G8-Gipfel lehnt Hilfe für Afrika ab

Obwohl die Führer der Welt auf dem G8-Gipfel in Kananaskis in Kanada ihre Besorgnis und ihre Unterstützung beteuerten, lehnten sie die Bitte afrikanischer Führer um mehr Hilfe, Investitionen und die Aufhebung von Handelsbarrieren ab.

Zwölf Monate lang haben die wichtigsten afrikanischen Führer an der Schaffung eines Projekts namens New Partnership for Afrika's Development (NEPAD - Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung) gearbeitet, das ein zentrales Thema des Gipfels von Kananaskis werden sollte. Das vor einem Jahr beim G8-Gipfel in Genua aus der Taufe gehobene NEPAD akzeptiert ohne Einschränkung alle Regeln der freien Marktwirtschaft und die Terminologie der "good governance", die der Westen im Gegenzug für Wirtschaftshilfe verlangt hatte; die afrikanischen Führer versprachen sogar, sich jedes Land - wie z.B. Simbabwe - vorzuknöpfen, das die gemeinsame Linie verlassen sollte.

Vier afrikanische Führer - Südafrikas Präsident Mbeki, Nigerias Obasanjo, Senegals Wade und Algeriens Bouteflika - waren nach Kananaskis eingeladen worden und erwarteten, als Belohnung für ihre Anstrengungen Unterstützung von den Westmächten zu erhalten. Obwohl sie nichts vom G8-Gipfel erhielten, dankten sie ihren Herren geflissentlich. "Nichts Menschliches kann je perfekt sein," kommentierte Obasanjo ohne jede Ironie. Aber auch wenn niemand erwartet hatte, dass außer schönen Worten viel Geld für den Kampf gegen Afrikas Armut herausspringen würde, waren die Hilfsorganisationen doch schockiert, als überhaupt keine zusätzlichen finanziellen Hilfen oder Initiativen zu erkennen waren.

US-Präsident George W. Bush gab den Tenor des Gipfels mit den Worten vor: "Ich bin tief besorgt über die Buchhaltungsmethoden einige Firmen in Amerika." Anders als in den letzten zehn Jahren auf den G8-Gipfeln üblich, badeten die Vertreter der USA diesmal nicht "im wirtschaftlichen Erfolg", wie die Financial Times bemerkte, sondern das Weiße Haus war bemüht, "das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen und politische Angriffe aus dem In- und Ausland abzuwehren".

Aber nicht nur die USA lehnten angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Probleme ab, Verpflichtungen gegenüber Afrika einzugehen. Japan - noch letztes Jahr das größte Geberland - hat seine Entwicklungshilfe gekürzt, und Ministerpräsident Koizumi betonte, es sei angesichts von Japans Anstrengungen, seine Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen, keine gute Zeit, neue Hilfsverpflichtungen einzugehen.

Den USA lag viel mehr daran, Zahlungen an Russland als an Afrika zu leisten. Sie brachten Europa und Japan, dazu, weitere zehn Milliarden Dollar an Russland zu zahlen und damit die Summe zu verdoppeln, die die USA in den nächsten zehn Jahren im Rahmen der "globalen Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen" ausgeben.

Europa und Japan zögerten ihrerseits, einen Plan zu finanzieren, der keine wirkliche Verpflichtung zur Abrüstung atomarer Waffen beinhaltet, sondern darauf abzielt, Russland unter den Einfluss der USA zu bringen. Der Economist kommentiert, der Wortlaut der Vereinbarung über die Zahlung der zehn Milliarden Dollar sei von "alarmierender Unbestimmtheit".

Die informellen Diskussionen der G8-Führer konzentrierten sich auf die Meinungsverschiedenheiten in der Nahostpolitik; Europa und die USA weigerten sich, die Forderung der USA zu unterstützen, den Palästinenserführer Jassir Arafat loszuwerden, und der russische Präsident Putin nannte es "kontraproduktiv", ohne Arafats Kooperation weitermachen zu wollen.

Was Afrika betrifft, machte der G8-Gipfel lediglich das vage Versprechen, die Hilfe bis 2006 um sechs Milliarden Dollar pro Jahr zu erhöhen. Das ist kein zusätzliches Geld, sondern nur die Hälfte der zusätzlichen zwölf Milliarden weltweiter Entwicklungshilfe, die von der UNO-Konferenz in Monterey in Mexiko Anfang des Jahres versprochen worden waren. Selbst eine feste Verpflichtung, die Hälfte der weltweiten Entwicklungshilfe für Afrika auszugeben, wurde von den USA und Japan bekämpft. Der Sprecher von Oxfam nannte das Versprechen "Peanuts" und "dazu noch lediglich neu verpackte Peanuts".

