Das Taliban-Regime vernichtet Afghanistans kulturelles Erbe

Ungeachtet weltweiter Empörung und zahlloser Proteste von Archäologen, Museen, Kultureinrichtungen und Regierungen lässt die afghanische Taliban-Regierung weiterhin Tausende Statuen und Artefakte im ganzen Land zerstören, darunter auch zwei riesige Buddha-Steinstatuen in der zentral gelegenen Provinz Bamyan. Die islamischen Fundamentalisten setzten sich über einen direkten Appell der UNESCO hinweg und lehnten Angebote von Museen und Regierungen ab, die die unersetzlichen Kunstwerke kaufen wollten, um sie vor der Zerstörung zu retten.

Am 26. Februar ordnete der oberste Führer der Taliban, Mullah Muhammed Omar, die Zerstörung der Statuen mit der Begründung an, sie seien in der Vergangenheit als falsche Götter angebetet worden und könnten auch in Zukunft wieder verehrt werden, ließe man sie intakt. Der Justizminister, Mullah Turabi, soll Omar den Vorschlag unterbreitet und ihn dann im höchsten Gremium der Taliban, dem Rat der Sharia, besprochen haben. Dieser entschied, "alle Statuen und Götzenbilder" zu zerstören, da sie "Götter der Ungläubigen ehren".

Die Entscheidung wurde rasch in die Tat umgesetzt. Anfang März sagte der Informations- und Kulturminister der Taliban, Quadratullah Jamal, seit dem ersten März seien an historischen Stätten in Herat, Ghazni, Kabul, Nangarhar Jalalabad und Kandahar zwei Drittel der Statuen des Landes vernichtet worden. In Bamyan setzen Milizen der Taliban Kanonen, Mörsergranaten und Sprengstoff ein, um zwei der weltgrößten Buddha-Statuen zu zerstören - eine 53 m hoch, die andere 38 m. Außenstehende, die die Berichte hätten bestätigen können, wurden nicht in das Gebiet gelassen.

Funktionäre der Taliban versuchten, ihr Vorgehen zu rechtfertigen, indem sie auf die Doppelmoral einiger derer hinwiesen, die Empörung äußerten. Afghanistans Botschafter in Pakistan, Mullah Abdul Salam Zaeff, bemerkte: "Die UNO sorgt sich um die Statuen, aber sie kümmert sich überhaupt nicht um das Leid armer Afghanen. Die Bevölkerung Afghanistans ist muslimisch und braucht diese Statuen nicht."

Es stimmt, dass die UN und die Großmächte wenig getan haben, das Leid von Zehntausenden Afghanen zu lindern, die nach einer schweren Dürre ihre Heimat verlassen mussten, um Nahrung und Wasser zu finden. Etwa 80.000 Flüchtlinge leben um die Stadt Herat herum in Lagern auf engem Raum unter entsetzlichen Bedingungen, und weitere 150.000 sind über die Grenze ins benachbarte Pakistan geflohen. Ende des Jahres 2000 verhängte der UN-Sicherheitsrat auf Betreiben der USA und Russlands weitere einschneidende wirtschaftliche und diplomatische Sanktionen gegen Afghanistan, die zur weiteren Verarmung vieler Afghanen beitragen werden.

Verweise auf die Falschheit anderer können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Taliban-Regierung mutwillig ein kulturelles Erbe vernichtet, das eine einzigartige Verbindung künstlerischer Traditionen aus Europa und Asien darstellt. Afghanistan insgesamt und das Bamyan-Tal im Besonderen lagen im Zentrum der Seidenstraße - die antike Handelsstraße über Land von Ost nach West und umgekehrt, auf der Seide aus China, hochwertige Glasware aus Alexandrien, Bronze aus Rom und herrlich verziertes Elfenbein aus Indien befördert wurden.

Der Historiker Jet van Krieken schrieb über diese Zeit in der Zeitschrift International Institute of Asian Studies 2000: "In den ersten Jahrhunderten des christlichen Zeitalters gab es im östlichen Afghanistan zahlreiche buddhistische Klöster, Stupas [buddhistische Kultbauten, d. Red.] und Mönche. In diesem reichen und friedlichen geistigen Klima entstand eine neue Kunstform, die Gandhara-Kunst, die den Namen der Provinz trug, in der sie ihren Anfang nahm. Über den Ursprung dieser Kunst gibt es unterschiedliche Meinungen; jedoch gibt es einen starken hellenistischen Einfluss. Während dieser Zeit entstanden auch in dieser Region, der Region Kushan/Saka, die ersten Buddha-Standbilder in Menschenform."

