Sri Lanka

Leben und Erbe von Sirima Bandaranaike

Ein Rückblick auf das Leben der am 10. Oktober verstorbenen früheren srilankischen Ministerpräsidentin Sirima Bandaranaike erfordert eine Untersuchung der zentralen politischen Fragen, die die Entwicklung der Inselnation bestimmt haben, seit sie 1948 die formelle Unabhängigkeit von Großbritannien erlangte. Dies umso mehr, als in den 52 Jahren Unabhängigkeit verschiedene Mitglieder ihrer Familie 22 Jahre lang an der Spitze des Staates und weitere zwanzig an der Spitze der Opposition standen.

Die heutige Präsidentin Chandrika Kumaratunga, die zweite Tochter Sirimas, bemerkte einmal, die Leitung der Staatsführung zu übernehmen sei ein wenig wie der Eintritt in ein Familienunternehmen - ein Kommentar, dem auch ihr Bruder, Anura Bandaranaike, der als prominenter UNP-Politiker auf der anderen politischen Seite steht, sicher zustimmen würde: Er nimmt im frisch gewählten Unterhaus das Amt des Parlamentspräsidenten ein und liebäugelt sicher mit einer noch höheren Position.

Aber die historische Bedeutung Sirima Bandaranaikes liegt nicht nur in der Begründung einer politischen Dynastie. Sie liegt vielmehr in der entscheidenden Rolle, die die Ideologie des "Bandaranaikismus" - einer plumpen Mischung aus nationalistischer Wirtschaftspolitik und singhalesischem Chauvinismus - für die srilankische Bourgeoisie in ihrem Kampf gegen die Arbeiterklasse und die Bauernmassen gespielt hat, sowie in dem Erbe, das sie dem Land in Form des blutigen Bürgerkriegs hinterlassen hat, der bis heute jedes politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben auf der Insel dominiert.

Sirima Bandaranaike, geborene Ratwatte, wurde 1916 in eine aristokratische singhalesische Buddhistenfamilie hineingeboren, die den Briten bei der Eroberung des Hochlandkönigreichs Kandy und dann der Konsolidierung ihrer Herrschaft geholfen hatte. 1940 heiratete sie S.W.R.D. Bandaranaike, den Sprössling einer eben so aristokratischen Buddhistenfamilie aus dem Tiefland.

Obwohl über ihre politischen Ansichten in jugendlichem Alter wenig bekannt ist - sie erhielt ihre Erziehung im exklusiven St. Bridgets Kloster in Colombo und zeigte Interesse an Sozialarbeit -, kann sie die Kämpfe der Plantagenarbeiter in den 30er Jahren kaum ignoriert haben, die von der damals neu entstandenen Lanka Sama Samaja Party (LSSP) angeführt wurden und sowohl die britischen Kolonialherren wie auch die einheimischen feudalen Landbesitzer in Unruhe versetzten.

Ihrem im Jahre 1899 geborenen Ehemann war eine politische Karriere schon in die Wiege gelegt. Er trat 1921 in die Oxford University ein und wurde 1923 Vorsitzender der Studentengewerkschaft. 1924 erhielt er seine Gerichtszulassung als Anwalt und trat 1927 mit seiner Wahl in den Stadtrat von Colombo in die srilankische Politik ein. 1931 wurde er in den von den Briten eingeführten Ersten Staatsrat gewählt. Auch im Zweiten Staatsrat war er wieder vertreten, wo er das Ministerium für die Kommunalverwaltung übernahm.

Während andere Mitglieder seiner Klasse, überwiegend in Großbritannien erzogen und voller Verachtung für ihre Muttersprache, sich damit zufrieden gaben, ihren Platz in den Reihen des britischen Empires zu suchen, orientierte sich Bandaranaike etwas anders, was weitreichende Folgen haben sollte. 1932 gründete er den Sinhala Maha Sabha (Groß-singhalesischen Rat). Er richtete sich an den "kleinen Mann" und wollte die traditionelle singhalesische Kultur wiederbeleben. Dieser Kombination von Populismus und singhalesischem Chauvinismus lag eine definitive politische Orientierung zugrunde. Die LSSP warnte, dass sie unter bestimmten Bedingungen zu einer Version des "braunen Faschismus" werden könnte.

