Der Verlust des US-Senats durch die Republikaner und die soziale Krise in den USA

Der Übergang der Mehrheit im US-Senat von den Republikanern an die Demokraten, der die Vorherrschaft der republikanischen Rechten über alle Zweige des amerikanischen Regierungssystems abrupt beendet hat, ist eine bedeutende Veränderung in der amerikanischen Politik.

Mit der Amtsübernahme von Bush am 20. Januar kontrollierte die republikanische Partei zum ersten Mal seit fast fünfzig Jahren das Weiße Haus, den Senat, das Repräsentantenhaus und den Obersten Gerichtshof. Nur vier Monate später ist diese scheinbare politische Hegemonie durch einen einzigen Senator, durch James Jeffords aus Vermont, zerstört worden, der die 50-zu-50-Patt-Situation im Senat zu Gunsten der Demokraten gekippt hat.

Diese politische Wende ist keine unmittelbare Reaktion auf eine breite Bewegung gegen die rechte Politik der Bush-Regierung. Eine solche Bewegung muss sich erst noch entwickeln, nicht zuletzt weil die demokratische Partei, die Gewerkschaften und die Bürgerrechtsgruppen die Opposition der Bevölkerung eher entschärft als mobilisiert haben.

Die politische Machtverschiebung im Senat muss vielmehr als ein neues Stadium im Konflikt innerhalb der amerikanischen herrschenden Klasse verstanden werden, der sich schon im Versuch der Amtsenthebung Clintons und dann in der Wahlkrise in Florida geäußert hat. Es ist ein Versuch, der neuen Regierung angesichts sich mehrender Anzeichen eines Abgleitens des amerikanischen Kapitalismus in eine tiefe gesellschaftliche, ökonomische und politische Krise, eine Kurskorrektur aufzuzwingen.

Einer der scharfsinnigeren Beobachter der Washingtoner Szene, der Kolumnist David Ignatius von der Washington Post, bemerkte am 27. Mai: "Das Überlaufen von Jeffords hat die Vereinigten Staaten momentan in eine parlamentarische Demokratie verwandelt. Es war gleichbedeutend mit einem Misstrauensvotum und hat das konservative ‚Mandat‘ erschüttert, das die Republikaner zu haben glaubten - unter Ausblendung der Tatsache, dass ihr Kandidat, an der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen gemessen, die Wahl im November letzten Jahres verloren hat."

Jeffords Entscheidung signalisiert eine wachsende Unruhe in herrschenden Kreisen über den Kurs, den die Bush-Regierung in den ersten vier Monaten eingeschlagen hat. Vom Standpunkt der weitsichtigeren Vertreter des amerikanischen Kapitalismus gibt es ausreichend Grund zur Sorge. In der Innen- wie der Außenpolitik ist die Bush-Regierung mit einer Kombination aus Rücksichtslosigkeit und Blindheit vorgegangen.

Bushs erste hundert Tage

Auf internationaler Ebene ist es der Bush-Regierung gelungen, gleichzeitig Russland, China, Japan, Europa und die arabische Welt gegen sich aufzubringen. Sie gab ihre Absicht kund, einseitig den ABM-Vertrag mit Russland aufzukündigen, provozierte eine Konfrontation mit China über die amerikanischen Spionageflüge über dem Südchinesischen Meer und machte eine abrupte Wende in der von Clinton entwickelten Politik der Annäherung an Nordkorea - ein Schlag ins Gesicht von Japan und Südkorea.

Im Nahen Osten hat Bush stillschweigend die kriegerische Haltung Israels gegenüber dem palästinensischen Widerstand ermutigt, die die Spannungen in der Region in einem Ausmaß wie 1967 und 1973 verschärft hat, so dass in vielen arabischen Hauptstädten offen von Krieg gesprochen wird.

In Europa rief die Bush-Regierung verbreitet Unmut hervor, als sie das Kyoto-Protokoll über die globale Erwärmung der Erdatmosphäre einseitig aufkündigte, sich weigerte, amerikanisches Militär- und Geheimdienstpersonal der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs zu unterstellen, und darüber diskutierte, die US-Truppen aus Bosnien, Kosovo und anderen Friedensmissionen der UNO zurückzuziehen.

