Großbritannien: Blair erklärt den Feuerwehrleuten den Krieg

Großbritanniens Feuerwehrleute müssen sich über den Ernst ihrer Lage klar werden. Die vergangenen Wochen haben Premierminister Tony Blairs Gerede über einen "dritten Weg" entlarvt und die Labour-Regierung als das gezeigt, was sie wirklich ist: eine Streikbrecherregierung im Dienste der Wirtschaft.

In öffentlichen Erklärungen hat die Regierung wiederholt deutlich gemacht, dass sie nichts unversucht lassen wird, um den um Löhne und Arbeitsbedingungen streikenden Feuerwehrleuten eine Niederlage beizubringen. Das war der Inhalt von Blairs Fernsehpressekonferenz am 25. November, bei der er betonte, die Wirtschaftspolitik müsse sich von den Interessen der Wirtschaft leiten lassen.

"Wenn wir dieser Lohnforderung nachgäben, dann wären die wirtschaftlichen Folgen düster," warnte er. Die Regierung werde "keine Lohnabschlüsse zulassen, die die Inflation, die Zinsen und die Arbeitslosigkeit hochtreiben, und wir werden nicht zulassen, dass die geplanten Rekordinvestitionen in den öffentlichen Dienst einfach von Lohnerhöhungen aufgefressen werden."

Blair hat der gesamten Arbeiterklasse eine Warnung zukommen lassen. Die Feuerwehrleute, sagte er, "sind nicht die einzigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die wichtige Aufgaben erfüllen. Krankenschwestern leisten großartige Arbeit, Lehrer und Polizisten ebenfalls, und auch die Armee, wie wir wieder mal sehen können. Viele von ihnen verdienen viel weniger als die Feuerwehrleute.... Ich und Sie wissen, dass die meisten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes behaupten werden, auch sie seien Sonderfälle."

Der Versuch des Premierministers, durch die Aufzählung einer ganzen Liste von unterbezahlten Berufen gegen Lohnerhöhungen zu argumentieren, zeigt, wie abgehoben seine Regierung von den täglichen Sorgen der Masse der Bevölkerung ist. Als er von seinem vorbereiteten Text abwich, wurde er noch herrischer. Die Feuerwehrleute müssten wieder auf den Teppich kommen. Es gehe nicht darum, ob ihr Lohn "anständig" oder "moralisch" sei; mehr sei schlicht nicht drin.

Die Feuerwehrleute könnten und würden ihren Streik nicht gewinnen, fuhr er fort. Sie würden genauso verlieren wie 1984 die Bergarbeiter in ihrem einjährigen Streik gegen die konservative Premierministerin Margaret Thatcher. "Wir haben das Jahr 2002, nicht 1984. Das Leben hat sich verändert. Jene Zeit ist vorbei. Sie wird unter keiner Regierung zurückkommen - und ganz gewiss nicht unter dieser."

"Dies ist eine andere Labour-Regierung als irgendeine vorher," betonte er. "Wir werden nicht in jene Zeit zurückfallen. Ich werde das schlicht nicht zulassen."

Auf die Nachfrage, wie weit die Regierung zu gehen bereit sei, um den Streik niederzuschlagen, versprach Blair, die Armee werde alles bekommen, was sie brauche, "ohne Rücksicht auf irgendwelche Streikposten".

Seine Drohungen wurden noch am gleichen Tag von Schatzkanzler Gordon Brown unterstrichen, der vor dem Kongress des britischen Industrieverbands unter Applaus erklärte, dass es kein Zurückweichen vor Lohnforderungen geben werde. Dem schloss sich Vizepremier John Prescott an, der sagte, dass zwanzig Prozent der Arbeitsplätze der 52.000 britischen Feuerwehrleute dem von der Regierung anvisierten Modernisierungspaket zum Opfer fallen würden.

Später kam es in der schottischen Labour Party zum Rücktritt des stellvertretenden Justizministers Richard Simpson, der streikende Feuerwehrleute als "Faschisten" und "Bastarde" bezeichnet hatte - als "die Sorte Leute, die Mussolini unterstützt haben."

Eine Regierung der Superreichen

Es ist notwendig, die Dinge bei ihrem richtigen Namen zu nennen. Die Feuerwehrleute müssen verstehen, dass sie es tatsächlich mit einer Labour-Regierung zu tun haben, die anders ist "als irgendeine vorher". Schon die Bezeichnung "Labour" für diese Regierung ist politisch irreführend, weil sie ihr eine Beziehung zur Arbeiterklasse unterstellt, die sie nicht mehr hat.

