Bush vor der UN

Washington stellt der Welt ein Ultimatum

George W. Bush trat am Donnerstag vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf, bekräftigte seine Kriegpläne gegen den Irak und stellte den UN selbst ein Ultimatum: Entweder ihr unterstützt die amerikanische Aggression oder ihr werdet "bedeutungslos".

Neben ihrem arroganten und rüpelhaften Ton zeichnete sich die Rede durch einen schreienden Widerspruch aus: Saddam Hussein muss bestraft und gestürzt werden, weil er sich dem Willen der UN widersetzt hat, und die Vereinigten Staaten werden den Irak besetzen und ein Marionettenregime installieren, ob es den UN passt oder nicht.

Diese Doppelmoral prägte die gesamte Rede Bushs. Ihre Prämisse kann in die Worte gefasst werden: Die imperialistischen Staaten können tun was sie wollen; die halbkolonialen Staaten müssen tun, was ihnen gesagt wird.

Der kriegerische Gehalt von Bushs Geschwätz über weltweiten Frieden und Sicherheit wurde am Vorabend der Rede durch die Ankündigung des Pentagon unterstrichen, dass etwa 600 Offiziere unter General Tommy Franks im November vom zentralen Hauptquartier in Florida in den persischen Golfstaat Katar umziehen, wo sie eine Kommandozentrale für den Krieg einrichten. Der Zeitpunkt der Verlautbarung war so gewählt, dass keine Zweifel über die wahren Absichten Washingtons aufkommen konnten.

Ohne es geradeheraus auszusprechen, verlangte Bush vom UN-Sicherheitsrat die Verabschiedung einer Resolution, die den Irak anweist, innerhalb weniger Wochen UN-Waffeinspektoren ins Land zurückzulassen und ihnen ungehinderten Zugang zu sämtlichen Einrichtungen des Irak zu gewähren. Eine solche Resolution würde im voraus den Einsatz militärischer Gewalt sanktionieren, sollte der Irak ihr nicht voll entsprechen.

Gleichzeitig machte Bush deutlich, dass die Verabschiedung einer derartigen Resolution, unabhängig davon ob Bagdad sie erfüllt oder nicht, lediglich das Vorspiel für eine US-Invasion und die Installation eines Marionettenregimes wäre, das sich Washington unterordnet.

Bushs Rede bestand aus einer Anhäufung von Lügen, Entstellungen und Widersprüchen, die die Kriegsdrohung der USA gegen den Irak charakterisieren. Sie ging von der absurden Voraussetzung aus, dass das irakische Regime die weltweit größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit darstelle - eine derart schreckliche und unmittelbare Bedrohung, dass ein sofortiges militärisches Vorgehen nötig sei.

Bush wiederholte die Behauptung, Saddam Hussein sei ein zeitgenössischer Hitler, und sagte, die UN seien gegründet worden, damit der "Weltfrieden" nie wieder "durch den Willen und die Bosheit irgendeines Mannes zerstört" werde. Das irakische Regime stelle "genau jene aggressive Bedrohung dar, die abzuwehren die Vereinten Nationen geboren wurden".

Es erfordert nicht viel kritisches Bewusstsein, um die Unsinnigkeit derartiger Behauptungen wahrzunehmen. Der Irak ist eine verarmte ehemalige Kolonie, im Krieg besiegt und durch über zehn Jahre Sanktionen zerstört. Die Vereinigten Staaten haben gegen das schutzlose Land ununterbrochen Krieg geführt - diplomatisch, wirtschaftlich und militärisch. Sie bombardieren weiterhin nahezu täglich militärische und zivile Ziele im Norden und Süden des Landes.

Bush vertritt das mächtigste imperialistische Land der Welt, das bis an die Zähne mit den ausgefeiltesten und tödlichsten Massenvernichtungswaffen gerüstet ist. Es hat seine konkurrenzlose militärische Macht eingesetzt, um viel schwächere und kleinere Länder zu zerstören, hat in den sechziger und siebziger Jahren Vietnam verwüstet und im Verlauf von zwei Jahrzehnten eine Reihe anderer Staaten angegriffen: Libanon, Grenada, Panama, Irak, Somalia, Sudan, Jugoslawien und Afghanistan.

Es verfügt zur Zeit in Dutzenden Ländern auf der ganzen Welt über Militärstützpunkte und hat das vergangene Jahr damit verbracht, Afghanistan zu bombardieren - wobei Tausende Zivilisten getötet und Hunderte gefangene Al Qaida- und Taliban-Soldaten hingemetzelt wurden.