Die srilankischen Eliten drängte es nicht sonderlich nach Unabhängigkeit von den Briten. Sie betrachteten das Empire vielmehr als Garantie für ihre eigenen Klasseninteressen und Privilegien. Wäre es nach ihnen gegangen, dann hätte sich nach dem zweiten Weltkrieg nichts geändert. Aber auf der anderen Seite der Palkstraße erschütterte die "Raus-aus-Indien"-Bewegung das "Juwel der Krone", und das konnte auf Ceylon nicht ohne Folgen bleiben.

Darüber hinaus galten die politischen Probleme in der Inselkolonie als besonders beunruhigend. Während in Indien die Unabhängigkeitsbewegung unter der Führung der im Indischen Nationalkongress organisierten nationalen Bourgeoisie stand, gab es in Sri Lanka keine vergleichbare Organisation. Es war die Arbeiterklasse, die den Kampf gegen die britische Herrschaft unter der Führung der Bolschewistisch-Leninistischen Partei Indiens (BLPI) führte, deren ceylonesische Sektion die LSSP geworden war.

In den Korridoren der Macht von Whitehall war man sich bewusst, dass gefährliche Folgen nicht nur für Ceylon, sondern für den ganzen Subkontinent drohten, wenn die Kolonialherrschaft durch einen Kampf unter Führung der Arbeiterklasse gestürzt würde. Es war notwendig, einen zügigen Übergang zu bewerkstelligen, bevor eine solche Eventualität eintreten konnte.

Also wurde Lord Soulbury nach Colombo entsandt, um eine Verfassung zu entwerfen und die Macht 1948 formell an ein "unabhängiges" Ceylon zu übergeben. Die extreme Schwäche der Bourgeoisie wurde grell durch die Tatsache beleuchtet, dass sie nicht einmal eine eigene Partei hatte, mit der sie eine Regierung hätte führen können. Aus diesem Grund musste 1946 die United National Party (UNP) hastig zusammengezimmert werden.

Das Manifest, das die BLPI am Unabhängigkeitstag herausgab, entlarvte die neuen politischen Verhältnisse: "Magul Bera [ein singhalesisches Fest] eröffnet den vierten Februar, ein Feuerwerk schließt die darauf folgenden Feierlichkeiten ab. Dazwischen wird der Gouverneur Generalgouverneur, ein Herzog kommt und geht, unser Geld wird verschleudert und Ceylon erhält den ‚Status eines voll verantwortlichen Mitglieds des Commonwealth‘. Ist das für die Massen dieses Landes ein Grund zum Jubeln? Die Antwort der BLPI lautet klar und eindeutig Nein!Der ‚neue Status‘, den Senanayake, Monck, Mason und Moore ausgeheckt haben, ist für die Massen kein Grund zur Freude. Die ‚Unabhängigkeit‘, die sie proklamieren, ist für das Volk kein Grund zu frohlocken. Bei dem neuen Status handelt es sich um keine Unabhängigkeit, sondern um eine Erneuerung der Ketten, mit denen Ceylon an den britischen Imperialismus gefesselt ist. Er ist eine Fortsetzung der Herrschaft des britischen Imperialismus mit anderen Methoden."

Das vom Führer der BLPI, Colvin R. de Silva, verfasste Manifest wies auf die realen Interessen der neuen Herrscher hin: "Die Bourgeoisie von Ceylon hat nie die Unabhängigkeit Ceylons verlangt. Sie haben nur verlangt, mit der vollen Verantwortung für die Verwaltung Ceylons als Teil des Staates und Besitzes des britischen Imperialismus betraut zu werden. Und das haben sie jetzt bekommen!"

Die Gründung der Sri Lanka Freedom Party

S.W.R.D. Bandaranaike war ein prominentes Mitglied der UNP-Regierung. Als Sprecher des neuen Parlaments galt er weithin als zweitmächtigster Mann des neuen Regimes. Aber ihm war bewusst, dass weite Teile der Bevölkerung mit der UNP unzufrieden waren und sie mehr oder weniger als Anhängsel der ehemaligen britischen Kolonialherren betrachteten.

Er versuchte, politische Unterstützung unter traditionell singhalesischen Schichten, die den englischsprachigen Eliten feindselig gegenüber standen, unter unzufriedenen einheimischen Geschäftsleuten und unter Bevölkerungsteilen, die von der Unabhängigkeit enttäuscht waren, zu gewinnen. Er wusste, dass die LSSP die einzige Partei mit einer wirklichen Massenbasis war, und dass jede Partei, die erfolgreich gegen sie antreten wollte, ein gewisses Maß an Unterstützung bei den ländlichen Massen und sogar Teilen der Arbeiterklasse gewinnen musste.

