Venezuela

Bereitet die CIA einen neuen Putschversuch vor?

Während sich seit nunmehr zwei Wochen venezolanische Unternehmer im "Streik" befinden, weist alles darauf hin, dass das südamerikanische Land Opfer einer klassischen Destabilisierungskampagne ist, die gemeinsam mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA organisiert wurde.

Nachdem im vergangenen April der Versuch fehlgeschlagen war, den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez mit Hilfe der Vereinigten Staaten zu stürzen, arbeiten die herrschenden Kreise Venezuelas nun in Verbindung mit Washington daran, ihn zum Rücktritt zu zwingen oder einen neuen Militärputsch zu provozieren.

Es kann dabei nicht ausgeschlossen werden, dass Washington direkt in Venezuela intervenieren wird - einem Land, das einer der wichtigsten Öllieferanten für die Vereinigten Staaten ist.

Der "Streik" - tatsächlich eine Aussperrung vonseiten der Unternehmer - begann am 2. Dezember. Er ist das gemeinsame Werk der FEDECAMARAS - des venezolanischen Unternehmerverbandes - und der Vereinigung Venezolanischer Arbeiter (CTV), einer korrupten Gewerkschaftsbürokratie mit engen Verbindungen zum US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO. Die CTV erhält auch beachtliche Summen von der US-amerikanischen Nationalen Stiftung für Demokratie, die ins Leben gerufen wurde, um ausländischen Organisationen, die früher direkt von der CIA finanziert worden waren, Gelder zukommen zu lassen.

Die gemeinsame Aktion des Unternehmertums und der CTV macht sich am stärksten in den wohlhabenden Stadtvierteln und der Einkaufszone der Hauptstadt Caracas bemerkbar, wo teuer gekleidete Demonstranten, unterstützt von motorisierten Schlägertypen, die Ladenbesitzer gezwungen haben, ihre Geschäfte zu schließen. In den Arbeitervierteln und den verarmten Slums auf den Hügeln rund um die Hauptstadt hat sich der "Streik" auf das tägliche Leben kaum ausgewirkt.

Hunderttausende Demonstranten zogen am Samstag vergangener Woche aus diesen Vierteln ins Zentrum der Hauptstadt, um an einer Demonstration "für Demokratie und zur Verteidigung der Verfassung" teilzunehmen, die von Unterstützern der Regierung organisiert worden war. Diesem Aufruf folgten weit mehr Menschen, als jemals von den Organisatoren der Aktion von FEDECAMARAS und CTV mobilisiert werden konnten.

In einem Land, in dem 80 Prozent der 26 Millionen Einwohner in Armut leben, kann es kaum überraschen, dass ein "Streik", der von der reichen Oligarchie für sich selbst organisiert wird, keine Massenunterstützung erfährt. Um die fehlende Unterstützung durch die Bevölkerung wettzumachen, greifen die Führer des Versuchs, Chavez zu stürzen, zu terroristischer Gewalt, Wirtschaftssabotage und einem Sperrfeuer von Medienpropaganda, das regelrecht eine psychologische Kriegsführung gegen die Bevölkerung darstellt.

Am 7. Dezember, als die Führer des Protestes über die Frage diskutierten, ob die Aktion fortgesetzt werden soll, fielen Schüsse auf einem Platz im wohlhabenden Stadtteil Altamira in Caracas. Der Platz ist seit Oktober die Bühne eines absurden Protestes gegen Chavez, der von einer Gruppe von Militäroffizieren ausgeht. Die meisten von ihnen waren an dem gescheiterten Putschversuch im letzten April beteiligt und haben seitdem ihre Posten in der Armee verloren. Die Generäle, Admiräle und Oberste, die aus einem nahe gelegenen Luxushotel heraus operieren, haben den Platz zum "befreiten Territorium" erklärt.

Eine Reihe von Unterstützern der Anti-Chavez-Demonstrationen waren auf dem Platz, als die Schießerei begann, und als sie endete, waren mindestens drei von ihnen tot und viele mehr verwundet.

