Opel-Arbeiter vor massivem Stellenabbau und Lohnsenkungen in ganz Europa

IG Metall und Betriebsräte stimmen dem Restrukturierungsplan "Olympia" zu

Der deutsche Automobilhersteller Opel, Tochterunternehmen des weltgrößten Autobauers General Motors (GM), wird in den nächsten Monaten den massivsten Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen durchführen, den das Unternehmen jemals in seiner Geschichte in so kurzer Zeit vorgenommen hat. Dies ist der Kern des Sanierungsplans Olympia, den der Vorstandsvorsitzende Carl-Peter Forster Mitte August vorstellte. Wie bei allen zurückliegenden Angriffen des Unternehmens auf die Arbeiter stützt sich die Konzernführung dabei auf die engste Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft IG Metall und den Betriebsräten.

Allein in Deutschland, wo die Adam Opel AG mit 41.300 Beschäftigten in den Werken Rüsselsheim, Bochum und Eisenach Fahrzeuge und in Kaiserslautern Motoren produziert, sollen mindestens 6.000 Stellen vernichtet, die Löhne gekürzt, das derzeit rund 1.000 Standorte umfassende Händlernetz halbiert und die Zahl der Werkstätten um mindestens 30 Prozent verringert werden. Ganze Produktionssparten, wie die Achsfertigung oder Motorenproduktion, sollen verkauft oder in Joint-Ventures mit anderen Konzernen eingebracht werden, um die Zahl der Arbeitsplätze und Lohnkosten drastisch zu senken.

Insgesamt will General Motors mit den Olympia -Maßnahmen zwei Milliarden Euro (rund vier Milliarden DM) einsparen und eine Verringerung der Produktionskapazitäten um 15 Prozent erreichen.

Außerhalb Deutschlands sind noch 13 andere Opel-Werke in Europa betroffen, wie zum Beispiel Saragossa in Spanien, Azambuja in Portugal, Antwerpen in Belgien, Gleiwitz in Polen. Laut Opel-Vorstand verfügt der Konzern mit seinen knapp 88.000 Beschäftigten in ganz Europa über eine Produktionskapazität, die im Vergleich zu seinen Absatzmöglichkeiten um rund 350.000 Fahrzeuge pro Jahr zu hoch ist. Lediglich die Produktion des Zafira in Bochum läuft noch auf Hochtouren und bringt dem Unternehmen Geld in die Kasse. Die Umsatzzahlen der Modelle Corsa und Astra, die früher vorwiegend von Kleinverdienern oder als Zweitwagen gekauft wurden, sind hingegen in den Keller gesackt.

Insgesamt machte der Tochterkonzern von General Motors im vergangenen Jahr infolge des Absatzeinbruchs im In- und europäischen Ausland einen Verlust von 835 Millionen DM. Auch für 2001 werden rote Zahlen in dieser Größenordnung erwartet.

Eine globale Konzernstrategie angesichts weltweiter Veränderungen in der Autoindustrie

Die dem Sanierungsplan Olympia zugrundeliegende Konzernpolitik von GM gleicht der Strategie aller anderen Autokonzerne in der Welt. Ob es sich um VW handelt, Renault oder japanische und südostasiatische Firmen, überall werden in ähnlicher Art und Weise Werke geschlossen, Arbeitsplätze gestrichen, Löhne gesenkt und gleichzeitig der Arbeitsdruck in den Betrieben erheblich intensiviert.

Diese Politik ist Bestandteil einer gewaltigen, weltweiten Umstrukturierung der Autoindustrie, die bereits vor einigen Jahren eingesetzt hat. Sie besteht zum einem in einer immer weitergehenden Globalisierung der Produktion innerhalb jedes Konzerns oder Konzernverbundes, zum anderen in einer immer schnelleren und brutaleren Konsolidierung der Produktions-, Vertriebs- und Marketing-Kapazitäten durch Schließungen, Fusionen, Produktionsauslagerungen usw. in Anpassung an weltweit zusammenbrechende Märkte bzw. rapid wachsende Überkapazitäten.