Als die Euphorie über die "Unabhängigkeit" rasch zu verfliegen begann, verlor die UNP immer weiter an Ansehen und der Einfluss der LSSP nahm zu. Im Juli 1951 kündigte Bandaranaike im Parlament an, er werde die UNP verlassen und die Sri Lanka Freedom Party (SLFP) gründen. Er erklärte, Ceylon habe nur eine "Unabhängigkeit dem Namen nach" erlangt und es sei notwendig, eine neue Partei unter Beteiligung des Maha Sanga (des buddhistischen Klerus), einheimischer Ärzte, Lehrer, Bauern und Arbeiter aufzubauen. Die sozial benachteiligten Massen müssten am politischen Leben teilnehmen können, und die wirtschaftliche und soziale Lage des "kleinen Mannes" müsse verbessert werden.

Bandaranaikes Besorgnis über die Schwäche der bürgerlichen Herrschaft, solange sie sich ausschließlich auf die UNP stützte, wurde während des "Hartal" im August 1953 dramatisch bestätigt. Ein eintägiger Generalstreik, der sich gegen die Kürzung der Reisrationen durch die UNP-Regierung nach dem Ende des Korea-Booms richtete, nahm aufstandsähnliche Formen an. Die Regierung sah sich gezwungen, auf einem britischen Kriegsschiff im Hafen von Colombo zu tagen.

Colvin R. de Silva äußerte sich in einer im September 1953 veröffentlichten Flugschrift zur Bedeutung des Hartal. Es handle sich um "den ersten Massenaufstand in der Geschichte Ceylons gegen die einheimische kapitalistische Herrschaft". Er trage "den Stempel eines Bündnisses der Arbeiter und Bauern, des Mittels zur nationalen Befreiung und sozialen Emanzipation Ceylons". Er habe den Weg gewiesen "zur Eroberung der Macht durch die Massen und zur Entstehung einer Arbeiter- und Bauernregierung".

"Der Kampf vom August 1953 war nicht in erster Linie eine Streikaktion, obwohl Streiks eine wichtige Rolle spielten. Er umfasste viel breitere Schichten als nur die Arbeiterklasse. Er bezog auch die vorwiegend ländlichen Massen mit ein, was ihn in den dichtbesiedelten und politisch weit entwickelten Inselregionen - im westlichen und südwestlichen Küstenstreifen und dessen Hinterland - noch stärker als Aufstand prägte."

Nach dem Hartal versuchten Bandaranaike und seine neugegründete Partei die aufgestauten Spannungen der Massen in eine neue Richtung zu lenken. Das war der Beginn der "Sinhala only"-Bewegung. Nach der Ablösung des Englischen als offizielle Amtssprache hatten UNP und SLFP einen gleichberechtigten Status für das Singhalesische und das Tamilische befürwortet. Aber unmittelbar nach dem Hartal ging die SLFP zur Politik des "Sinhala only" über und machte sie zur zentralen Achse ihres Wahlkampfs für die Wahl von 1956. Bandaranaike versprach, sie "innerhalb von 24 Stunden" nach Übernahme der Regierung umzusetzen.

In einer Rede vor dem Parlament im Oktober 1955 sprach der LSSP-Abgeordnete N.M.Perera eine prophetische Warnung zu den Konsequenzen der "Sinhala only"-Politik aus. Wenn diese Politik angenommen werde, bestehe die Alternative für die nördlichen und östlichen Provinzen darin, sich abzuspalten und bei Indien oder anderen Mächten Unterstützung zu suchen. Es sei zwar möglich, fuhr er fort, "eine Armee des Südens in die nördlichen und östlichen Provinzen zu schicken und sie gewaltsam zu zwingen, Singhalesisch als die offizielle Sprache anzunehmen, innerhalb Ceylons zu bleiben und Tamilisch bloß noch als Regionalsprache zu benutzen. Aber zieht jemand, der noch bei Verstand ist, wirklich ernsthaft die Möglichkeit der Entsendung einer Beatzungsarmee in Betracht? Wenn man diese Leute in den nördlichen und östlichen Provinzen zwingt, Singhalesisch als einzige Staatssprache zu akzeptieren und Tamilisch lediglich als regionale Sprache, dann wird das zu enormen Unruhen, Blutvergießen und Bürgerkrieg führen."

