Jörg Haiders kanadische Freunde

Was der österreichische Ultra-Rechte Jörg Haider während seines Kanadabesuches Mitte Februar tat und wen er dort traf, bleibt ein Geheimnis. Eines ist allerdings klar. Haiders angeblich "privater Besuch" verfolgte ein politisches Ziel. Der Kopf der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) will sein Bild in der Öffentlichkeit aufpolieren und den Vorwurf, er sei ein Rassist und Verteidiger der Naziherrschaft, entkräften.

Indem er sich selbst als typischer Politiker des rechten Flügels neu in Szene setzt, der für die Kürzung von Sozialausgaben, schärfere Einwanderungsgesetze und eine Law-and-Order-Politik eintritt, hofft Haider der Opposition zuhause und unter den westlichen Verbündeten Österreichs gegen die Koalitionsregierung seiner FPÖ mit der Österreichischen Volkspartei den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Haider verbrachte die meiste Zeit seines Kanadabesuchs damit, jüdischen Vertretern den Hof zu machen. Bei seinen Bemühungen wurde er von einem israelischen Geschäftsmann und von Peter Sichrovsky begleitet, einem Europaabgeordneten und jüdischen Mitglied der Freiheitlichen Partei. Größtenteils wurde Haider schroff abgewiesen. Seine Bitte nach einer speziellen Führung durch das Holocaust-Museum von Montreal wurde abgelehnt, weil sie als durchsichtiger Versuch einer Selbstdarstellung vor Pressefotografen angesehen wurde. Die Anfrage, sagte Dorothy Zalkman Howard, Vorsitzende der Region Quebec für den kanadischen jüdischen Kongress, war "reiner Selbstzweck". "Es war ein Versuch [von Haider], sich selbst neu zu erfinden und ein anderes Bild von sich zu erschaffen", sagte sie.

Sichrovsky nahm Anstoß am Verhalten des Museums: "Ein lächerlich kleines Museum, das vorgibt die Erinnerung an den Holocaust zu bewahren, hat seine Türen aus einem politischen Grund geschlossen. Wir haben niemals zuvor eine solch hysterische Hass-Attacke erlebt." Sichrovskys "lächerlich kleines Museum" bemüht sich, die Zeugnisse der großen Gemeinde von Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager in Montreal zu sammeln und wird von dieser finanziell unterstützt. (Schätzungen schwanken, aber nach Meinung eines Experten lebt in Montreal weltweit die zweit- oder drittgrößte Zahl von jüdischen Überlebenden der Konzentrationslager).

Auf die Frage von Reportern, warum er Kanada als Ziel seines ersten Auslandsbesuches seit dem umstrittenen Eintritt der FPÖ in die Regierung gewählt habe, antwortete Haider, dass er zu einer traditionellen jüdischen Hochzeitsfeier (Tash Hasidic) in einem Montrealer Vorort eingeladen worden sei. Aber ein Sprecher der jüdischen Gemeinde bestritt, dass eine Einladung an Haider ergangen sei, und schließlich nahm der Führer der "Freiheitlichen" nicht an der Hochzeitsfeier teil.

Der tatsächliche Grund dafür, dass Haiders Wahl auf Kanada fiel, hat damit zu tun, dass er eine Reihe von einflussreichen kanadischen Freunden und Verteidigern hat.

Frank Stronach, ein in Australien geborener Industrieller, der Kanadas größtes Unternehmen für Autoteile, Magna International, besitzt, hat enge Verbindungen zu allen größeren politischen Parteien in Österreich, darunter auch zur FPÖ. Nach Haiders Worten ist Stronach "an allen Parteien interessiert, weil er ein ‚Global Player‘ ist". Der FPÖ-Finanzminister in der neuen Regierung, Karl-Heinz Grasser, war bis vor wenigen Wochen noch Hauptvertreter der Magna International in Österreich.

Der kanadische Pressebaron Conrad Black führt eine Kampagne zur Unterstützung von Haider. Sein britisches Sprachrohr, der Daily Telegraph, ist in Kommentaren wiederholt gegen die internationale Ächtung Haiders eingetreten. Der erste Kommentar, geschrieben von Blacks Ehefrau Barbara Amiel, erklärte Haider zum Opfer einer Kampagne von "politischer Hysterie", die von der Sozialistischen Internationale inszeniert würde. Der zweite mit dem Titel "Lasst uns nicht garstig gegenüber den Österreichern sein" stammte von Lord George Wiedenfeld, einem Wiener Juden, der 1938 in Großbritannien Zuflucht fand und heute im Aufsichtsrat eines Unternehmens von Black sitzt.

Der stellvertretende Vorsitzende von Southam, einer von Blacks kanadischen Zeitungsketten, bestritt zwar, dass das Unternehmen Haiders Besuch in irgendeiner Weise mitorganisiert habe, aber der Führer der FPÖ gab der Montreal Gazette, der Montrealer Tageszeitung eben dieser Kette, ein Exklusivinterview - das einzige Interview während seines Aufenthalts in Kanada.

Die Gazette bezeichnete es als "beunruhigend", dass der kanadischen Außenministers Lloyd Axworthy seine Mitarbeiter angewiesen habe, Haiders Äußerungen zu verfolgen um sicherzustellen, dass er seine "widerlichen Ansichten" während seines Kanadabesuchs bei sich behalte.

Blacks wichtigste kanadische Tageszeitung National Post warf Axworthy Heuchelei vor, da die kanadische Regierung im vergangenen Jahr verschiedenen Diktatoren, die der Verletzung von Menschenrechten in großem Umfang beschuldigt werden, als Gäste auf dem Gipfeltreffen der französischsprachigen Länder, La Francophonie, empfangen habe. Diese Haltung wurde auch von der kanadischen Reformpartei angenommen, die für ihren gegen Einwanderer und Quebec gerichteten Chauvinismus bekannt ist. Keith Martin von der Reformpartei beschuldigte Axworthy, bei seiner scharfen Kritik an Haider "eine enorme Scheinheiligkeit an den Tag zu legen".

Ohne Frage gibt es viel Scheinheiligkeit und Heuchelei in der Haltung der westlichen Regierungen gegenüber der neuen österreichischen Regierung, und das nicht nur deshalb, weil diese Regierungen aus wirtschaftlichen und geopolitischen Gründen regelmäßig Diktaturen unterstützen und Menschenrechtsverletzungen ignorieren. In vielerlei Hinsicht ähnelt Haiders reaktionäres Sozial- und Wirtschaftsprogramm jenem der liberalen Regierung in Kanada und anderer westlicher Regierungen.

Aber Blacks Zeitungen und die Reformpartei werfen ihnen Heuchelei vor, um eine ultrarechte Politik zu legitimieren, einschließlich Rassismus und Nationalismus. Schließlich hat Blacks Daily Telegraph auch die Kampagne zur Verteidigung des chilenischen Diktators Augusto Pinochet angeführt.

Siehe auch:
Die europäischen Sanktionen gegen Österreich
(19. Februar 2000)
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