IG-Metall-Chef Klaus Zwickel in Millionendeal bei Mannesmann verwickelt

Als im Frühjahr 2000 nach einem langen Übernahmekampf Mannesmann vom britischen Mobiltelefon-Konzern Vodafone geschluckt wurde, flossen Abfindungen in Millionenhöhe. Allein der damalige Mannesmann-Chef Klaus Esser strich 60 Millionen für sein vorzeitiges Ausscheiden ein.

Die allgemeine Empörung war groß, zumal die IG Metall sich gerade in einer Tarifrunde befand und ihren Mitgliedern einen Lohnabschluss unter der Inflationsrate verordnete. IG-Metall-Chef Zwickel musste wieder einmal ein wenig poltern. In einer Presseerklärung sagte er, eine solche Abfindung sei "unanständig hoch und für keinen Arbeitnehmer mehr nachvollziehbar". Dies sei "der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln".

Seit Anfang der Woche ist nun bekannt, dass Zwickel dabei war, als der Geldsegen an die Manager verteilt wurde. Der Gewerkschaftsvorsitzende saß nämlich nicht nur im Aufsichtsrat von Mannesmann, er war auch Mitglied im vierköpfigen Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten, der über die Abfindungen von insgesamt 160 Millionen Mark entschied. Neben Zwickel gehörten dem Ausschuss ein weiterer IG-Metaller, der langjährige Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ladberg, sowie der Aufsichtsratsvorsitzende Professor Joachim Funk und das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Josef Ackermann, an.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt wegen der Ereignisse vom Frühjahr 2000 mittlerweile gegen zehn Personen, darunter auch gegen Zwickel, Ladberg, Funk und Ackermann. Bei den Ermittlungen geht es um mehrere Verdachtsmomente: ob die hohe Abfindung an Esser der Grund dafür war, dass dieser seinen anfänglichen erbitterten Widerstand gegen die Übernahme durch Vodafone aufgab, ob er und der Mannesmannvorstand den Vodafone-Übernahmeplan "in strafrechtlich relevanter Weise" zum eigenen persönlichen Vorteil nutzten, und ob es für die hohen Abfindungen eine rechtliche Grundlage gab oder ob diese den Tatbestand der Untreue erfüllen.

Zwickel will mit möglichen Absprachen zwischen Vodafone und Esser nichts zu tun haben. Er betont, dass Essers Abfindung im Ausschuss erst zur Sprache kam, als die Übernahme durch Vodafone bereits entschieden war. Außerdem will er sich bei der Entscheidung der Stimme enthalten haben.

Das wirft die Frage auf, weshalb Zwickel nicht gegen die hohen Abfindungen an Esser und andere Manager - sie erhielten weitere 31 Millionen und der Aufsichtsratschef Funk 6 Millionen - gestimmt hat, um sie zu verhindern. Die Frankfurter Rundschau hat diese Frage einem "führenden Gewerkschafter" gestellt, dessen Namen sie nicht nennt, und die Antwort erhalten: "‚Bei dem engen Geflecht von Geben und Nehmen in einem Aufsichtsrat ist es ratsam, nicht ohne Not den Terrier zu spielen', sagte er. Oft hingen von einer guten Atmosphäre auch Entscheidungen von großer Tragweite für die Belegschaften ab: ‚Da stört man nicht, wenn es nicht sein muss.'" (21. August 2001)

Deutlicher könnte man das Verhältnis zwischen Managern und Gewerkschaftsführern nicht beschreiben. Eine Hand wäscht die andere. In der Atmosphäre von "Geben und Nehmen" stört man sich nicht, wenn es nicht sein muss. Schließlich sitzt man nicht nur bei Mannesmann, sondern auch anderswo gemeinsam im Aufsichtsrat.

In diese Bild passt auch, dass Zwickel bisher nicht bestreitet, der Zahlung von weiteren 60 Millionen Mark an 18 ehemalige Vorstandsmitglieder zugestimmt zu haben. Bei der betreffenden Sitzung vom 27. März, so berichtet zumindest Der Spiegel, war Aufsichtsratschef Funk nicht anwesend. Zwickel und Ladberg hatten also die Mehrheit. Unter den Empfängern befanden sich auch drei ehemalige Arbeitsdirektoren, die aus der IG-Metall kommen - so funktioniert das "Geben und Nehmen".

Die früheren Vorstandsmitglieder hatten bisher, auch wenn sie nur wenige Jahre für Mannesmann gearbeitet hatten, bis an ihr Lebensende eine feste Pension und eine gewinnabhängige Prämie erhalten, die mit der Umwandlung des Stahlunternehmens in einen Telekommunikationskonzern gewaltig angestiegen war. Die feste Pension zahlt ihnen Vodafone auch weiterhin, während der Gewinnanteil mit den 60 Millionen abgefunden wurde. Die Rechtmäßigkeit dieses Deals ist umstritten und Bestandteil der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Normale Gewerkschaftsmitglieder, denen Zwickel regelmäßig Zurückhaltung predigt, können von einer solchen Abfindung nur träumen. Es grenzt schon an Schamlosigkeit, wenn der Ex-Arbeitsdirektor und IG-Metaller Reinhold Schreiner, der von 1992 und 1997 dem Mannesmann-Vorstand angehörte, sich angesichts derartiger Millionenzuwendungen noch beschwert. Er maulte, eine solch hohe Einmalzahlung habe bei ihm zu einer unnötig hohen Kirchen- und Einkommenssteuerbelastung geführt. Bei Teilzahlungen "wäre ich immerhin in den Genuss der geplanten niedrigen Einkommenssätze gekommen".

Die IG Metall hat wenig Glück mit ihren Vorsitzenden. 1993 musste Zwickels Vorgänger Franz Steinkühler seinen Hut nehmen, weil er im Verdacht stand, er habe sein Wissen aus Aufsichtsratssitzungen für Insidergeschäfte genutzt. Nun hat sich auch sein Nachfolger Zwickel beim "Geben und Nehmen" erwischen lassen. Wem drängt sich da nicht der Verdacht auf, dass es sich hier nicht um Einzelfälle, sondern um System handelt.

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