Kaum hatte sich der Rauch verzogen, gab einer der abtrünnigen Offiziere, General Enrique Medina Gomez, im Rundfunk Chavez die Schuld an dem Blutvergießen und forderte das Militär auf, ihn zu stürzen, "wie es dies am 11. April gemacht hat", als der venezolanische Präsident über zwei Tage gefangen gehalten und eine Junta aus Zivilisten und Militärs gebildet wurde. Der Staatsstreich war damals angesichts von Massenprotesten und Uneinigkeit im Militär schnell zusammengebrochen.

Mittlerweile begannen die wichtigsten Fernsehsender des Landes - deren Besitzer allesamt zu den Anti-Chavez-Kräften gehören - immer wieder die Szenen des Blutbads auf dem Platz zu zeigen.

Später kam allerdings heraus, dass der Hauptverdächtige, der am Ort des Verbrechens festgenommen wurde, eine Portugiese namens Joao Gouveia ist. Er schien geistig verwirrt und erklärte, er sei am Vortag aus Lissabon angereist und habe den Anschlag ausgeführt, um sich an einem der Fernsehsender zu rächen, weil dieser ihn verfolgt habe.

Ein Parlamentarier und Journalist, der die Chavez-Regierung unterstützt, behauptet allerdings, dass Gouveia seine psychischen Probleme vortäusche und zugegeben habe, dass er für den Anschlag von General Medina Gomez bezahlt worden sei. Mittlerweile sind in Venezuela Presseberichte erschienen, denen zufolge ein weiterer Schütze, der vor Ort gefilmt wurde, am Tag zuvor mit dem Bürgermeister von Caracas gesehen wurde, der selbst eine führende Gestalt in der Anti-Chavez-Bewegung ist.

Dieser seltsame Anschlag folgt dem Muster vom letzten April. Damals wurden 18 Menschen getötet und 30 verwundet, als unbekannte Bewaffnete in eine Demonstration gegen die Regierung feuerten. Das Blutvergießen diente den Führern des Militärputsches als Vorwand, den Regierungspalast anzugreifen, Chavez zu verhaften und eine provisorische Junta auszurufen. Die rebellischen Generäle hatten Stunden vor der Schießerei ein Band aufgenommen, auf dem sie sich selbst zu Gegnern der Regierung erklärten und die Regierung für eine Reihe von Toten auf der Demonstration verantwortlich machten. Einige Personen, die wegen der Schießerei verhaftet worden waren, wurden von der kurzlebigen Junta sofort wieder auf freien Fuß gesetzt.

Der jetzige "Streik" zeigt auch deshalb eine gewisse Wirkung, weil er vom Management des staatlichen Ölkonzerns PDVSA unterstützt wird. Der Versuch von Chavez, diese Institution - die von den wohlhabenden Unterstützern der alten herrschenden Parteien Venezuelas, Copei und Acción Democratica, lange als Goldesel benutzt wurde - neu zu organisieren, hatte den Putschversuch im April ausgelöst. Nachfolgend war Chavez mit diesen Managern zu einer Übereinkunft gekommen und hatte sogar einer saftigen Gehaltserhöhung zugestimmt.

Schiffsoffiziere auf Öltankern und private Unternehmen, über die der Öltransport läuft, wurden von der Anti-Chavez-Verschwörung rekrutiert, um die Ölindustrie des Landes zum Stillstand zu bringen und dadurch die Wirtschaft auf Null zu fahren. Venezuela ist der fünftgrößte Ölexporteur der Welt und die Ölexporte machen 80 Prozent der Deviseneinnahmen des Landes aus. Venezuela liefert 13 Prozent des Rohöls, das von den Vereinigten Staaten importiert wird. Die Vereinigten Staaten verbrauchen 70 Prozent der 2,5 Millionen Barrel Öl, die täglich in Venezuela gefördert werden.

"Der Ölexport ist zum Stillstand gekommen, die Häfen stehen still, die Raffinerien kommen langsam zum Stillstand und die Produktion ebenso", sagte der PDVSA-Leiter Ali Rodriguez am vergangenen Montag.

