Bush beharrt auf Gewahrsam für "feindliche Kämpfer"

Im Rahmen des sogenannten Kriegs gegen den Terrorismus missachtet die Bush-Regierung grundlegende verfassungsmäßige Rechte. Sie beharrt darauf, Menschen ohne zeitliche Begrenzung, ohne Anklage und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand in Gewahrsam zu nehmen. Trotz wachsender Opposition gegen eine derartige Praxis bereitet sie deren Ausweitung vor, indem sie weitere Zellen für solche Häftlinge, darunter auch amerikanische Staatsbürger, in Militärgefängnissen und Lagern bereitstellt.

Nach einem Bericht des Wall Street Journal vom 8. August arbeitet die Bush-Regierung an Plänen für eine Sonderkommission (bestehend aus dem Justizminister, dem Verteidigungsminister und dem CIA-Direktor), die festlegen soll, wer als "enemy combattant" (feindlicher Kämpfer) gilt. Eine solche Person kann dann in militärischen Gewahrsam genommen und unbegrenzt in völliger Isolation festgehalten und verhört werden, ohne Möglichkeit zu einer gerichtlichen Überprüfung.

Diese Praxis verstößt gegen zahllose Verfassungsartikel, unter anderem gegen das Recht auf einen fairen Prozess nach dem 5. Verfassungszusatz. Dieser Artikel beinhaltet auch das Recht, über erhobene Vorwürfe informiert zu werden, das Recht auf eine richterliche Anhörung und das Recht auf einen Anwalt.

Die Maßnahmen untergraben die Gewaltenteilung, die der US-Verfassung zugrunde liegt. Ein US-Bürger oder Ausländer kann seine Bürgerrechte allein durch eine Anordnung der Exekutive verlieren. Er kann verhaftet und eingesperrt werden, ohne dass er gegen ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz verstößt und ohne dass er die Möglichkeit hat, sich zur Verteidigung seiner Rechte an ein Gericht zu wenden.

Um derartige Gefangene unterzubringen, ist in Goose Creek, dem Marinebunker in South Carolina, ein Sonderflügel für zwanzig amerikanische Bürger eingerichtet worden. Laut Jonathan Turley, einem Juraprofessor der George Washington Universität, hat Justizminister John Ashcroft letzte Woche angekündigt, dass weitere Internierungslager für US-Bürger errichtet werden, die als "feindliche Kämpfer" eingestuft werden.

Die Bush-Regierung weitet ihre verfassungswidrige Gewahrsamspraxis aus, nachdem der erste Strafprozess im Zusammenhang mit den Terrorangriffen vom 11. September abgeschlossen worden ist - der Prozess gegen John Walker Lindh, den Jugendlichen aus der San Francisco Bay Area, der als Mitglied einer Taliban-Einheit gefangen wurde. Der Prozess endete vergangenen Monat mit einer Übereinkunft, die dem jungen Mann eine zwanzigjährige Haftstrafe einbringt. Er hatte sich in einem Punkt schuldig bekannt: der Verletzung einer Bestimmung aus der Clinton-Ära, die Dienstleistungen für die Taliban untersagte.

In den Monaten vor diesem Teilgeständnis hatte Lindhs Verteidiger nachgewiesen, dass die Regierung Lindhs Recht auf einen Anwalt missachtet und ihn durch gezielte Misshandlungen, die bis zur offenen Folter durch die US-Armee reichten, zu Schuldgeständnissen gezwungen hatte.

Die Erfahrung mit Lindh hat die Bush-Regierng offensichtlich zur Überzeugung gebracht, dass es klüger wäre, den Verhafteten gar keine Verteidiger zu erlauben. Ein "hoher Regierungsvertreter" äußerte gegenüber dem Wall Street Journal : "Wir ändern die juristischen Spielregeln". Diese "neuen Regeln" bestehen darin, Leute unbeschränkt vom Militär einsperren zu lassen - ohne Anklage, Anhörung vor Gericht oder Anwalt.