Weltweit gibt es nach Schätzungen von Industrieverbänden an die 90 Autowerke zuviel. In Europa liegt die gesamte Produktionskapazität bei 21 Millionen Autos im Jahr, verkauft werden jedoch nur 15 Millionen, d.h. nur wenig mehr als zwei Drittel davon. Nach Analysen von Marktforschern werden in Europa nach einer Welle von Fusionen und Übernahmen in wenigen Jahren noch höchstens vier oder fünf Konzerne übrig sein. Allein für Deutschland sagten ähnliche Prognosen schon vor Jahren die Vernichtung von 200.000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2010 im Zuge dieser "Marktbereinigung" in der Autoindustrie voraus.

Im Kampf um die schrumpfenden Märkte und Profitanteile hat Daimler-Benz Chrysler aufgekauft und anschließend Mitsubishi geschluckt. Der GM-Konzern reagierte mit der Übernahme des schwedischen Autoherstellers Saab, nachdem er sich früher bereits Vauxhall in Großbritannien einverleibt hatte. Renault wiederum ging mit Nissan, dem zweitgrößten Autoproduzenten in Japan, eine Allianz ein und erlangte beim koreanischen Autogiganten Samsung Motors die Kontrolle.

Die von den USA und Japan ausgehende weltweite Rezession und der damit verbundene Einbruch bei den Konsumausgaben haben diese Entwicklungstendenzen nur noch beschleunigt.

Opel haben die Absatz- und Gewinneinbrüche früher und stärker getroffen als seine deutschen Konkurrenten, weil das Unternehmen infolge eines Vetos der Muttergesellschaft GM keine Autos in die USA exportieren darf und so das seit Jahren andauernde Schrumpfen seiner Marktanteile im Inland nicht ausgleichen kann. Die übrigen Automobilhersteller, insbesondere VW und BMW, verdankten ihre Gewinne in der ersten Hälfte dieses Jahres gerade dem Export in die USA. Während die Exporterlöse der deutschen Autoindustrie um 16 Prozent anstiegen, ging die Anzahl aller Neuzulassungen in Deutschland bis einschließlich Mai gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozent zurück, im Mai sogar um 6,8 Prozent. Aber inzwischen lassen Rezession und Arbeitslosigkeit auch in den USA den Autoabsatz zurückgehen und werden über kurz oder lang auch die Importe von VW oder BMW treffen.

Vorbereitung auf den Euro und seine Folgen für Produktion und Absatz in Europa

Die Umstrukturierung des Opel-Konzerns à la Olympia ist aber nicht nur eine Reaktion auf die jüngsten Absatz- und Gewinneinbußen, sondern eine schon seit längerem geplante Vorbereitung des Konzerns auf die Einführung des Euro. Schlagartig werden sich mit der gemeinsamen Währung für die Autokonzerne in Europa die Wettbewerbsbedingungen verschärfen, da dann ein vollkommener Binnenmarkt wie bisher in einem nationalen Land, aber mit einer Bevölkerung von über 300 Millionen Menschen hergestellt sein wird. Alle währungstechnischen Hindernisse, die organisatorischen Aufwendungen in den Betrieben und die durch die Existenz verschiedener Währungen bedingten Kosten für den grenzüberschreitenden Waren- und Kapitalverkehr, fallen weg.

Damit verbessern sich gleichzeitig auch die Möglichkeiten für Unternehmen, durch grenzüberschreitende Fusionen, Kooperationen, Verlagerungen usw. ihre Produktion globaler, flexibler und billiger zu organisieren.

Die erst im letzten Jahr besiegelte strategische Allianz von General Motors mit FIAT - General Motors übernahm 20 Prozent des Aktienkapitals des italienischen Konzerns - muss vor diesem Hintergrund gesehen werden. Durch den inzwischen mit FIAT bereits eingeleiteten gemeinsamen Teileeinkauf und Motoren- und Getriebebau verspricht sich GM bis zum Jahr 2003 jährliche Einsparungen in Höhe von rund 2,5 Milliarden DM. Danach sollen sogar jährlich 4 Milliarden DM Gewinn eingefahren werden, denn mit dem in ein Joint-Venture eingebrachten Motor- und Getriebebau will GM der Hauptlieferant von Antriebskomponenten nicht nur für die eigenen Werke, sondern für die gesamte Autoindustrie der Welt werden, d.h. auch für Konzerne wie Ford, BMW, Renault oder VW.

