Die amerikanische Kriegsoffensive und die Destabilisierung Ägyptens

Zweiter Teil

Dies ist der zweite und abschließende Teil einer Untersuchung der modernen Geschichte Ägyptens. Den ersten Teil haben wir gestern veröffentlicht.

Nassers Bemühungen um die arabische Einheit scheiterten schließlich, weil die nationale Bourgeoisie der verschiedenen Länder, untereinander zerstritten durch widersprüchliche Interessen der rivalisierenden Familienclans und Cliquen, nicht in der Lage war, die Probleme des Nahen Ostens auf der Grundlage eines pan-arabischen Nationalismus zu lösen.

1964 gründete Nasser die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die er über ihren Führer, den einer palästinensischen Notabeln-Familie entstammenden Ahmed Shukeiry, beherrschte. Aber sein undurchdachtes Spiel mit dem Feuer führte im "Sechs-Tage-Krieg" gegen Israel vom Juni 1967 zu der verheerenden Niederlage der ägyptischen, syrischen und jordanischen Armeen. Ägyptens Niederlage führte zum Verlust der Ölfelder des Sinai und zur israelischen Besetzung des Suez-Kanals, der geschlossen wurde. Diese Entwicklung und das jemenitische Abenteuer [ siehe erster Teil] hatten katastrophale finanzielle Verluste zur Folge und beendeten Nassers wirtschaftliche und soziale Programme im Inland. Der Krieg vergrößerte die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge weiter, die auch aus der von Israel besetzten Westbank und dem Gazastreifen nach Jordanien flüchteten. Nach der die Annektierung von Ostjerusalem durch Israel wurden die Palästinenser zunehmend aus dieser Stadt ausgeschlossen.

Der Krieg von 1967 vernichtete Nassers Glaubwürdigkeit und führte zu wachsenden sozialen und politischen Unruhen in Ägypten und der ganzen arabischen Welt. Nachdem sein Rücktrittsangebot abgelehnt worden war, wurde Nasser immer autoritärer. Er änderte seinen wirtschaftspolitischen Kurs. Als Reaktion auf den Niedergang des Lebensstandards brachen Straßenaufstände aus. Um den Forderungen der Bevölkerung nachzukommen und die mangelnde Versorgung zu überwinden, lockerte Nasser die Kontrollen über die Wirtschaftstätigkeit des privaten Sektors und das staatliche Außenhandelsmonopol, was bis 1969 zu einer Verfünffachung der privaten Importe führte.

Nachdem er mit angesehen hatte, wie sein "arabisch sozialistisches" und sein pan-arabisches Projekt scheiterten, starb Nasser schließlich im September 1970 an akutem Herzversagen im Alter von 52 Jahren.

Die Stalinisten hatten in Nassers Karriere eine zentrale Rolle gespielt und sie erleichterten auch die Entstehung des Nasserismus als politische Ideologie. Die ägyptische kommunistische Bewegung war für die beherrschende Rolle der Freien Offiziere, die 1952 putschten, wie auch für Nassers Machtübernahme 1954 verantwortlich. Sie ordnete die Arbeiterklasse dem nationalen Kampf unter und brachte die Bourgeoisie an die Macht, nicht die Arbeiterklasse. Moskau unterstützte und begünstigte dann die Militärdiktatur, welche die nationale Bourgeoisie an der Macht hielt, selbst als die Mitglieder der Kommunistischen Partei in ägyptischen Gefängnissen schmachteten.

Ein wissenschaftliches Buch beschreibt die Rolle des Stalinismus mit einem Zitat von Muhammad Sid Ahmad, einem Mitglied der ägyptischen Kommunistischen Partei, der von Nasser 1950 ins Gefängnis geworfen worden war: "Gamal Abdel Nasser konnte die Marxisten eher als nützliche Ratgeber betrachten denn als bedrohliche Rivalen, in der Tat waren sie für ihn niemals eine ernsthafte Gefahr." (S. Botman, The Rise of Egyptian Communism 1939-1970, Syracuse University Press, New York, 1988)

Ägypten unter Sadat 1970-1981

Auf Nasser folgte Anwar Sadat, eines der zwei ursprünglichen Mitglieder der Bewegung Freier Offiziere (die 1949 gegründet worden war), der immer noch ein hohes Amt bekleidete. Während seiner elfjährigen Herrschaft machte Sadat systematisch alle fortschrittlichen Aspekte des Nasser-Regimes rückgängig und zerstörte seine materielle Grundlage. Dass diese Liquidation von Nassers Erbe nicht durch seine politischen Gegner, sondern seinen eigenen Gesinnungsgenossen vollzogen wurde, beweist die Schwäche des nasseristischen Projekts und die politische Unvermeidlichkeit seines Untergangs.

