Der Terrorismus und die Entstehung Israels - Teil 2

Dies ist der letzte Teil einer zweiteiligen Artikelserie. Der erste Teil erschien am 28. Juni 2003.

Die Irgun

Im Gegensatz zur Stern/Lehi-Gruppe nahm Irgun den bewaffneten Kampf gegen die Briten erst auf, als die Niederlage Deutschlands bevorstand. Ende 1942 kam Menachem Begin nach Palästina, nachdem er aus einem sowjetischen Arbeitslager in Polen freigekommen war. Er übernahm den Posten des Militärkommandeurs der Irgun und führte den bewaffneten Kampf - die Revolte - um die Briten loszuwerden.

Aber die Aktivitäten der Irgun hatten nichts mit einem revolutionären Kampf zu tun, um den Imperialismus in der Region zu stürzen. Sie richteten sich ebenso stark gegen die Araber. In einer ihrer Broschüren hieß es: "Wir müssen die Araber bekämpfen, um sie zu unterjochen und ihren Forderungen die Kraft zu nehmen. Wir müssen sie als politischen Faktor vom Schauplatz entfernen. Dieser Kampf gegen die Araber wird die Diaspora ermutigen und bestärken. Er wird die Aufmerksamkeit der Nationen der Welt auf uns richten, und sie werden gezwungen sein, das Volk zu ehren, das mit Waffen kämpft. Und ein Verbündeter wird sich finden, der die Armee des Volkes in ihrem Kampf unterstützen wird."

Anders als die Stern-Gruppe und Lehi wies Begin die Bezeichnung "Terrorismus" stets zurück und behauptete, die Irgun sei eine Armee, die Krieg gegen eine andere Armee führe. Die Irgun wandte jedoch die gleichen Methoden wie jene zwei Terrorgruppen an, und ihre berüchtigtste Tat gegen die Briten war im Juli 1946 der Bombenanschlag auf das King-David-Hotel, das britische Hauptquartier in Jerusalem.

Lehis Mordanschlag von 1944 auf Lord Moyne - einen engen Freund Churchills, mit dem Weizman und Ben Gurion, die Führer der Labour-Zionisten, gute Beziehungen pflegten - führte zum gewaltsamen Vorgehen dieser beiden gegen Lehi und Irgun. "Jede organisierte Gruppe muss sie ausspucken..., Zuflucht und Schutz muss diesen wilden Männern strikt verweigert werden... In unsere Herzen - nicht in die Herzen Englands - ist das terroristische Eisen eingedrungen. Also müssen unsere Hände, keine anderen, es herausreißen." [Zitiert nach Colin Shindler, "The Land Beyond Promise: Israel, Likud and the Zionist Dream".]

Die zionistischen Parteien vereinigen sich

Als im Juli 1945 die Labourregierung gewählt wurde, deren Premierminister, Clement Attlee, darauf bedacht war, die Kontrolle über die Ölressourcen im Nahen Osten zu behalten, kam es zu einer Versöhnung zwischen den Labour-Zionisten und den terroristischen Gruppen.

Diese rivalisierenden Gruppen hatten sich jahrelang aufs Erbittertste politisch bekämpft. Nicht einmal während des Aufstands im Warschauer Ghetto 1943 hatten sie gemeinsam gekämpft. Was sie nun zusammenbrachte, war erstens die veränderte Haltung des britischen Labour-Außenministers Ernest Bevin, der vorher die Gründung eines jüdischen Staates unterstützt hatte. Jetzt wies er die Vorstellung zweier Staaten - einen für Juden und einen für Araber - zurück und befürwortete stattdessen ein arabisches Marionettenregime nach dem gleichen Muster, wie es in Transjordanien, Ägypten und dem Irak aufgebaut worden war, in dem Juden Minderheitsrechte erhalten sollten.

Zweitens lehnte die Labour-Regierung aus ähnlichen Gründen auch die jüdische Einwanderung nach Palästina ab. Unter Bedingungen, wo weder Großbritannien noch die USA bereit waren, den Hunderttausenden Holocaust-Überlebenden ihre Tore zu öffnen, hätten die Juden in den DP-Lagern [für displaced persons, d. h. die von den Nazis Verschleppten] und in den Ländern ihrer Verfolgung bleiben müssen.

Im November 1945 unterzeichneten die Hagana (der militärische Flügel der Labour-Zionisten und bei weitem die größte der drei bewaffneten Gruppen), Irgun und Lehi ein Abkommen zur Gründung der Vereinigten Widerstandsbewegung, um die Briten aus Palästina zu vertreiben. Dies sollte weniger als ein Jahr halten - bis zum Bombenattentat auf das King-David-Hotel, als Ben Gurion die Vereinbarung für beendet erklärte und die Irgun als "Feind des jüdischen Volkes" bezeichnete. Doch trotzdem nahm das Ausmaß der Terroranschläge noch um das Zehnfache zu.