Seit Mitte der achtziger Jahre, als Neil Kinnock an ihrer Spitze stand, hat Labour versucht, sich als die bevorzugte Partei der Wirtschaft zu positionieren. Unter Blair ist es New Labour gelungen, die Position einzunehmen, die früher die Konservativen innehatten.

Ihr Führungspersonal rekrutiert sich heute aus einer dünnen Schicht der oberen Mittelklasse, die in den 80er und 90er Jahren von der Ausdünnung der Sozialleistungen, den Steuersenkungen und den boomenden Aktienmärkten profitiert hat. Sie spricht für einen extrem rechten Flügel der superreichen Elite, dessen Hass auf die Arbeiterklasse schon fast pathologisch ist, und der keinen Widerstand gegen seine Bestrebungen dulden wird, sich einen immer größeren Anteil am gesellschaftlichen Reichtum einzuverleiben. Alle Wesensmerkmale Blairs - seine Arroganz, seine Bereitschaft, zu Gewaltmitteln zu greifen, und seine Verachtung für demokratische Gepflogenheiten - sind die allgemeinen Attribute dieser gesellschaftlichen Schicht, die den Nöten der breiten Mehrheit der Bevölkerung gegenüber völlig indifferent ist.

Blair sprach in seiner Fernsehrede für die Rupert Murdochs dieser Welt. Sie haben ihn unmissverständlich wissen lassen, dass ihre Unterstützung für seine Regierung in Zukunft davon abhängt, ob er den Feuerwehrleuten eine entscheidende Niederlage beibringt. Sie sind sich vollkommen bewusst, dass der Niedergang des Einkommens der Feuerwehrleute nur ein Ausdruck der Verarmung der Arbeiter ist, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten ständig vorangeschritten ist.

Alle verfügbaren sozialen Indikatoren über Vermögen, Einkommen, Wohnungssituation, Gesundheit, Ausbildung und sogar Lebenserwartung weisen auf eine zunehmende Kluft zwischen den obersten Schichten der Gesellschaft und der Masse der Bevölkerung hin. Die Regierung hat die Löhne niedrig gehalten und lebenswichtige soziale Dienste heruntergeschraubt oder privatisiert. Gleichzeitig hat sie eine ganze Reihe antidemokratischer Maßnahmen eingeführt, die das Recht auf Versammlung, die Meinungsfreiheit und das Recht auf politische Organisierung einschränken.

Im Ergebnis ist die Gesellschaft von einer tieferen Klassenspaltung gekennzeichnet als je zuvor in der Geschichte. Deswegen hat der Streik der Feuerwehrleute eine so scharfe Form angenommen. Die Finanzoligarchie, die Blair repräsentiert, wird keine Einschränkung ihrer rücksichtslosen Anhäufung eines immer obszöneren persönlichen Reichtums dulden. Diese Elemente sehen im Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Verfall der alten Arbeiterbewegung eine Befreiung von allen früheren Rücksichtnahmen auf die Notwendigkeit, einen gesellschaftlichen und politischen Konsens zu erhalten. Ob im Nahen Osten, den USA oder Europa, versuchen sie jede Gelegenheit zu ergreifen, um Widerstand gegen ihre Politik zu zerschlagen und ihre unangefochtene Vorherrschaft zu etablieren.

Es ist kein Zufall, dass Blairs Pressekonferenz zum Tarifkampf der Feuerwehrleute mit der erneuten Bekräftigung der Regierung zusammenfällt, die Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Irak verstärkt zu unterstützen, ungeachtet der internationalen und nationalen Opposition dagegen. Etwa eine Milliarde britischer Pfund sind als Sonderausgabe bereitgestellt, um das Engagement des britischen Militärs am persischen Golf zu finanzieren, obwohl Brown insistiert, für eine anständige Lohnerhöhung sei kein Geld da.

