Opfer der rot-grünen Asylpolitik

Innenministerkonferenz beschließt Beschleunigung von Abschiebungen

Teil 2

Die Innenminister von Bund und Ländern beschlossen auf ihrer am 4. und 5. Mai in Düsseldorf abgehaltenen Frühjahrskonferenz, die Abschiebung von nicht anerkannten Asylbewerbern und Flüchtlingen aus Deutschland zu beschleunigen. Dazu soll nach den Worten des nordrhein-westfälischen Innenministers Behrens (SPD), der zur Zeit Vorsitzender und Sprecher der Länderinnenminister ist, die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und den Länderbehörden, die für die Durchführung der Abschiebungen zuständig sind, verstärkt werden. Konkret sollen Erkenntnisse aus dem Asylverfahren benutzt werden können, um "Rückführungshindernisse" aus dem Weg zu räumen.

Bundesinnenminister Schily wurde von seinen Länderkollegen aufgefordert, eine Außenstelle der Bundesgrenzschutzdirektion direkt in Berlin einzurichten, die auf die Beschaffung von Passersatzpapieren spezialisiert ist. Solche Papiere werden für die Abschiebung von Flüchtlingen ohne gültige Ausweispapiere benötigt. Weitere Forderungen beziehen sich auf eine Verfahrensbeschleunigung bei Abfragen über die erkennungsdienstliche Behandlung von Flüchtlingen außerhalb des Asylverfahrens. Des weiteren soll die Bundesregierung noch größeren Druck als bisher auf die Herkunfts-Staaten ausüben, um Hindernisse für die schnelle Abschiebung von Menschen zu beseitigen. Vieles von dem, was hier gefordert wird, ist schon seit einiger Zeit gängige Praxis.

Der bayerische Innenminister Beckstein (CSU) dankte während der Konferenz Bundesinnenminister Schily (SPD) ausdrücklich für seine "beharrlichen Verhandlungen", mit denen er die Voraussetzungen für die schnelle Rückkehr der Flüchtlinge aus dem Kosovo geschaffen habe. Schily erklärte, dass 30.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo bis Anfang Mai die Bundesrepublik verlassen hätten. Bei 692 weiteren Fällen sei aus "zwingenden Gründen" mit Zwang abgeschoben worden.

Europaweit verschärfen die Regierungen und politischen Parteien die Angriffe auf Flüchtlinge und Asylsuchende. Diese Maßnahmen sind Bestandteil der Politik, die Grenzen um die Europäische Union herum für Menschen immer undurchdringlicher zu machen. Tausende verlieren jedes Jahr beim Versuch, diese hermetischen Absperrungen zu überwinden ihr Leben. Auf die an Europa angrenzenden Länder, wie z.B. Marokko im Süden oder die osteuropäischen Staaten wird massiv Druck ausgeübt, ihre eigenen Grenzkontrollen und Unterdrückungsapparate auszubauen. Dabei wird in erheblichem Maße mit wirtschaftlichen Sanktionen oder deren Androhung gearbeitet.

Auch die Höhe bzw. Auszahlung von Entwicklungshilfe an die Länder, in denen nach Meinung der deutschen Behörden noch Abschiebungshindernisse bestehen, wie z.B. Sri Lanka, wird unter anderem davon abhängig gemacht, dass diese Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

Die Angriffe auf Flüchtlinge und Asylsuchende gehen Hand in Hand mit dem Abbau von sozialen Leistungen und dem Angriff auf demokratische Rechte der Bevölkerung insgesamt. So ist es kein Zufall, dass die Innenministerkonferenz gemeinsam mit der Beschleunigung von Abschiebungen die Video-Überwachung von öffentlichen Strassen und Plätzen beschloss, auf denen es öfter zu kriminellen Delikten kommt. Das von SPD und Grünen regierte Nordrhein-Westfalen hat bereits vor kurzem eine Gesetzesänderung beschlossen, um die Videoüberwachung zu ermöglichen.

Aus Deutschland abgeschoben - in der Türkei gefangen genommen und gefoltert

Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl und der Niedersächsische Flüchtlingsrat haben erneut das Schicksal von 13 aus Deutschland in die Türkei abgeschobenen Kurden dokumentiert, die nach ihrer Ankunft in der Türkei von den türkischen Sicherheitsorganen inhaftiert und schwer misshandelt und gefoltert wurden. Bei allen Betroffenen hatten die deutschen Behörden zuvor geleugnet, dass ihr Leben bei einer Rückkehr in die Türkei gefährdet sei und ihnen auf dieser Grundlage Asyl verweigert. (Bereits im Oktober letzten Jahres legten die beiden Organisationen eine Dokumentation über 19 solche Fälle vor. Sie trägt den Titel Von Deutschland in den türkischen Folterkeller.)

