Die Nato plant ihren Einsatz in Mazedonien und Deutschland will auf jeden Fall dabei sein

Die Bundeswehr will sich mit bis zu 500 Soldaten an einem möglichen Einsatz der Nato in Mazedonien beteiligen und dabei zusammen mit französischen und spanischen Soldaten eine gemeinsame Einheit bilden. Dies erklärte Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) am vergangenen Sonntag gegenüber der Presse.

Anders als beim Nato-Krieg gegen Serbien vor zwei Jahren handelt es sich diesmal um den Einsatz von schwer bewaffneten Bodentruppen. Zwar betonte Scharping, dass die Einsatzplanung "noch nicht abgeschlossen" sei, doch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete, dass zwei Panzergrenadierkompanien mit Schützenpanzern des Typs Marder für Mazedonien bereitgestellt würden.

Eine Woche zuvor hatten 19 Nato-Staaten beschlossen, unter Umständen in den Konflikt zwischen der mazedonischen Regierung und den Rebellen von der sogenannten "Nationalen Befreiungsarmee" (UCK) einzugreifen.

Die Nato-Mitgliedstaaten segneten den Einsatz einer Brigade von 3.000 Soldaten ab, die nach einer politischen Verständigung mit den albanischen Vertretern in der Allparteienkoalition, die die mazedonische Regierung stellt, und einem Friedensschluss zwischen den beiden Bürgerkriegsparteien innerhalb von 30 Tagen die Waffen der albanischen Separatisten der UCK einsammeln soll.

Das von der Nato für ihren Einsatz entworfene Szenario ist in höchstem Maße fragwürdig. Zum einen ist es unwahrscheinlich, dass es zu einer politischen Verhandlungslösung zwischen der mazedonischen Seite und den Vertretern der albanischen Minderheit kommt, gerade auch weil letztere unter wachsendem Druck der Guerilla und deren Forderung nach einer vollständigen Loslösung vom multiethnischen Staat Mazedonien stehen.

Nachdem die mazedonische Regierungsvertreter auf Forderungen der Albaner eingegangen waren und sich bereit gezeigt hatten, sowohl die Verfassung zu ändern, um allen ethnischen Gruppen des Landes eine gleichberechtigte Stellung zu geben, als auch mehr Albaner in den Staatsdienst zu übernehmen, legten die albanischen Vertreter immer neue Forderungen auf den Tisch, bis schließlich die Gespräche blockiert waren.

Aber selbst wenn es zu einem Friedensschluss kommt und die Nato-Truppen tatsächlich mit dem Auftrag der "Friedenssicherung" und Entwaffnung der Rebellen nach Mazedonien geschickt werden, ist keineswegs ausgeschlossen, dass die Kämpfe wieder aufflammen und sich die Nato dann inmitten des Kriegsgeschehens befindet.

Die Vertreter der albanischen Parteien in Mazedonien verlangen eine "schnellstmögliche" Intervention der Nato, nur dies könne eine Ausweitung des Bürgerkriegs auf das gesamte Land noch verhindern. Gleichzeitig sind es gerade die albanischen UCK-Rebellen, die den Bürgerkrieg vorantreiben. Unmittelbar vor der Feuerpause, die am vergangenen Donnerstag unter Nato-Vermittlung ausgehandelte wurde, drohten sie noch mit einem "Einmarsch" in die Hauptstadt Skopje. Nun fordern sie als Bedingung für die Aufrechterhaltung der Waffenruhe eine gleichberechtigte Teilhabe an den Verhandlungen über eine Änderung der Landesverfassung.

Zwar hat der mazedonische Präsident Boris Trajkovski die Nato-Staaten eingeladen, die UCK zu entwaffnen, doch umgekehrt verspricht sich die UCK von einem Eingreifen der Nato eine Stärkung ihrer eigenen Position. Mit Blick auf das Kosovo wünschen sich die albanischen Separatisten eine langfristige Stationierung der Nato und weitgehende Autonomie unter der Protektion des Westens.

Auch wenn EU-Außenminister Javier Solana die UCK-Rebellen als "Terroristen, mit denen man nicht verhandelt" bezeichnet hat und der amerikanische Sonderbeauftragte für Mazedonien James Pardew Gespräche mit der UCK ausschloss, ist aus der Geschichte des Kosovo-Konflikts bekannt, dass sich je nach Interessenlage der Großmächte "Terroristen" schnell in geachtete Gesprächspartner verwandeln können. Auch ist nicht zu übersehen, dass der albanische Separatismus durch die Nato aktiv unterstützt und gefördert wurde.