Bandaranaike gewann die Wahl 1956 und brachte am 25. Juni das Staatssprachengesetz ins Parlament ein. Zum erstenmal in der Geschichte des Landes gab es anti-tamilische Pogrome, bei denen Dutzende getötet und Tausende vertrieben wurden.

Bandaranaike kombinierte seine kommunalistische Politik mit einer Reihe wirtschaftsnationalistischer Maßnahmen, die er unter das Banner des Antiimperialismus, der nationalen ökonomischen Entwicklung und manchmal sogar des Sozialismus stellte. Unter anderem nationalisierte er einige Versorgungsunternehmen wie die Transportwirtschaft und den Hafen von Colombo und führte Zölle auf die meisten importierten Waren ein. In einem weiteren Versuch, den Einfluss der LSSP zu untergraben, schloss sich Bandaranaike der Blockfreienbewegung an, die von dem indischen Führer Nehru und anderen Führern der "dritten Welt" nach der Bandung-Konferenz von 1955 in Indonesien aus der Taufe gehoben worden war.

Doch nachdem er die Flammen des Kommunalismus selbst entfacht hatte, fiel Bandaranaike ihnen, wie andere vor und nach ihm, selbst zum Opfer und wurde im September 1959 von einem buddhistischen Mönch ermordet.

Sirima Bandaranaike übernimmt die Führung

Der Verlust ihres Gründers warf die SLFP in eine Krise. Mit dem möglichen Zerfall der Partei konfrontiert, forderten ihre Führer Bandaranaikes Witwe Sirima auf, die Führung zu übernehmen - eine Position, die sie mehr als drei Jahrzehnte lang inne haben sollte. In einer Würdigung nach ihrem Tod wies Anura Bandaranaike auf die zentrale Verantwortung hin, die seine Mutter damit auf sich genommen hatte. "Meine Mutter entschloss sich nur zögernd, in die Politik einzutreten", sagte er. "Aber nachdem sie die Entscheidung getroffen hatte, widmete sie sich ihr viel intensiver, als der Vater es jemals getan hatte."

Sirima Bandaranaike wurde im Mai 1960 zur Führerin der SLFP gewählt und wurde Ministerpräsidentin, als ihre Partei im Juli 1960 mit einer Zweidrittelmehrheit wieder gewählt wurde. Obwohl Sympathie mit der Witwe oft als ein Grund für den Erdrutschsieg der SLFP angeführt wird, gab Bandaranaike später zu, dass auch der "Nichtangriffspakt" mit der LSSP und der Kommunistischen Partei eine entscheidende Rolle gespielt habe.

Die Entscheidung der LSSP, einen "Nichtangriffspakt" einzugehen, war ein klares Warnsignal dafür, dass die Partei, deren Führer die Gründung des srilankischen Staates vor kaum mehr als zehn Jahren verurteilt hatten, jetzt drauf und dran waren, in seine Dienste zu treten. Die Degeneration der LSSP wurde durch die Entwicklung der opportunistischen Theorien von Ernest Mandel und Michel Pablo in der Führung der Vierten Internationale begünstigt, zu der die Partei gehörte. Pablo und Mandel gaben den grundlegenden Standpunkt des Marxismus auf, dass die revolutionäre Partei für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse kämpfen muss, und behaupteten, der Sozialismus könne durch eine Linkswendung stalinistischer und kleinbürgerlich nationalistischer Kräfte siegen. Diese Konzeptionen wurden in den sechziger Jahren von der LSSP in die Parole gefasst: "Wenn Castro nach links gedrückt werden konnte, warum nicht auch Sirima."

Nach dem Wahlsieg der SLFP im Juli 1960 übernahm Bandaranaike das Programm des singhalesischen Chauvinismus, das ihr Mann entwickelt hatte. Im Dezember 1960 führte sie Bestimmungen ein, die den ausschließlichen Gebrauch des Singhalesischen unter Ausschluss des Tamilischen vor Gericht regelten. Neueingestellte tamilische Beschäftigte im öffentlichen Dienst wurden entlassen, wenn sie den singhalesischen Sprachtest nicht bestanden. Die Ansiedlung von singhalesischen Siedlern in tamilischen Gebieten wurde forciert, und als die tamilische Federal Party eine Kampagne des zivilen Ungehorsams gegen diese Maßnahmen startete, verhängte die SLFP-Regierung den Notstand, unterdrückte die Kampagne und warf die Führer der FP ins Gefängnis.

In dieser Zeit behielt Bandaranaike ihre antiimperialistische Rhetorik und nationalistische Wirtschaftspolitik bei, verhängte Preis- und Währungskontrollen und verstaatlichte die Versicherungskonzerne, sowie Ölimport und -verteilung.