Die rapide Verschlechterung der internationalen Position der USA fand ihren Niederschlag in der Abstimmung am 3. Mai über die Mitgliedschaft in der UNO-Menschenrechtskommission, bei der die USA keinen Sitz erhielten. Die amerikanischen Verbündeten Frankreich, Schweden und Österreich weigerten sich, ihre jeweiligen Kandidaten zurückzuziehen, und erhielten alle mehr Stimmen als die USA. Währenddessen entwickeln sich allenthalben Handelskonflikte zwischen den USA und Europa, den USA und Japan und den USA und einer ganzen Reihe Staaten der dritten Welt.

In der Innenpolitik ist die Bush-Regierung mit der gleichen Unempfindlichkeit vorgegangen. Sie hat offenbar keinerlei Antenne dafür, dass viele ihrer Initiativen auf breite Opposition stoßen, wie etwa die Lockerung der erlaubten Menge Arsen im Trinkwasser, das Verbot in internationalen Organisationen bei der Familienplanung Abtreibungen vorzuschlagen, oder die Übertragung des Mitspracherechts bei Ernennungen im Justizbereich vom amerikanischen Anwaltsverein auf die extrem rechte Föderalistische Gesellschaft.

Bush schwieg in der Öffentlichkeit zu den Unruhen in Cincinnati im letzten Monat, die das Ergebnis einer langen Geschichte von Polizeibrutalität und Rassismus waren. Noch auffälliger war die Haltung der Regierung zur Energiekrise in Kalifornien; sie zeigte sich betont desinteressiert gegenüber einem Bundesstaat, in dem 15 Prozent der Bevölkerung leben und Schlüsselindustrien wie Computer, Flugzeugbau. Landwirtschaft und Unterhaltung angesiedelt sind.

Das wichtigste Ereignis in der viermonatigen Amtszeit von Bush war die Vernichtung von Papierwerten an der Börse für Technologiewerte, dem NASDAQ. Milliarden wurden beim Platzen der aufgeblähten Kurse der Hightech-Werte vernichtet, und die Aussichten auf eine schwere Rezession haben die Bourgeoisie erschüttert. Die Schockwellen des finanziellen Debakels werden spürbar, da auch riesige Konzerne außerhalb des Hightech-Sektors beginnen, umfangreiche Entlassungen und Kürzungen bei den Investitionen bekannt zu geben. Trotz ungewöhnlicher viermaliger Leitzinssenkungen der Zentralbank innerhalb von nur fünf Monaten geht der wirtschaftliche Abschwung weiter.

Bushs Steuersenkungsgesetz ist zwar eine finanzielle Bonanza für die gesamte herrschende Elite, wird aber von weitsichtigeren Teilen der Bourgeoisie als ein ökonomisches Abenteuer, wenn nicht schlimmeres betrachtet. Es wird weithin verstanden, an der Wall Street wie in Washington, dass sich die vorausgesagten riesigen Haushaltsüberschüsse in der Bundeskasse, die als Rechtfertigung für die Steuersenkungen angeführt werden, sich bei einem Wirtschaftsrückgang schnell in Luft auflösen werden.

Business Week brachte kürzlich einen Leitartikel über den finanziellen Schwindel der dot.coms, der Internet-Firmen, der im Zusammenbruch des NASDAQ bloßgestellt wurde. Die am 26. Mai vom Kongress verabschiedete Steuersenkung ist die Übertragung einer ähnlich unseriösen Buchführung auf die Ebene der Regierungspolitik. Das Gesetz wurde am Vorabend seiner Verabschiedung noch einmal modifiziert, um das Datum, zu dem die Steuererleichterungen für die Reichen in Kraft treten, vorzuziehen. Um die Auswirkungen dieses Schritts im Rahmen der Haushaltsbeschlüsse des Parlaments zu halten, verfiel die republikanische Führung auf die bizarre Idee, so zu tun, als ob die gesamte Steuersenkung im Jahre 2010 rückgängig gemacht werde - quasi wurden Steuersenkungen von 2010 geborgt, um schon heute in ihren Genuss zu kommen.

