Srilankische Regierung trifft Abkommen mit der chauvinistischen JVP

In einer letzten verzweifelten Kraftanstrengung ihre instabile Regierung zu retten, hat die srilankische Präsidentin Chandrika Kumaratunga ein Abkommen mit der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) ausgehandelt - einer Partei, die in der internationalen und srilankischen Medienlandschaft als "marxistisch" bezeichnet wird. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Organisation, deren Wurzeln tief im singhalesischen Chauvinismus verankert sind.

Als Teil der Vereinbarungen hat die Volksallianz (PA) zugestimmt, die Vorschläge für ein Maßnahmenpaket zur Übertragung von Machtbefugnissen an die Regionen ein Jahr auf Eis zu legen, und somit jegliche Pläne für Friedensverhandlungen mit der separatistischen LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) nachhaltig zunichte gemacht.

Seitdem der Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) im Juli aus der Regierungskoalition ausgetreten ist, ist die Volksallianz ohne parlamentarische Mehrheit. In einer Situation, in der Kumaratunga eine Niederlage vor dem Parlament so gut wie sicher war, suspendierte sie am 10. Juli das Parlament für zwei Monate und kündete in sehr vagen Worten einen Volksentscheid für eine Verfassungsänderung an. Teile des Großkapitals fordern seit einiger Zeit, dass die Volksallianz mit der rechten United National Party (UNP) eine Regierung der Nationalen Einheit bilden solle, um den jahrelangen Bürgerkrieg im Land zu beenden und die Auflagen des Weltwährungsfonds zur Neustrukturierung der Wirtschaft durchzusetzen.

Die Verhandlungen mit der UNP scheiterten jedoch am 28. August. Da auf der am 7. September anberaumten nächsten Parlamentssitzung ein Misstrauensantrag der Opposition auf der Tagesordnung stand, versuchte die Regierung durch ein Abkommen mit der JVP die eigene Position im Parlament zu stärken. Am 2. September erklärte Kumaratunga anlässlich des 50. Jahrestages der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) (der Partei Kumaratungas und gleichzeitig wichtigsten Partei der herrschenden Volksallianz-Koalition(, dass sie bereit sei, ein Abkommen mit "jedem Teufel" auszuhandeln, solange es gut für ihr Land sei.

Die Grundlagen des Abkommens wurden am 31.August in einer vierstündigen Marathonsitzung ausgehandelt. Premierminister Ratnasiri Wickramanayaka stimmte dem Vorschlag der JVP einer zunächst auf ein Jahr befristeten "Proberegierung" prinzipiell zu. Daraufhin holte Kumaratunga die Zustimmung ihres gespaltenen Kabinetts und ihrer parlamentarischen Verbündeten zu den von der JVP gestellten Bedingungen ein und konnte das auf Sonntag Mitternacht angesetzte Ultimatum einhalten.

Zu den Bedingungen der JVP gehören die Nichtdurchführung eines Verfassungsentscheids, den Kumaratunga zunächst auf den 18. Oktober vertagt hatte, und eine Vorverlegung der Parlamentssitzung vom 7. auf den 6. September.

Laut Medienberichten sind die Führer der Regierung und der JVP momentan dabei, ein "Memorandum des Verständnisses" (MoU) auszuarbeiten, das voraussichtlich den Großteil der Forderungen der JVP beinhalten wird. Darunter die Forderungen, das Regionalisierungspaket und die Gespräche mit der LTTE sowie die Regierungspläne, das öffentliche Bildungswesen zu privatisieren, für ein Jahr von der Tagesordnung zu streichen. Die JVP fordert außerdem die Ernennung von fünf unabhängigen Kommissionen zur Kontrolle von Polizeibehörden, Öffentlichem Dienst, Gerichtswesen und Medien und eine Verkleinerung des Kabinetts auf 20 Minister.

Das Abkommen kann bestenfalls als fragile und vorübergehende Vereinbarung gelten. Bis vor kurzem noch hatte die JVP Kumaratunga vorgeworfen, das Land an die LTTE zu verraten. Sie hatte Kumaratunga der Korruption bezichtigt, sie für Arbeitslosigkeit und Preiserhöhungen verantwortlich gemacht und beschuldigt, das Land an die multinationalen Konzerne auszuverkaufen. Die Volksallianz ihrerseits verurteilte die JVP wegen ihrer blutbefleckten Vergangenheit. Auf ihre Kosten geht unter anderem die Ermordung von Chandrika Kumaratungas Ehemann Vijaya Kumaratunga.

