bedrängt wurden.

Ideologien entstehen nicht nur aus den offiziellen philosophischen Schulen, sondern werden auch durch einen "Untergrund" entwickelt, dessen führende Vertreter von späteren Historikern kaum wahrgenommen werden. Heinrich Riehl (1823-97), ein Mann der in Texten über die Geschichte der Philosophie keinerlei Spuren hinterlassen hat, war ein fruchtbarer Theoretiker der völkischen Ideologie. Sein Buch Land und Leute behauptete, dass der innere Charakter eines Volkes vollständig mit der heimatlichen Landschaft verflochten sei. Zentral in Riehls Denken und der völkischen Ideologie ist danach das Konzept, dass bestimmte Klassen oder ethnische Gruppen eine organische Beziehung zum Land aufweisen und daher "verwurzelt" sind, während andere "wurzellos" sind und nicht an das Volk assimiliert werden können. Der Historiker George L. Mosse fasst in seiner präzisen Geschichte der völkischen Ideologie diesen Aspekt der Ideen Riehls zusammen:

"Für Riehl war jedoch eine dritte Klasse entstanden, die eine Gefahr für die politische Struktur darstellte und die nicht in die völkische Gesellschaft eingegliedert werden konnte. Diese Gruppe, das wahre ‚Proletariat‘, bestand aus den vollkommen Enterbten...

"Die Ursache für den Ausschluss des Proletariats aus dem Ständesystem war dessen Labilität und Ruhelosigkeit. Diese Gruppe gehörte zu jener zeitgenössischen Bevölkerung, die niemals dauerhaft Wurzeln schlagen konnte. In diese Kategorie wurde der Wanderarbeiter eingereiht, der - heimatlos - keine Landschaft sein eigen nennen konnte. Hinzu kamen weiterhin der Journalist, der Polemiker und der Bilderstürmer, die alle den ehrwürdigen Sitten entgegenstanden, vom Menschen geschaffene Wundermittel verteidigten und die Leute anfeuerten, gegen echte und seit langem bestehende Ordnungen zu revoltieren. Allen voran stand jedoch der Jude, der in seiner Natur ruhelos war. Zwar gehörte er einem Volk an; da es jedoch kein eigenes Gebiet besaß, war er zur Entwurzelung verdammt. Diese Elemente der Bevölkerung waren vor allem in den Großstädten in der Überzahl, die sie, so glaubte Riehl, nach den Vorstellungen der ihnen eigenen Landschaft gebaut hätten. Dennoch sei dies ein künstliches Zuhause, und im Gegensatz zu der ruhenden Verwurzelung sei alles an diesem Zuhause einschließlich seiner Bewohner in ständiger Bewegung. Die Großstadt und das Proletariat schiene zu einem ominösen Koloss zu verschmelzen, der das Volk und seinen Lebensraum in Gefahr brachte." [52]

Jung, der für die völkische Mythologie philosophisch empfänglich war, drückte in der Zeit unmittelbar nach 1933 Sympathie für den Nationalsozialismus aus. Anders als Heidegger allerdings, beantwortete Jung nicht den "Ruf" und trat nie den Nazis bei. Es ist vielleicht nicht gänzlich ein Zufall, dass diese wenig schmeichelhafte Periode in Jungs Biografie erst in jüngster Zeit Gegenstand kritischer Forschung geworden ist, obwohl sie, wie im Falle von Heidegger, seit Jahrzehnten bekannt war. [53]

Es ist nicht allzu schwierig zu erkennen, wie die Themen der "Verwurzelung" und "Wurzellosigkeit" in Sein und Zeit als "Eigentlichkeit" und "Uneigentlichkeit" auftauchen. Die völkischen Stränge in Heideggers Denken verbinden sich mit dem irrationalistischen Erbe Nietzsches und so entsteht ein vielsagendes Bild der gesellschaftlichen Stellung des Kleinbürgers in der Zeitspanne zwischen den zwei Weltkriegen. In seiner Studie über die Entstehung von irrationalistischer Philosophie machte Georg Lukács die soziale Psychologie der Zeit aus, die solch eine Öffnung für Heideggers Begriffsbildung schuf:

"Die Verzweiflung Heideggers hat also einen doppelten Charakter: einerseits das unerbittliche Entlarven der inneren Nichtigkeit des Individuums in der Krisenperiode des Imperialismus; andererseits - weil die gesellschaftlichen Gründe diese Nichtigkeit ins Zeitlose und Gegengesellschaftliche fetischisiert werden - kann das so aufgetauchte Gefühl sehr leicht in eine verzweifelte reaktionäre Aktivität umschlagen. Es ist sicher kein Zufall, dass Hitlers Agitation ununterbrochen an die Verzweiflung appelliert. Freilich bei den arbeitenden Massen an die über ihre ökonomisch-soziale Lage. Bei der Intelligenz schafft jedoch jene Stimmung der Nichtigkeit und Verzweiflung, von deren subjektiver Wahrheit Heidegger ausgeht, die er auf den Begriff bringt, philosophisch verklärt und als ‚authentisch‘ kanonisiert, den günstigsten Boden für die Wirkung der Hitlerschen Agitation." [54]