Ursprünglich als Lückenbüßer betrachtet, festigte Sadat seine Macht in einem rechten Putsch gegen seine Rivalen mit der Unterstützung von Armeeführern, die Nassers Arabische Sozialistische Union (ASU) und die Überbleibsel seiner angeblich "sozialistischen" Wirtschaftspolitik bekämpften. Dennoch behaupteten die ägyptischen Stalinisten, Sadat würde die Politik von Nasser fortsetzten. Einige prominente Stalinisten wie Fuad Mursi und Ismail Sabri Abd Allah traten sogar in Sadats Regierung ein, mit dem sie erst 1975 brachen, als er ein neo-liberales Wirtschaftsprogramm annahm.

Sadat warf seine sowjetischen Ratgeber hinaus und machte den USA Avancen. Entschlossen, Ägyptens militärische Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, führte er im Oktober 1973 gemeinsam mit Syrien einen Überraschungsangriff auf Israel, der anfänglich erfolgreich war, sich aber letztlich als ein noch größeres Desaster erwies als der Krieg von 1967. Die Niederlage von 1973 führte Sadat direkt in das Lager der USA.

1976 annullierte Sadat den sowjetisch-ägyptischen Freundschaftsvertrag, den er 1971 unterzeichnet hatte. Er beendete die Staatskontrolle des Außenhandels, strich Subventionen und öffnete die Wirtschaft durch seine Infitah oder Politik der offenen Tür für das internationale Kapital. Diese Wirtschaftsmaßnahmen begünstigten eine dünne Schicht, die sagenhaft reich wurde, schufen gleichzeitig eine immer größere Ungleichheit und provozierten 1977 weitverbreitete Hungeraufstände, nachdem die Subventionen für Nahrungsmittel gestrichen worden waren. Die Unruhen, die schlimmsten seit 1952, führten Sadat dazu, um Frieden mit Israel zu flehen und 1979 die Verträge von Camp David zu unterzeichnen; es war das verzweifelte Bemühen, Hilfe vom US-Imperialismus zu erhalten, um ein Wirtschaftswachstum zu erzielen.

Sadats Vertrag mit Israel verwandelte ihn in den Augen der arabischen Massen in einen Paria. Er führte außerdem zum Ausschluss Ägyptens aus der Arabischen Liga und unterbrach abrupt die Anleihen und Hilfe von den Regimen mit reichen Ölvorkommen in der Region. Die letzten Verbindungen zu Moskau wurden gekappt, so dass Ägypten vollkommen vom US-Imperialismus abhängig wurde und weitgehend unfähig war, irgendwelche Konzessionen an die Arbeiterklasse zu machen. Es bedeutete das Ende der ägyptischen Führung in der arabischen Welt und jedes Anscheins von politischer Unabhängigkeit vom Imperialismus, was noch das Kennzeichen des Nasserismus gewesen war.

Sadat setzte eine Reihe von politischer Reformen in Gang, die darauf abzielten, seine Basis zu verbreitern. Das politische System, das nur eine Partei, die ASU, zugelassen und die Vorherrschaft des Militärs gesichert hatte, wurde abgeschafft, und politische Parteien wurden sanktioniert. 1971 veränderte Sadat einige Aspekte von Nassers Säkularisierung des Staates. Er veränderte die Verfassung, um die Scharia als wichtige juristische Quelle anzuerkennen und machte sie 1980 zur hauptsächlichen Grundlage der Gesetzgebung. So schuf er möglicherweise ungewollt die Bedingungen für die Entwicklung einer islamistischen Opposition.