Noch bedeutsamer ist, dass die Vereinbarung mit der JVP in direktem Gegensatz zu den Forderungen der Wirtschaft und der Großmächte steht, die für Friedensgespräche mit der LTTE und die Implementierung der Forderungen des Weltwährungsfonds (IWF) eintreten. Laut den Bedingungen des vor einigen Monaten unterzeichneten Abkommens mit dem IWF hat die Regierung sich verpflichtet, 275 Millionen US-Dollar durch Privatisierungen aufzubringen. Wird diese Verpflichtung nicht erfüllt, sind die Auszahlung der noch ausstehenden Raten des 253 Millionen US-Dollar-Sofortkredits des IWF und somit die Finanzsituation der Regierung gefährdet.

Teile der SLFP-Führung haben sich gegen das Abkommen mit der JVP ausgesprochen und bevorzugen ein Abkommen mit der UNP. Der Generalsekretär und langjährige Minister S.B. Dissanayake und andere Kabinettsmitglieder wie G.L. Peiris und Mahinda Wijesekera haben die Feierlichkeiten zum SLFP-Jahrestag boykottiert und mit Jevaraj Fernandopulle, einem weiteren Kabinettsminister, die Parlamentsfraktionssitzung der Volksallianz boykottiert. Die UNP spekuliert darauf, einige dieser verärgerten SLFP-Führer für sich zu gewinnen, um auf der kommenden Parlamentssitzung ihren Misstrauensantrag durchzusetzen. Die Opposition behauptet, ihre Sache werde von 15 Regierungsmitgliedern, darunter fünf Ministern, unterstützt; somit wäre ihr auch ohne die Stimmen der zehn JVP-Parlamentsabgeordneten eine parlamentarische Mehrheit sicher.

Führende Vertreter der Geschäftswelt und die Organisation of Professional Association äußerten in einem Treffen mit der Opposition bereits ihre Vorbehalte gegenüber einer von der JVP gestützten Regierung. Ein Leitartikel der Zeitung Island bringt die Haltung von Vertretern der herrschenden Klasse auf den Punkt: "Worin besteht die Erfolgsaussicht, dass diese Proberegierung unser Land aus dem Schlamassel, in dem es sich derzeit befindet, herausholen könnte? Die marxistische JVP lehnt die Auflagen von Weltwährungsfonds und Weltbank ab. Sie will keine Verhandlungen mit der LTTE. Genau das fordern jedoch unsere wichtigsten Geberländer, die uns wirtschaftliche Hilfe zuteil werden lassen, mit Nachdruck..."

Der politische Werdegang der JVP

Mit Hilfe der Manöver mit der Regierung einerseits und der Opposition andererseits versucht die JVP, die Situation für ihre eigenen politischen Ziele zu nutzen. In erster Linie geht es dieser singhalesische extremistischen Organisation in der gegenwärtigen Krise darum, sich der herrschenden Klasse als verlässliche Stütze bürgerlicher Herrschaft zu beweisen.

Bis kurz vor den Verhandlungen mit Regierung hatte die JVP die Forderungen der Oppositionsparteien nach einer früheren Einberufung des Parlaments, einer Absage des Volksentscheids und der Verabschiedung eines Misstrauensantrags gegen die Regierung unterstützt. Andererseits hatte die JVP bereits am 26. August, zur Zeit als die UNP mit Vertretern der Volksallianz im Gespräch war, eine Unterredung mit Kumaratunga. Die JVP betonte ausdrücklich, ihr Hauptanliegen sei, das Zustandekommen von Gesprächen mit der LTTE zu verhindern.

Am 13. August besuchten Vertreter der JVP die amerikanische Botschaft und sprachen dort mit dem Sekretär für Politische Angelegenheiten. Anschließend hatte die JVP Gespräche mit japanischen und australischen Diplomaten in Colombo, um die eigene Position zu erläutern. JVP-Parteiführer trafen sich ebenfalls mit Vertretern der Wirtschaft, um sie über ihre Absichten in Kenntnis zu setzen und zu beruhigen.

Gegründet wurde die JVP in den sechziger Jahren. Sie repräsentierte eine bunte Mischung aus Maoismus, Castroismus und singhalesischem Chauvinismus, der sich insbesondere gegen die tamilischen Plantagenarbeiter richtete. 1971 organisierte die JVP einen abenteuerlichen Aufstand, der von der Regierung - eine Koalitionsregierung aus SLFP, LSSP und CP unter der Führung von Chandrika Kumaratungas Mutter Sirimavo Bandaranaike - auf brutalste Art und Weise niedergeschlagen wurde. Etwa 20.000 Jugendliche aus den ländlichen Gebieten wurden von den Sicherheitskräften getötet und die JVP-Führer inhaftiert.