Aber die Rhetorik hielt nicht mit der Realität Schritt. Anfang der sechziger Jahre entwickelten sich rasch Kämpfe der Arbeiterklasse, auf welche die SLFP-Regierung mit staatlicher Gewalt reagierte. 1962 wurde die Armee gegen einen Streik der Transportarbeiter eingesetzt. Bandaranaike denunzierte Arbeitskämpfe als Verschwörungen der Federal Party, die mit subversiven Elementen im Bündnis stehe und die gesetzmäßige Regierung stürzen wolle. Der Notstand wurde im politischen Leben Sri Lankas zum Alltag. Mit der Unterstützung ihres Stellvertreters Felix Dias Bandaranaike, der mit dem Spruch in die Geschichte einging, manchmal brauche man "ein bisschen Totalitarismus", führte Bandaranaike Gesetze ein, die den Einsatz von Militär als Streikbrecher und die Zwangsverpflichtung von qualifiziertem Personal für Notstandsarbeiten regelten.

Ermutigt durch die Maßnahmen der SLFP-Regierung versuchten im Januar 1962 Elemente in Militär, Polizei und Staatsbürokratie einen Putsch zu organisieren, um die SLFP-Regierung zu stürzen und die Führung der LSSP zu liquidieren. Obwohl der Putsch scheiterte, ging die Unterdrückung weiter, und die Regierung versuchte, die Hauptverwaltung der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes (GCSU) zu übernehmen, die in den Arbeiterkämpfen eine wichtige Rolle gespielt hatte.

Der große Verrat der LSSP

Die zunehmenden Angriffe der SLFP-Regierung trafen auf eine wachsende Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse. Am 29. September 1963 verabschiedeten etwa 800 Delegierte eine Charta von 21 Forderungen. Sie vertraten eine Million Arbeiter und zum erstenmal in der Geschichte der Insel repräsentierten sie Arbeiter aus den Städten und vom Land.

Da die Repressionsmaßnahmen des Staates die Bewegung der Arbeiterklasse nicht aufhalten konnten, schlug Bandaranaike einen neuen Kurs ein. Sie hatte die politische Bedeutung der Entscheidung der LSSP, einen Waffenstillstand für die Wahlen von 1960 einzugehen, klar als Teil ihrer wachsenden Anpassung an den singhalesischen Chauvinismus der SLFP verstanden. Sie entschloss sich daher, als wirksame Maßnahme gegen die Bewegung der 21 Forderungen - und die für die Bourgeoise bedrohliche Aussicht eines gemeinsamen Kampfs singhalesischer und tamilischer Arbeiter - die LSSP einzuladen, in ihre Regierung einzutreten.

Diese Entscheidung begründete sie am 12. Mai 1964 auf einer Vorstandssitzung der SLFP mit den Worten: "Die Linken, die mit uns zusammengearbeitet haben, haben mehrere Streiks angezettelt, weil sie keinen Platz in der Regierung erhielten. Im Norden ... sind Probleme zwischen den Volksgruppen aufgebrochen. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen, wie diese Fragen gelöst werden können. Einige glauben, man könne diese Arbeiter mit vorgehaltenem Gewehr und Bajonett zur Arbeit zwingen. Wieder andere sind der Meinung, man müsse eine nationale Regierung bilden, um diese Probleme zu lösen. Ich habe diese Vorstellungen einzeln und im Zusammenhang mit weltweiten Ereignissen geprüft. Ich bin zum Schluss gekommen, dass keine dieser Lösungen uns unserem Ziel näher bringt. Aus diesem Grund, meine Herren, habe ich beschlossen, Gespräche mit den Führern der Arbeiterklasse aufzunehmen, das heißt besonders mit Mr. Philip Gunawardene und Dr. N.M. [Perera]".

Der Eintritt der LSSP in die SLFP-Regierung ist als der Große Verrat in die Geschichte eingegangen. Es war das erste Mal, dass eine sogenannte trotzkistische Partei in eine Koalitionsregierung mit der Bourgeoisie eintrat. Er bedeutete nicht nur den Bankrott und Niedergang der LSSP, sonder vor allem, der opportunistischen Führung des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale. Angeführt von Ernest Mandel hatte das VS alle Warnsignale überhört und die LSSP als die "größte trotzkistische Partei auf der ganzen Welt" gepriesen.