Bis hierhin haben wir zwei Stränge in Heideggers Denken ausgemacht, die einen gemeinsamen Bestandteil mit dem deutschen Faschismus bilden: philosophischer Irrationalismus und die Aneignung der völkischen Mythologie. Ein dritter ideologischer Baustein des deutschen Faschismus war die Pseudowissenschaft der Rassentheorie, die einem primitiven biologischen Determinismus entsprang. Ohne Zweifel passte Heideggers Denken sich nie dieser Art des plumpen Rassismus an. Die philosophischen Traditionen, aus denen die biologische Rassentheorie hervorgeht, der Sozialdarwinismus und der mechanistische Reduktionismus, waren Anathema zur Tradition der Lebensphilosophie, aus der Heidegger kam. Die Lebensphilosophie betonte, insbesondere durch ihre späteren Vertreter, den Unterschied zwischen Leben und Naturwissenschaften. Mit Heidegger entwickelt sie einen ausgesprochen anti-wissenschaftlichen Zug. Man könnte sagen, dass Heideggers Feindseligkeit gegenüber der Wissenschaft jede Berücksichtigung einer rassistischen Pseudowissenschaft ausschloss.

Einige der Verteidiger Heideggers haben darauf hingewiesen, dass Heidegger, eben weil er Gegner des Biologismus war, darum auch kein Nazi oder Antisemit gewesen sein könnte. Wenn wir dieser Denkrichtung folgen, würden wir der biologischen Rassentheorie eine viel zu große Bedeutung für den Nationalsozialismus zuweisen. Wie Tom Rockmore betont hat:

"Jedoch ist der Antibiologismus, den Heidegger mit vielen anderen Intellektuellen gemeinsam hatte, vereinbar mit Antisemitismus und Nationalsozialismus. Zumindest nachdem der Nationalsozialismus an die Macht gelangt war, war der Biologismus für den Nationalsozialismus nicht so wichtig wie der traditionelle Antisemitismus, der eindrucksvoll vorhanden ist in, beispielsweise, Luthers Werken und selbst in Reden vor dem Deutschen Reichstag, dem Parlament." [55]

Wir können hinzufügen, dass Heidegger sich nicht scheute, mit den scheußlichsten Nazi-Rassisten in gemeinsamen Projekten zusammenzuarbeiten, trotz seiner Ablehnung ihrer primitiven Philosophie. Wie auch immer die philosophischen Differenzen aussahen, die Heidegger mit Alfred Rosenberg hatte, war er doch mehr als bereitwillig, an internationalen Konferenzen als Vertreter des Dritten Reichs teilzunehmen und auf demselben Podium mit Rosenberg und ähnlichem Abschaum zu sitzen. [56]

Man könnte die Beobachtung von Lukács hinzufügen, dass die offizielle nationalsozialistische "Philosophie" niemals ein breites Publikum gefunden hätte, wenn die Jahre der irrationalistischen Kultur ihr nicht den Weg geebnet hätten.

"Damit aber eine so wenig fundierte und kohärente, so zutiefst unwissenschaftliche, so grob dilettantische ‚Weltanschauung‘ zur herrschenden werden konnte, war eine bestimmte philosophische Atmosphäre, ein Zersetzen des Vertrauens zu Verstand und Vernunft, eine Zerstörung des Glaubens an den Fortschritt, eine Leichtgläubigkeit gegenüber Irrationalismus, Mythos und Mystik vonnöten." [57]

Vielleicht bestand Heideggers größtes Verbrechen nicht darin, dass er Mitglied in der NSDAP wurde und den Posten als Rektor in Freiburg annahm. Dies waren reine politische Verbrechen, von vielen Tausenden Jasagern in ähnlicher Art begangen. Vielleicht war sein Verbrechen an der Philosophie grundlegender. Denn hierdurch lieferte er in keinem geringen Umfang einen Beitrag zur Kultur der Barbarei, die die Bestie des Nationalsozialismus nährte.

Danse Macabre: Heidegger, Pragmatismus und Postmodernismus

"Diese Eitelkeit, welche sich jede Wahrheit zu vereiteln, daraus in sich zurückzukehren versteht und an diesem eigenen Verstande sich weidet, der alle Gedanken immer aufzulösen und statt alles Inhalts nur das trockene Ich zu finden weiß, ist eine Befriedigung, welche sich selbst überlassen werden muss; denn sie flieht das Allgemeine und sucht nur das Fürsichsein." [58]

Eine der merkwürdigsten philosophischen Tendenzen in der Nachkriegsperiode war die Umarmung Heideggers durch viele links-gerichtete Intellektuelle. Dies ist ein außergewöhnlich komplexer Gegenstand, dem wir im Rahmen dieser Darstellung kaum gerecht werden können. Wir wollen einfach, trotz der historischen Unterschiede, die epistemologische Verwandtschaft zwischen Heidegger und seinen heutigen Sympathisanten skizzieren.