Der Wirtschaftskolumnist Paul Krugman bemerkte in einem Kommentar in der Web-Ausgabe der New York Times spitz, dass das Steuergesetz "einen Finanzbetrug beinhaltet, der, wenn er vom Vorstand einer börsennotierten Firma begangen worden wäre, diesen ins Gefängnis brächte... Das ist lupenreine Wirtschaftskriminalität. Wir sollten die Börsenaufsicht einschalten und die ganze Bande - Demokraten wie die Senatoren John Breaux und Max Baucus und ihre republikanischen Komplizen - an einem unfreundlichen Ort in eine Verwahranstalt geringer Sicherheitsstufe sperren."

Hin zu einer Koalitionsregierung

Der Zweck der politischen Manöver in Washington ist nicht der Sturz der Bush-Regierung, sondern eine Quasi-Koalition mit den Demokraten, die nach der Sprechweise der offiziellen Medien Bush zwingen wird, "von der Mitte her" zu regieren, statt "von rechts". Viele Kommentare nach dem Übertritt von Jeffords kritisierten Bush, weil er sich Unterstützung und Rat ausschließlich von einer kleinen Fraktion rechter religiöser Fundamentalisten und Anti-Steuer-Eiferern geholt hatte.

Die Führung der demokratischen Partei selbst sucht eher die Partnerschaft mit dem Weißen Haus, als die Konfrontation. Die Erklärungen des designierten Mehrheitsführers im Senat, Tom Daschle, der den Republikaner Trent Lott am 5. Juni ablösen wird, enthielten nicht einmal eine Andeutung von Radikalismus oder auch nur von Liberalismus [steht im amerikanischen für Sozialreformismus, d.Ü.]. Daschle, ein früherer Offizier der Luftwaffenaufklärung und lebenslanger Insider der Washingtoner Szene - als Kongressberater, Kongressabgeordneter und Senator -, versprach sofort, mit der Bush-Regierung zu kooperieren.

Selbst in der Frage der Ernennungen von Richtern und Staatsanwälten, wo am ehesten Konflikte mit dem Weißen Haus erwartet werden, gab sich Daschle verbindlich. "Natürlich gehen wir davon aus, dass der Präsident konservative Richter vorschlagen und ernennen wird," sagte er in einem Interview mit CNN. "Aber ich glaube, dass wir hier eine Komponente erwarten können, die auf die Mainstream-Meinung zugeht."

Mit anderen Worten, ein weiterer Antonin Scalia oder Robert Bork könnten auf Opposition treffen, aber Richter wie Anthony Kennedy oder Sandra Day O'Connor, die die entscheidenden Wechselstimmen lieferten, die Bush ins Weiße Haus hievten, würden wahrscheinlich einen demokratisch kontrollierten Senat passieren.

Weniger als einen Tag nach Jeffords Bombe entschieden Daschle und andere führende Senatsdemokraten, die Abstimmung über die Nominierung von Theodore Olson zum Generalstaatsanwalt zuzulassen. Olson ist eine der widerwärtigsten Figuren in Washington, stand im Zentrum der rechten Kampagne, die das Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton betrieb, und war Bushs oberster Rechtsberater beim Diebstahl der Wahl vom November 2000. Er wurde knapp mit 51 zu 47 Stimmen bestätigt.

Dieses Verhalten zeigt, dass es keine prinzipielle Opposition der Demokraten gegen Bush geben wird. Daschle hätte die Nominierung als erste Demonstration der demokratischen Mehrheit im Senat leicht blockieren können. Statt dessen erlaubte er diesem politischen Gangster, den Posten des obersten Anwalts der amerikanischen Regierung zu übernehmen.

Dann nahm Daschle die Pose unnachgiebiger Opposition gegen eine andere Bush-Initiative ein und erklärte, dass die Demokraten im Senat "niemals erlauben werden", dass im Naturschutzgebiet von Alaska nach Öl gebohrt wird. Das ist ein lehrreiches Beispiel dafür, welche Bush-Initiativen sie bekämpfen werden und welche nicht.