Mit dem vertraglich abgesicherten Vorkaufsrecht auf die restlichen 80 Prozent der FIAT-Aktien hat GM darüber hinaus die Übernahme des gesamten italienischen Konzerns vorbereitet, wie er sie früher bereits gegenüber der britischen Firma Vauxhall und dem schwedischen Konzern Saab vollzogen hat.

Es wird erwartet, dass noch im September diesen Jahres General Motors den Vertrag zur Übernahme des südkoreanischen Autokonzerns Daewoo oder zumindest eines Teils davon unterzeichnet. Er wird damit nicht nur die Kontrolle über den größten südostasiatischen Markt erlangen, sondern auch seinen Werken in Europa den Weg ebnen für weitere Einsparungsmöglichkeiten durch Produktionsverlagerungen und "Marktbereinigungen" im globalen Maßstab.

General Motor ist entschlossen, damit innerhalb kürzester Zeit verloren gegangene Marktanteile zurückzuerobern und insbesondere seine Kapitalrendite und damit seinen Börsenwert zu verbessern. Wie das Wall Street Journal am 18. Juni 2001 berichtete, plant die Konzernspitze, dazu ihre Kriegskasse, den Cash Flow, von zur Zeit knapp 11 Milliarden Dollar kurzfristig auf 13 Milliarden Dollar zu erhöhen.

Die Umstrukturierung nach dem Olympia- Plan soll garantieren, dass diese Handelskriegsoperationen in Rekordzeit zum Erfolg führen und den Kapitaleignern den erhofften Profit in die Taschen spülen - und zwar ausschließlich auf Kosten der Belegschaften.

Die Reaktion der IG Metall und Opel-Betriebsräte

Die Gewerkschaft IG Metall und die Betriebsräte und Gesamtbetriebsräte von Opel sind weder willens noch fähig, die Arbeiter gegen diesen umfassenden Angriffsplan des Konzerns zu verteidigen. Stattdessen haben sie dem Opel-Vorstand bereits unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie alles tun werden, ihn gegen jeden Widerstand in den Betrieben durchzusetzen.

Bereits Anfang August wurde ihnen das Vorhaben auf einer Sitzung des Aufsichtsrats vom Opel-Vorstand in seinen Grundzügen vorgestellt. Dem Aufsichtsrat gehören auch IG-Metall-Funktionär Thomas Klebe (als stellvertretender Vorsitzender) und der Vorsitzende des Bochumer Betriebsrats Peter Jaszczyk an. Beide nahmen laut Financial Times Deutschland den Plan wohlwollend auf, vereinbarten aber, vor seiner Veröffentlichung durch den Vorstand Stillschweigen zu wahren und die Belegschaften nicht zu informieren.

Als dann der Vorstandsvorsitzende Forster zwei Wochen später damit vor die Öffentlichkeit trat, erklärte er, auch die Schließung von ein oder zwei Werken in Deutschland, möglicherweise auch des Standorts Bochum oder Kaiserslautern sei nicht ausgeschlossen. Dabei handelte es sich um ein abgekartetes Spiel zwischen Konzernleitung, Gewerkschaft und Betriebsräten, das schon seit Jahren immer wieder vorgeführt wird. Es soll die Belegschaften einschüchtern und den Betriebsrats- und Gewerkschaftsbürokraten ermöglichen, den von ihnen mit der Konzernleitung hinter verschlossenen Türen vereinbarten Arbeitsplatz- und Lohnabbau als "kleineres Übel" hinzustellen, das von ihnen erst "durch hartes Ringen mit den Konzerngewaltigen erkämpft" worden und somit ohne Alternative sei.

Auf diese Weise wird zum Beispiel in Rüsselsheim nach der Drohung mit betriebsbedingten Kündigungen und Produktionsauslagerungen von Betriebsrat und Gewerkschaft "der Standort gesichert", indem der komplette Werksneubau und die Organisation der Fertigung darin ganz im Sinne des Unternehmens gestaltet wird. Mit nur noch 6.000 von vorher 10.000 Arbeitsplätzen soll das Werk um 25 Prozent kostengünstiger produzieren. Außerdem wird von den Modernisierungskosten in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden DM ein großer Teil durch die Verrechnung zukünftiger tariflicher Lohnerhöhungen mit außertariflichen Zahlungen auf die Belegschaft abgewälzt.