Die Kosten für den G8-Gipfel werden auf eine halbe Million Dollar geschätzt, was ironischerweise der Summe entspricht, die Kanada an Hilfe für Afrika versprochen hat.

Wie gering die Summe ist, kann man daran ermessen, dass die Hilfe des Westen für Afrika in den neunziger Jahren von 17 Mrd. Dollar im Jahr auf 13 Mrd. zurückgegangen ist. NEPAD war von westlichen Führern wie dem britischen Premierminister Tony Blair als Antwort auf die katastrophale und sich verschlechternde Lage auf dem Kontinent gepriesen worden, auf dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung von weniger als einem Dollar am Tag leben muss. Blair erklärte, dass "die Lage in Afrika eine Wunde im Gewissen der Welt ist". NEPAD schätzt, dass 64 Mrd. Dollar im Jahr nötig wären, um Afrikas Niedergang aufzuhalten.

Obwohl die USA sich bereit erklärten, ihre Entwicklungshilfezahlungen in den nächsten fünf Jahren um 50 Prozent auf 15 Mrd. Dollar zu erhöhen, werden die Ausgaben der USA für Entwicklungshilfe immer noch weniger als ein Zehntel Prozent des BIP betragen, der niedrigste Wert aller entwickelten Staaten. Die USA behalten sich außerdem vor, selbst zu entscheiden, welche Länder für ihre Hilfe akzeptabel sind, d.h. sich in Übereinstimmung mit den strategischen Interessen der USA verhalten. Diese imperialistische Doktrin ist jetzt ausdrücklich in der G8-Erklärung niedergelegt, die besagt, dass die westlichen Länder Staaten "in Übereinstimmung mit unseren jeweiligen Prioritäten und Bestimmungen" unterstützen werden.

Einer der wenigen konkreten Beträge, die vom G8-Treffen beschlossen wurden, war eine Milliarde Dollar für das Programm des IWF für die hochverschuldeten Armen Länder (HIPC). Analysten weisen darauf hin, dass das Geld keine neue Schuldenerleichterung bedeutet, sondern lediglich eine Finanzierungslücke des IWF ausgleicht. Der IWF kalkuliert Schuldenrückzahlungen auf der Basis des Warenexports eines Landes. Die Preise von Rohstoffen, die den größten Teil der afrikanischen Exporte ausmachen, sind ständig gesunken und haben wirtschaftliche Verbesserungen zunichte gemacht, die durch die Erleichterung der Schuldenlast möglich gewesen wären.

Der Schuldenerlass hat in Afrika zu keiner der versprochenen Verbesserungen geführt. Auf dem G8-Gipfel 1999 in Köln hatten westliche Regierungen große Hoffnungen auf diese Herangehensweise zur Milderung von Armut gesetzt und hatten damit auf Protestkampagnen wie "Jubiläum 2000" reagiert. Es wurde bekannt gegeben, dass 100 Mrd. Dollar Schulden der 42 ärmsten Länder der Welt gestrichen würden. Um sich aber für die Schuldenstreichung zu qualifizieren, müssen die Länder jeden Aspekt ihrer Finanzen der Kontrolle des IWF unterwerfen. Nach fünfjährigen Verhandlungen haben lediglich fünf der 42 Kandidaten den vollen, im Rahmen des HIPC vorgesehenen Schuldenerlass erhalten. Afrikanische Länder leisten immer noch 15 Mrd. Dollar Schuldendienst pro Jahr an die westlichen Banken; die meisten von ihnen geben mehr für den Schuldendienst aus, als für Gesundheit oder Ausbildung.

Mit dem Scheitern der Politik der Schuldenerlasse konzentrieren sich die Kampagnen auf Handelsfragen, insbesondere die Barrieren, die von den westlichen Ländern gegen Exporte aus Afrika errichtet worden sind. Afrikas Anteil am Welthandel hat sich von 1980 bis 2000 halbiert. Die Reaktion der G8 in Kananaskis waren leere Versprechungen, "den Marktzugang" für afrikanische Exporte bis 2005 zu verbessern. In Wirklichkeit hat der Protektionismus drastisch zugenommen. Kommentatoren haben auf das amerikanische Landwirtschaftsgesetz hingewiesen, das die Subventionen für die amerikanischen Bauern in den nächsten drei Jahren um 180 Mrd. Dollar erhöht, und an die 100 Mrd. Dollar Unterstützung erinnert, die die EU ihren Bauern jedes Jahr gewährt.