Vieles deutet darauf hin, dass Ashcroft die beiden Gefangenen Yaser Hamdi und Jose Padilla benutzen will, um einen Präzedenzfall für die unbegrenzte Inhaftierung von US-Bürgern in völliger Isolation zu schaffen.

Hamdi, Sohn saudi-arabischer Eltern und seit seiner Geburt in Louisiana US-Bürger, wurde im vergangenen Herbst in Afghanistan gefangen genommen. Als während seiner Vernehmung auf Guantanamo Bay, Kuba, bekannt wurde, dass er US-Bürger ist, wurde er im April in die Marinebunker in Norfolk, Virginia, verlegt.

US-Distriktrichter Robert G. Doumar stimmte einer Eingabe von Hamdis Vater zu und verpflichtete die Regierung, Hamdi die Konsultation eines vom Gericht bestimmten Anwalts zu erlauben. Statt diesem Beschluss Folge zu leisten, legte die Bush-Regierung beim Vierten Appellationsgericht, dem rechtesten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Berufung ein.

Die Anwälte des Justizministeriums begründeten die Berufung damit, dass "die Verfassung den Gerichten nur beschränkte Möglichkeiten einräumt, militärische Entscheidungen zu überprüfen." Daraus folgerten sie: "Wenn das Militär ein Individuum als feindlicher Kämpfer einschätzt, der als solcher in Gewahrsam genommen werden muss, sollte dies daher nicht von den Gerichten hinterfragt werden."

Mit anderen Worten: Sobald die Bush-Regierung jemanden als "feindlichen Kämpfer" bezeichnet, kann er oder sie für immer eingesperrt werden, ohne Verbindung zur Außenwelt und ohne dass die Gerichte Eingriffsmöglichkeiten haben.

Sogar das Vierte Appellationsgericht war nicht damit einverstanden, dass die Befugnisse des Gerichts derart weit außer Kraft gesetzt werden, und wies den Antrag der Bush-Regierung ab, die Eingabe Hamdis zurückzuweisen. Trotzdem setzte es die Entscheidung des Distriktgerichts aus und verwies den Fall zur erneuten Beratung an das Gericht zurück. Zur Begründung führte es an, dass "das Distriktgericht einen Anwalt ernannte und ihm den Kontakt mit dem Gefangenen erlaubte, ohne die Auswirkungen seiner Entscheidung [auf die Bush-Regierung] ausreichend abzuwägen."

Wieder vor Richter Doumar, stützten sich die Anwälte der Regierung am 13. August ausschließlich auf eine zweiseitige eidesstattliche Versicherung von Michael H. Mobbs, einem "Sonderberater" des Verteidigungsministeriums, wonach Hamdi ein "feindlicher Kämpfer" sei. Dieses Dokument, behaupteten sie, nehme den Bundesgerichten jede Möglichkeit, ihm den Kontakt mit einem Anwalt zu erlauben.

Doumar, der unter Reagan ernannt worden war, reagierte gereizt: "Ich habe mit großer Sorgfalt nach einem beliebigen Fall geforscht, vor einem beliebigen Gericht, in dem ein Angeklagter keinen Rechtsanwalt sprechen durfte.... Dieser Fall schafft den interessantesten Präzedenzfall, den es in der angloamerikanischen Rechtsgeschichte seit den Tagen der Star Chamber in dieser Frage gegeben hat."

Die Star Chamber war ein berüchtigtes geheimes Gericht, mit dessen Hilfe die britische Monarchie die politische Opposition eliminierte.

Doumar fuhr fort: "Meiner Meinung nach erfordert ein fairer Prozess etwas mehr, als die bloße Behauptung eines gewissen Mobbs, man habe bestimmte Papiere angeschaut und entschieden, dass Hamdi in Isolation gehalten werden müsse. Was wären die Konsequenzen! Treten wir dafür ein?"