Was die Nachkriegsintelligenz im Westen charakterisierte, war der pauschale Verzicht auf jegliche Identifikation mit dem Marxismus, dem Humanismus oder jeglichem Überrest der aufklärerischen Vernunft. Die Hoffnungen einer Generation radikaler Intellektueller wurden unter dem Gewicht der gescheiterten revolutionären Bewegungen in den späten 60-er und frühen 70-er Jahren zertrampelt. Man sollte insbesondere in Bezug auf die französische Intelligenz die Auswirkungen des Scheiterns des revolutionären Aufruhrs im Mai/Juni 1968 nicht unterschätzen. Legionen von vormals linken Intellektuellen begannen einen pauschalen Rückzug von der aufklärerischen Vision einer emanzipatorischen Vernunft. Ihre verzweifelte Stimmung wurde von dem späten Jean-François Lyotard, dem Begründer des Postmodernismus, zusammengefasst:

"Wir können eine Form des Niedergangs in der Zuversicht, die über zwei Jahrhunderte vom Westen in das Prinzip eines allgemeinen Fortschritts der Menschheit investiert wurde, beobachten und feststellen. Diese Idee eines möglichen, wahrscheinlichen oder notwendigen Fortschritts hat seine Wurzeln in der Überzeugung, dass Entwicklungen im Bereich der Kunst, der Technologie, des Wissens und der Freiheit der Menschheit als Ganze zugute kommen würden. [...]

Es gibt eine Art von Leiden im Zeitgeist. Es findet seinen Ausdruck in reaktiven, sogar reaktionären, Einstellungen oder in Utopien - aber nicht in einer positiven Orientierung, die eine neue Perspektive eröffnen könnte." [59]

Lyotards persönlicher Werdegang steht exemplarisch für den politischen und intellektuellen Wandel einer ganzen Generation von Radikalen. In den 50-er und 60-er Jahren war er Mitherausgeber der radikalen Zeitschrift Socialisme ou Barbarie. Er nahm an den Ereignissen des Mai 1968 aktiv teil. Infolge der Stabilisierung des gaullistischen Regimes nach 1968 wandte Lyotard sich gegen den Marxismus, den er, zusammen mit der aufklärerischen Idee des Fortschritts, als "gescheiterte Metaerzählung" bezeichnete.

Da sie versuchten, die schreckliche jüngere Geschichte als Versagen im Denken zu begreifen, war es kein großer Schritt für die Postmodernisten, sich die irrationalistische Tradition anzueignen, die sich von der Aufklärung abgewandt hatte. Hier finden die Heideggerianer, Postmodernisten, Dekonstruktionisten und Neopragmatisten ihre gemeinsame Basis. Alle diese Tendenzen lehnen das ab, was sie das traditionelle Begriffsdenken nennen, "Philosophie" oder "Wissenschaft" mit Großbuchstaben.

Warum tendierten diese ungleichen philosophischen Traditionen zu Heideggers Vorstellung von einem "Denken [...], das strenger ist als das begriffliche"? [60]

Sie sahen in Heidegger den ideologischen Apparat, der ihnen helfen würde, das nunmehr suspekte Model der Rationalität, das ein Kennzeichen der westlichen Philosophie über 2.500 Jahre war, zu überwinden. Heidegger stattete die gegen die Grundlagen gerichtete Herangehensweise von Derrida, Rorty und anderen mit einer systematischen Kritik der Philosophiegeschichte aus. Die Postmodernisten, Dekonstruktionisten und Pragmatisten akzeptierten feierlich Heideggers Diagnose vom Endstadium des westlichen Denkens wenn er sagte: "Nötig ist in der jetzigen Weltnot: weniger Philosophie, aber mehr Achtsamkeit des Denkens; weniger Literatur, aber mehr Pflege des Buchstabens." [61]

Der Neopragmatiker Richard Rorty kommt zum identischen Schluss, wenn er schreibt:

"Wenn die Philosophie verschwindet, wird etwas verloren gegangen sein, das im westlichen intellektuellen Leben eine zentrale Rolle spielte - so wie etwas Zentrales verloren ging, als unter den intellektuell angesehenen Anwärtern der philosophischen Artikulation die religiösen Eingebungen ausgemerzt wurden. Aber die Aufklärung dachte zu Recht, dass das, was nachfolgen würde, besser sei. Der Pragmatist setzt darauf, dass das besser sein wird, was der ‚wissenschaftlichen‘, positivistischen Kultur, die von der Aufklärung geschaffen wurde, folgt." [62]

In einem bemerkenswerten Geständnis erklärt Rorty selbst den zugrundeliegenden soziologischen Imperativ, der diese totale Veränderung im westlichen Denken hervorgebracht hat. Während er das Unbehagen beschreibt, das über das westliche Denken gekommen ist, schreibt Rorty:

"Es reflektiert den gesellschaftspolitischen Pessimismus, der europäische und amerikanische Intellektuelle ergriffen hat, seitdem wir stillschweigend den Sozialismus aufgegeben haben ohne dabei den Kapitalismus lieber zu mögen - seitdem Marx aufhörte, eine Alternative zu Nietzsche und Heidegger zu sein. Dieser Pessimismus, der sich manchmal selbst ‚Postmodernismus‘ nennt, hat die Überzeugung geschaffen, dass die Hoffnung auf größere Freiheit und Gleichheit, die die jüngere Geschichte des Westens kennzeichneten, irgendwie zutiefst selbstbetrügerisch war." [63]

So werden wir Zeuge der eigentümlichen intellektuellen Teilhabe der Alt-68er-Generation von enttäuschten Ex-Radikalen an den Ideen der deutschen radikalen Rechten der 20-er Jahre. Die freundliche Aufnahme Derridas und des französischen Postmodernismus in den Vereinigten Staaten kann erklärt werden durch eine Reihe von Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte, die in vielerlei Hinsicht parallel zu den Erfahrungen der französischen Intelligenz verliefen. Wir denken dabei an die Desillusionierung, die aufkam, als die ungestümen Tage der Protestpolitik in den 60-ern und frühen 70-ern der beengenden kulturellen und politischen Landschaft der Reagan-Regierung Platz machten.

Doch was ist der Inhalt des neuen "Denkens", über das Heidegger, Derrida und Rorty nachsinnen? Wir suchen vergebens in den Werken von Heidegger, Rorty, Lyotard oder Derrida nach einer Erklärung dafür, was dieses neue "Denken" ist und inwiefern es "besser" ist als ein Denken, das auf dem Versuch beruht, die objektive Welt in Begriffe zu fassen. Bestenfalls werden wir auf die Werke von Dichtern und anderen Künstlern verwiesen, deren intuitiver ästhetischer Blick auf die Welt als neues Paradigma des Wissens angeboten wird. Dies erklärt die Abwendung des späten Heideggers von traditionellen philosophischen Fragen hin zum Nachsinnen über die Dichtkunst Hölderlins. Eine ähnliche Tendenz können wir in den Werken der Postmodernisten und Neopragmatisten wahrnehmen. Derrida zum Beispiel versuchte, das philosophische Unterfangen als eine Form von literarischem Text neu zu definieren. Rorty lobt den "gutartigen" Romanschriftsteller auf Kosten des kränklichen Philosophen. [64]

Heideggers Anspruch, auf ein "Urdenken" hinzuweisen, das auf irgendeine Art eine Rückkehr zu eine authentischeren, weniger verdorbenen Einsicht darstellt, ist nichts Neues in der Geschichte der Philosophie. Er ist nur eine Variation der Behauptung, dass die unmittelbare Intuition eine sicherere Grundlage für Wissen darstelle als die vermittelte Reihenfolge von Begriffen, die das Besondere mit dem Allgemeinen in Verbindung bringen. Der Versuch, das bloße Besondere, unbeeinflusst vom Allgemeinen, zu fassen - ob begriffen als "Sinneswahrnehmung" oder als mystischer Zugang zum Göttlichen -, hat die Philosophie über Jahrhunderte verfolgt. Seinerzeit musste Hegel den Intuitionisten antworten, die das kritische Denken ablehnten. Diesen Denkern entgegnend schrieb er, dass "was das Unaussprechliche genannt wird, nichts anderes ist als das Unwahre, Unvernünftige, bloß Gemeinte". [65]

Diese Bemerkung, scheint uns, ist eine perfekte Koda zu Heideggers "Denken", das über die Philosophie hinausgeht. Heideggers "Denken" ist nicht post-philosophisch sondern prä-philosophisch. Wir haben weniger die Geschichte der Metaphysik überwunden als dass wir zu einer Periode in der Geschichte des Denkens zurückgekehrt sind, die dem Aufkommen der Metaphysik vorausging, vor der Differenzierung der Wissenschaft von Mythen und Religion.

Die Schwülstigkeit und Anmaßung in Heideggers Rückkehr zum Archaischen wurde von Theodor Adorno, einem der frühesten und schärfsten Kritiker Heideggers, großartig herausgestellt. Adorno hob die verborgene Annahme in Heideggers Denken hervor, "die Identifikation des Archaischem mit dem Echten". Diesen Gedanken ausführend schrieb er:

"Die Trivialität des Schlichten aber ist nicht, wie es Heidegger gefiele, der Wertblindheit seinsverlustigen Denkens zuzuschreiben, während sie von dem angeblich vernehmenden abfiele und als Edelstes sich offenbarte. Sondern sie ist das Mal jenes zurichtenden Denkens in den einfachsten Worten selbst, dem Heidegger entronnen zu sein vorspiegelt: der Abstraktion." [66]