Es gibt kein Versprechen, demokratische Rechte zu verteidigen. Der demokratisch kontrollierte Senat wird keine Untersuchung der Abstimmung in Florida durchführen, geschweige denn der engen Verbindungen des Sonderermittlers Kenneth Starr mit den extrem rechten Elementen der republikanischen Partei. Die Demokraten werden gegen das Weiße Haus nur in Fragen opponieren, die auch von speziellem Interesse für einige privilegierte Mittelschichten sind - in Umweltfragen, dem Recht auf Abtreibung, und vielleicht beim Missbrauch der Krankenversicherung.

Warum die Demokraten nicht gegen Bush kämpfen werden

Die Nominierung von Olson zeigt, dass nicht die Stärke der Bush-Regierung die Demokraten zur Anpassung zwingt, sondern ihre Zerbrechlichkeit. Sobald die Niederlage Olsons möglich, ja wahrscheinlich wurde, entschied die Führung der Demokraten, dass sie nicht mehr wünschenswert sei.

Die Bush-Regierung ist schwach. Ein illegitimer Präsident, der er ist, eingesetzt vom Obersten Gerichtshof in einer 5 zu 4 Entscheidung, die sich über die Abstimmung der Bevölkerung hinwegsetzte, wäre er ein leichtes Ziel, wenn die Demokraten sich entschließen könnten, eine echte Opposition zu betreiben. Es besteht ein dramatischer Kontrast zwischen der Zahnlosigkeit der Demokraten heute und der Entschlossenheit der Republikaner in ähnlicher Lage.

Als Clinton 1993 das Amt als Präsident ohne absolute Mehrheit übernahm - obwohl er anders als Bush mehr Stimmen als jeder andere Kandidat erhalten hatte -, betrieben die Republikaner gnadenlose Obstruktion. Nicht ein Republikaner stimmte für Clintons ersten Haushalt, seine Gesundheitsreform wurde torpediert; und sobald die Republikaner 1994 die Mehrheit im Kongress errungen hatten, brachen sie eine Untersuchung nach der anderen über angebliche Unregelmäßigkeiten der Regierung vom Zaun, die schließlich im Lewinski-Sex-Skandal und dem Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton gipfelten.

Die New York Times vom 27. Mai gab dem Denken der liberalen Kreise der demokratischen Partei Ausdruck. Die Zeitung veröffentlichte eine Kolumne der früheren Wahlkampfhelfer Clintons, James Carville und Paul Begala, die eine aggressive politische Oppositionskampagne gegen das ganze Programm von Bush forderten und vorschlugen, die Legitimität von Bushs Präsidentschaft in Frage zu stellen. Der Kommentar der Times wies einen solchen Kurs eindeutig zurück und forderte die demokratische Partei auf, ihre Macht "wohlüberlegt" und "ohne Rachegefühle" zu nutzen.

Hinter dieser Vorsicht steht die Furcht, dass die Entfesselung des Volkszorns gegen die rechte Politik von Bush und den Republikanern einer politischen Bewegung Raum geben könnte, die weit über die zahmen Maßnahmen hinausgehen könnte, die sich die Liberalen wünschen.

Die meisten Kommentare von Demokraten aus dem Kongress waren erkennbar zurückhaltend und kooperativ; die schärfste Kritik an Bush & Co. kam aus der republikanischen Partei. Jeffords selbst prangerte in seiner Rede vom 24. Mai den rechten Extremismus der Regierung schärfer an, als irgend ein Demokrat.

Senator John McCain aus Arizona verurteilte die Härte der republikanischen Kongressführung. "Toleranz gegenüber anderen Meinungen ist das Kennzeichen einer reifen Partei," sagte er, "und es ist allmählich Zeit für die republikanische Partei, erwachsen zu werden." Senator Chuck Hagel aus Nebraska sagte: "Es gibt hier eine Arroganz, die die Demokraten 1994 die Mehrheit kostete.... Ich hoffe, dass der Präsident sich das zu Herzen nimmt und in seiner Regierungsführung berücksichtigt."