Die beiden riesigen Statuen in Bamyan, die ersten bekannten Beispiele der riesigen Buddha-Standbilder, die in Asien Verbreitung fanden, wurden in den Fels gehauen. Sie waren ursprünglich bemalt und vergoldet und hatten möglicherweise Masken über dem Gesicht. Dutzende kleiner Höhlen wurden ebenfalls in den Fels gehauen und mit Wandgemälden versehen. Man geht davon aus, dass die beiden Statuen aus dem 5. Jahrhundert stammen; einige Wissenschaftler glauben, sie seien erst später entstanden.

Der Umstand, dass die Statuen Jahrhunderte überdauerten, obwohl die Region seit dem achten Jahrhundert vom Islam beherrscht wurde, unterstreicht, dass der islamische Fanatismus der Taliban eine ganz neuzeitliche Erscheinung ist. Die Vernichtung von Götzen und die Zerstörung von Tempeln war in der Vergangenheit eher die Ausnahme. Der islamische Fundamentalismus in Afghanistan erhielt Auftrieb durch die Ressentiments, welche die sowjetische Invasion im Jahre 1979 hervorrief. Er wurde von den USA ausgenutzt, die mit Unterstützung Pakistans Mujaheddin-Kämpfer gegen die von den Sowjets gestützte Regierung in Kabul ausbildeten und ausrüsteten.

Die Taliban-Milizen, die unter afghanischen Flüchtlingen und anderen in Pakistan rekrutiert werden, erhielten mit stillschweigendem Einverständnis der USA von Islamabad Schützenhilfe gegen das wackelige Bündnis, das 1992 nach der Niederlage des sowjetisch gestützten Regimes an die Regierung kam. Gut bewaffnet und ausgerüstet, nahmen die Taliban 1996 Kabul ein und kontrollieren inzwischen etwa 95 Prozent des Landes. Den Rest kontrolliert die rivalisierende Nord-Allianz.

Die soziale Basis der Taliban

Ähnlich wie fundamentalistische Bewegungen in anderen Teilen der Region widerspiegeln auch die Taliban die Unfähigkeit der herrschenden Klasse, die grundlegenden sozialen Bedürfnisse der Arbeiterklasse und der Massen zu befriedigen. Die Verschärfung der wirtschaftlichen Krise und der sozialen Polarisierung lässt Teile der herrschenden Elite ihr Heil in religiösem Fanatismus suchen, um sich so eine soziale Basis zu erhalten.

In Afghanistan appellierten die Taliban an die rückständigsten Instinkte und reaktionären Traditionen von Schichten armer Stammesmitglieder und Dorfbewohner, aus denen ihre Milizen hauptsächlich bestehen. Als das neue Regime die Macht ergriff, verhängte es das islamische Gesetz der Sharia im ganzen Land, schloss Frauen von der Bildung und dem Arbeitsmarkt aus, bestand darauf, dass Männer Bärte tragen und verbot Filme, Videos und Musik.

Die Entscheidung der Taliban, Afghanistans reiches kulturelles Erbe auszulöschen, zeigt ebenso wie andere Maßnahmen den begrenzten Horizont des verarmten und ungebildeten Dorflebens, das Großstädte, Städte und alles, was sie mit sich bringen, mit tiefem Argwohn und Verachtung betrachtet. Diese Haltung findet sich wieder in den Worten des Taliban-Führers Muhammed Omar, der die jüngsten Maßnahmen seiner Organisation mit den Worten kommentierte: "Wir zerstören nur Steine... es ist leichter zu zerstören als aufzubauen."

Zuvor hatte es innerhalb der Taliban Meinungsverschiedenheiten über dieses Vorgehen gegeben. Als das Bamyan-Tal 1998 in die Hände der Taliban fiel, ließ der örtliche Kommandeur der Milizen den Kopf und Teile der Schulter der kleineren Buddha-Statue wegschießen und Löcher in den Kopf der größeren bohren, um sie mit Sprengstoff zu füllen. Als die Taliban unter internationalen Druck gerieten, ließ er auf Anordnung von Omar davon ab.

