Interviews mit Opfern des Hochwassers in Dresden

In der Grünen Straße nahe der Innenstadt stehen einige mehrstöckige Mietblöcke. Dort sprachen wir mit Frau Helas, die gemeinsam mit ihren Nachbarn ihre verschlammten Keller ausräumte.

"Diese Straße wurde, wie ein großer Teil der Innenstadt, zwei Mal überschwemmt. In beiden Fällen sind wir vorher nicht gewarnt worden. Die ganze Straße stand bis zum ersten Stock unter Wasser. Weil die Wohnungen hier sehr klein sind, bringen die Leute viele Dinge im Keller unter. Das ist jetzt alles kaputt.

Flut in Dresden Uns wurde gesagt, wir sollen die Keller leer räumen. Wie wir das schaffen - das ist unsere Sache. Es wurden hier bisher noch nicht einmal Container für den Abfall bereit gestellt. und wir sind ja nicht mehr die Jüngsten. Glücklicherweise hilft mir mein Sohn. Er ist arbeitslos und hat durch die Flut sein Auto verloren.

Ich bin Jahrgang 35 und habe als Zehnjährige die Zerstörung der Stadt durch die Bombardierung erlebt. Das war damals ein Ergebnis der Verbrechen des Hitlerregimes. Wir haben damals auch alles wieder aufgebaut.

Die Politiker, die kommen hier mit Handy und wehendem Mantel und gehen wieder - wie Schröder. Von denen ist nichts zu erwarten. Ich gehe nicht wählen."

Ihre Nachbarin, Frau Krippahl, musste ihre Wohnung im Hochparterre räumen. Sie meinte:

"Wir wurden von den Ereignissen völlig überrascht. Erst kam die Meißeritz. Das Wasser stand bis zur Kellerdecke. Wir haben die Keller ausgeschöpft. Aber dann kam das Elbwasser dazu. Das ging ganz schnell, das Wasser stieg bis zum ersten Stock. Am Dienstag Nachmittag kamen dann Schlauchboote vorbei und wir wurden zur Evakuierung aufgefordert. Zu dieser Zeit gab es keinen Strom und kein Trinkwasser mehr in den Wohnungen. Viele wollten ihre Wohnungen nicht verlassen, aber weil ich zuhause meine 91-jährige Mutter pflege, sind wir mitgegangen. Wir wurden zum Postplatz gepaddelt und dann in einer Schule untergebracht. Es ging uns noch relativ gut, denn ich habe dann gleich mit meinen Kindern telefoniert, die uns abholten.

Danach wurde wegen des steigenden Grundwassers zwangsevakuiert. Das Wasser hat die Wohnungen zwar nicht direkt erreicht, aber es ist trotzdem alles feucht. Sie müssen genau wie die Keller von Grund auf saniert werden. Die Genossenschaft, der die Häuser hier gehören, hat uns sanierte Wohnungen als Ersatz angeboten.

Diejenigen Bewohner, die noch Versicherungen aus DDR-Zeiten haben, sind gegen Elementarschäden versichert und bekommen ihren zerstörten Hausrat ersetzt. In den Verträgen ist ein entsprechender Passus. Wir haben damals die Versicherung gewechselt und können deshalb keine Ansprüche geltend machen. [Die alten DDR-Haushaltversicherungen, die von der Allianz weitergeführt werden, enthalten Überschwemmungsschutz.]

Bei uns ging es noch relativ gut. Aber wenn ich nicht so eine große Familie - vier Kinder - hätte, dann wäre ich nicht zurecht gekommen."

In der Nähe der Musikhochschule befindet sich das Umweltzentrum, Sitz mehrerer Umweltverbände in Dresden. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden.

"Gegen Überschwemmungen von solchem Ausmaß kann man keine direkte Vorsorge treffen, und dann kann man auch nichts machen. Das Land hatte einen Elbestand von 8,50 m angekündigt, daraufhin war die Stadt von 9 m ausgegangen, aber dann wurden es ja noch mehr. Die Planung für solche Fälle sieht eine schrittweise Evakuierung der bedrohten Gebiete vor, denn die Elbe steigt ja relativ langsam, so dass dafür genügend Zeit wäre.

Die Weißeritz ist bei dem jüngsten Hochwasser einfach in ihr altes Bett zurückgekehrt. Sie wurde nämlich beim Bau der Eisenbahn 1890 umgeleitet, und der Bahndamm wurde in das alte Flussbett verlegt. So kam es zur Überschwemmung des Bahnhofs. Der Fluss rauschte den Gleisen entlang direkt dort hinein.