Das Kosovo ist Quelle und Bezugspunkt des albanischen Separatismus in Mazedonien. Das Eingreifen der Nato im Kosovo-Konflikt 1999, in dem die Nato de facto für die kosovarische UCK einen Bombenkrieg gegen die serbische Bevölkerung führte, und ihre Anerkennung der UCK als Vertreterin der albanischen Kosovaren haben Vorbildcharakter für die albanischen Separatisten in Mazedonien. Auch die Waffen der mazedonischen UCK stammen aus dem Kosovo - dessen Grenzen von den Nato-Truppen überwacht werden und in dem mehr als 40.000 KFOR-Soldaten stationiert sind.

Die Nato hat entgegen ihren eigenen Behauptungen nie ernsthaft versucht, die UCK im Kosovo zu entwaffnen und ihren Terror gegen Serben, Roma und Kritiker ihrer Politik zu stoppen. Die UCK in Mazedonien ist unter den Augen der Nato im Kosovo für ihren Kampf gegen die mazedonische Regierung gerüstet worden.

Zuletzt haben Nato-Truppen am 25. Juni Hunderte von UCK-Rebellen samt ihrer Waffen aus dem Dorf Aracinovo bei Skopje evakuiert, nachdem sich eine Niederlage gegen die mazedonischen Regierungstruppen abzeichnete. Die Separatisten wurden in Nato-Bussen nach Nikustak, in eine ihrer Hochburgen gefahren, wo ihnen die Waffen wieder ausgehändigt wurden.

Das Hamburger Abendblatt berichtete über diese Ereignisse: "Unter den abrückenden Rebellen befanden sich auch 17 ‚Instrukteure' - frühere US-Offiziere, die den Rebellen militärischen Nachhilfeunterricht erteilten." Außerdem seien "70 Prozent der Ausrüstung, die die Guerilleros davon schleppten", US-Fabrikate gewesen.

Auf mazedonischer Seite löste diese Hilfe für die UCK heftige Proteste aus, weil sie als einseitige Parteinahme der Nato verstanden wurde - man kann sicher davon ausgehen, dass die albanischen Separatisten mit Genugtuung zu dem gleichen Schluss kamen.

Die UCK strebt die Unabhängigkeit der vorwiegend von ethnischen Albanern bewohnten Gebiete Mazedoniens an. In Mazedonien leben gegenwärtig etwa 440 000 Albaner - etwa 23 Prozent der Gesamtbevölkerung. Im benachbarten Kosovo sind es schätzungsweise 1,7 Millionen und in Nordgriechenland 700 000. Nach den Vorstellungen der UCK sollen diese Gebiete erst "befreit", dann ethnisch gesäubert und schließlich zu einem Groß-Albanien vereint werden.

Wenn die UCK jetzt eine Beteiligung an den mazedonischen Verhandlungen über Verfassungsänderungen fordert, so dient dies vor allem dem Zweck, von den internationalen Vermittlern des Konflikts als Gesprächspartner und legitime Vertretung der Albaner in Mazedonien anerkannt zu werden. Einmal zugelassen zu den Gesprächen, wird sie keiner Lösung zustimmen, die ihre eigene Entwaffnung vorsieht.

Wird sie vorerst nicht als Gesprächspartner akzeptiert, setzt die UCK auf eine Eskalation des Konflikts, um eine Intervention der Nato zu erreichen, die letztendlich zu einer Autonomie unter Nato-Protektion nach dem Beispiel des Kosovos führen soll.

Nato-Vertreter und Regierungen der Nato-Mitgliedstaaten haben eingestanden, dass die Vorstellung von einer 30-tägigen Entwaffnungsaktion und einer Nichteinmischung in den Konflikt unter diesen Bedingungen unrealistisch ist. Die Zeit wusste in der vergangenen Woche zu berichten, die Nato ziehe in Betracht, "dass das Bündnis vor dem Friedensschluss genötigt wird, Partei zu ergreifen".