In Bochum wurden vom Betriebsrat 1989 die Einführung der Nachtschicht, 1993 die Koppelung der Höhe des Weihnachtsgeldes an den Krankenstand und die Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit zwischen 30 und 40 Wochenstunden, 1996 die zusätzlichen Nacht- und Samstagsschichten durchgesetzt - stets mit dem Argument, dies sei die einzige Alternative zu drohenden Werksschließungen, Produktionsverlagerungen oder Entlassungen.

Auch diesmal äußerten sich Gesamtbetriebsrat und IG Metall prompt "empört" über die Androhung von Stillegungen. Unter großem Mediengetöse forderten sie, der Vorstand müsse versprechen, Werkschließungen und betriebsbedingte Entlassungen zu unterlassen - dann würden sie Olympia mittragen, denn schließlich seien Kapazitätsabbau und Produktivitätssteigerungen unumgänglich. Und natürlich sicherte die Konzernleitung dies ebenso prompt zu.

Seitdem sitzen beide Seiten einträchtig zusammen, um das weitere Vorgehen genauer im Detail zu planen.

Die Rolle des Bochumer Betriebsrats und seines Vorsitzenden Peter Jaszczyk

In den nächsten Monaten soll beim Opel-Konzern, einem Tochterunternehmen des weltgrößten Autobauers General Motors, der massivste Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen durchgeführt werden, den das Unternehmen jemals in seiner Geschichte in so kurzer Zeit vorgenommen hat. Europaweit sollen die Produktionskapazität um 15 Prozent heruntergefahren und die Kosten um 4 Milliarden Mark verringert werden.

Als der Vorsitzende des Opel-Vorstands, Carl-Peter Forster, den Plan Mitte August der Öffentlichkeit bekannt gab, wollte er auch die Stillegung ganzer Werke und Standorte in Deutschland, wie zum Beispiel Bochum, nicht ausschließen. Es handelte sich dabei um ein bewährtes, mit der Gewerkschaft und den Betriebsräten abgekartetes Spiel zur Einschüchterung der Belegschaften. Den Betriebsräten soll es erleichtern, den vereinbarten Kahlschlag bei Arbeitsplätzen und Löhnen durchzusetzen — als "kleineres Übel" und "einzigen Ausweg angesichts sonst bevorstehender Stillegungen".

Die Drohung, ausgerechnet das Bochumer Werk möglicherweise zu schließen, war weder zufällig noch widersinnig. Der Betrieb und sein Betriebsratsvorsitzender Peter Jaszczyk spielen nämlich bei dem ganzen Manöver zur Umsetzung von Olympia eine Schlüsselrolle.

In Bochum türmen sich nicht nur die Halden unverkaufter Astras, sondern gleichzeitig kann dort auch das Band für das einzige Erfolgsmodell von Opel, den Zafira, überhaupt nicht lange und schnell genug laufen. Daher würden ein größerer Widerstand der Belegschaft in Bochum gegen die geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen, solidarische Kampfmaßnahmen etwa gar mit den Belegschaften in anderen Standorten und Ländern den Konzern an seiner empfindlichsten Stelle treffen. Sie würden zudem - aufgrund der inzwischen weit fortgeschrittenen Internationalisierung der Produktion - sofort die Belegschaften anderer Werke in ganz Europa mit einbeziehen. Wie der ehemalige Opel-Chef, Wolfgang Strinz, Anfang des Jahres im Fernsehen (Phoenix-TV am 13. Januar 01) hervorhob, würde ein Streik in Bochum innerhalb von ein oder zwei Tagen alle 17 europäischen Werke stilllegen.

Die Bochumer Belegschaft ruhig zu stellen und zu disziplinieren, ist deshalb für den Konzern von zentraler Bedeutung, um die Umstrukturierung in allen Werken durchsetzen zu können. IG Metall und Betriebsrat in Bochum haben sich dieser Aufgabe mit aller Energie angenommen und werden von der SPD ebenso tatkräftig unterstützt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) eilte sofort mit seinem Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold zum Bochumer Werk, um dem Betriebsrat und seinem Vorsitzenden volle Rückendeckung zu geben.