"Wir stehen vor einer nationalen Katastrophe; kein Arbeiter, der sein Unternehmen oder sein Land liebt, wird zulassen, dass dieser Zustand anhält", sagte er. Er warnte, dass die PDVSA, solange sie nicht die normale Öllieferung wieder aufnehme, nicht in der Lage sei, die Gehälter der Arbeiter und Rechnungen der Zulieferer zu zahlen, und gleichzeitig hohe Vertragsstrafen zu erwarten hätte. Rodriguez ist der einzige der insgesamt acht PDVSA-Vorsitzenden, der nicht aus Protest gegen Chavez zurückgetreten ist.

Obwohl die Kapazitäten der Raffinerien Berichten zufolge ausgeschöpft sind, kann das Öl aufgrund des eingestellten Transports nicht ausgeliefert werden. Daher haben einige Tankstellen bereits geschlossen, und mindestens eine Fluglinie hat wegen möglichem Treibstoffmangel die ihren Betrieb weitgehend eingestellt. Nach Berichten fliegen auch einige ausländische Fluggesellschaften Caracas nicht mehr an, vermutlich weil sie Bedenken haben, dass ihre Flugzeuge dort hängen bleiben könnten.

Chavez reagierte darauf, indem er das Militär anwies, die Kontrolle über die Raffinerien, Ölauslieferungszentren und jene Öltanker zu übernehmen, die ihre Tätigkeit eingestellt haben.

Einen weiteren Versuch, Venezuelas bereits angeschlagene Wirtschaft zu unterminieren, stellte die Entscheidung der Banken dar, am Montag ihre Häuser für einen Tag geschlossen zu halten und für unbestimmte Zeit die Öffnungszeiten und Dienstleistungen einzuschränken.

Die Atmosphäre der Provokation und Wirtschaftssabotage vonseiten der Unternehmerschaft erinnert an die CIA-Kampagne zur Destabilisierung der Regierung des chilenischen Präsidenten Salvador Allende im Jahre 1973. Nach und nach ist herausgekommen, dass der US-amerikanische Geheimdienst in enger Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden und korrupten rechten Gewerkschaften den LKW-Fahrer-Streik organisiert und finanziert hatte, der das Land vor dem Staatsstreich lahm legte. Die wirtschaftliche Erschütterung schuf die Bedingungen für den Militärputsch am 11. September 1973 unter Führung von General Augusto Pinochet, dem eine blutige Unterdrückung der chilenischen Arbeiterklasse und 15 Jahre Diktatur folgten.

Es kann kaum bezweifelt werden, dass Washington einen großen Anteil daran hat, die Erschütterungen in Venezuela anzustacheln. Bevor sie ihren Krieg gegen den Irak beginnt, will die Bush-Regierung sichergehen, dass die Versorgung mit venezolanischem Öl steht. Langfristig erwartet die herrschende Elite in den Vereinigten Staaten gemeinsam mit den venezolanischen Oligarchen erhebliche Profite durch die Privatisierung des staatlichen Ölkonzerns.

Seit letztem April hat Chavez versucht, sich Washington anzupassen, indem er seine nationalistische Rhetorik dämpfte und sogar öffentlich bekannt gab, dass Venezuela auch dann ein verlässlicher Öllieferant für den US-Markt bleiben werde, wenn durch eine Invasion des Iraks Lieferungen aus anderen Weltteilen unterbrochen würden.

Obwohl die venezolanische Regierung größtenteils die wirtschaftlichen Anweisungen des Internationalen Währungsfonds umgesetzt hat, ist die Bush-Regierung entschlossen, Chavez abzusetzen, der mit seinen freundschaftlichen Beziehungen zu Castros Kuba und seiner Verurteilung der Bombardierung Afghanistans den Zorn Washingtons provoziert hat. Ebenso wie die herrschende Klasse Venezuelas betrachtet die US-Regierung Chavez begrenzte Reformen und seine populistischen Appelle an die verarmten Massen des Landes als eine nicht hinzunehmende Bedrohung von Reichtum und Privilegien.

Nachdem Chavez im April abgesetzt worden war, hatten amerikanische Regierungsvertreter den Staatsstreich umgehend begrüßt. Damals stellte sich heraus, dass hochrangige Berater der Bush-Regierung, unter anderem der Mitarbeiter im Außenministerium Otto Reich und der Berater im Weißen Haus Elliott Abrams - beides Schlüsselfiguren im heimlichen Netzwerk der Reagan-Regierung zur Unterstützung des terroristischen Kriegs der Contra gegen Nikaragua in den 1980-er Jahren - sich wiederholt in Washington mit den Organisatoren des Putsches getroffen hatten.