Doch angesichts internationaler Isolation und einer wachsenden sozialen Krise in Afghanistan hat es den Anschein, als verschärften die Taliban-Führer ihre fundamentalistische Rhetorik, um ihre politische Stellung zu festigen. Vor wenigen Wochen gab das Regime bekannt, dass diejenigen, die andere vom Islam abbrächten, hingerichtet würden. Ein anderer aktueller Bericht enthält Hinweise darauf, dass die religiösen Patrouillen der Taliban die Befolgung der strengen Kleiderordnung schärfer durchsetzen und eine Reihe von Friseuren ins Gefängnis geworfen haben, weil sie jungen Männern "anti-islamische westliche Frisuren" gegeben hätten.

Auf eines muss man noch hinweisen. Nicht nur die Verhängung der UN-Sanktionen und die mangelnde Hilfe für Tausende von verzweifelten Afghanen in Flüchtlingslagern in und außerhalb Afghanistans zeigt den heuchlerischen Charakter der Proteste und Befürchtungen, die Regierungen angesichts der Maßnahmen der Taliban äußern.

Ein Sprecher der neuen Bush-Administration, Philip Reeker, sagte, die USA seien "bekümmert und ratlos" angesichts der Entscheidung der Taliban, die seinen Worten nach einem der wichtigsten islamischen Grundsätze widerspräche - der Tolerierung anderer Religionen. Die USA sorgten nicht nur für die Verhängung von Sanktionen gegen Afghanistan, die gegenwärtige Regierung hat auch direkte Verbindungen zu denjenigen, die für die Bewaffnung der Mujaheddin in den frühen 80er Jahren verantwortlich waren. Bushs Vater, früher CIA-Direktor, war zu jener Zeit Vizepräsident unter Reagan. Der heutige Vize-Präsident, Richard Cheney, ein führender Republikaner, der den Regierungen von Nixon und Ford angehörte, stimmte im Kongress für die Finanzierung der islamischen Fundamentalisten in Afghanistan.

Der indische Außenminister Jaswant Singh verurteilte die Pläne der Taliban als "Rückfall in mittelalterliche Barbarei" und bot an, sich um die zur Zerstörung vorgesehenen Artefakte zu kümmern. Premierminister Atal Behari Vajpayee kritisierte das Taliban-Regime als "unzivilisiert" und "ohne Respekt für menschliche Werte". Doch seine eigene Bharativa Janatha Party (BJP), die führende Partei in der Koalitionsregierung, ist direkt verantwortlich für einen ähnlichen Akt "mittelalterlicher Barbarei": die Zerstörung der Babri Masijd-Moschee in Ayodya 1992 durch einen Mob von Hindu-Chauvinisten, angestachelt unter anderem von Indiens gegenwärtigem Innenminister, L. K. Advani, der behauptete, die Moschee stünde auf dem Platz eines früheren Hindu-Tempels. Die Zerstörung der Ayodya-Moschee führte zu Unruhen auf dem ganzen indischen Subkontinent und wird auch heute noch von den Taliban angeführt, um ihr eigenes Handeln zu rechtfertigen.

In Sri Lanka sind die Volksallianz-Regierung, die oppositionelle United National Party (UNP), die buddhistische Führung und die Presse entrüstet über die Zerstörung buddhistischer Statuen. Die Priester haben die Entscheidung als "barbarisch" verurteilt und die Zeitung Island zeterte: "Kann der Mensch sein wie ein Tier?" Doch hier handelt es sich um dieselben sozialen Schichten, die den singhalesischen Chauvinismus seit Jahrzehnten schüren und für die tamilenfeindliche Diskriminierung und Pogrome verantwortlich sind, die 1983 dem seither andauernden Bürgerkrieg vorausgingen.

1981 randalierte eine von der UNP-Regierung organisierte Gruppe singhalesischer Chauvinisten in Jaffna, dem Hauptgebiet der tamilischen Minderheit im Norden der Insel und brannte die Jaffna-Bibliothek nieder. Die Bibliothek galt als eine der besten in Südasien. Ihr kulturelles Erbe beinhaltete mehr als 95.000 wertvolle tamilische Bücher und unersetzliche Manuskripte. Tamilen erinnern sich bis heute mit Verbitterung an diesen Anschlag, der das Ziel hatte, Rassismus zu schüren.

Die Liste könnte leicht um ein Vielfaches erweitert werden. Das Handeln der Taliban enthüllt in Wahrheit in extremster Form die kommunalistischen Stimmungen, die die herrschenden Eliten auf dem Subkontinent - in manchen Fällen mit der direkten Unterstützung der Großmächte - in den letzten etwa zehn Jahren geschürt haben, um die arbeitende Bevölkerung zu spalten und ihre eigene, zunehmend brüchige Herrschaft aufrecht zu erhalten.

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