Hektische Aktivitäten für Friedensgespräche in Sri Lanka

Peter Hain, Staatssekretär im britischen Außenministerium, stattete vergangene Woche der srilankischen Hauptstadt Colombo einen Besuch ab. Seine Reise ist Bestandteil erneuter hektischer diplomatischer Aktivitäten mit dem Ziel, Gespräche zwischen der srilankischen Regierung und den separatistischen Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) über die Beendigung des jahrzehntelangen Bürgerkriegs zustande zu bringen.

Hain hielt sich zwei Tage in Sri Lanka auf und führte in dieser Zeit zahlreiche Gespräche mit Premierminister Ratnasiri Wickramanayake, Oppositionsführer Ranil Wickremasinghe, mehreren Ministern und den Führern dreier tamilischer Parteien.

Am 22. November hielt Hain in Colombo eine Rede vor dem British Council, in der er die srilankische Regierung drängte, dem Beispiel der Nordirland-Verhandlungen zu folgen. "Dies ist ein Krieg, den keine Seite militärisch gewinnen kann," sagte er. "Dies ist ein Konflikt, der nur gelöst werden kann, wenn die gewählten Führer bereit sind, sich mit Leuten an einen Tisch zu setzen, die zwar für barbarische Morde verantwortlich sein mögen, die aber ein legitimes politisches Programm haben, das man einbeziehen muss und nicht ignorieren kann."

Keine Großmacht unterstützt die Forderung der LTTE nach einem unabhängigen Tamilenstaat im Norden und Osten von Sri Lanka, aber Hain deutete internationale Unterstützung für eine viel weitergehende Autonomie an, als die, welche die Kumaratunga-Regierung bisher zuzugestehen bereit war.

"Die LTTE muss, wie die IRA, anerkennen, dass zwar ein verfassungsmäßig von der übrigen Insel abgespaltenes Königreich Tamil Eelam von Europa, den USA und selbst Indien nicht anerkannt werden würde, dass sehr wohl aber das grundlegende Prinzip der Selbstbestimmung und die Kontrolle über die meisten, wenn nicht gar alle politischen Schlüsselfragen, die das tägliche Leben betreffen, von der internationalen Gemeinschaft unterstützt würden."

Hain machte deutlich, dass Großbritannien Druck auf die LTTE ausübt, an Gesprächen teilzunehmen. Während seines Besuchs deutete er an, dass Großbritannien "ernsthaft" in Erwägung ziehe, die LTTE unter den nächstes Jahr in Kraft tretenden Antiterrorgesetzen zu verbieten, wenn sie dazu nicht bereit sei. Die LTTE unterhält in London ein Zentrum, dessen Schließung die srilankische Regierung schon lange verlangt.

Hain wies darauf hin, dass Großbritannien über die Situation in Sri Lanka in engem Kontakt mit den USA und Indien stehe. Erst drei Wochen vor Hain war der norwegische Sondergesandte Erik Solheim in Sri Lanka gewesen und hatte die Frontlinie im Norden für Gespräche mit dem Führer der LTTE, Velupillai Prabhakaran, überschritten. Er war auch mit Präsidentin Chandrika Kumaratunga und mehreren anderen Parteiführern zusammengetroffen.

Norwegen und Indien bemühen sich schon seit längerem, mit Unterstützung der Großmächte Verhandlungen herbeizuführen. Während Hain in Colombo war, berichtete Solheim in Neu Delhi dem indischen Premierminister Atal Bihari Vajpayee und Außenminister Jaswant Singh über seine jüngsten Gespräche in Colombo und mit der LTTE.

Diese Woche wird der stellvertretende amerikanische Außenminister Karl Inderfurth in Colombo erwartet. Ein Sprecher der amerikanischen Botschaft spielte die Bedeutung des Besuchs herunter und sagte: "Sein Besuch dient nicht speziell zu Gesprächen über die ethnischen Fragen, sondern er wird eine repräsentative Auswahl führender Persönlichkeiten der Regierung und der Opposition treffen." Inderfurths Reise ist aber nach dem Besuch von Thomas Pickering, eines anderen hochrangigen Vertreters des amerikanischen Außenministeriums, vor einigen Monaten, ein weiterer Beleg, dass die USA direkten Einfluss auf die Friedensbemühungen nehmen.

Früher haben die USA, Großbritannien und andere Großmächte eher selten Interesse an der Beendigung des Bürgerkriegs gezeigt, der mehr als 60.000 Menschenleben gekostet hat und noch viel mehr Menschen zu Krüppeln und obdachlos gemacht hat. Aber der Krieg wird immer mehr als ein für die Region gefährlich destabilisierender Faktor gesehen, und besonders nach den beachtlichen militärischen Erfolgen der LTTE im Verlaufe dieses Jahres als Hindernis für internationale Investitionen auf dem indischen Subkontinent.