Seit Ausbruch des Krieges gegen die LTTE 1983 hat die JVP die früheren marxistischen Phrasen zunehmend fallen gelassen und vertritt statt dessen ganz offen chauvinistische Parolen. Das Indo-Lanka-Abkommen, das die UNP-Regierung 1987 mit der Regierung in Neu-Delhi unterzeichnete, um eine indische Friedenstruppe ins Land zu holen und die LTTE zu unterwerfen, wurde von der JVP als Verrat verurteilt, der den singhalesischen Staat spalten werde.

Während der sehr instabilen politischen Lage zwischen 1988 und 1990 schloss die JVP eine geheime Vereinbarung mit dem UNP-Präsidenten R.Premadasa und tötete Hunderte von Arbeitern, Gewerkschaftlern und politischen Führern, die sich der Kampagne zur patriotischen Verteidigung des Vaterlandes widersetzten. Da die JVP dem UNP-Regime bei der Unterdrückung der Opposition der Arbeiterklasse zur Hand gegangen war, erhoffte sie, mit Premadasa eine Koalitionsregierung bilden zu können. Premadasa ließ seine ehemaligen Verbündeten jedoch fallen und ging zum Angriff über. In einem schonungslosen Feldzug, der zum Ziel hatte, nicht nur die JVP zu zerstören, sondern jegliche Opposition in den ländlichen Gebieten im Süden Sri Lankas auszumerzen, wurden etwa 60.000 Jugendliche von Sicherheitskräften getötet.

Als Kumaratunga 1994 an die Macht kam, wurde die JVP legalisiert und wieder politisch salonfähig gemacht. In den Parlamentswahlen im vergangenen Oktober konnte die JVP von der breiten Unzufriedenheit mit der Volksallianz und der UNP profitieren und zehn Abgeordnetensitze gewinnen. Die JVP hat schon vor vielen Jahren jeden Versuch, marxistische Anschauungen vorzutäuschen, aufgegeben und spielt heute eine wichtige Rolle als Stütze der herrschenden Klasse, die versucht, eine überaus unsichere schwankungsanfällige politische Situation zu stabilisieren.

Ob die Volksallianz mit Hilfe der JVP überleben wird, bleibt abzuwarten. Die Wirtschaft und die Großmächte bevorzugen ganz klar eine nationale Regierung aus UNP und Volksallianz. Als der UNP-Vorsitzende Ranil Wickremesinghe sich auf einer Veranstaltung mit führenden Vertretern der Geschäftswelt und Industrie gegen ein Abkommen mit Kumaratunga aussprach, intervenierte der US-Botschafter Ashley Wills persönlich und versuchte mit der Forderung nach einer "stabilen srilankischen Regierung" beide Seiten auszusöhnen.

Weitere Gespräche zwischen der UNP und der Volksallianz scheiterten am 28. August, als es zu erbitterten Differenzen kam, wobei die beiden Parteien einander gegenseitig für das Scheitern verantwortlich machten. Die Volksallianz war mit dem Vorschlag der UNP, dass der Präsident "in Absprache" mit dem Premierminister handeln müsse, nicht einverstanden, ein Vorschlag, der dem UNP-Führer Wickremesinghe größere Machtbefugnisse eingeräumt hätte. Die UNP wiederum wandte sich gegen den Vorschlag der Volksallianz, das Amt eines Exekutiv-Vizepräsidenten einzuführen, das von Wickramanayake besetzt werden sollte und den UNP-Führer in eine untergeordnete Rolle verwiesen hätte.

Da einflussreiche Teile der Wirtschaft sich gegen das Abkommen zwischen Volksallianz und JVP aussprachen, ist keineswegs sicher, wie lange es überleben wird. Ist die UNP in der Lage, eine genügende Anzahl an Stimmen der herrschenden Koalition für sich zu gewinnen, um den Misstrauensantrag durchzuziehen, wird die gegenwärtige politische Krise drastisch eskalieren. Sollte die Regierung Kumaratunga den Antrag überleben, wird die politische Instabilität auch weiterhin andauern.

Siehe auch:
Srilankische Regierung konfrontiert zwei Misstrauensvoten und Amtsenthebungsantrag
(28. Juni 2001)
Wendung im Bürgerkrieg in Sri Lanka enthüllt faschistischen Charakter der JVP
( 14. September 2000)
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