Der Verrat der LSSP und die Sabotage der Bewegung der 21 Forderungen hatte sofort Folgen. Die Position der Arbeiterklasse verschlechterte sich zusehends. Nachdem die LSSP in die Regierung eingetreten war, gab sie die Verteidigung der ländlichen Armen wie auch der tamilischen Minderheit auf. Andere Kräfte tauchten auf, um das Vakuum zu füllen. In den Landgebieten im Süden gewannen kleinbürgerliche Radikale Unterstützung, die sich auf die bäuerlich orientierten Theorien Mao Tsetungs stützten. Und unter Tamilen gewannen separatistische Kräfte wachsenden Einfluss, die - wie die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) - für ein Programm der Lostrennung als einzige Antwort auf die nationale Unterdrückung durch die Regierung in Colombo eintraten.

Nachdem die LSSP in der Regierung saß, zögerte Bandaranaike nicht mehr, ihr singhalesisch-chauvinistisches Programm in die Tat umzusetzen. Im Oktober 1964 unterzeichnete sie einen Pakt mit dem indischen Ministerpräsidenten Shastri (der als "Sirima-Shastri-Pakt" bekannt wurde). Er sah vor, dass von den 975.000 Plantagenarbeiter, deren Vorfahren von britischen Plantagenbesitzern auf die Insel gebracht worden waren, 525.000 nach Indien ausgewiesen wurden.

Ein Jahr später begründete sie diese Entscheidung mit den Worten: "Die Menschen im Hochland haben ihre politischen Rechte verloren, weil indische Abgeordnete für die von den indischen Plantagenarbeitern bewohnten Regionen ins Parlament einzogen. Die indischen Plantagenarbeiter sind eine Bevölkerungsgruppe, die höhere Löhne und ... große Privilegien genossen haben. Die indischen Arbeiter sind von Anfang an besser behandelt worden, nun steigern sie ihr Einkommen mit Hilfe ihrer Gewerkschaften in einem Ausmaß, das das von ihnen Produzierte bei weitem übersteigt. Die einheimischen Bauern im Landesinneren haben zur Zeit unter dieser ausländischen Ausbeutung zu leiden."

16 Jahre zuvor hatte die LSSP sich einem der ersten Beschlüsse der Regierung des "unabhängigen" Sri Lanka widersetzt - den Staatsangehörigkeitgesetzen von 1948 und 1949, die die Plantagenarbeiter zu Staatenlosen gemacht hatten. Nun war sie selbst Bestandteil einer Regierung, die diese Arbeiter gewaltsam deportierte.

Die Koalitionsregierung von 1964 hielt weniger als sechs Monate. Bandaranaike musste zurücktreten, als eine Abgeordnetengruppe, die mit ihr nicht einverstanden war, aus der Partei austrat, um sich der UNP anzuschließen. Aber Bandaranaike konnte die Dienste der LSSP noch gebrauchen. Im Januar 1966 organisierte sie in der Opposition gemeinsam mit Führern der LSSP und der Kommunistischen Partei einen Streik gegen einen Vertrag zwischen UNP und Federal Party, der auf einen Kompromiss mit der tamilischen Bourgeoisie abzielte.

Bandaranaikes zweite Amtszeit

In den späten sechziger Jahren gab es eine wachsende Bewegung der Arbeiterklasse in vielen Ländern und Sri Lanka war keine Ausnahme. 1970 kehrte Bandaranaikes SLFP-LSSP-CP-Koalition auf einer Oppositionswelle gegen die UNP mit großer Mehrheit wieder an die Macht zurück. Die internationale Situation war vom Zusammenbruch des internationalen Währungssystems gezeichnet, das auf der Konferenz von Bretton Woods 1944 geschaffen worden war. 1967 wurde das Pfund Sterling gegenüber dem Dollar abgewertet, aber die Währungskrise vertiefte sich. Am 15. August 1971 beendete Präsident Richard Nixon das System fester Wechselkurse, als er den US Dollar von seiner Golddeckung trennte. Als kurz darauf die Inflation hochschnellte und der Ölpreis stieg, brachte dies neue Instabilität nach Sri Lanka.

Im April 1971 explodierten Frustration und Wut, die sich auf dem Land durch Arbeitslosigkeit, Mangel an Bildungsmöglichkeiten und Landlosigkeit systematisch aufgebaut hatten, und entluden sich in einer Rebellion unter Führung der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP). Die Koalitionsregierung reagierte der vollen Härte des Staats.

