Der Börsengang der Deutschen Post

Teil 2: Die sozialen Kosten des Börsengangs

Klaus Zumwinkel hat durch seine Arbeit bei der deutschen Post seinen Ruf als erfolgreicher Sanierer weiter untermauern können und das Unternehmen schnell zu Milliardengewinnen geführt. Leidtragende dieser Sanierung des Unternehmens sind die Beschäftigten der Post.

Der Vorstand, den Zumwinkel mit Weggefährten aus gemeinsamen Zeiten bei Quelle, bzw. beim Unternehmensberater McKinsey besetzte, beschloss enorme Investitionen in modernste Maschinenparks zur Automatisierung der Sortier- und Beförderungsabläufe. Rund acht Milliarden Mark gab das Unternehmen unter anderem für computergesteuerte Lese- und Sortiermaschinen aus. Von ehemals rund 1000 Bearbeitungsstellen für eingehende Briefsendungen blieben gerade 83 Verteilzentren übrig, die einen Grad von 80 Prozent maschineller Bearbeitung der Briefsendungen erreichen.

Gleiches gilt für die Paketbeförderung: In diesem Bereich wurde die Anzahl der Frachtzentren von 140 auf 33 reduziert, wobei der Anteil der maschinellen Bearbeitung gar 98 Prozent erreicht. Den bisher letzten - und erst wenige Wochen alten - Rationalisierungsschritt stellen Sortiermaschinen dar, die die eingehende Briefpost auf den genauen Arbeitsablauf des Zustellers sortieren, was derzeit versuchsweise in einigen Briefzentren getestet wird.

Diese Automatisierung von Arbeitsabläufen erklärt zum Teil das unvorstellbare Ausmaß der Vernichtung von Arbeitsplätzen. Bisher gingen mehr als ein Drittel (ca. 140.000) der ehemals 380.000 Arbeitsplätze verloren Auch in Zukunft ist der Bereich der Personalkosten mit geplanten jährlichen Einsparungen von etwa 110 Millionen DM der Einsparposten mit dem größten Volumen. Erreicht wurde dies zum einen durch Frühpensionierungen der unbeliebt gewordenen Beamten.

Sicherten diese vor der Privatisierung durch das ihnen auferlegte Streikverbot größtmögliche Ruhe im Unternehmen, so belasten sie nun die strategischen Planungen der Unternehmensführung, die in verstärktem Maß unsichere und schlechter bezahlte Jobs einführt. Nicht selten sind ältere Postbeschäftigte durch die Zuweisung unzumutbarer Arbeiten regelrecht vom Arbeitsplatz weggedrängt worden - entweder sind sie anschließend "freiwillig" gegangen oder waren durch eine dieses Mobbing verursachte Erwerbsunfähigkeit dazu gezwungen.

Dabei rechnen sich die Frühpensionierungen für die Post gleich doppelt: Erstens setzt das Unternehmen so den Arbeitsplatzabbau fort und spart Lohnkosten. Zweitens belasten die anfallenden Pensionen kaum die eigenen Finanzen, sondern vor allem die des Bundes. Dieser hat nämlich im Zuge der Privatisierung mit der Unternehmensleitung ein Modell zur Verteilung der Pensionskosten erarbeitet. Demnach musste die Post bis einschließlich des Jahres 2000 gewisse jährliche Rücklagen bilden, aus denen die Pensionen der regulär in Ruhestand tretenden Beamten gezahlt werden sollen. Für alle darüber hinaus anfallenden Kosten soll der Bund, also der Steuerzahler aufkommen.

Die Welle der Frühpensionierungen aber war in den Planungen in keiner Weise vorgesehen. Dadurch waren bereits 1999 die Rücklagen des Unternehmens erschöpft und der Bund übernahm anschließend die Kosten des Personalabbaus durch die Frühpensionierungen. Die Belastung der öffentlichen Kassen wächst noch weiter an, weil die Post für dieses Jahr absprachegemäß weniger Rücklagen aufgebaut hat als noch vergangenes Jahr und sich ab dem Jahr 2001 vollständig aus den Pensionszahlungen zurückzieht.

Weit über die durch Technologie-Investitionen wegrationalisierten Arbeitsplätze hinaus hat die Post World Net Arbeitsplätze durch simple Stellenstreichungen vernichtet, wobei sie die gleiche Arbeitsmenge schlicht auf weniger Beschäftigte verteilte. So wurden im neuen Unternehmen die Grundlagen zur Bemessung der Größe eines Zustellbezirks derart abgeändert, dass bei den jährlich stattfindenden Kontrollen praktisch immer ein "Minderbedarf" festgestellt wird und eine Vergrößerung des Bezirks des einzelnen Postboten folgt.