Der 33jährige Ferrit M. war sofort nach seiner Ankunft auf dem Istanbuler Flughafen festgenommen worden. Zehn Tage wurde er aufgrund des Verdachts, ein Unterstützer der PKK zu sein, mit Schlägen und Stromstößen bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert. Nachdem Ferrit M. erneut die Flucht gelang und er anhand von ärztlichen Attesten seine individuell konkret erlittene Folter beweisen konnte, erhielt er vom Asylbundesamt das sogenannte "kleine Asyl", das heißt eine Duldung wegen drohender Gefährdung in seiner Heimat. Dieser und ähnliche Fälle stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Über das Schicksal vieler Abgeschobener ist nichts oder wenig bekannt. Und nur wenigen gelingt erneut die Flucht.

Ein weiterer prominenter Fall, der in der oben genannten Dokumentation geschildert wird, ist der Fall des abgelehnten Asylbewerbers Hüseyin Ayhanci. Für dessen Rückkehr nach Deutschland setzt sich inzwischen sogar das Außenministerium bei Innenminister Schily ein, weil "nicht ausgeschlossen werden kann, dass die nach der Abschiebung im November 1999 am 28. Januar 2000 erfolgte körperliche Misshandlung von Herrn Ayhanci durch türkische Polizeibeamte im ursächlichen Zusammenhang mit dem erfolglosen Asylverfahren steht".

Worauf hier angespielt wird, ist das Konsultationsverfahren von deutschen und türkischen Behörden bei Abschiebungen in die Türkei, das seit dem Amtsantritt von Otto Schily forciert worden ist. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS-Fraktion im Bundestag geht hervor, dass am 9. November 1999 erstmalig ein gemeinsamer Ausschuss hoher Beamter aus Deutschland und der Türkei zusammen trat, um Verfahrensfragen im Zusammenhang mit dem im Jahre 1995 vereinbarten Konsultationsverfahren zu klären. Während von türkischer Seite Vertreter des Außen-, des Justiz- und des Innenministeriums vertreten waren, wurde das Auswärtige Amt auf deutscher Seite offenbar nicht beteiligt, obwohl dessen Einschätzungen und Lagebeurteilungen zur Menschenrechtssituation auch maßgeblich für Entscheidungen über Abschiebungen bzw. Abschiebungsstopps durch die Innenminister sein sollen.

Laut offizieller Begründung wird von den deutschen Behörden bei den türkischen angefragt, ob Kurden, die sich im Zusammenhang mit der PKK an Straftaten in Deutschland beteiligt haben sollen, im Falle ihrer Abschiebung in der Türkei eine Strafverfolgung oder -vollstreckung droht. Wird das von den türkischen Behörden verneint, steht ihrer Abschiebung aus Deutschland nichts mehr im Wege. Auf diesem Wege werden den türkischen Behörden nicht nur die Namen der Betroffenen, sondern auch alle relevanten Erkenntnisse über politische Aktivitäten während ihres Aufenthalts in Deutschland an die Hand gegeben.

Wie es um die Beachtung der Menschenrechte auch für die türkische Bevölkerung bestellt ist, schilderte vor kurzem die türkische Anwältin Eren Keskin, die stellvertretende Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsvereins IHD, auf einer Vortragsreise in Deutschland. Die Anwendung von Folter gehört zu den üblichen Vernehmungsformen im türkischen Polizeigewahrsam. Ermittlungsverfahren wegen Folter werden nicht zugelassen. Die Organisationsfreiheit von Arbeitern, das Recht sich in Gewerkschaften und politischen Parteien zu organisieren, Presse- und Meinungsfreiheit sind stark eingeschränkt. Der Vorsitzende des IHD Akin Birdal kam erneut wegen einer Meinungsäußerung ins Gefängnis, obwohl er bei einem Anschlag auf das Büro des IHD vor einiger Zeit schwere Verletzungen davon getragen hat.

Bei dem Konflikt zwischen Außen- und Innenministerium geht es auch darum, dass inzwischen etwas kritischere Lageberichte des Außenministeriums über die Gefährdungslage in einzelnen Ländern nicht in die Entscheidungen der Ausländerbehörden einbezogen werden, die darüber befinden, ob ein Asylsuchender in Deutschland bleiben darf oder nicht. Dies bezieht sich nicht nur auf die Türkei.