Bundeskanzler Schröder (SPD) wurde mit den Worten zitiert, die Nato müsse sich darauf einstellen, den geplanten Einsatz mit einem "robusten Mandat" auszustatten. Ein "massiver internationaler Armeeeinsatz" würde von Berlin nicht ausgeschlossen, "falls in Mazedonien alle Dämme brechen sollten und Chaos entstünde", berichtete die Frankfurter Rundschau.

Die Beteiligung deutscher Soldaten an einer Nato-Intervention in Mazedonien ist von der rot-grünen Bundesregierung mit Verweis auf die Bündnistreue praktisch beschlossen worden, ohne dass es eine Debatte im Parlament gab, geschweige denn eine breitere öffentliche Diskussion über die Ziele einer Nato-Intervention in Mazedonien.

Nachdem die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg mit einer beispiellosen Lügenkampagne über angebliche Massaker und Gräueltaten in serbischen Konzentrationslagern durchgesetzt wurde, scheint die Regierung nun davon auszugehen, dass sie den nächsten militärischen Einsatz auf dem Balkan ohne jegliche Diskussion als Selbstverständlichkeit vermitteln kann.

Unter Druck geriet die Bundesregierung bislang vor allem von rechts, durch Vertreter der Union und des Militärs, die eine stärkere und schnellere Aufrüstung der deutschen Armee fordern. Trotz der Sparmaßnahmen im Sozialetat wollen sie, dass Milliarden für die Umwandlung der Bundeswehr in eine international rasch einsetzbare und schlagkräftige, militärisch effektive Interventionsarmee locker gemacht werden.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat widersprach in einem Zeitungsinterview Schröders Ankündigung, dass deutsche Soldaten sich auf jeden Fall an einem Nato-Einsatz in Mazedonien beteiligen würden: "Entscheidend ist, dass die Bundeswehr weder personell noch materiell durchhaltefähig ist, einen weiteren Einsatz in dieser Größenordnung auf Dauer zu fahren. Da wirkt sich einerseits die Tatsache aus, dass wir die Strukturreform noch nicht so weit vorangetrieben haben" und "dass wir materiell auf dem Zahnfleisch gehen, was Materialerhaltung, Einsatzbereitschaft des Geräts angeht", sagte er.

Die CDU stößt in das gleiche Horn und versucht sich als Anwalt des Militärs zu profilieren. Führende Politiker der Union wollen ihre Zustimmung zu einem Einsatz im Parlament von der Bewilligung neuer Gelder für die Bundeswehr abhängig machen. Dass die CDU-Fraktion letztendlich tatsächlich einen Bundeswehreinsatz ablehnt, ist allerdings mehr als unwahrscheinlich, da Schröder bereits eine Erhöhung des Militärbudget angekündigt hat und damit droht, die CDU als "unsichere Kandidaten" bei den Partnern in EU und Nato anzuschwärzen.

Die Haltung der ehemaligen "Friedenspartei" Die Grünen zur Frage eines Nato-Einsatzes in Mazedonien ist - wie nicht anders zu erwarten war - durch und durch von Opportunismus geprägt. Während der grüne Außenminister Fischer aus Sorge um den "deutschen Einfluss im entstehenden Europa" erst gar keine Debatte über Sinn und Zweck des Mazedonieneinsatzes aufkommen lassen will, spricht sich der grüne Abgeordnete Christian Ströbele, wie zu schon Beginn des Kosovo-Kriegs gegen die Entsendung deutscher Soldaten aus. Er machte darauf aufmerksam, dass die Grünen bei allen Landtagswahlen seit ihrer Zustimmung zum Kosovokrieg herbe Stimmenverluste hinnehmen mussten und fordert daraus Lehren zu ziehen. Angesichts der anstehenden Wahl in Berlin, befürchtet Ströbele, wäre ein neuer Auslandseinsatz der Bundeswehr mit Billigung der Grünen ein Wahlgeschenk für die PDS.

Obwohl Ströbele seine Kritik auf rein wahltaktische Überlegungen beschränkte, wurde seine Aussage von der Fraktionsvorsitzenden Müller umgehend als "Unverschämtheit" angeprangert.

Siehe auch:
Die USA und Europa und die Katastrophe auf dem Balkan
(5. Juli 2001)
US-Soldaten retten albanische Separatisten
( 29. Juni 2001)
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