Wenn man die Reaktion auf Jeffords als Indikator nimmt, dann kann man annehmen, dass die Bush-Regierung angesichts einer ernst gemeinten Opposition zusammenbrechen würde. Presseberichte lassen vermuten, dass mindestens ein Berater von Vizepräsident Cheney im April davor warnte, dass Jeffords die Seiten wechseln könnte; aber er wurde ignoriert. Bushs Berater - die selben politischen Genies, die ihm am Vorabend der Wahl versicherten, er stehe vor einem Erdrutschsieg - spielten die Bedrohung, die von Jeffords ausging, herunter und schlugen vor, ihn zu schikanieren und zu provozieren, was ihn schließlich aus der Partei trieb.

Wie bei dem Zwischenfall mit dem Spionageflugzeug über China und der Abstimmung für die UNO-Menschenrechtskommission scheint jede Opposition, woher sie auch kommt, die Bush-Regierung auf dem falschen Fuß zu erwischen, selbst wenn sie von einem einzigen Senator eines kleinen Staates kommt.

Das ist nicht nur das Ergebnis von Unfähigkeit, sondern spiegelt auch den beschränkten Horizont der politisch Handelnden wider, die sich auf eine extrem enge gesellschaftliche Basis stützen, nur mit rechten Lobbyisten, Politikern und Medienleuten reden, die das offizielle Washington verpesten, und an ihre eigene Propaganda glauben.

Hier sind Jeffords Bemerkungen zu seinem Austritt aus der republikanischen Partei von Interesse. Er kontrastierte die heutige republikanische Partei mit der republikanischen Partei Lincolns. Nun mag zwar die republikanische Partei lange vor der Geburt des 67-jährigen Senators Jeffords aufgehört haben, die Lincolns Prinzipien zu vertreten, aber selbst in den sechziger Jahren war Unterstützung aus der republikanischen Partei noch ausschlaggebend für die Verabschiedung der Bürgerrechtsgesetze. Republikaner aus dem Mittleren Westen wie der Minderheitsführer im Senat, Everett Dirksen aus Illinois, und der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Charles Hallack aus Indiana, unterstützten Lyndon B. Johnson, während alle Südstaaten-Demokraten mit Nein stimmten.

Es ist eine weitgehend totgeschwiegene aber enorm wichtige Tatsache der amerikanischen Politik, dass die republikanische Partei heute faschistischen Elementen in der Christlichen Rechten, der Schusswaffenlobby, Anti-Steuer-Gruppierungen und Teilen der Milizbewegung verpflichtet ist. Sie stellen einige der einflussreichsten Sprecher der Republikaner im Kongress, zu denen Senator Jesse Helms und die Kongressabgeordneten Bob Barr und Tom Delay gehören, um nur wenige zu nennen.

Einige Medienkommentatoren haben letzte Woche an kürzliche Äußerungen des früheren Senators und Gouverneurs von Connecticut, Lowell Weicker, erinnert, ein anderer [liberaler] Neuengland-Republikaner, der die republikanische Partei verlassen hat. Weicker erinnerte sich an eine Unterhaltung, die er mit Barry Goldwater auf dem Todesbett des Senators aus Arizona gehabt hatte. Der führende Repräsentant des republikanischen Konservativismus der sechziger Jahre bemerkte, dass er in der republikanischen Partei der neunziger Jahre als zu weit links stehend angesehen worden sei.

Ein politisches System in der Krise

Der Schwäche der Bush-Regierung liegen Veränderungen in der demographischen Struktur der USA zu Grunde, die allgemein gesprochen für die republikanische Rechte und für die Stabilität des bürgerlichen Zwei-Parteien-Systems insgesamt ungünstig sind. Schwäche der Republikaner ist nicht gleichbedeutend mit Stärke der Demokraten, sondern mit der Diskreditierung der gesamten politischen Struktur, in der die beiden Parteien des Großkapitals das Monopol über das politische Leben ausüben.