Der Anwalt der Regierung weigerte sich jedoch, irgendwelche Grenzen der Macht der Exekutive über Hamdi zu akzeptieren. Einmal sagte Doumar verärgert: "Wenn das Militär ihn in siedendes Öl setzen würde, wäre das auch gesetzlich?" Der Regierungsanwalt antwortete ungerührt, dass niemand so etwas vorgeschlagen habe.

Derweil schickte Hamdis Vater einen offenen Brief an den Kongress, in dem er in Zweifel zog, dass sein Sohn überhaupt ein "Kämpfer" gewesen sei. In dem Brief heißt es: "Yaser hat unsere Wohnung in Saudi Arabien am 15. Juli 2001 Richtung Pakistan und dann Afghanistan verlassen, um in diesen Ländern an Hilfsprojekten mitzuarbeiten." Er war "vor dem 11. September weniger als zwei Monate dort, viel zu kurz, um eine militärische Ausbildung zu absolvieren. Wie kann man ihn also als feindlichen Kämpfer bezeichnen?"

Ginge es nach der Regierung, wären die Gerichte in solchen Fragen machtlos.

Während Hamdi auf einem Kriegsschauplatz verhaftet wurde, erfolgte die Festnahme Padillas Tausende von Meilen vom Kriegsgeschehen entfernt. Der geborene New Yorker, der auch den Namen Abdullah al Muhajir trägt, wurde verhaftet, als er auf dem O'Hare Flughafen in Chicago einem Flugzeug entstieg. Trotzdem bezeichnet die Bush-Regierung Padilla als einen "feindlichen Kämpfer" und hält ihn seit dem 8. Mai in völliger Isolation. Gegenwärtig wird er in der Consolidated Naval Brig in Charleston, South Carolina festgehalten.

Ashcroft gab Padillas Verhaftung erst einen Monat nachdem sie erfolgt war bekannt. Die dramatische Behauptung des Justizministers, "vielfache, unabhängige und übereinstimmende Quellen" hätten Padilla mit der Vorbereitung eines Terroranschlags auf die Vereinigten Staaten in Verbindung gebracht, bei dem "eine schmutzige radioaktive Bombe" eingesetzt werden sollte, wurde auf der ganzen Welt verbreitet. Vergangene Woche zitierten Associated Press und Reuters News Report allerdings gut informierte Regierungsvertreter, dass es keine Beweise für einen geplanten Anschlag gebe und Padilla höchstens ein "kleiner Fisch" im Al-Qaida Netzwerk sei.

Die aktuelle Ausgabe von Newsweek berichtet, dass die Regierung nie die Absicht gehabt habe, Padilla anzuklagen, und dass der Zweck seiner unbeschränkten Inhaftierung lediglich darin bestehe, Informationen aus ihm herauszuholen. "Wenn dieser Kerl den Eindruck bekommt, dass er hier 20 Jahre lang festsitzen könnte, ohne dagegen vorgehen zu können, dann sagt er vielleicht: ‚Okay, lasst uns reden'," zitiert das Magazin einen Regierungsbeamten.

Die Bush-Regierung missachtet die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte von Menschen, die sie im angeblichen "Krieg gegen den Terrorismus" in Gewahrsam genommen hat, derart dreist, dass die American Bar Association (ABA) in zwei außergewöhnlichen Schritten unmissverständlich dagegen protestiert hat.

In einer Resolution, die sie am 13. August auf ihrem Jahreskongress verabschiedete, verurteilte die ABA die geheime Internierung von Menschen durch die Einwanderungsbehörden. Sie forderte die Bush-Regierung dringend auf, ihre Namen, ihren Aufenthaltsort und die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu veröffentlichen, und ihnen den Kontakt mit Rechtsanwälten und ihren Familien zu ermöglichen. Die Regierung hat zugegeben, seit dem 11. September über 1.200 Einwanderer eingesperrt zu haben, und man nimmt an, dass immer noch Hunderte festgehalten werden.