Der Moslem-Bruderschaft war die politische Tätigkeit seit 1954 verboten. Offiziell war sie illegal, da die Verfassung auf Religion oder Rasse gestützte politische Parteien verbot. Aber sie arbeitete trotzdem weiter und konzentrierte sich auf soziale Wohlfahrtsarbeit - was im allgemeinen vom Regime toleriert wurde -, die ihr, als die Bevölkerung in Armut versank, eine wachsende Bedeutung sicherte. Weil sie die einzig existierende Opposition zum Regime darstellten, begann die Unterstützung für islamistische Gruppen besonders unter den am meisten verarmten Schichten und den ländlichen Armen zu wachsen. Dies war kein bloß ägyptisches Phänomen, sondern konnte auch im Iran, in Syrien und im Sudan beobachtet werden. Aus der Bruderschaft gingen kleine Gruppen hervor, die besonders nach der iranischen Revolution von 1979 zum bewaffneten Aufstand gegen die Sadat-Regierung aufriefen. Im September 1981 befahl Sadat, die politische Opposition niederzuschlagen. Kurz danach wurde er von der Gruppe Islamischer Jihad ermordet, die Ägyptens Friedensvertrag mit Israel bekämpfte.

Das erneute Auftauchen von arbeiterfeindlichen religiösen Parteien war das Ergebnis einer Reihe von Faktoren: der Verschlimmerung der Wirtschaftssituation und der sozialen Bedingungen seit 1967, der Enttäuschung über den gescheiterten "arabischen Sozialismus" und vor allem des politischen Vakuums, das durch den Verrat der ägyptischen Kommunistischen Partei und des stalinistischen Regimes in Moskau entstanden war.

Wirtschaftliche und soziale Spannungen steigen unter Mubarak

Hosni Mubarak, der bis 1975 Karriere als Luftwaffenoffizier gemacht hatte und unter Sadat Vizepräsident gewesen war, wurde Nachfolger des ermordeten Präsidenten. Mubaraks 20jährige Herrschaft war darauf ausgerichtet, Sadats Wirtschaftsprogramm fortzuführen und die ägyptische Bourgeoisie wie das internationale Kapital zu bereichern.

Der Angriff auf die Lebensbedingungen der Massen konnte nur durch brutale Unterdrückung politischer Opposition und demokratischer Grundrechte durchgesetzt werden. Mubarak hob Staatsmonopole auf, reduzierte Subventionen für die Industrie, schaffte Preiskontrollen ab, senkte Steuern für die Unternehmer und dehnte den Privatsektor aus. Ende der 80er Jahre hatte dies zu einer durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate von 18,5 Prozent geführt, zu einem Handelsbilanzdefizit von 8,2 Mrd. Dollar, zu Auslandsschulden von 50 Mrd. Dollar und Staatsschulden von 32 Mrd. Dollar, was 170 Prozent des Bruttosozialprodukts entspricht.

Nach dem Golfkrieg von 1991 wurden Hunderttausende Ägypter, die im Irak, in Kuwait und den Golfstaaten gearbeitet hatten, nach hause geschickt. Damit hörten auch ihre Geldüberweisungen auf. Die Folgen waren ein schwerer Wohnungsnot und hohe Arbeitslosigkeit in den Großstädten sowie ein Ansteigen der Inflation. Als Bedingung für weitere Kredite forderte der Internationale Währungsfonds die Durchführung von Wirtschaftsreform- und Strukturanpassungsprogrammen, darunter die freie internationale Konvertierbarkeit des ägyptischen Pfunds, was einer massiven Geldentwertung gleichkam, eine Reduzierung der Importkontrollen, neue Finanzgesetze, Privatisierungen und die Einführung einer Warenumsatzsteuer.

Obwohl sie das Privatisierungsprogramm als das weltweit viertbeste beurteilten, beschwerten sich der IWF and andere Finanzinstitutionen, dass der Verkauf von Staatseigentum zu langsam vorangehe, und forderten, öffentliche Einrichtungen, Infrastruktur sowie die Transport- und Kommunikationsindustrie schneller zu verkaufen. Sie verlangten eine stärkere Integration Ägyptens in die globale Wirtschaft und durchgreifendere Strukturreformen, darunter neue Arbeits- und Handelsgesetze, die Entlassungen erleichtern sollen.