Welche praktischen Folgen ergeben sich aus dieser Art des "Denkens"? Die nicht-vermittelte Wahrnehmung führt einen zum "Vertrauten" zurück. Das "Vertraute" ist das, was wir als erwiesen, als selbstverständlich wahr annehmen. Es ist die Sphäre der historisch tief verwurzelten Annahmen und Vorurteilen der Klasse, jene Axiome des alltäglichen Lebens, die von Freunden und Kollegen akzeptiert werden und daher den Bereich des "Vertrauten" bilden. Der Intuitionist ist daher ein Sklave der historisch verwurzelten Ideologien seiner Zeit und seines Ortes, während er die ganze Zeit denkt, dass er alle Dogmen und Vorurteile überwunden hat. Für Heidegger ist das "Vertraute" stark verbunden mit der ideologischen Haltung der radikalen Rechten, er teilt ihre Mythologie vom Volk, das ein gemeinsames Schicksal hat, und vom Verrat des Vaterlandes durch Liberale und Sozialisten, usw. Für den zeitgenössischen Haufen von Postmodernisten und Neopragmatisten ist es möglich, ein gemeinsames Sortiment von Überzeugungen zu skizzieren, die als Gemeingut der heutigen Intellektuellen angesehen werden. Unter diesen könnte man die folgenden nennen:

Der rationale Diskurs ist unfähig, die Komplexität und Nuancen der (post)modernen Gesellschaft einzuschließen. (Die Tatsache, dass solch eine Äußerung selbst ein Beispiel für rationalen Diskurs ist und somit sich selbst widerlegt, scheint die Vertreter dieser Ansicht nicht zu stören.)

Der Gedanke des Fortschritts kann in der Geschichte nicht nachgewiesen werden. Dies ist eng verbunden mit einem tiefen Gefühl der Skepsis hinsichtlich der Möglichkeit, die Technologie zugunsten der Menschheit nutzbar zu machen.

Die Arbeiterklasse kann keine revolutionäre Rolle spielen. Einige Postmodernisten stellen der Arbeiterklasse andere Kräfte entgegen. Andere sind ohne Hoffnung auf die Möglichkeit einer revolutionären Umwandlung der Gesellschaft. Wiederum andere leugnen sogar die Existenz der Arbeiterklasse in der heutigen Gesellschaft.

Allen gemeinsam ist jedoch die Überzeugung, dass die Aussicht auf Sozialismus in unserer Zeit ausgeschlossen ist. Hieraus folgt, dass der Marxismus als hoffnungsloser utopischer Traum begriffen wird. Diese letzte Überzeugung wird von allen Schattierungen des Postmodernismus, der Dekonstruktion und des Neopragmatismus unkritisch übernommen. Sie hat die Stärke eines neuen Dogmas, eines, das von seinen Vertreter vollständig unbemerkt bleibt.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Heideggers heutige Verteidiger sind, mit wenigen bemerkenswerten Ausnahmen wie Ernst Nolte, keine Unterstützer des Faschismus. Was sie in Heidegger sehen, ist sein Angriff auf die Geschichte des rationalen Denkens. Wie Heidegger möchten sie zurückkehren in eine mystische Vergangenheit vor dem verderbenden Einfluss der westlichen Metaphysik. Die Politik des "Urdenkens", die mit Hegels Worten "das Allgemeine flieht", führt unweigerlich zu einer Politik, die das Unmittelbare und Fragmentarische erhöht auf Kosten der objektiven und universellen Interessen der Menschheit.

Es ist kein Zufall, dass die Postmodernisten zu Unterstützern verschiedener Formen von "Identitätenpolitik" wurden, die auf subjektiv wahrgenommenen spezifischen Interessen - wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit oder sogar Nachbarschaft - beruhen. Sie sind gegen jede Politik, die sich auf universelle und objektive Klasseninteressen gründet. Dies ist nur eine Variation von Heideggers Position in den 20-er und 30-er Jahren, in denen die Realität der mystischen Volksgemeinschaft zum Hauptprinzip wurde, nach dem politische Positionen formuliert wurden.

Zuletzt möchten wir noch einmal fragen, warum Heidegger von vielen als der größte Philosoph des zwanzigsten Jahrhunderts angesehen wird? Wir können einige Gründe beleuchten, warum Philosophen und andere, die dem Faschismus keine Sympathie entgegenbringen, sein Werk verlockend finden. Sein Werk bekundet eine tiefe Vertrautheit mit der Geschichte der Philosophie und ihren Problemen. Auch entwickelt er eine sehr ungewöhnliche Interpretation dieser Geschichte. Im Grunde ist der Inhalt seines Denkens weder profund noch originell. Beurteilungen der oben genannten Art basieren allerdings nicht auf dem Inhalt von Heideggers Philosophie. Sie entsteigen dem wahrgenommenen Fehlen einer Alternative zum Geist des Nihilismus, der unser Zeitalter durchdringt. Heidegger gab diesem Geist mehr als jeder andere im zwanzigsten Jahrhundert eine Stimme.