Die Massenmedien in den Vereinigten Staaten nehmen loyal die Position der Bush-Regierung ein und geben die Ereignisse in Venezuela vorsätzlich verfälscht wieder. Die New York Times beispielsweise bezeichnet sie als "nationalen Ausstand", obwohl sich in Wirklichkeit nur wenige Arbeiter den Aktionen gegen die Regierung angeschlossen haben und zum größten Teil von ihren Arbeitgebern ausgesperrt wurden. In einigen Fällen haben Arbeiter die geschlossenen Fabriken aus Protest gegen den "Streik" besetzt.

Nach demselben Muster wird die Konfrontation so dargestellt, als fordere eine demokratische Opposition ein nationales Referendum über die Präsidentschaft von Chavez, während dessen autoritäres Regime eine solche Abstimmung verhindern wolle.

So schreibt die Times, die Opposition wolle, "vermeiden, dass man bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Jahre 2006 warten muss", um die Krise zu lösen.

Tatsächlich gibt es nach der venezolanischen Verfassung, die im Jahre 1999 durch eine Volksabstimmung bestätigt wurde, die Möglichkeit, ein solche Referendum in der Mitte der Amtsperiode des Präsidenten durchzuführen - das wäre im August 2003. Die politischen Vertreter der venezolanischen Oligarchie fordern jedoch, dass Chavez sich schon am 2. Februar einer Wahl stellt, die nicht in der Verfassung vorgesehen ist.

Sie möchten deshalb keine sieben Monate abwarten, weil sie den anstehenden Gesetzesvorhaben zur Landreform und Neuorganisierung der PDVSA nicht trauen. Außerdem fürchtet die "demokratische" Opposition in Venezuela, dass sie nicht genug Stimmen erhält, um Chavez auf jeden Fall absetzen zu können. (Die Verfassung verlangt, dass ein Referendum prozentual mehr Unterstützer hat als der Präsident bei den vorausgegangenen Wahlen an Stimmen erhalten hat, in Chavezs Fall waren das 57 Prozent.)

In Venezuela hat die Empörung über die Rolle der örtlichen Medien, die als Propagandawaffe für diejenigen arbeiten, die Chavez stürzen wollen, zu Massendemonstrationen vor Fernsehsendern geführt. Die fünf privaten Fernsehsender haben offen für Aktionen gegen die Regierung geworben und falsche Berichte ausgestrahlt, um die Regierung zu unterminieren. Am vergangenen Montag riefen Tausende vor den Sendern: "Putsch-Treiber, sagt die Wahrheit!", und in Maracay besetzten Demonstranten eine Fernsehstation.

Die Proteste wurden vom Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten César Gaviria scharf verurteilt und als "Einschüchterungsmaßnahmen" bezeichnet. Er forderte, dass die Regierung "eingreifen" müsse, um die "Presse- und Meinungsfreiheit" zu verteidigen.

Diese Kommentare zeigen die Befangenheit von Gaviria, einem ehemaligen kolumbianischen Präsidenten, der zwischen Chavez und seinen Gegnern vermitteln soll. Ebenso wie das amerikanische Außenministerium hat er in zunehmenden Maße seine Unterstützung für die Forderung der venezolanischen Oligarchie nach vorgezogenen Wahlen deutlich werden lassen.

Chavez selbst hat seine Bereitschaft angezeigt, über diese Forderung zu verhandeln. Die Opposition versucht nun allerdings die wirtschaftlichen Erschütterungen zu nutzen, um den Präsidenten zum sofortigen Rücktritt zu drängen, und besteht gleichzeitig darauf, dass sein Stellvertreter José Vicente Rangel nicht einmal für eine Übergangszeit als Nachfolger von Chavez geduldet werden könne.

Siehe auch:
Gescheiterter Staatsstreich in Venezuela war von den USA vorbereitet
(18. April 2002)
Die Vereinigten Staaten nehmen Venezuela ins Visier
( 6. Januar 2001)
In Venezuela mehren sich Warnungen vor einem Putsch
( 17. September 1999)
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