Die sozialen Folgen waren furchtbar, der Lebensstandard ist drastisch gesunken. Um nur die aussagekräftigsten Indikatoren anzuführen: Während 1982 noch 90 Prozent der Bevölkerung Zugang zu sauberem Wasser hatten, ist diese Zahl 1995 auf 80 Prozent gesunken. Den offiziellen Zahlen zufolge, die eingestandenermaßen Untertreibungen sind, leben 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Nach Angaben der Weltbank leben 51 Prozent von weniger als 2 Dollar pro Tag und 7,6 Prozent von weniger als 1 Dollar. Diese Armut steht neben obszönem Reichtum an der Spitze der Gesellschaft. Das reichste Fünftel der Bevölkerung erhält 40 Prozent des Nationaleinkommens, während das ärmste Fünftel gerade 8,7 Prozent erhält. Im Jahr 1994 war Ägypten eines der vier Länder, die laut dem "Human Development Report" der Vereinten Nationen "Gefahr laufen, sich aufgrund ihrer großen Einkommensunterschiede bei den gescheiterten Staaten der Welt einzureihen".

Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei mindestens 11,5 Prozent, nach unabhängigen Schätzungen jedoch wesentlich höher. Ein Drittel bis die Hälfte aller Arbeiter sollen unterbeschäftigt sein. Die Mehrheit der Arbeitslosen ist unter 20 Jahre alt. Die Bevölkerungsexplosion in den 80er Jahren hatte zur Folge, dass heute 23 Prozent der Bevölkerung unter 10 und 40 Prozent der Bevölkerung unter 13 Jahre alt sind. Jedes Jahr sind in Ägypten 815.000 neue Arbeitsplätze notwendig, nur um mit der Zahl der jungen Leute Schritt zu halten, die auf den Arbeitsmarkt kommen.

Das Bildungssystem ist in der Krise. Neun Millionen Kinder sind heute auf den Grundschulen angemeldet, während es 1991 noch 6,9 Millionen waren. Die Klassengrößen liegen im Durchschnitt bei 45 Schülern, in den ärmsten Gegenden bei 100. Während die Bevölkerung in den neunziger Jahren um 20 Millionen Menschen gewachsen ist, hat die Regierung relativ weniger für die Bildung aufgewandt (4,8 Prozent des BSP im Vergleich zu 5,7 Prozent 1980). Als Ergebnis der Überfüllung der Klassen und schlechter Bezahlung der Lehrer (sie verdienen 26 bis 52 Dollar im Monat) ist die Bildung in schlechtem Zustand. Analphabetismus bei Männern liegt bei 35 Prozent, bei Frauen sogar bei 60 Prozent. Die Regierung hat jetzt die Erlaubnis gegeben, 300 Schulen von Privatunternehmen bauen und betreiben zu lassen.

Da eine fortschrittliche politische Alternative fehlte, ermöglichte das Anwachsen der Armut infolge der vom IWF diktierten Politik militanten islamistischen Gruppen, sich Gehör zu verschaffen. Sie gaben auf die scheinbar übermächtige Stärke des Imperialismus und der US-Regierung eine zutiefst reaktionäre Antwort. Seit 1992 sind mehr als 1.200 Menschen durch terroristische Angriffe in Ägypten getötet worden. Höhepunkt war 1997 der Tod von 58 Touristen und vier Ägyptern in Luxor. Dieser Anschlag sollte die Tourismusindustrie treffen, von der das Land abhängig ist.

Mubarak verhängte kaum an der Macht den Ausnahmezustand, der zum Kennzeichen seiner 20-jährigen Regierungszeit wurde. Dessen Bestimmungen ermöglichen es den Behörden, nach Belieben Menschen zu verhaften, die "als Bedrohung für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung angesehen werden", und sie jahrelang ohne Gerichtsverhandlung einzusperren. Zivile Angeklagte können vor Militärgerichte oder sogar Staatssicherheitsgerichte gestellt werden, womit faktisch ein paralleles Gerichtssystem unter direkter Kontrolle der Regierung geschaffen wurde. Hunderte Zivilpersonen sind diesen Gerichtshöfen überstellt und dort oft in Massenprozessen abgeurteilt worden, ohne auch nur ein Berufungsrecht zu haben.

Einem kürzlich veröffentlichten Bericht von Amnesty International zufolge sind immer noch Tausende Menschen ohne Prozess im Gefängnis. "Andere verbüßen Haftstrafen nach extrem unfairen Verfahren vor Militärgerichten. Folter und Misshandlungen von Gefangenen sind weiterhin weitverbreitet, die meisten Fälle passieren auf Polizeiwachen. Haftbedingungen sind gemeldet worden, die sich durch grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auszeichnen. Mindestens 79 Menschen wurden zum Tode verurteilt und mindestens 22 hingerichtet," so der Bericht von Amnesty.

