Spanien: Mehr als zwei Millionen demonstrieren in Barcelona und Madrid

Kriegsgegner mobilisierten am Samstag in 57 spanischen Städten zum "ersten wirklich globalen Protest in der Geschichte der Menschheit", wie El Mundo es nannte.

Die Regierung von Jose Maria Aznar hat sich als loyalster europäischer Befürworter einer Militäraktion gegen den Irak hervorgetan. Das steht in völligem Gegensatz zur Stimmung in der Öffentlichkeit. Eine kürzliche Umfrage von Radio Madrilene Cadena Ser hat zum Beispiel ergeben, dass 91 Prozent der 39 Millionen Spanier uneingeschränkt dagegen sind.

Unter diesen Bedingungen sind die Demonstrationen eine Mischung aus Widerstand gegen den kommenden Krieg und Zorn über die offene Verachtung, mit der die Regierung den Willen der breiten Mehrheit der Bevölkerung übergeht.

In Madrid strömten etwa eine Million auf die Straße, in Barcelona waren es noch mehr. Die folgenden Zahlen zu einigen der regionalen Demonstrationen geben einen Eindruck vom Ausmaß des Protestes:

  • In Valencia demonstrierten eine halbe Million.
  • In ganz Andalusien waren es 560.000.
  • 300.000 marschierten in Saragossa.
  • In Bilbao demonstrierten 150.000, unterstützt von weiteren 50.000 Demonstranten in anderen Teilen des Baskenlandes.
  • In Oviedo demonstrierten 125.000.
  • 100.000 waren es in Vigo.
  • 70.000 in Las Palmas.
  • In Pontevedra, Santiago de Compostela und Valladolid demonstrierten jeweils 30-40.000 Menschen.
  • In der kleineren regionalen Stadt Salamanca fand eine Demonstration von 20.000 statt.

In Barcelona kamen viel mehr, als selbst die Veranstalter erwartet hatten. Es nahmen viele Jugendliche teil, aber auch zahlreiche Familien mit Kindern. Die Demonstranten repräsentierten einen breiten Querschnitt der Bevölkerung; neben Arbeitern und Jugendlichen waren auch viele aus der Mittelschicht vertreten. Kommentatoren bezeichneten die Demonstration als repräsentativ für die Bevölkerung und als Ergebnis des Einsatzes der Bürger von Barcelona.

Man hatte erwartet, dass der Protest wie üblich ablaufen werde: Ein einziges Riesentransparent quer über die Straße, getragen von örtlichen Politikern und Gewerkschaftsfunktionären, das die Demonstranten ans Ziel führen sollte. Tatsächlich aber strömten die Teilnehmer aus jeder nur möglichen Seitenstraße herbei, und das Transparent steckte plötzlich irgendwo hinten im Demonstrationszug. Die Funktionäre wurden von den Massen geradezu überrannt.

Als die Reden auf der Abschlusskundgebung begannen, hatte das offizielle Transparent erst die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Die Demonstranten am Ausgangspunkt konnten sich stundenlang nicht in Bewegung setzen, weil sich der Marsch an der Spitze von allen Seiten her immer wieder auffüllte. Die Reden auf der Placa de Tetuan wurden viermal wiederholt, weil immer neue Teilnehmer herbeikamen.

Die Proteste erfolgten zeitgleich mit dem Versuch Aznars, im Parlament ein Gesetz durchzusetzen, das die Entscheidung über Krieg und Frieden aus der Hand des Königs in die Hand des Miniasterpräsidenten übertragen soll. Viele protestierten gegen diese Änderung.

Demonstranten, mit denen die World Socialist Web Site sprach, äußerten sich in der Frage des Kriegs klar gegen die Regierung und wiesen darauf hin, dass Aznar kein Mandat für seinen Kurs habe. "Seine Tage sind gezählt", meinte ein Demonstrant, "genauso wie Blairs."

Es wurden Parolen gerufen, die Bush mit Hitler und Aznar mit Franco verglichen. Demonstranten riefen. "Geld für den öffentlichen Dienst, nicht für Bomben."

Aznar wurde häufig als Kriegsverbrecher bezeichnet, und zahlreiche Schilder erinnerten daran, dass viele Waffen, die Saddam Hussein jetzt angeblich verstecken soll, ursprünglich von der US-Regierung geliefert worden waren.

Was weitgehend fehlte, war eine politische Perspektive, mit der der Kampf gegen den Krieg geführt werden kann. Nur wenige Organisationen verkauften Literatur, und es gab kaum Flugblätter. Zwar waren kleine Kontingente der Gewerkschaften UGT und CCOO und einige von der katalanischen Sozialistischen Partei auszumachen, aber die meisten Plakate und Transparente kamen von der Antikriegskoalition. Die katalanischen Grünen und verschiedene pazifistische Organisationen stachen ins Auge.

Am Ende der Demonstration wurden nur wenige Reden gehalten, die aber ständig von "Nein zum Krieg"-Sprechchören der Massen unterbrochen wurden.

Die meisten Flugblätter wurden von der Antikriegskoalition verteilt. Ihre Perspektive besteht darin, am Tag "wenn die Bombardierung beginnt" noch eine Demonstration zu veranstalten, gefolgt von einer weiteren eine Woche später.

Das Team der World Socialist Web Site wurde umlagert, kaum dass es seine Flugblätter mit der Erklärung "Vor welchen Aufgaben steht die Bewegung gegen den Krieg? zu verteilen begonnen hatte. Es bildeten sich Schlangen, um ein Flugblatt zu bekommen, was das Bedürfnis nach einer politischen Analyse unterstrich. Die Haltung gegenüber den Massenmedien war außerordentlich skeptisch. Die Kamerateams auf der Placa de Tetuan wurden wiederholt aufgefordert, ehrlich über die Demonstration zu berichten.

Sergio, ein Student, sagte zur WSWS : "Ich bin hier, weil wir in diesen Krieg verwickelt werden könnten, und weil es keinen bewiesenen Grund gibt, den Irak anzugreifen. Amerika versucht, alle unter Druck zu setzen. Die UNO könnte funktionieren, wenn sie mehr die Interessen der Arbeiter verteidigte. Aznar denkt nur an die Interessen der Konzerne und niemals an die der Arbeiter, die dieses Land aufgebaut haben. Wir haben die Nase voll. Diese Demonstration und alle anderen überall in Spanien zeigen, dass die Mehrheit des Volkes völlig anders denkt als Aznar.

Es geht nicht nur darum, einmal zu demonstrieren. Der Kampf muss weitergehen und wir müssen einen Weg finden, uns zusammenzuschließen und Aznar und den Führern der anderen Länder zu sagen, dass wir nicht bereit sind, ihre Kriege zu führen."

Ariadna, 22, sagte. "Ich bin hier, weil ich gegen Krieg bin. Gegen jeden Krieg. Ich bin gegen den Imperialismus der Vereinigten Staaten, denn sie glauben der König der Welt zu sein. Es tut weh, dass Spanien einen solchen Imperialismus unterstützt. Bush hat zwei Gründe, gegen Irak Krieg zu führen: erstens wollen sie das Öl, das es dort gibt, und zweitens brauchen sie Krieg, um weiter Waffen produzieren und Profit machen zu können. Ich wäre auch gegen Krieg, wenn die UNO ihn unterstützen würde."

(Dieser Artikel ist auch in der gleichheit - März/April 2003 enthalten.)
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