Bandaranaike forderte internationale Unterstützung an. Die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion, China, Großbritannien, Frankreich, Indien und Pakistan waren bereit, Hilfe in der einen oder anderen Form zu leisten. Über 17.000 Menschen, überwiegend Jugendliche, wurden ermordet und weitere 20.000 inhaftiert. Zwei Mitglieder der Revolutionary Communist League, des Vorläufers der Socialist Equality Party, wurden von der Polizei umgebracht.

Die Unterdrückung der JVP stellte den Anfang einer Notstandsperiode dar, die bis 1976 anhielt und dazu benutzt wurde, die Kämpfe der Arbeiterklasse und der Armen zu unterdrücken.

Eine der weitreichendsten Maßnahmen der Koalitionsregierung war 1972 die Verordnung einer neuen Verfassung. Entworfen von LSSP-Führer Colvin R. de Silva, der einst die "Sinhala only"-Kampagne so scharf verurteilt hatte, machte diese Verfassung den Buddhismus jetzt zur Staatsreligion und Singhalesisch zur offiziellen Staatssprache. Die Sonderregeln über den Gebrauch der tamilischen Sprache vor Gericht, welche die vorhergehende UNP-Regierung 1965 zusammen mit der Federal Party eingeführt hatte, wurden annulliert.

Unfähig, die Grundbedürfnisse der Massen zu befriedigen, suchte die Koalitionsregierung Unterstützung bei den reaktionärsten Elementen. Sie standardisierte den Zutritt zu den Universitäten, wodurch faktisch die Zahl tamilischer Studenten eingeschränkt wurde. In den nördlichen und östlichen Provinzen verschärfte eine wachsende Präsenz der Militärpolizei die Repression der tamilischen Bevölkerung.

Die Auswirkung der wachsenden Weltwirtschaftskrise führte zu immer weitergehenden Angriffen auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse und armen Bauern. Nach dem "Ölschock" von 1973/74 führte die Regierung Sparmaßnahmen ein und erließ sogar Verordnungen, was die Menschen essen durften und was nicht. Die Lebenshaltungskosten stiegen auf schwindelnde Höhen und einschneidende Importbeschränkungen führten zu Versorgungsmängeln und wachsender Arbeitslosigkeit. Die einzige Antwort der Regierung bestand darin, gestützt auf ihre Notstandsvollmachten Arbeitskämpfe zu verbieten.

Nachdem die Regierung den Spielraum der Arbeiterorganisationen immer mehr eingeschränkt hatte, übte LSSP-Führer N.M. Perera, der fürchtete, seinen letzten Einfluss zu verlieren, in einer Rede zum Jahrestag des Hartal am 12. August 1975 Kritik. Bandaranaike drohte ihm darauf mit seiner Entlassung als Finanzministers und zwang ihn und die anderen LSSP-Minister so, aus der Koalitionsregierung auszutreten. Die Kommunistische Partei, der zweite Koalitionspartner, verblieb noch bis 1977 in der Regierung.

Immer intensivere Angriffe der Bandaranaike-Regierung führten zu einem Aufschwung der Arbeiterklasse, der im Generalstreik von 1976 gipfelte. Die Notstandsherrschaft der Regierung begann zu bröckeln. Ein Generalstreik, so schrieb einst Leo Trotzki, stellt offen die Frage der Macht. Aber ein solcher Kampf um die politische Macht war für die Führer der Arbeiterorganisationen tabu. Ohne eine Perspektive wurde die Generalstreiksbewegung von der Regierung zerschlagen.

In den Wahlen von 1977 gaben die Arbeiterklasse und die Bauernmassen ihre Feindschaft gegenüber der SLFP zu Protokoll. Sie gestanden ihr gerade noch acht von 168 Sitzen im Parlament zu. Obwohl die Bandaranaike-Regierung ihre Macht aufgrund der Arbeiterkämpfe verloren hatte, konnte aufgrund des Fehlens einer unabhängigen politischen Perspektivedie UNP davon profitieren, die unter Führung von J. R. Jayewardene an die Macht gelangte.

Das Erbe des "Bandaranaikismus"

Die UNP-Regierung übernahm die Macht am Beginn einer scharfen Wende in der Weltpolitik. Die Wirtschaftskrise, die den Weltkapitalismus in der ersten Hälfte der siebziger Jahre erschütterte, stellte das Ende des Nachkriegsbooms dar. In den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern bedeutete dies das Ende des Programms keynesianischer nationaler Regulierung und sozialer Zugeständnisse, und in den Ländern der sogenannten "Dritten Welt" den Zusammenbruch der Programme der nationalen Wirtschaftsentwicklung, die im vorangegangenen Vierteljahrhundert praktiziert worden waren.