Im Jahre 2000 wurde in den USA das Gesetz über "Wachstum und Chancen für Afrika" verabschiedet, das angeblich die amerikanischen Märkte für Afrika öffnen sollte. Der Financial Times zufolge ist selbst diese Maßnahme, die darauf abzielte, US-Konzerne zu ermutigen, in billige afrikanische Arbeitskräfte zu investieren und dann Waren zurück in die USA zu exportieren, in die Kritik geraten. US-Obstanbauer verlangen einen 15-prozentigen Zoll auf südafrikanische Birnenkonserven, und es sieht so aus, als ob Washington der Forderung nachkommen werde.

Letztes Jahr wurde der Globale Fond für den Kampf gegen HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria von der UNO ins Leben gerufen, und der G8-Gipfel von Genua versprach, ihn mit 1,3 Mrd. Dollar auszustatten. Trotz dem enormen Ausmaß der Aids-Krise in Afrika - mehr als 6.000 Menschen sterben jeden Tag an Aids - wurde dieses Jahr nichts in den Fond eingezahlt, und das obwohl der "Afrika-Aktionsplan" erklärte, dass es in Afrika keine Entwicklung geben kann, ohne dass Maßnahmen gegen diese allumfassende Epidemie ergriffen werden. Schätzungen besagen, dass für den Kampf gegen Aids jährlich zehn Mrd. Dollar benötigt werden, aber der Globale Fond hat erst Verpflichtungen von 2,1 Mrd. Dollar über drei Jahre erhalten.

Der G8-Gipfel war speziell für Blair ein Misserfolg. Der englische Premier hatte Afrika im letzten Jahr zu einer zentralen Frage erklärt und dem Kontinent in scheinheiligen Reden Entwicklungschancen versprochen ("nicht altmodische Entwicklungshilfe... sondern eine wirkliche Partnerschaft für die Erneuerung Afrikas", etc).

Der Guardian, der Blair sonst wie keine andere Zeitung unterstützt, reagierte auf den G8-Gipfel mit der Schlagzeile "Afrika verraten" und einem Kommentar, in dem das Schicksal von NEPAD beklagt wurde. Die Verantwortung für das Versagen der G8 liege "eindeutig bei Amerika". Die dem Guardian entsprechende Sonntagszeitung, der Observer, veröffentlichte eine Karikatur, die Blair als einen am Straßenrand ausgesetzten Pudel zeigt. Dieser sagt: "Und ich dachte, Pudel ist man fürs Leben", während Bushs Auto in der Ferne davonrast.

Kananaskis schafft vor allem für Hilfsorganisationen und politische Bewegungen große Probleme, die eine wichtige Rolle bei den Protesten gegen G8- und andere Weltgipfel gespielt haben. Oxfam und andere NGO's haben einen "fairen Handel" ins Zentrum ihrer Kampagnen gestellt, während Attac Steuererhöhungen (die "Tobin Steuer") fordert, um damit Hilfszahlungen für die unterentwickelten Länder zu finanzieren. Es ist kaum möglich, weiterhin die politische Reform des globalen Kapitalismus zu propagieren, wenn die in Kananaskis versammelten Führer sich nicht einmal zu den dürftigsten Initiativen aufraffen können.

Der Sonderberater der UNO zu Aids-Fragen, Stephan Lewis, beklagte sich in einem Interview mit allAfrika.com, dass unter Aids-Helfern ein Gefühl aufkomme, von den westlichen Regierungen verraten worden zu sein. "Diese Gipfel können regelrecht gefährlich sein. Man setzt so große Hoffnungen und Erwartungen in sie.... Es gibt ein gewisses Niveau der Unfähigkeit.... Diese Gipfel wecken Erwartungen, und dann kommt nichts nach."

Siehe auch:
UN-Bericht über Aids zeichnet ein Bild der Verwüstung - Teil 1
(21. Juli 2000)
UN-Bericht über Aids zeichnet ein Bild der Verwüstung - Teil 2
( 22. Juli 2000)
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