Ein Kennzeichen des deutschen Nazi-Regimes war sein bösartiger Militarismus und seine Verachtung für internationales Recht und die Weltmeinung. Die Bush-Administration, die militärische Gewalt als zentralen Bestandteil ihrer Außenpolitik einsetzt, gleicht heute dem Hitler-Regime weit mehr als jede andere Regierung. Bushs Verhalten vor den UN verkörperte die Kriegswut seiner Regierung und ihre Geringschätzung für das internationale Recht.

Bush bemühte sich nicht darum, Beweise für die angebliche Ansammlung chemischer, biologischer oder nuklearer Waffen durch den Irak zu erbringen. Seine Regierung vertritt den Standpunkt, dass sie das nicht nötig hat. Die Bevölkerung der USA und der Welt soll Washingtons Wort einfach für bare Münze nehmen.

Es gibt eine einfache Erklärung für diese Haltung: Die USA haben keine ernstzunehmenden Beweise, um ihre Anschuldigungen zu untermauern. Am Tag vor Bushs UN-Rede gestanden führende amerikanische Geheimdienstler ein, dass es der Regierung nicht gelungen sei, einen neuen nationalen Bericht über die geschätzten nuklearen, chemischen und biologischen Waffenkapazitäten des Irak zu erstellen. Die letzte derartige, von mehreren Geheimdiensten in Zusammenarbeit erstellte Analyse war vor zwei Jahren erschienen. Bob Graham, ein Demokrat aus Florida der dem Geheimdienstausschuss des Senats vorsteht, hatte im Juli eine neue Einschätzung gefordert - erfolglos.

Es ist aufschlussreich, die jetzige "glaubt uns oder sonst"-Haltung der Regierung mit dem Vorgehen der Kennedy-Administration während der Kuba-Krise im Oktober 1962 zu vergleichen. Damals erachtete es die amerikanische Elite für unverzichtbar, vor die Vereinten Nationen zu gehen und klar zu beweisen, dass Kuba sowjetische Raketen stationiere, bevor sie militärische Maßnahmen gegen Kuba ergriff. Der UN-Botschafter der USA, Adlai Stevenson, führte einem Treffen des Sicherheitsrats vergrößerte Aufklärungsphotos der Raketenbasen vor.

Aufgrund des Fehlens solcher Beweise beschränkte sich Bushs Kriegserklärung auf zwei Argumente. Erstens: Das irakische Regime bedrohe die Welt, weil es seine angeblichen Massenvernichtungswaffen an terroristische Gruppen aushändigen könnte, die sie dann für Anschläge einsetzen könnten, die noch schlimmer als die vom 11. September sind. Der Irak könnte in naher Zukunft sogar Nuklearwaffen bauen. "Völlig sicher, dass er eine Nuklearwaffe hat, können wir erstmals sein, wenn er - Gott behüte - eine einsetzt," sagte Bush.

Andres ausgedrückt, die UN sollen einen umfassenden Krieg der USA gegen Saddam Hussein nicht aufgrund dessen sanktionieren, was der irakische Diktator getan hat, sondern was er in Zukunft tun könnte. Es ist offensichtlich, dass diese neuartige Begründung für einen Krieg von jedem Land benutzt werden könnte, um einen Präventivangriff auf jedes andere Land zu rechtfertigen.

Konkreter könnte sie - und würden sie ohne Zweifel - von den USA benutzt werden, um militärische Angriffe auf mehrere Länder zu rechtfertigen, die, wie jeder UN-Delegierte weiß, die Kriegskabale innerhalb der Bush-Administration bereits ins Visier genommen hat - insbesondere Syrien, den Iran und Korea.

Das zweite Argument besteht aus einer Litanei von UN-Resolutionen, die der Sicherheitsrat nach dem Golfkrieg von 1991 verabschiedet und der Irak laut Bush missachtet hat. Bush verlangte, dass die UN ein militärisches Vorgehen der USA im Namen der Durchsetzung dieser Resolutionen absegnet.

Als erstes muss dazu gesagt werden, dass diese Resolutionen den Rahmen eines erzwungenen Friedens bildeten, der dem Irak auf Geheiß der USA und ihrer imperialistischen Verbündeten nach dem Sieg auferlegt wurde. Sie belegen, das die UN im Wesentlichen ein Werkzeug der Großmächte ist.

Das Ziel dieser Maßnahmen, die dem Irak strikte wirtschaftliche Sanktionen auferlegten und ihn seiner Souveränität beraubten, bestand darin, die Bevölkerung auszuhungern, zu demütigen und das Land zu schwächen, damit die USA ihren Griff auf die reichen Ölvorräte des Landes verstärken konnten. Auch Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan wurde ein Teil der Beute versprochen.