Peter Jaszczyk hetzte unmittelbar nach der Bekanntgabe des Sanierungsplans von einem Fernsehinterview zum nächsten, von Gesprächen mit Vertretern großer Tageszeitungen zu Reportagen mit der Lokalpresse und dem Auftritt mit dem SPD-Ministerpräsidenten. Er ließ sich umso lieber als "mächtiger Arbeiterführer von Bochum" ins Rampenlicht rücken, als er von dort aus desto eindringlicher seine Mahnung an die Belegschaften verkünden konnte, sie sollten sich "von allen Illusionen freimachen" und "der Realität ins Auge sehen" (Frankfurter Rundschau, 31. August 01).

Die bisherige Bilanz des Betriebsrats

Was dieses Argument bedeutet, hat die Belegschaft in Bochum in den letzten Jahren nur allzu genau am eigenen Leib erfahren. Allein in den fünf Jahren von Jaszczyks Herrschaft als Betriebsratsvorsitzender ist damit die Vernichtung von fast 3.000 Arbeitsplätzen in den Bochumer Werken gerechtfertigt worden. Von 25.000 Beschäftigten vor 15 Jahren sind heute nur noch halb so viele übrig.

Erst im Mai dieses Jahres unterschrieb der Betriebsrat mehrheitlich eine neue Betriebsvereinbarung, die bereits vor dem Umstrukturierungsplan Olympia für den Gesamtkonzern den Weg für einen weiteren Arbeitsplatzabbau in Bochum durch vermehrte Sonderschichten und erhöhte Flexibilisierung im Teilelager ebnete. Darin wurde der Betriebsleitung zugestanden, für jeden Arbeitnehmer nicht nur die Anzahl der Wochenstunden zwischen 30 und 40, sondern sogar die Zeiten des täglichen Arbeitsbeginns und Arbeitsendes zwischen 6.00 Uhr und 23.00 Uhr flexibel festzulegen, und zwar kurzfristig mit nur einer Woche Ankündigungsfrist. Außerdem können nach Bedarf künftig nicht nur eine, sondern zwei Samstagsschichten (früh und mittags) und die Einführung einer Dauernachtschicht angeordnet werden.

Der Betriebsrat stimmte auch versetzten Mittagspausen in der Produktion zu, so dass 1.200 Astra-Monteure in der Mittagspause der Zafira -Monteure einspringen und dafür sorgen können, dass deren Band non-stop weiterläuft. Auf diese Weise organisierte er weitere Kosteneinsparungen bzw. Produktivitätserhöhungen für den Konzern, anstatt die derzeit hohe Nachfrage nach dem Zafira zu nutzen, um Neueinstellungen durchzusetzen.

All diese Zugeständnisse wurden vom Betriebsrat im Namen der "Standort- und Arbeitsplatzsicherung" unterschrieben und gegen die Belegschaft mit der ständigen Drohung eines sonst noch weitergehenden Arbeitsplatzabbaus durchgesetzt.

Doch nun kommt dieser noch weitergehende Arbeitsplatzabbau dennoch, im Rahmen des Olympia -Programms. Weitere 1.300 bis 1.500 Arbeitsplätze werden in Bochum "realistisch gesehen", so Jaszczyk gegenüber der Presse, durch das Herunterfahren der Astra -Produktion fortfallen. Darüber hinaus werden, wie der Betriebsratsvorsitzende erläuterte, auf Grund bereits bestehender Betriebsvereinbarungen bis zum Jahr 2005 jährlich etwa 1000 Jobs wegfallen, so dass dann - "realistisch und ohne alle Illusionen gesehen" - höchstens noch 7.000 Arbeitsplätze übrig sein werden.

Nach Jaszczyks eigenen Aussagen wird das Ziel seiner Verhandlungen mit der Konzernleitung darin bestehen, "den Standort zu sichern", indem die Produktion des neuen Sechs-Gang-Getriebes nach Bochum geholt und so die "Konkurrenz von 19 anderen Standorten" ausgestochen wird. Von einer "europäischen Lösung" für das Astra -Problem spricht er und meint damit, dass der vom Konzern angestrebte Stellenabbau von vornherein der Belegschaft in Antwerpen oder einem anderen europäischen Land aufs Auge gedrückt werden sollte.