Als sich England mit wachsender Feindschaft und Widerstand in Palästina und der Ablehnung sowohl vonseiten der Araber als auch der Juden konfrontiert sah, brachte es den Konflikt vor die Vereinten Nationen, in der sicheren Erwartung, die UN werde schon Großbritannien selbst damit betrauen, in Palästina für Ordnung zu sorgen. Aber die Hoffnungen Englands, den Konflikt in Palästina nach seinen Wünschen lösen zu können, wurden enttäuscht. Die Großmächte, darunter die USA und die Sowjetunion, hatten ihre eigenen Gründe, die Errichtung eines jüdischen Staates aktiv zu unterstützen: Sie sahen darin einen Weg, Großbritanniens Position im Nahen Osten zu schwächen. Dies und die weltweite Sympathie, die durch die von den europäischen Juden erlittene Katastrophe hervorgerufen wurde, führte im November 1947 dazu, dass die UN eine Teilung Palästinas beschloss. Im Mai 1948 zogen sich die Briten aus Palästina zurück, und sofort riefen die Zionisten die Unabhängigkeit und den Staat Israel aus. Zwischen Israel und den Palästinensern, die unter der Führung arabischer Feudalherren standen, brach Krieg um die Kontrolle über das Land aus.

Die Gruppen der Revisionisten nutzten die Ausbildung und die Methoden, das sie gegen die Briten erworben und angewandt hatten, um nun die Palästinenser zu terrorisieren und einzuschüchtern. Die terroristischen Praktiken, die von Irgun und Lehi angewandt und von den Labour-Zionisten gebilligt wurden, sollten eine wichtige Rolle bei der Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat spielen. Das Massaker von Deir Jassin, bei dem über 200 Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet wurden, ist nur das bekannteste Beispiel. Ben Gurion selbst ermutigte die Hagana, die zum großen Teil unter der Kontrolle der Histadrut/Mapai-Partei stand und Vorläufer der israelischen Armee war, die Palästinenser aus ihren Häusern zu verjagen. Die Vertreibung der Palästinenser, die zu einem Flüchtlingsdasein in den Nachbarländern verurteilt und in die ganze Welt verstreut wurden, und die Beschlagnahmung ihres Landes waren die wesentlichen Vorbereitungen für die Gründung des Staates Israel.

Von terroristischen Untergrundgruppen zum politischen Mainstream

Sofort nach Kriegsende wandelte der Irgun-Führer, Menachem Begin, die Irgun als Alternative zu den offiziellen Revisionisten in die politische Partei Herut um. Begin war vehementer Gegner jeglicher Zugeständnisse an die Araber und weigerte sich, ein Abkommen mit Abdullah zu akzeptieren, das die Westbank in dessen Königreich Transjordanien, neuerdings Jordanien genannt, integrierte. Begin glorifizierte den Untergrundterrorismus der Irgun und ihre Rolle bei der Vertreibung der Briten. Seine aufpeitschende Sprache und der ganze Stil erinnerten deutlich an das nationalistische Pathos, wie man es von Osteuropa kannte, und an Pilsudskis militärischen Nationalismus im Polen der dreißiger Jahre.

Er war der Eroberung Palästinas verpflichtet und denunzierte all jene, die gegen eine solche Perspektive eintraten, als Feinde des jüdischen Volkes, und dasselbe tat die ganze Herut-Partei. Weil kurz zuvor die Labour-Zionisten die Altalena, ein Waffenschiff der Irgun versenkt hatten, wobei mehrere Mitglieder der Irgun ertranken, war diese Rhetorik praktisch eine Bürgerkriegserklärung an Ben Gurion. Nicht wenige dachten, Herut bereite einen Putsch vor.

In den ersten Wahlen, als fast alle politischen Parteien sich in irgend einer Weise auf den Sozialismus beriefen, war Begins Herut-Partei die größte nicht-sozialistische Partei; sie gewann elf Prozent der Stimmen und 14 von 120 Sitzen in der Knesset. Die offiziellen Revisionisten gewannen überhaupt keine Sitze. Begin hängte sich nun den Mantel der Revisionisten um und wurde zum Führer der rechten Opposition gegen den Labour-Zionismus.

In den frühen Jahren des zionistischen Staates sank Herut in der Gunst der Wähler, und Begin musste die folgenden dreißig Jahre in der politischen Wildnis verbringen. Er verwandelte und erweiterte die Herut-Partei 1965 in die Gahal. Für kurze Zeit schloss er sich der Kriegskoalition an, die vor dem Krieg vom Juni 1967 gegen die Araber gebildet wurde und die Situation ausnutzte, die durch den zersetzenden Opportunismus des ägyptischen Führers Nasser entstanden war, um Israels Grenzen erheblich auszuweiten.

Die Eroberung der Westbank und des Gazastreifens hauchte den rechtsradikalen Kräften neues Leben ein und führte 1973 zur Gründung der Likud-Partei, die in den Wahlen von 1977 die meisten Sitze eroberte. So wurde die ultranationalistische, rechte politische Kraft, die immer am Rande gestanden hatte, zur anerkannten politischen Tendenz, die das alte politische Establishment ersetzte.