Fast unmittelbar nachdem er sein Amt angetreten hatte, begann Jayewardene systematisch die srilankische Wirtschaft für ausländische Investitionen zu öffnen und den umfangreichen staatlichen Sektor abzubauen. Die neue Politik erforderte neue Herrschaftsformen. 1978 führte Jayewardene, gestützt auf seine enorme Mehrheit im Parlament, eine neue Verfassung ein, um eine exekutive Präsidentschaft (im Stil der USA) zu schaffen und so die Macht in seinen Händen zu konzentrieren.

Und wie um die Tatsache zu unterstreichen, dass mit dem früheren Wirtschaftsprogramm der nationalen Regulierung endgültig Schluss war, klagte Jayewardene eine der wichtigsten Vertreterinnen dieser Politik, Sirima Bandaranaike, der Korruption an und beraubte sie für etwa sechs Jahre aller Bürgerrechte, während das neue Programm durchgesetzt wurde.

Aber das neue Regime hielt an einem entscheidenden Bestandteil des "Bandaranaikismus" fest: Es verschärfte die rassistischen Angriffe gegen die tamilische Bevölkerung. Im "Schwarzen Juli" 1983 wurden von der UNP gedungene Killer von der Kette gelassen, die Hunderte Tamilen ermordeten und Hunderttausende obdachlos machten. Die Julipogrome führten zum Bürgerkrieg, der Sri Lanka nun seit 17 Jahren erschüttert und schon mehr als 60.000 Todesopfer gefordert hat.

Während Sirima Bandaranaike in den achtziger Jahren Führerin der SLFP blieb, hatte ihre politische Macht mit dem Zusammenbruch des Wirtschaftsprogramms, auf das sie sich im Nachkriegsboom gestützt hatte, stark abgenommen. Ein Kampf um die Nachfolge brach nun in der SLFP aus und nahm die Form eines Familienkonflikts zwischen der Tochter Chandrika und dem Sohn Anura an. Das Problem wurde erst dadurch gelöst, dass unter Führung von Chandrika die Volksallianz (PA - People‘s Alliance) gegründet wurde, während Anura sich verabschiedete und zur UNP überging.

Die PA-Regierung, in der Bandaranaike als Ministerpräsidentin amtierte, bis sie im vergangenen August zum Rücktritt gezwungen wurde, kam auf einer Welle der Opposition gegen die UNP an die Macht. Aber in ihren sechs Regierungsjahren hat sie den Krieg im Norden und Osten noch verschärft und die von der UNP eingeführte Politik des freien Marktes und der Privatisierungen noch offener praktiziert.

Es war gleichsam symbolisch, dass Bandaranaike nur wenige Stunden verstarb, nachdem sie am 10. Oktober ihre Stimme bei einer Wahl abgegeben hatte, die von Gewalt und Korruption gezeichnet war, während ein Teil des Landes unter militärischer Besetzung stand und buddhistische rassistische und faschistische Organisationen die politische Tagesordnung bestimmten. Es mutete wie eine Art Zusammenfassung ihres politischen Erbes an.

Natürlich wäre es völlig falsch, diese Situation als Produkt eines Individuums zu verstehen. Bandaranaike repräsentierte eine ganze Generation bürgerlich nationalistischer Politiker in den ehemaligen Kolonialländern, die in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die politische Bühne beherrschten. Ihre besondere Bedeutung liegt in der Tatsache, dass im Fall von Sri Lanka die Politik, die sie vertrat, bewusst gegen eine sozialistische und internationalistische Perspektive entwickelt worden war. Bandaranaikes Tod ist physischer Ausdruck der Tatsache, dass die Ära, in der Vertreter der nationalen Bourgeoisie sich als Antiimperialisten, Verteidiger der unterdrückten Massen und sogar Sozialisten darstellen konnten, endgültig vorbei ist. Aber sie kann nicht einfach abgehakt werden. Im Gegenteil, die Arbeiterklasse muss die politischen Lehren dieser Ära ziehen und bewusst assimilieren, um vor den Herausforderungen des neuen Jahrhunderts zu bestehen

Siehe auch:
Die historischen Wurzeln des Bürgerkriegs in Sri Lanka
(15. Juni 2000)
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