Während die Regierung versichert, religiöse Verfolgung sei keine offizielle Politik, wird dies durch die häufige Diskriminierung von Christen widerlegt. Der Bau und die Reparatur von Kirchen sind verboten, wenn nicht ein hoher Regierungsbeamter ausdrücklich seine Genehmigung erteilt. In einem der schlimmsten Fälle wurden im August 1998 1.200 koptische Christen im Dorf Al-Kosheh von der Polizei zusammengetrieben und zu Hunderten gefoltert.

Die imperialistischen Hintermänner Mubaraks protestieren nicht gegen diese Zustände. Die USA hat Ägypten in den letzten 20 Jahren mit Waffen und militärischer Ausbildung im Wert von 1,3 Mrd. Dollar pro Jahr versorgt. Die amerikanische Luftwaffe nutzt häufig ägyptischen Luftraum für ihre Missionen.

Mehr als zwei Jahrzehnte nachdem die Einparteienherrschaft formal abgeschafft wurde, verfügen nur das Militär und die Wirtschaft über politischen Einfluss; die legalen Parteien stehen im wesentlichen nur auf dem Papier. Selbst Mubaraks eigene Nationaldemokratische Partei (NDP), welche die überwältigende Mehrheit der Parlamentssitze kontrolliert, ist eine leere Hülse. Die Mehrheit der Mitglieder von Mubaraks Regierungen seit 1981 waren noch nicht einmal Parteimitglieder und sind erst nachträglich beigetreten.

Unter diesen Bedingungen sind die verbotene Moslembruderschaft und andere islamistische Oppositionsgruppen die einzigen politischen Kräfte mit einer organisierten Mitgliedschaft und einer gewissen sozialen Basis. Die wenigsten Analysen haben allerdings die politischen Bedingungen und Entwicklungen untersucht, die ihr Wachstum begünstigt haben. Eine solche Untersuchung ist aber unumgänglich.

Fünfzig Jahre nach dem Sturz des alten Feudalregimes in Ägypten hält sich die Herrschaft der nationalen Bourgeoisie nur noch dank des Militärs. Der Grund ist, dass die Bourgeoisie in den unterentwickelten Ländern organisch unfähig ist, einen konsequenten Kampf gegen den Imperialismus und Feudalismus zu führen. Das würde die revolutionäre Mobilisierung der Massen erfordern und damit die Position der nationalen Bourgeoisie als Ausbeuter ihrer "eigenen" Arbeiterklasse und Bauernschaft bedrohen. Das Scheitern des "arabischen Sozialismus" und Pan-Arabismus unter Nasser, Sadat und Mubarak drückt die Unfähigkeit aller Bewegungen aus, die sich auf die Perspektive des Nationalismus stützen, die grundlegenden sozialen Fragen zu lösen, mit denen die Arbeiterklasse und die bäuerlichen Massen konfrontiert sind.

Weder die Islamisten noch die Militärs haben ein fortschrittliches soziales Programm, das die Klassenwidersprüche lösen könnte, die jetzt in Ägypten wie im ganzen Nahen Osten auf dem Siedepunkt angelangt sind. Dies erfordert den Aufbau einer politischen Bewegung, die die Arbeiterklasse der gesamten Region in einem gemeinsamen Kampf für eine sozialistische Gesellschaft und gegen Unterdrückung und Krieg vereint. Die Gründung Vereinigter Sozialistischer Staaten des Nahen Ostens würde die künstlichen Grenzen beseitigen, mit denen der Imperialismus die Wirtschaft der Region zersplittert hat. Die wertvollen Rohstoffe der Region könnten dann eingesetzt werden, um die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedürfnisse aller Volksgruppen zu befriedigen.

Bibliografie

Bashear, S., Communism in the Arab east 1918-1928, Ithaca Press, London, 1980

Lacqueur, W.Z., Communism and Nationalism in the Middle East, Routledge & Kegan Paul, London, 1955

Botman, S., The Rise of Egyptian Communism 1939-1970, Syracuse University Press, New York, 1988

Yapp, M.E., The Near East since the First World War: A History to 1995, Longman, London, 1996

Stephens, R., Nasser, 1971

Siehe auch:
Die amerikanische Kriegsoffensive und die Destabilisierung Ägyptens - erster Teil
(16. November 2001)
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