Verstärkte Abschiebungen nach Sri Lanka

So entschied z.B. das Berliner Verwaltungsgericht am 22. Februar dieses Jahres, dass der tamilische Asylbewerber Muthiah I. weder Asyl noch Abschiebeschutz erhalten sollte. Der 28jährige hatte angegeben, dass er in seiner Heimat schwer gefoltert worden ist und sein Leben bei einer zwangsweisen Rückkehr stark gefährdet sei.

Die Berliner Richter bezogen sich bei ihrer Entscheidung auf einen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19. Januar 1999, worin es heißt, Tamilen seien in Sri Lanka "vor staatlicher oder dem Staat zuzurechnenden Repressalien von asylerheblicher Relevanz hinreichend sicher".

Diesen Lagebericht hatte das Auswärtige Amt zu dieser Zeit bereits selbst aus den Verkehr gezogen. Am 4. Februar hatte das Außenministerium das Bundesjustizministerium aufgefordert, die Lageberichte für einige Länder nicht mehr zu verwenden, da "eventuell zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen" noch nicht berücksichtigt werden konnten. Außer dem Heimatland von Mutiah I., Sri Lanka, gehörten dazu die Länder Albanien, Eritrea, Mazedonien, Sudan und Tadschikistan.

Die Verfolgung und Schikanierung von Tamilen in Sri Lanka hat in den letzten Jahren nie aufgehört. Die Zuspitzung des Krieges im Norden des Landes in den letzten Wochen und die Versuche von singhalesischen Chauvinisten, angesichts der militärischen Niederlagen der srilankischen Armee erneut und verstärkt antitamilischen Rassismus zu schüren, gefährdet die tamilische Bevölkerung sowohl im Norden wie im Süden des Landes. (siehe dazu unsere ausführlichen Berichte zu Sri Lanka unter http://www.wsws.org/de/aktuell/asien/srilanka.shtml.)

Die Richter am Berliner Verwaltungsgericht waren über die amtliche Bitte des Auswärtigen Amts informiert, die Lageberichte für die oben genannten Staaten bis zu einer Aktualisierung, nicht mehr ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Das Auswärtige Amt hatte sogar Einzelauskünfte bis zur Vorlage von aktualisierten Berichten angeboten. Die Richter beriefen sich dennoch bei ihren Entscheidungen auf die alten Berichte.

In einem anderen Asylverfahren wiesen sie sogar den Antrag eines tamilischen Flüchtlings zurück, Beamte des Auswärtigen Amtes als Zeugen zu laden, damit diese aussagen könnten, ob die Einschätzung des gut ein Jahr alten Lageberichts über die Verfolgungssituation in Sri Lanka noch dem aktuellen Erkenntnisstand entspräche.

Flüchtlingshilfegruppen und Rechtsanwälte sind seit einiger Zeit vermehrt mit Fällen konfrontiert, in denen Asylsuchende, die seit mehreren Jahren in Deutschland leben und selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen, aufgefordert werden innerhalb weniger Wochen das Land zu verlassen. Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten berichtete, dass es Pläne gebe, in den nächsten Monaten 4500 tamilische Flüchtlinge nach Sri Lanka abzuschieben. Sie berichtete auch, dass bei einer Abschiebung von 22 tamilischen Flüchtlingen im März 18 direkt bei ihrer Ankunft in Sri Lanka verhaftet worden sind.

Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass sich durch veränderte Lageberichte des Auswärtigen Amtes etwas Grundlegendes ändern würde. Der Hintergrund für die Korrektur einiger Berichte ist die seit Jahren existierende Kritik an beschönigenden Asyllageberichten, die dazu beigetragen haben, die Anerkennungsquote für Asylbewerber zu senken. Besonders peinlich wurde es für die Regierung im Frühjahr letzten Jahres, als Außenminister Joseph Fischer (Grüne) bereits mit sorgenzerfurchter Miene vor ethnischen Vertreibungen im Kosovo warnte, um die öffentliche Meinung auf die Beteiligung der Bundeswehr an dem Kriegseinsatz der Nato gegen Jugoslawien einzustimmen, während nach wie vor Menschen nach Kosovo abgeschoben wurden. Grundlage dafür waren Lageberichte des Auswärtigen Amtes, die keine Gefährdung sahen. Für das Außenministerium handelte es sich nur um eine Informationspanne. Für viele Asylsuchende geht es um ihre bloße Existenz.

Siehe auch:
Opfer der rot-grünen Asylpolitik - Teil 1
(4. Mai 2000)
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