Es ist ein Geist, der verscheucht werden muss. Das Gegenteil des Nihilismus, der Geist der Hoffnung und Gleichheit, eingeleitet von der Aufklärung, ist der Marxismus. Wir möchten mit den Worten des deutschen Marxisten Walter Benjamin, selbst ein Opfer der Nazis, schließen. In einem Kommentar zu Ernst Jüngers Buch Krieg und Krieger, das die faschistische Ästhetik feierte, schrieb er das Folgende, zu einer Zeit (1930) als die faschistische Bedrohung einen sehr dunklen Schatten zu werfen begann:

" Nicht ehe Deutschland das medusische Gefüge der Züge, die ihm hier entgegentreten, gesprengt hat, kann es eine Zukunft erhoffen. [...] Wohl aber hat man alles Licht, das Sprache und Vernunft noch immer geben, auf jenes ‚Urerlebnis‘ zu richten, aus dessen tauber Finsternis diese Mystik des Weltentods mit ihren tausend unansehnlichen Begriffsfüßchen hervorkrabbelt. Der Krieg, der sich in diesem Licht enthüllt, ist der ‚ewige‘, zu welchem diese neuen Deutschen beten, sowenig wie der ‚letzte‘, von welchem die Pazifisten schwärmen. Er ist in Wirklichkeit nur dies: Die eine, fürchterliche, letzte Chance, die Unfähigkeit der Völker zu korrigieren, ihre Verhältnisse untereinander demjenigen entsprechend zu ordnen, das sie durch ihre Technik zur Natur besitzen. Missglückt die Korrektur, so werden zwar Millionen Menschenkörper von Gas und Eisen zerstückt und zerfressen werden - sie werden es unumgänglich - aber selbst die Habitués chthonischer Schreckensnächte, die ihren Klages im Tornister führen, werden nicht ein Zehntel von dem erfahren, was die Natur ihren weniger neugierigen, nüchterneren Kindern verspricht, die an der Technik nicht einen Fetisch des Untergangs, sondern einen Schlüssel zum Glück besitzen." [67]

Anmerkungen:

1 Jürgen Habermas, Zur Veröffentlichung von Vorlesungen aus dem Jahre 1935, in: Ders., Philosophisch-politische Profile, Frankfurt am Main 1971, S. 67

2 Victor Farías, Heidegger und der Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1989

3 Thomas Sheehan, Heidegger and the Nazis, in: New York Review of Books vom 16. Juni 1988

4 Martin Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universität, Rede vom 27. Mai 1933, zit. nach: Victor Farías, a.a.O., S. 155ff.

5 Martin Heidegger, Die Universität im Neuen Reich, Vorlesung vom 30. Juni 1933, zit. nach: Victor Farías, a.a.O., S. 200f.

6 Zit. nach: Victor Farías, a.a.O., S. 228

7 Vgl. Victor Farías, a.a.O., S.177

8 Zit. nach: Victor Farías, a.a.O., S.224

9 Vgl. Thomas Sheehan, a.a.O.

10 Vgl. Victor Farías, a.a.O., S. 178

11 Zit. nach: Victor Farías, a.a.O., S. 283

12 Max Müller, Martin Heidegger - Ein Philosoph und die Politik, Ein Gespräch mit Bernd Martin und Gottfried Schramm, in: Günther Neske und Emil Kettering (Hg.), Antwort - Martin Heidegger im Gespräch, Tübingen 1988, S.206

13 Vgl. Rainer Marten, Heideggers Geist, in: Jürg Altwegg (Hg.), Die Heidegger Kontroverse, Frankfurt am Main 1988, S. 232

14 Vgl. Rüdiger Safranski, Ein Meister aus Deutschland - Martin Heidegger und seine Zeit, München 1994, S. 301

15 Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, Vorlesung von 1935, zit. nach: Victor Farías, a.a.O., S. 303

16 Vgl. Richard Wolin, French Heidegger Wars, in: Richard Wolin (Hg.), The Heidegger Controversy - A Critical Reader, 1998, S. 282

17 Zit. nach: Victor Farías, a.a.O., S. 376

18 Nur noch ein Gott kann uns retten - Spiegel-Interview mit Martin Heidegger, Der Spiegel vom 31. Mai 1976, in: Günther Neske und Emil Kettering (Hg.), a.a.O., S. 96

19 Nur noch ein Gott kann uns retten - Spiegel-Interview mit Martin Heidegger, a.a.O., S. 105

20 Martin Heidegger, Brief an den Rektor der Universität Freiburg vom 4. November 1945, In: Richard Wolin, The Heidegger Controversy - A Critical Reader, Cambridge 1998, S. 61 (zurückübersetzt aus dem Englischen, da der Brief im deutschen Original nie veröffentlicht wurde. Wolin zitiert ihn nach einer unveröffentlichten Dissertation: August Moehling, Martin Heidegger an the Nazi Party - An Examination, Northern Illinois University 1972.)