Die gegenwärtig hohe Nachfrage nach dem Zafira könnte als starkes Druckmittel für einen gemeinsamen Arbeitskampf aller Standorte gegen den Konzern ausgenutzt werden, um alle Belegschaften, jeden Arbeitsplatz und alle Löhne zu verteidigen. Doch IG Metall und Betriebsrat in Bochum machen das Gegenteil. Sie führen den Zafira als Beleg dafür an, dass die Bochumer Arbeiter beruhigt in die Zukunft sehen und still halten könnten. Bluten müssten ja vor allem die Belegschaften anderer Standorte.

Aber ganz gleich, welches Konzept am Ende von den Betriebsrats- und Gewerkschaftsbürokraten mit der Konzernleitung ausgemauschelt wird: dass die Belegschaft auch in Bochum mit neuen Zugeständnissen in Sachen Flexibilität, Intensität und Entlohnung der Arbeit zur Kasse gebeten werden wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und was dann wird, wenn infolge der weltweit sich verschärfenden Rezession der Absatz auch für den Zafira zurückgeht - darüber schweigen sich Betriebsrat und IG Metall eisern aus.

Peter Jaszczyk tanzt mit dieser Politik freilich auf einem Vulkan. Dessen ist er sich völlig bewusst, schon auf Grund seiner eigenen Erfahrungen als ehemaliger Führer einer innerbetrieblichen Opposition gegen die früheren Betriebsratsvorsitzenden, aber auch auf Grund mehrerer Rebellionen in der Belegschaft gegen ihn selbst seit dem Beginn seiner eigenen Regentschaft.

Die Wandlung des Peter Jaszczyk

In den 80er Jahren leitete Peter Jaszczyk als langjähriges Mitglied der stalinistischen DKP die damalige innerbetriebliche Opposition bei Opel (das sogenannte Opel Forum, später Metaller bei Opel genannt ). Diese beschränkte sich jedoch auf rein gewerkschaftliche Forderungen und erschöpfte sich oft nur in verbalen Ausfällen gegen die Betriebsleitung und den damaligen Betriebsratsvorsitzenden Günter Perschke und später Rolf Breuer. Wie die DKP stellten Jaszczyk und seine oppositionelle Tendenz das kapitalistische Profitsystem selbst nie in Frage.

Als Jaszczyk dann 1990 bei den Betriebsratswahlen zusammen mit anderen Oppositionellen die Mehrheit unter den Arbeitern gegen die bis dahin unangefochten herrschende rechte sozialdemokratische Betriebsratsmehrheit gewann, wurde von der IG Metall gegen ihn und 80 weitere Gewerkschaftsmitglieder ein Massenausschlussverfahren eingeleitet, auf das er mit der "Anerkennung der Realitäten" reagierte: er unterwarf sich mit Haut und Haar der Gewerkschaftsbürokratie.

Bewogen hat ihn zu diesem Schritt in jener Zeit sicherlich auch der unrühmliche Zusammenbruch der stalinistischen SED-Bürokratie in der DDR. Dieser riss nämlich auch seine Partei, die DKP, politisch und finanziell mit ins Grab. Vollständig demoralisiert und aller finanziellen Zuwendungen beraubt, haben sich damals viele DKP-Aktivisten in den Gewerkschaften dazu entschlossen, selbst ihre rein verbale Opposition gegen das Kapital aufzugeben - zugunsten einer umso innigeren Zusammenarbeit mit ihm.

Jaszczyk wurde Mitglied der SPD und trat von da an nur noch als Wortführer des rechten Flügels im Betriebsrat auf. Im Jahr 1996 wurde er Betriebsratsvorsitzenderer, Aufsichtsratsmitglied und, wie er dies selbst in der Frankfurter Rundschau (31. August 2001) beschreibt, "Co-Manager". Seitdem treibt er die bereits von seinen Vorgängern verfolgte Standort-Politik weiter voran, energischer und fintenreicher als jene.