Gegen die USA und andere imperialistische Länder wurden niemals derartige Sanktionen verhängt, wenn sie in zahlreichen asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern Subversion betrieben und Gewalttaten verübten.

Bush unterließ es, in seinem irakischen Sündenkatalog darauf hinzuweisen, wie die USA die Bestimmungen der UN-Resolutionen verfälschten und für Provokationen oder Bombenangriffe missbrauchten. Darunter fallen die "Flugverbotszonen" im Norden und Süden des Landes, die ohne Genehmigung der UN eingerichtet wurden, und die Einschleusung von CIA-Agenten unter die UN-Waffeninspekteure, die dann bei der Festlegung von Zielen für US-Raketen mitwirkten und dem Geheimdienst Informationen für Mordversuche gegen Saddam Hussein und andere irakische Führer lieferten.

Bush sagte verschleiernd, der Irak habe 1998 die Zusammenarbeit mit den Waffeninspekteuren "vollständig eingestellt", erwähnte aber nicht, dass die UN die Inspekteure in Vorbereitung eines viertägigen amerikanisch-britischen Luftangriffs im Dezember letzten Jahres selbst zurückgezogen hatten. Der Angriff fand übrigens ohne Zustimmung des Sicherheitsrats statt.

Ebenso wenig erwähnte er, dass die USA 1998 einseitig erklärt hatten, ihr politisches Ziel im Irak sei nicht nur die Erzwingung der UN-Sanktionen, sondern ein Wechsel des Regimes - ein Ziel, das die UN-Charta verletzt.

Die angeblichen Sorgen, die sich Bush um die Unverletzbarkeit der Autorität der UN macht, sind typisch für die Unaufrichtigkeit der gesamten amerikanischen Haltung. Bush sagt kein Wort über seinen engsten Verbündeten im Nahen Osten, Israel, das seit 35 Jahren UN-Resolutionen missachtet, die seinen Rückzug aus den besetzten Gebieten verlangen.

Außerdem weigern sich die USA selbst, sich durch UN-Resolutionen binden zu lassen, die ihnen nicht passen. Gegenwärtig versuchen sie offen und gezielt den Internationalen Strafgerichtshof zu sabotieren, der von den UN zur Verfolgung von Kriegverbrechern neu eingerichtet wurde.

Bushs Tirade gegen den Irak gipfelte in den üblichen Vorwürfen, Saddam Hussein sei im Iran einmarschiert und habe im Krieg gegen den Iran chemische Waffen eingesetzt. Er unterdrückte die Tatsache, dass die USA Saddam Hussein im Krieg gegen den Iran unterstützten, ihm bei der Entwicklung von chemischen und biologischen Waffen halfen und seinen Einsatz von chemischen Waffen gegen den Iran und dessen kurdische Verbündete im Nordirak taktisch guthießen.

UN-Generalsekretär Kofi Annan, der am Donnerstag unmittelbar vor Bush sprach, machte deutlich, dass die UN bereit sind, den USA das verlangte Feigenblatt für einen Krieg gegen den Irak zu liefern. Annan, in seiner typisch kriecherischen Haltung gegenüber Washington, bezeichnete den US-geführten Golfkrieg von 1991 als Vorbild für ein "multilaterales" Vorgehen. Im Wesentlichen liefen seine Bemerkungen auf die Bitte an Washington hinaus, doch auch weiterhin die Dienste der UN zu nutzen.

Annan sprach in erster Linie für die geringeren imperialistischen Mächte, wie Frankreich und Japan, und die anderen Sicherheitsratsmitglieder mit Vetorecht, Russland und China, die bereit sind, eine Resolution zu verabschieden, die ein militärisches Vorgehen gegen den Irak rechtfertigt, wenn ihnen Washington im Gegenzug versichert, ihre Interessen am Golf und anderswo zu berücksichtigen.

Insgesamt ist die Eröffnungssitzung der UN-Generalversammlung eine deutliche Warnung, welche katastrophalen Auswirkungen die Eruption des US-Militarismus hat, und wie hoffnungslos eine Opposition dagegen ist, die sich auf Appelle an die Vereinten Nationen oder die imperialistischen Rivalen Washingtons stützt. Es gibt nur ein Kraft, die der Kriegstreiberei Washingtons Einhalt gebieten kann, das ist die auf der Grundlage eines sozialistischen Programms mobilisierte internationale Arbeiterklasse.

Siehe auch:
Gegen einen Krieg der USA gegen den Irak! Baut eine internationale Bewegung gegen den Imperialismus auf!
(10. September 2002)
Was steckt hinter Schröders Absage an einen Irakkrieg?
( 5. September 2002)
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