Wenn die Katastrophe erst einmal da ist, kann man auch nicht mehr viel machen. Diese Probleme kriegt man nur durch eine langfristige Planung der Stadtentwicklung und Bebauung in den Griff. Flussauen und Flussbetten soll man nun mal nicht zubauen. Im Grunde müssten Teile der Stadt abgerissen werden."

Doris und ihren Freund Matthias trafen wir in der Seminarstraße vor einer Reihe von Altbauten:

Flut in Dresden "Wir sind am Aufräumen, aber wir können jetzt nicht mehr viel machen. Wir dürfen den Keller nicht auf eigene Faust auspumpen, er muss vorher begutachtet werden. Dann kommt die Feuerwehr. Jetzt warten wir eben. Mehr als arbeiten können die Behörden auch nicht, und die Feuerwehr war sehr lange mit dem Krankenhaus hier in der Nähe beschäftigt.

Unser Anwohner ist Hobbyfotograph und hat seine ganze Ausrüstung im Keller. Es stinkt ganz schön.

Was ich wirklich schlecht finde, ist, dass man erst 5000 Euro Schäden nachweisen muss, bevor man Anspruch auf 500 Euro Ersatz hat. So viel Schaden haben wir nicht. So viel besitzen wir gar nicht.

Das einzig Gute an der ganzen Sache war, dass so viele Jugendliche gekommen sind, um hier zu helfen. Die meisten waren aus der (benachbarten) Neustadt, sie kamen aber auch von anderswo her. Schröder, der hier war, benutzt die ganze Sache doch nur für seinen Wahlkampf."

Yvonne wohnt in der Friedrichstraße. In ihrem Haus lebt auch eine Wohngemeinschaft von jungen Leuten, die Motorräder sammeln und reparieren. Sie stand in Gummischürze vor dem niedrigen, zweistöckigen Gebäude und wusch in zwei Eimern schlammverkrustete Schraubenzieher, Schraubenschlüssel und anderes Werkzeug.

"In der Innenstadt, wo die Touristen hin sollen, da wurde sofort alles aufgeräumt und sauber gemacht. Aber hier ist Abseits, was hier passiert, interessiert keinen. Es kommt keine Hilfe, und es gab auch keine Warnung. Die Jungs hier haben ihre ganzen Motorräder verloren. Bei einer einigermaßen rechtzeitigen Warnung hätten sie gerettet werden können.

Seit gestern ist das Wasser wieder fort. Da sah es hier noch ganz anders aus; inzwischen haben die Anwohner den meisten Dreck weggeräumt. Das einzig Gute ist, dass man sich endlich mal richtig kennen lernt und dass alle sich gegenseitig helfen.

Die Überschwemmung der Meißeritz kam meiner Meinung nach eindeutig daher, dass sie das Trinkwasser aus den Talsperren nicht ablassen wollten - weil das Geld wert ist. Und dann die Begradigung der Flüsse überhaupt.

Die Arbeit mit den Sandsäcken, bei der sich hier viele Menschen bis zum Umfallen abgerackert haben, war meiner Meinung nach kontraproduktiv. Wir haben hier Sandsäcke gestapelt, und dabei stieg das Grundwasser in die Keller. Als ich zu DDR-Zeiten in die Schule ging, gab es Übungen und Unterweisungen, wie man sich bei so etwas zu verhalten hat, und es gab Evakuierungspläne. Aber heute weiß ja keiner mehr, was zu tun ist, und alles rennt durcheinander.

Die kleinen Firmen hier tun mir Leid. Viele kamen gerade noch so durch, aber jetzt sind sie pleite.

Mit den Jugendlichen, die kamen, um zu helfen, ist es so eine Sache. Viele wollten auch nur schauen, wie Touristen.

Was die 500 Euro Soforthilfe pro Person angeht, da habe ich schlechte Erfahrungen. Man muss genau belegen, wofür man sie ausgibt, und die Verwendung ist vorgeschrieben. Das Geld darf zum Beispiel nur für Putzmittel oder zerstörte Möbel ausgegeben werden, nicht für Essen. Wie soll ich denn unter den Bedingungen hier alles nachweisen?

Von den Politikern halte ich nichts. Von Schröder nicht, von Stoiber nicht, und auch von Georg Milbradt (CDU, Ministerpräsident von Sachsen) nicht."

Siehe auch:
Die Dresdener Bevölkerung war auf dem Höhepunkt der Katastrophe nur auf sich gestellt
(23. August 2001)
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