Währenddessen baute Lehi weiterhin die Moledet-Partei auf, ein noch nationalistischeres Gebilde als Likud, zu deren unheilvoller Politik ethnische Säuberungen gehörten: die Vertreibung der Palästinenser aus dem von Israel besetzten Territorium.

Schamir selbst zog sich in Vierziger Jahren aus der aktiven Politik zurück. Als Ben Gurion das Verbot aufhob, das Lehi-Mitgliedern untersagte, offizielle Ämter zu bekleiden, nahm Isser Harel, der Mossad-Chef, Schamir und andere sofort in den Geheimdienst auf. Es war Schamir, der die Briefbomben-Kampagne gegen deutsche Wissenschaftler ausheckte, die in den sechziger Jahren für Nassers Ägypten arbeiteten, was ihn in Konflikt mit Shimon Peres brachte, der damals stellvertretender Verteidigungsminister war. Schamir trat der Herut-Partei bei, weil es die einzige Partei war, die die Vorstellung nicht aufgegeben hatte, Israel müsse "vom Nil bis zum Euphrat" reichen. Er pflegte die Beziehungen zu den antisozialistisch gesinnten russischen Juden, die versuchten, aus der Sowjetunion auszuwandern, und brachte sie in die Likud-Partei. Er wurde 1983 Premierminister, als Begin plötzlich zurücktrat, und leitete eine weitere Rechtswende in der israelischen Politik ein.

Die prominentesten Mitglieder des heutigen politischen Establishments in Israel und die wichtigsten Verbündeten der Bush-Regierung in der Region sind die politischen Erben von Terroristen wie Stern, Begin und Schamir. Sie sind jetzt in der Lage, eine Politik umzusetzen, von der ihre Vorfahren höchstens träumen konnten. Ihre Geschichte zeigt außerdem, warum israelische Politik immer so konfliktreich war. Der Bürgerkrieg, der immer kurz vor dem Ausbruch stand, hat eine weit zurückreichende Grundlage.

Der Staat Israel wurde einst freudig als neues und progressives Gebilde begrüßt, dessen Aufgabe es sein sollte, eine demokratische und egalitäre Gesellschaft für das am grausamsten unterdrückte Volk Europas zu schaffen. Doch die Geschichte der Entstehung und Entwicklung des zionistischen Staates zeigt klar, dass dies von Anfang an eine Schimäre war. Es ist unmöglich, eine sozial fortschrittliche Gesellschaft auf der Grundlage einer nationalistischen Perspektive aufzubauen. Die zionistische Perspektive, sei es die der Labour-Zionisten oder die ihrer ultra-reaktionären Alternative, hat eine verheerende Rolle gespielt, weil sie den Imperialismus und Chauvinismus begünstigten, um einerseits die Macht der nationalen Bourgeoisie zu stärken und andrerseits die Arbeiterklasse und armen Bauern zu spalten.

Es ist bemerkenswert, dass die Presse der Veröffentlichung der britischen Geheimdienstdokumente nur wenig Aufmerksamkeit schenkte. Außer einer kurzen Erwähnung ihres Inhalts, hat kein politischer Kommentator versucht, die Aufmerksamkeit auf die Methoden, die beim Aufbau des zionistischen Staats zur Anwendung kamen, oder auf die politischen Wurzeln der israelischen Regierung zu richten.

In Israel selbst brachte die liberale Zeitung Ha’aretz nur einen Reuters-Bericht unter der Überschrift: "Dokumente: Großbritannien fürchtete in der Nachkriegszeit den Einfluss zionistischer Terroristen", als ob der Terrorismus eine Art Abweichung vom Zionismus und nicht ein integraler Teil seiner Perspektive und seines Programms gewesen wäre. Der Artikel selbst konzentrierte sich auf die antijüdischen Maßnahmen, die durch die britischen Behörden ergriffen worden waren, um den zionistischen Terrorismus zu bekämpfen. Es wurde zwar erklärt, dass die Akten nach dem Bombenattentat auf das King-David-Hotel angelegt worden waren, doch enthielt der Artikel keinen Hinweis auf die Irgun und Menachem Begins Rolle bei diesem Attentat - obwohl sogar erwähnt wurde, dass Begin einen Friedensnobelpreis für sein Abkommen mit Ägypten erhalten hat. Auch die Pläne zur Ermordung des Außenministers und prominenter britischer Politiker wurden verschwiegen.

Wirkliche professionelle und politische Aufrichtigkeit hätte die terroristischen Ursprünge und die Rolle des zionistischen politischen Establishments gezeigt, auf das sich die politischen Gangster der Bush-Regierung stützen, und das sie sich als Statthalter hält, um im Nahen Osten zu teilen und zu herrschen.

Schluss

Siehe auch:
Israel: US-"Friedensplan" bietet Palästinensern nur weitere Unterdrückung
(13. Mai 2003)
Der politische Bankrott der PLO und die Wurzeln der Hamas
( 9. Juli 2002)
Die politische Sackgasse des Labour-Zionismus
( 10.-12. Mai 2001)
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