Labours Kurs - Klassenkrieg im Inland und militärischer Krieg im Ausland - ergibt sich zwangsläufig aus Blairs allgemeinen Perspektive. Er beharrt darauf, sich ungeachtet der gesellschaftlichen Folgen den internationalen Geldmärkten zu fügen und an der sogenannten "besonderen Beziehung" zu Washington festzuhalten, selbst wenn es Zehntausende unschuldiger Menschenleben im Irak und anderswo kostet. Damit verfolgt er einen Kurs, der zur Wiederbelebung des britischen Imperialismus führt, zu einem schrecklichen Preis für die arbeitende Bevölkerung im In- und Ausland.

Aus diesem Grund hat Blair entschieden, an dem Feuerwehrstreik ein Exempel zu statuieren. Er will der kriminellen Bande in der Umgebung von Präsident Bush signalisieren, dass er nicht nur bereit ist, an militärischen Abenteuern teilzunehmen, sondern auch nicht zu der Sorte europäischer Sozialdemokraten gehört, die davor zurückschrecken, Sozialausgaben zu kürzen, die Wirtschaft zu deregulieren und es mit der Arbeiterklasse aufzunehmen.

Gewerkschaftsführer entwaffnen die Arbeiterklasse

Blairs wichtigster politischer Vorteil besteht darin, dass die offizielle Arbeiterbewegung von einer Bürokratie geführt wird, die fest entschlossen ist, jeden wirkungsvollen Kampf gegen die Regierung zu sabotieren, und die sicherstellen will, dass die Interessen der Unternehmer obsiegen.

Das ist die Bedeutung der Erklärung von John Monks, dem Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes TUC, der die Konfrontation der Labour-Regierung mit den Feuerwehrleuten als einen "Familienkrach" herunterspielte. "Mit einem Familienkrach kennen wir uns alle aus," sagte Monks auf einem TUC-Kongress zwei Tage vor der Pressekonferenz des Premierministers. "Er muss so schnell wie möglich aus der Welt geschafft werden, sonst wird er verbittert."

Wer die bisherige Bilanz des TUC kennt, kann diese Worte nur als Versprechen interpretieren, den Streik der Feuerwehrleute bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu verraten.

Monks sprach über die Intervention der Regierung vom Vortag. Diese hatte ein Lohn- und Modernisierungsabkommen gekippt, das er selbst zwischen der Feuerwehrgewerkschaft FBU und den kommunalen Arbeitgebern vermittelt hatte. Er klagte: "Das Lohnniveau entsprach fast exakt den Vorgaben, die der Vizepremierminister in seiner Erklärung vor dem Unterhaus am Dienstag gegeben hatte." Die FBU habe einem "bindenden Schlichtungsverfahren" über eine Steigerung der Arbeitsproduktivität und Einsparungen zugestimmt, andernfalls hätten die Kommunen die Vereinbarung aufkündigen können. Er schloss: "Die Arbeitgeber waren zufrieden, und wir nahmen an, die Regierung werde es auch sein."

Selbst nachdem Blair die Annahme dieser schäbigen Vereinbarung durch die FBU verhindert und so einen Streik provoziert hat, blieb es die erste Sorge des TUC, die Autorität der Regierung zu wahren. John Edmonds von der General Municipal and Boilermakers Union sicherte der Regierung zu, dass der TUC jedes Abkommen mit den Feuerwehrleuten als einen "Sonderfall" behandeln und nicht auf ähnlichen Lohnerhöhungen für andere Berufe bestehen werde.

Von einem "Familienkrach" kann man hier nur sprechen, wenn man einen Streit innerhalb der Bürokratie meint - zwischen der Labour- und der Gewerkschaftsbürokratie, die taktische Differenzen haben. Monks und Co. vertreten nicht ihre Mitglieder, sondern ihre eigenen selbstsüchtigen Interessen. In der ersten vierjährigen Amtszeit von Labour half der TUC, die Ausgabenziele durchzusetzen, die Labour von ihrer konservativen Vorgängerregierung übernommen hatte; dazu gehörte die Durchsetzung von Lohnzurückhaltung und die Lähmung jeder Opposition gegen die Privatisierung des öffentlichen Dienstes.

Monks ist sich über den arbeiterfeindlichen Charakter der Blair-Regierung, mit der er so eng zusammengearbeitet hat, vollkommen bewusst. Aber er schürt nach Kräften die Illusion, Labour könne irgendwie dazu gebracht werden, die Fehlerhaftigkeit ihres Kurses zu erkennen. Die Linken in den Gewerkschaften sind mindestens so entschlossen wie Monks, eine politische Abrechnung der Arbeiterklasse mit Labour zu verhindern. Sie lassen die Möglichkeit offen, Labour könne zu ihren Wurzeln zurückkehren, wenn die Partei nur Blairs Ketzerei zurückweise.