Die jüngsten diplomatischen Aktivitäten haben direkt mit der letzten Wahl in Sri Lanka zu tun. Sowohl die regierende Volksallianz (PA) wie auch die oppositionelle United National Party (UNP) hatten sich im Wahlkampf singhalesisch-chauvinistischen Schichten angebiedert, die jeglichen Friedensgesprächen feindlich gesonnen sind und eine Verschärfung des Kriegs gegen die LTTE fordern. Unmittelbar vor der Wahl hatte eine Protestwelle singhalesischer Extremisten Kumaratunga gezwungen, eine geplante Verfassungsänderung, die die Voraussetzung für einen Verhandlungsfrieden schaffen sollte, auf die lange Bank zu schieben,.

Nach der Wahl stehen PA und UNP wieder unter dem Druck von Wirtschaftskreisen, die ihre Interessen durch den Krieg bedroht sehen. Kumaratunga deutete daraufhin in ihrer Eröffnungsrede vor dem Parlament vorsichtig an, dass die Regierung bereit sei, in Verhandlungen einzutreten. Sie befürchtet allerdings, dass jeder Versuch, Gespräche mit der LTTE aufzunehmen, zu einer Protestwelle rechter, den Krieg befürwortender Gruppen und zu Verwerfungen in ihrer eigenen Koalition führen könnte.

Am Montag äußerte sich Premierminister Wickramanayake, dem enge Beziehungen zum buddhistischen Klerus und singhalesisch-chauvinistischen Kreisen nachgesagt werden, abschätzig über Hains Besuch. Er sagte, dass die Erfahrungen anderer Länder (Nordirland) nicht auf Sri Lanka "übertragen" werden könnten. "Wir werden die militärische Option weiterverfolgen, bis der Feind völlig vernichtet ist", sagte er.

Singhalesische Extremisten haben sich auf Hains Bemerkung über tamilische "Selbstbestimmung" gestürzt, um den britischen Besuch zu verurteilen. Der Sunday Leader erklärte in seinem wöchentlichen politischen Kommentar: "Hain ist sehr konkret, wenn er nicht nur sagt, dass die LTTE ein politisches Programm habe, dass einbezogen werden müsse, sondern auch, dass das Prinzip der Selbstbestimmung, dass die LTTE reklamiert, internationale Unterstützung habe. Das allein schon ist nicht nur eine diplomatische Niederlage für die Regierung, sondern ein wichtiger Triumph für die LTTE."

Die rechtsradikale Sihala Urumaya (SU) führte während Hains Rede eine Protestveranstaltung vor dem Gebäude des British Council durch. Nach Solheims Treffen mit Prabhakaran hatte die SU am 16. November eine Protestveranstaltung von mehreren hundert Leuten, darunter auch buddhistischen Mönchen, vor der norwegischen Botschaft in Colombo abgehalten. Die Protestler verbrannten Bilder von Solheim und zeigten Plakate mit der Aufschrift: "Mörderische Norweger, geht nach Hause".

In einem Interview mit der Wochenzeitung Sunday Times am letzten Wochenende beteuerte der Führer des politischen Arms der LTTE die Bereitschaft seiner Organisation, an Verhandlungen teilzunehmen. "Ich denke, der Tag an dem die Präsidentin von Sri Lanka und der nationale Führer der Tamilen [Prabhakaran] sich zusammensetzen und miteinander reden, wird der glücklichste Tag für beide Nationalitäten sein, für Singhalesen und Tamilen," sagte er.

Als er gefragt wurde, ob Prabhakaran ein neuer Mandela oder Arafat werden könnte, äußerte sich Thamilchelvam voller Bewunderung für die Führer des ANC und der PLO. "Nelson Mandela und Jassir Arafat sind ihrer Sache verpflichtet - der Freiheit ihrer Völker. Auch unser Führer führt unser Volk an, das unter politischer Tyrannei leidet, und er wird von seinem Volk genau so geliebt und bewundert, wie Mandela und Arafat."

Ohne Zweifel hat sich die LTTE schon auf den gleichen Weg begeben, wie die PLO im Nahen Osten und der ANC in Südafrika. Als Lohn für die Niederlegung der Waffen hofft die LTTE, einen kapitalistischen Rumpfstaat, oder vielleicht auch nur eine autonome Region auf weniger als einer halben Insel verwalten zu können - ein Ergebnis, das nichts zur Realisierung der demokratischen Grundrechte und eines anständigen Lebensstandards der einfachen Bevölkerung beitragen wird.

Die Bereitschaft Großbritanniens, Norwegens und anderer Länder, dem Norden und Osten der Insel ein gewisses Maß an Autonomie zuzugestehen, zeigt, dass die Großmächte schon erkannt haben, dass sie sich darauf verlassen können, dass die LTTE ihre Interessen verteidigen wird, sollte ein Abkommen mit der srilankischen Regierung zustande kommen.

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