Doch seine Politik stieß in der Belegschaft von Anfang an auf starken Widerstand. Kurz nach seinem Amtsantritt setzte er im Betriebsrat trotz heftiger Kritik aus den Reihen der Belegschaft die Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung mit weitreichenden Lohnzugeständnissen und Flexibilisierungsmaßnahmen durch. Daraufhin forderten 4000 Arbeiter - das war damals mehr als ein Viertel der Belegschaft - mit ihrer Unterschrift den sofortigen Rücktritt Jaszczyks. Natürlich kam er dieser Forderung nicht nach. Bei den nächsten Betriebsratswahlen 1998 erhielt nicht er, sondern ein oppositioneller Gegenkandidat, Hans Reppel, die weitaus meisten Stimmen in der Belegschaft. Nur bürokratische Manöver der Betriebsratsmehrheit sicherten Jaszczyk damals die Wiederwahl zum Betriebsratsvorsitzenden.

Im Frühjahr dieses Jahres hatten sich unter anderem im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen über die erwähnte Betriebsvereinbarung für das Teilelager in der Belegschaft soviel Empörung und Wut über seine Politik angesammelt, dass ihm im Betriebsrat der Verlust der Mehrheit und seine Abwahl drohte. Was ihm bis heute an der Macht gehalten hat, ist weniger irgendeine nennenswerte Unterstützung für seine Politik in der Belegschaft, als das Fehlen einer grundlegenden und überzeugenden Alternative.

Eine Opposition in der Belegschaft, die sich die Aufgabe stellte, Jaszczyks Politik und die des Betriebsrats zu bekämpfen, hätte es nicht einfach mit der persönlichen Korruption und der willfährigen Co-Manager-Rolle eines oder mehrerer Individuen zu tun. Sie müsste es vielmehr mit der gesamten Strategie und den Perspektiven der Gewerkschaft überhaupt aufnehmen.

Was ist der Weg vorwärts für die Autoarbeiter?

Genau vor dieser Notwendigkeit aber stehen die Autoarbeiter bei Opel und allen anderen Autokonzernen, wollen sie einen Ausweg aus dem sich immer schneller drehenden Karussell von Arbeitsplatzabbau, Lohnzugeständnissen, Auslagerungen und Stillegungen finden.

Der programmatische Kern der Politik der Gewerkschaften und Betriebsräte besteht darin, dass sie das kapitalistische Profitsystem verteidigen, obwohl der Anachronismus und die Anarchie dieses Wirtschaftsystems gerade angesichts der Krise in der Autoindustrie in die Augen springt.

Die Tatsache, dass Arbeiter mit Hilfe modernster Technologien schneller, mehr und besser als jemals zuvor produzieren können, gereicht ihnen unter den Bedingungen der Produktion für privaten Profit nicht zum Segen, sondern zum Fluch. Durch den Konkurrenzkampf werden die Konzerne dazu getrieben, weit mehr zu produzieren, als sie in ihrer Gesamtheit jemals verkaufen können. Die Lösung, die das System zur Rettung des Reichtums einiger weniger Großanleger an der Börse dann diktiert, besteht in der Vernichtung von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen, von unzähligen Fabriken und Maschinenanlagen - und in all dem menschlichen Elend, das damit verbunden ist.

Dennoch verteidigen Gewerkschaften und Betriebsräte dieses System mit Leib und Seele, weil ihre eigenen sozialen Interessen als privilegierte Schicht in dieser Gesellschaft unauflöslich mit dem Profitsystem im allgemeinen und dem Profit "ihres" Konzerns im besonderen verbunden sind.

Sie gehen damit von denselben Voraussetzungen aus, wie ihre Partner in den Vorstandsetagen der Konzerne und Banken: dass nämlich Arbeiter dazu verpflichtet seien, ihre eigenen, selbst die grundlegendsten Lebensinteressen den Erfordernissen des Marktes und des Profits unterzuordnen - ihren Arbeitsplatz, angemessene Löhne zur Ernährung der Familie und Erziehung der Kinder, ihre Gesundheit und Altersversorgung.

Daraus ergibt sich unmittelbar auch die nationalistische bzw. lokal orientierte Standortpolitik der Gewerkschafts- und Betriebsratsbürokraten.

"Sicherung des Industriestandortes Deutschlands" nennt die IG Metall ihr Bemühen, durch niedrige Tarifabschlüsse, Haustarife und Betriebsvereinbarungen die Ausbeutung in den deutschen Betrieben genauso billig und profitabel zu organisieren wie in Asien oder Osteuropa und so die Konzerne zum Bleiben zu bewegen.