Die rein rechnerischen Größen, die in ihrer Addition letztlich zu unbezahlter Mehrarbeit führen, reichen von der Kürzung der Pausenzeiten bis zu (realitätsfernen) Festlegungen interner Arbeitsabläufe. Die Tatsache, dass das Unternehmen jede Möglichkeit, selbst in Bruchteilen von Sekunden zu rechnen, nutzt, die Wege des Briefträgers von einem Briefkasten zum nächsten dagegen erst ab einem Kilometer Wegstrecke und mehr voll erfasst werden, legt beredtes Zeugnis über die Absicht des Unternehmens ab. Dies führt zu stetig steigender Belastung, die in den erfahrungsgemäß sendungsstärksten Monaten zwischen Oktober und Februar zum Teil zu Wochenarbeitszeiten von annähernd 70 Stunden führt - bei bezahlten 38,5 Stunden.

Einen weiteren Beleg der Überbelastung stellen die Ausfallquoten durch Krankheit dar. In einigen Post-Niederlassungen, wie beispielsweise den meisten ostwestfälischen, wurde im Zeitraum 1999/00 ein neuer Negativrekord aufgestellt, als zeitweise über 50 Prozent der Belegschaft krankheitsbedingt ausfielen. Die Reaktion der Unternehmensleitung bestand in der Einführung von Gesundheitsgesprächen, die vom genesenen Zusteller mit seinem Vorgesetzten geführt werden müssen, sowie eines internen "Wettbewerbs" zwischen den einzelnen Niederlassungen, die in punkto Krankenstand, Kundenbeschwerden oder sonstigen Fehlern miteinander konkurrieren.

Es verwundert kaum, dass die Zahl derer, die diesen Belastungen nicht gewachsen sind und an körperlichen Schädigungen und ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit leiden, ständig steigt. Die so frei werdenden Stellen werden, wenn überhaupt, möglichst nicht durch ausgebildete und unbefristet eingestellte Arbeiter ersetzt, sondern durch ungelernte und mit Zeitverträgen versehene Kräfte. So wuchs die ehemals unbedeutende Gruppe mit befristeten Arbeitsverträgen auf über 33.000 Menschen oder 14 Prozent der Belegschaft an. Bei vielen Neueinstellungen dehnt das Unternehmen diesen unsicheren "Hire-and-fire-Status" auf mehrere Jahre aus, indem die Personalverwaltungen das Beschäftigungsförderungsgesetz (BFG) nutzen. Teilweise wurden befristet Beschäftigte mit dem Versprechen der Wiedereinstellung in einmonatige Arbeitslosigkeit entlassen, um danach den Rahmen des BFG (dreimalige Befristung, etc.) erneut nutzen zu können.

Mit Beginn des nächsten Jahres soll dann die wachsende Gruppe der ungelernten Aushilfskräfte ein weiteres Mal schlechter gestellt werden, indem sie teilweise vom geltenden Tarifvertrag abgekoppelt wird. Dabei wird der Stundenlohn neuangestellter Aushilfen um zwei Mark in der Stunde gesenkt. Dem Unternehmen wird auch die Möglichkeit verschafft, Sonderleistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld nach seinem Interesse zu regeln. Die Deutsche Post Gewerkschaft (DPG) gewährt gegen diese gänzliche Auslieferung der Beschäftigten an die Interessen des Unternehmens keinerlei Schutz mehr. Sie verweist lediglich darauf, sie habe immerhin einen zweijährigen Kündigungsschutz für betriebsbedingte Kündigungen erreicht.

Auf diese Weise senkt die Deutsche Post World Net das Niveau der Arbeitsbedingungen weiter ab und gleicht sie den Bedingungen an, die bei den privaten mittelständischen Konkurrenzunternehmen von Anfang an galten. Um gegenüber der marktbeherrschenden Post bestehen zu können, bieten diese Unternehmen ihre Leistungen zu günstigeren Konditionen an, die vor allem den niedrigeren Lohnkosten geschuldet sind. Bei den sogenannten Lizenznehmern arbeiteten Ende letzten Jahres 16.506 Menschen (Stand November 1999), wobei nur 1.579 - also weniger als 10 Prozent - einen Vollzeitarbeitsplatz besetzten. 3.695 Beschäftigte hatten Teilzeitverträge, 11.232 waren geringfügig beschäftigt. 35 Prozent der Beschäftigten arbeiteten nicht sozialversicherungspflichtig.

In die gleiche Abwärtsentwicklung der Arbeits- und Lohnstandards werden die Beschäftigten der Unternehmen gezogen, die sich die DPWN einverleibt hat.

Morgen: Teil 3 - Die Liberalisierung und ihre Auswirkungen

Siehe auch:
Der Börsengang der deutschen Post - Teil 1
(14. November 2000)
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