21 Martin Heidegger, Brief an den Rektor der Universität Freiburg vom 4. November 1945, a.a.O., S.64

22 Martin Heidegger, Brief an den Rektor der Universität Freiburg vom 4. November 1945, a.a.O., S. 64ff.

23 Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, Vorlesung von 1935, zit. nach: Victor Farías, Heidegger und der Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1989, S. 303

24 Vgl. Thomas Sheehan, Heidegger and the Nazis, in: New York Review of Books vom 16. Juni 1988

25 Vgl. Thomas Sheehan, Heidegger an the Nazis, a.a.O.

26 Vgl. Denis Donoghue, The Strange Case of Paul De Man, in: New York Review of Books vom 29. Juni 1989

27 Zit nach: Richard Wolin, French Heidegger Wars, in: Richard Wolin, The Heidegger Controversy - A Critical Reader, 1998, S. 282 (aus dem Englischen übertragen)

28 Hannah Arendt, Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt, in: Günther Neske und Emil Kettering (Hg.), Antwort - Martin Heidegger im Gespräch, Tübingen 1988, S. 243f.

29 Vgl. Hannah Arendt, Martin Heidegger at Eighty, in: New York Review of Books vom 21. Oktober 1971. Obwohl der Wortlaut der Würdigung identisch ist mit dem auf deutsch veröffentlichten, hat Arendt beim Erscheinen des Essays in den USA im Jahre 1971 die kommentierende Fußnote geändert. In der englischen Fassung heißt es: "[...] the point of matter is that Heidegger, like so many other German intellectuals, Nazis and anti-Nazis, of his generation never read Mein Kampf." In der 1969 in Deutschland veröffentlichten Fußnote heißt es: "Wer außer Heidegger ist schon auf die Idee gekommen, in dem Nationalsozialismus ‘die Begegnung der planetarisch bestimmten Technik und des neuzeitlichen Menschen' zu sehen - es sei denn, er hätte statt Hitlers Mein Kampf einige Schriften der italienischen Futuristen gelesen, auf die sich der Faschismus im Unterschied zum Nationalsozialismus hie und da berufen hat." (Hannah Arendt, Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt, a.a.O., S. 245. Vgl. auch: Bernd Martin (Hg.), Martin Heidegger und das ‘Dritte Reich', Darmstadt 1989, S. 142f.)

30 Tom Rockmore, On Heidegger's Nazism and Philosphy, Berkley 1992, S. 6 (Aus dem Englischen übertragen)

31 Hannah Arendt, Martin Heidegger at Eighty, a.a.O. (aus dem Englischen übertragen) In der deutschen Fassung heißt es: "Diesen ‚Irrtum' hat Heidegger zwar nach kurzer Zeit eingesehen und dann erheblich mehr riskiert, als damals an den deutschen Universitäten üblich war. Aber das Gleiche kann man nicht von den zahllosen Intellektuellen und sogenannten Wissenschaftlern behaupten, die nicht nur in Deutschland es immer noch vorziehen, statt von Hitler, Auschwitz, Völkermord und dem ‘Ausmerzen' als permanenter Entvölkerungspolitik, sich je nach Einfall und Geschmack an Plato, Luther, Hegel, Nietzsche oder auch an Heidegger, Jünger oder Stefan George zu halten, um das furchtbare Phänomen aus der Gosse geisteswissenschaftlich uns ideengeschichtlich aufzufrisieren." (Hannah Arendt, Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt, a.a.O., S. 245)

32 Alan Milchman und Alan Rosenberg, Heidegger, Planetary Technics and the Holocaust, 1996, S. 222 (Aus dem Englischen übertragen)

33 Alan Milchman und Alan Rosenberg, a.a.O., S. 224

34 Hans-Georg Gadamer, Zurück von Syrakus?, in: Jürg Altwegg (Hg.), Die Heidegger Kontroverse, Frankfurt am Main 1988, S. 176-179

35 Ernst Nolte, Vergangenheit, die nicht vergehen will, in: FAZ vom 6. Juni 1986, zit. nach: Ernst Nolte, Das Vergehen in der Vergangenheit - Antwort an meine Kritiker im Historikerstreit, Frankfurt am Main 1987, S. 177

36 Ernst Nolte, Martin Heidegger - Politik und Geschichte im Leben und Denken, Berlin 1992, S. 296

37 Ernst Nolte, Martin Heidegger - Politik und Geschichte im Leben und Denken, a.a.O., S. 277

38 Vgl. Thomas Sheehan, A Normal Nazi, New York Review of Books vom 14. Januar 1993

39 Rüdiger Safranski, Ein Meister aus Deutschland - Martin Heidegger und seine Zeit, München 1994, S. 484

40 Richard Rorty, Besprechung von Rüdiger Safranskis Ein Meister aus Deutschland - Martin Heidegger und seine Zeit, in: New York Review of Books vom 3. Mai 1998 (aus dem Englischen übertragen)