Kein goldenes sozialdemokratisches Zeitalter

Ein wirkliches goldenes Zeitalter hat die Labour Party nie gehabt. Sie hat immer die Interessen des Kapitals verteidigt. Die Labour Party hat Lohnforderungen und Sozialreformen nur insoweit unterstützt, wie sie dazu dienten, die Arbeiterklasse von einem politischen Kampf gegen das Profitsystem abzuhalten. Wenn die Interessen der Wirtschaft es verlangten, dann waren die Labour Party und der TUC nur allzu bereit, sich offen gegen Streiks zu stellen und auf ihre Niederlage hinzuarbeiten.

Vor einem Vierteljahrhundert haben die Feuerwehrleute schon einmal für eine dreißigprozentige Lohnerhöhung gegen eine Labour-Regierung gestreikt, um das durchschnittliche Lohnniveau in der Industrie zu erreichen. Die Callaghan-Regierung setzte damals 10.000 Armeesoldaten, 5.200 Angehörige der Luftwaffe und 1.350 Soldaten der Marine ein, um den Streik zu brechen.

Am 29. November 1977 wurde der Vorstand der FBU in die Downing Street zitiert und darüber informiert, dass "aus übergeordneten politischen Gründen" ein erfolgreicher Ausgang des Streiks nicht zugelassen werde. Innerhalb weniger Tage traf sich das Entscheidungsgremium des TUC und lehnte es einstimmig ab, die Feuerwehrleute zu unterstützen. Schließlich empfahl der Vorstand der FBU am 6. Januar 1978 einer wiedereinberufenen Delegiertenkonferenz die Annahme des nur leicht veränderten ursprünglichen Angebots der Arbeitgeber. So wurde der Streik abgewürgt.

Vielen mag das noch in schauriger Erinnerung sein, aber heute ist es viel schlimmer. Seitdem haben die Gewerkschaften eine ununterbrochene Abfolge von Niederlagen durch die Regierungen von Callaghan, Thatcher und Major hingenommen. Jetzt hat Blair die Aufgabe auf sich genommen, ein Sozial- und Wirtschaftsprogramm durchzusetzen, das Callaghan nicht einmal im Traum für möglich gehalten hätte.

Wenn die Feuerwehrleute weiterhin der Perspektive und Führung der Gewerkschaftsbürokratie folgen, dann wird es nicht möglich sein, ihre Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen zu verteidigen. Die grundlegenden Interessen und demokratischen Rechte der arbeitenden Menschen sind nicht mit der weiteren Existenz der Blair-Regierung und dem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zu vereinbaren, das sie verteidigt.

Die Arbeiterklasse steht vor der dringenden Notwendigkeit, einen politischen Kampf gegen die Unternehmer und ihre Vertreter in der Labourparty und bei den Konservativen aufzunehmen. Weder die Feuerwehrleute noch irgendein anderer Teil der Arbeiter kann es sich noch leisten, die Arbeiterbewegung weiter von einer Gewerkschaftsbürokratie kontrollieren zu lassen, die jede unabhängige Initiative unterdrückt und mit allen Mitteln den wirtschaftlichen Status Quo zu konservieren versucht.

Die Streikbereitschaft und gewerkschaftliche Militanz allein reichen nicht aus, um sich gegen die Kräfte durchzusetzen, die gegen die Feuerwehrleuten in Stellung gegangen sind. Es muss jede Anstrengung unternommen werden, den Würgegriff des TUC über den Streik abzuschütteln; auch direkte Appelle an andere Gruppen von Arbeitern, Solidaritätsaktionen zu ergreifen. Doch das muss im Rahmen einer breiteren politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Kriegstreiberei der Blair-Regierung und gegen ihre systematische Unterhöhlung von demokratischen Rechten und Lebensstandards erfolgen. Ein solcher Kampf erfordert, dass die Socialist Equality Party zur dringend benötigten politischen Partei der arbeitenden Menschen aufgebaut wird.

Siehe auch:
Die politischen Fragen im britischen Feuerwehrstreik
(30. November 2002)
(Dieser Artikel ist auch in der gleichheit - Januar/Februar 2003 enthalten.)
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