"Standortsicherung" nennen Betriebsräte ihre verzweifelten Versuche, die Konzernleitung davon zu überzeugen, dass sie ihre Profite rascher erhöhen könne, wenn sie sich beim Arbeitsplatz- und Lohnabbau auf die Dienste des örtlichen Betriebsrats als Betriebspolizei und Co-Manager stützt, anstatt die Produktion zu verlagern.

Es sind die Gewerkschaften und Betriebsräte, die auf diese Weise die Politik des "teile und herrsche" auf das Wirkungsvollste gegen die Belegschaften durchsetzen. Ihr "gemeinsames Handeln" und ihre "europäische Zusammenarbeit" im sogenannten "Europäischen Arbeitnehmerforum" des GM-Konzerns besteht lediglich darin, drohende Arbeitskämpfe frühzeitig wahrzunehmen und abzuwenden. Insbesondere ist es ihr Ziel, einen gemeinsamen standort- und länderübergreifenden gemeinsamen Kampf der Belegschaften in Europa, Amerika und Asien gegen den Konzern möglichst schon im Keim zu ersticken. So hat zum Beispiel Anfang des Jahres Jaszczyk zusammen mit der IG Metall die Fahrt einer Betriebsdelegation aus Bochum zu einer Protestveranstaltung von 10.000 GM-Arbeitern in Luton/Großbritannien boykottiert, die sich gegen die Stillegung des dortigen Vauxhall-Werkes richtete.

Aus der prinzipiellen Verteidigung des Profitsystems durch die Gewerkschaftsbürokratie ergibt sich auch ihre Zusammenarbeit und Identifikation mit der SPD, die seit dem Ersten Weltkrieg 1914-1918 der wichtigste politische Garant für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung gegen eine Rebellion von unten ist.

Eine Opposition in den Belegschaften, welche diese grundlegende programmatische und parteipolitische Orientierung der Betriebsräte und Gewerkschaften nicht angreift und zu überwinden sucht, sondern sich nur auf die Forderungen nach mehr gewerkschaftlicher Militanz beschränkt, kann die verheerende Standort- und nationalistische Spalterpolitik der Bürokratie nicht durchbrechen. Sie ist dazu verurteilt, hilflos jeder neuen Runde von Erpressungen von Seiten des Managements und seiner Co-Manager im Betriebsrat entgegenzusehen und anschließend deren erneuten Erfolg zu beklagen.

Die Oppositionsgruppe "Gegenwehr ohne Grenzen" (GoG) des ehemaligen Betriebsratsmitglieds Wolfgang Schaumberg bei Opel-Bochum ist dafür ein ebenso lehrreiches wie trauriges Beispiel.

Soll der Kampf gegen Konzerne wie Opel effektiv und erfolgreich sein, müssen Arbeiter den globalen Operationen und Schachzügen des Kapitals ebenfalls eine globale Strategie entgegensetzen: den grenzübergreifenden Zusammenschluss aller Belegschaften gegen den Weltkonzern, um gemeinsam jeden einzelnen Arbeitsplatz zu verteidigen.

Diese Strategie erfordert einen politischen Kampf, die Arbeiter vom Programm der Gewerkschaften, der Betriebsräte und der SPD zu lösen und auf eine eigene, unabhängige gesellschaftliche Perspektive auszurichten. Sie erfordert den Aufbau einer breiten politischen Bewegung mit dem Ziel, die Gesellschaft von Grund auf neu zu gestalten. Das Leitprinzip einer solchen neuen Gesellschaftsordnung muss sein, dass bei allen wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen die Lebensbedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung den Vorrang haben und nicht mehr die egoistischen Interessen einer Handvoll von Reichen und Kapitalanlegern.

Eine solche Bewegung unter Arbeitern mit diesem Ziel wird weltweit die Kräfte mobilisieren und vereinen, um Angriffe von Konzernen wie den Sanierungsplan Olympia bei Opel zurückzuschlagen.

 

Siehe auch:
Streiks gegen Entlassungen bei General Motors in Europa (31. Januar 2001)
Wie weiter nach der Niederlage bei General Motors? Eine Bilanz des achtwöchigen Arbeitskampfs in den USA ( 20. August 1998)

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