Der ABA-Resolution ging Anfang des Monats ein Urteil der US-Distriktsrichterin Gladys Kessler voraus, in dem Ashcroft angewiesen wurde, die Namen der internierten Ausländer bekannt zu geben. "Geheime Festnahmen," schrieb Kessler, "sind in einer demokratischen Gesellschaft ein Schandfleck." Am Dienstag setzte Richterin Kessler ihr Urteil jedoch wieder aus. Sie entschied, dass die Bush-Regierung die Namen der Verhafteten nicht sofort veröffentlichen müsse, und sagte, der Aufschub bleibe in Kraft, bis ein Bundesberufungsgericht in der Frage entschieden habe, was Monate dauern kann.

Am 9. August veröffentlichte die ABA einen vorläufigen Bericht ihrer "Task Force zur Behandlung von feindlichen Kämpfern", der die Frage behandelt, "ob die Regierung amerikanische Bürger unbeschränkt ohne Anklageerhebung festhalten und ohne gerichtliche Anhörung und ohne Zugang zu einem Anwalt isolieren darf - oder ob es ihr erlaubt sein sollte, das zu tun."

In dem Bericht wird die Bush-Regierung beschuldigt, das Recht auf gerichtliche Überprüfung sowie Paragraph 4001(a) des Strafgesetzbuchs der Vereinigten Staaten zu missachten, der festlegt, dass "kein Bürger ins Gefängnis gesteckt oder sonst wie festgehalten werden soll, außer aufgrund eines vom Kongress verabschiedeten Gesetzes". Diese Bestimmung, die 1971 in Kraft trat, hob das "Notstandshaftgesetz von 1950" auf, eine Regelung aus dem Kalten Krieg, welche die Internierung von Personen ermöglichte, "die Spionage oder Sabotage ausüben könnten".

Der Bericht weist auch auf internationale Gesetze hin, die von der Bush-Regierung verletzt werden, darunter die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, die bestimmt, dass "jedermann das Recht auf eine wirkungsvolle Berufung vor den zuständigen nationalen Gerichten gegen Maßnahmen hat, die seine grundlegenden Rechte verletzen", und dass niemand "willkürlich verhaftet, eingesperrt oder ins Exil geschickt werden darf". Er zitierte auch die "Prinzipien zum Schutz aller Personen bei jeder Form von Gewahrsam oder Haft", die 1988 von den Vereinten Nationen angenommen wurden. Unter Prinzip 17(1) heißt es dort, dass "jede festgenommene Person das Recht haben muss, von einem Anwalt vertreten zu werden".

Der Bericht gelangt zum Schluss: "Die Regierung hat noch nicht versucht zu erklären, welches Verfahren sie für erforderlich hält, damit die Festnahmen den Regeln eines fairen Prozesses, der amerikanischen Tradition und dem internationalem Recht entsprechen. Es kann nicht ausreichen, dass ein Präsident verkündet, die Exekutive könne festhalten, wen immer sie wolle, wann immer sie wolle und so lange sie wolle, solange die Festnahme einen entfernten Zusammenhang mit einer terroristischen Tat habe, die von irgendjemandem gegen die Vereinigten Staaten begangen wurde. Wo sollen die Grenzen eines solchen Anspruchs liegen?"

Der Bericht ist nicht das Werk von liberalen Bürgerrechtlern. Die Task Force stand unter dem Vorsitz eines ehemaligen stellvertretenden Justizministers der Vereinigten Staaten. Ihr gehörte auch ein pensionierter Brigadegeneral an, der 26 Jahre als Ankläger vor Militärtribunalen tätig war, sowie der gegenwärtige Präsident des Nationalen Instituts der Militärjustiz. Außerdem wird die ABA selbst von Richtern und Wirtschaftsanwälten dominiert. Die repressiven Maßnahmen der Bush-Regierung unterhöhlen die grundlegenden demokratischen Strukturen jedoch derart, dass sie selbst bei Teilen der Justiz und gutbürgerlichen Institutionen, wie der ABA, Anstoß erwecken.

Siehe auch:
Ein weiterer Schritt in Richtung Präsidialdiktatur: Bush befiehlt unbeschränkte Militärhaft für US-Bürger
(19. Juni 2002)
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