41 Richard Rorty, Philosophy as Science, Metaphor, Politics, in: ders, Essays on Heidegger an Others, Philosophical Papers, Bd. 2, Cambridge 1991, S. 19 (aus dem Englischen übertragen)

42 Julian Young, Heidegger, Philosophy, Nazism, Cambridge 1997, S.1 (aus dem Englischen übertragen)

43 Tom Rockmore, Recent Discussion of Heidegger and Politics: Young, Beistegui, Fritsche, in: Graduate Faculty Philosophy Journal, Bd. 21,2, 1999, S. 53 (aus dem Englischen übertragen)

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44 Friedrich Nietzsche an Freiherrn von Gersdorff am 21. Juni 1871, zit. nach: Georg Lukács, Die Zerstörung der Vernunft, in: Ders., Werke, Bd. 9, Berlin 1962, S. 284

45 Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne - Zwölf Vorlesungen, Frankfurt am Main 1985, S.168

46 Johannes Fritsche, Historical Destiny and National Socialism in Heidegger's Being and Time, Berkeley 1999, S. xv (aus dem Englischen übertragen)

47 Johannes Fritsche, a.a.O., S. 218f. (aus dem Englischen übertragen)

48 Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 1977, S. 384

49 Johannes Fritsche, a.a.O., S. 65

50 Johannes Fritsche, a.a.O., S. 67

51 C.G. Jung, Über Grundlagen der analytischen Psychologie, Tavistock Lectures 1935, Fünfte Vorlesung, in: Ders., Gesammelte Werke, Bd. 18,1, Olten 1981, S. 179f.

52 George L. Mosse, Ein Volk - Ein Reich - Ein Führer. Die völkischen Ursprünge des Nationalsozialismus, Königstein 1979, S. 31

53 Zu Jungs Affinität zur völkischen Mythologie und Antisemitismus vgl. Richard Noll, The Jung Cult: Origins of a Charismatic Movement, Princeton 1994

54 Georg Lukács, Die Zerstörung der Vernunft, a.a.O., S. 441

55 Tom Rockmore, On Heidegger's Nazism and Philosophy, Berkley 1992, S. 111 (aus dem Englischen übertragen)

56 Heideggers ehemaliger Student und Freund Karl Löwith traf ihn während einer Konferenz in Rom 1936. Löwith, ein gebürtiger Jude, war nach 1933 ins Exil gegangen. Anlässlich des Treffens fragte Löwith Heidegger, wie er "mit einem Individuum wie Julius Streicher" an einem Tisch sitzen könne. Streicher, der berüchtigte Herausgeber des Stürmers, war als Vorstandsmitglied des Nietzsche-Archivs zur Konferenz zugelassen worden. Heidegger war wie er Mitglied des Vorstands. Löwith berichtet in seinen Memoiren, dass Heideggers Antwort auf seine Frage zu Streicher darin bestand, zu erklären, "über Streicher brauche man kein Wort zu verlieren, der Stürmer sei doch nichts anderes als Pornografie. Warum sich Hitler nicht von dem Kerl befreie, das verstünde er nicht, er habe wohl Angst vor ihm." Heidegger grenzte also den Führer Hitler von Streicher ab. [Karl Löwith, Letztes Wiedersehen mit Heidegger, in: Günther Neske und Emil Kettering, Antwort - Martin Heidegger im Gespräch, Tübingen 1988, S. 172]

57 Georg Lukács, Die Zerstörung der Vernunft, a.a.O., S. 362f.

58 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: Ders. Werke, Bd. 3, Frankfurt am Main 1970, S. 75

59 Jean François Lyotard, Notes on the Meaning of ‘Post', in: Thomas Docherty (Hg.), Postmodernism a Reader, New York, S. 48f. (aus dem Englischen übertragen)

60 Martin Heidegger, Über den Humanismus, Frankfurt am Main 1949, S. 41

61 Martin Heidegger, Über den Humanismus, a.a.O., S. 47

62 Richard Rorty, Consequences of Pragmatism - Essays 1972-1980, Minneapolis 1982, S. XXXVIII (aus dem Englischen übertragen)

63 Richard Rorty, Heidegger, Kundera and Dickens, in: Ders., Essays on Heidegger and Others - Philosophical Papers, Bd. 2, Cambridge 1991, S. 67 (aus dem Englischen übertragen)

64 "Das wichtigste an Romanschrifstellern ist, dass sie, verglichen mit Theoretikern, gut im Detail sind." (Richard Rorty, Heidegger, Kundera and Dickens, a.a.O., S.81)

65 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, a.a.O., S. 92

66 Theodor W. Adorno, Jargon der Eigentlichkeit - Zur deutschen Ideologie, Frankfurt am Main 1970, S.45

67 Walter Benjamin, Theorien des deutschen Faschismus, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. 3, Frankfurt am Main 1972, S. 249f.

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