Die republikanische Partei verlor ihre Mehrheit auf Grund des Verlustes eines der wenigen republikanischen Senatoren aus Neuengland, das früher einige wichtige Basis der Partei war. Diese Tatsache unterstreicht die tiefe regionale Spaltung in der amerikanischen Politik. In den 22 Staaten im Süden und Westen, die Bush gewonnen hat (inklusive Alaska), teilen sich die Senatssitze heute im Verhältnis von 32 zu 12 für die Republikaner auf, die Sitze im Abgeordnetenhaus im Verhältnis von 89 zu 49 für die Republikaner. Von den 28 Staaten außerhalb dieser Region - die Westküste (inklusive Hawaii), der Mittlere Westen und der Nordosten - gewann Al Gore 21, und die Verteilung der Sitze für den Senat ist 38 zu 17 und im Abgeordnetenhaus 152 zu 123 zu Gunsten der Demokraten.

Solche regionalen Unterschiede sind für ein so großes und unterschiedliches Land wie die USA von großer Bedeutung. Die politische Landkarte zeigt sozusagen zwei Länder. Diese zwei Hälften sind aber nicht gleich. Die von den Demokraten beherrschten Regionen sind die bevölkerungsreichsten und beherbergen den größten Teil der amerikanischen Industrie, der Finanz-, Technologie- und Bildungszentren, sowie die fünf größten Metropolen.

Selbst in den von den Republikanern dominierten Regionen widerspiegeln die beiden bevölkerungsreichsten Staaten, Florida und Texas, die demographischen Veränderungen, die die Rechten schwächen. Ohne die umfassende Verletzung demokratischer Rechte hätten die Republikaner Florida 2000 verloren. Was Texas angeht, Bushs Heimatstaat, zitierte die Washington Post einen republikanischen Analysten, der darauf hin wies, dass angesichts des raschen Wachstums der hispanischen Bevölkerung der Trend ungünstig sei. "Eines Tages," sagte, "werden wir kippen und ein weiteres Kalifornien werden," womit er auf Reagans Heimatstaat anspielte, in dem seit 1994 kein republikanischer Kandidat mehr bei einer landesweiten Wahl gewählt wurde.

Die sozioökonomischen Trends, die die republikanische Partei unterhöhlen, versprechen langfristig auch den Demokraten düstere Aussichten. Amerika ist zunehmend in zwei Klassenlager gespalten: eine reiche und privilegierte Elite, die höchstens fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht und um deren Unterstützung die beiden Parteien buhlen, und die unteren 90 Prozent, deren Interessen von beiden Parteien des Großkapitals ignoriert werden.

Das Gore-Lieberman-Lager appellierte scheinbar an die sozialen Interessen der arbeitenden Menschen, aber der Versuch wurde hölzern und halbherzig vorgetragen und schließlich auch wieder fallen gelassen. Nach einem kürzlichen Bericht der Baltimore Sun"distanziert sich Lieberman von Gores Schlachtruf ‚kleiner Mann gegen reiche Elite‘." Lieberman sagte der Zeitung: "Ich bin noch nie für den Klassenkampf gewesen. Ein Teil der Rhetorik im Wahlkampf - ‚das Volk gegen die Mächtigen‘ - ist im allgemeinen nicht das, was mich interessiert oder mit dem ich mich wohl fühle."

Der erbärmliche Wahlkampf Gores und die Clinton-Gore-Regierung insgesamt waren das Endprodukt einer langen Entwicklung der demokratischen Partei nach rechts, die der republikanischen Partei immer nur einen Schritt hinterher hinkte. Die demokratische Partei positioniert sich jetzt nicht als die Partei der sozialen Gerechtigkeit oder wirtschaftlichen Umverteilung, sondern als die Partei der fiskalischen Verantwortung und Strenge, der die Wall Street trauen kann.

Letztlich vertritt keine der beiden Parteien die Interessen der arbeitenden Bevölkerung. In Amerika existiert ein enormes politisches Vakuum, und es ist dieses völlige Fehlen einer politischen Vertretung der großen Mehrheit, die der gegenwärtigen politischen Situation einen solchen Hauch des Unwirklichen verleiht. Eine wirkliche Opposition gegen die Bush-Regierung - und seine neuen Partner bei den Demokraten - muss die Form einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse und des Aufbaus einer neuen politischen Partei annehmen, die gegen die Finanzoligarchie und ihr ganzes System kämpft.

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