Bush unterstützt Scharons Landraub auf der Westbank

Als US-Präsident George W. Bush am 14. April Ministerpräsident Ariel Scharons "Trennungsplan" billigte, brach er mit der fast vier Jahrzehnte alten, offiziellen amerikanischen Doktrin, wenigstens dem Anschein nach eine Verhandlungslösung für den Nahostkonflikt anzustreben. Er rückte die US-Regierung öffentlich und unmissverständlich an die Seite der israelischen Aggression und unterstützte die Enteignung des palästinensischen Volkes.

Der US-Präsident, der vor kaum mehr als einem Jahr seinen Einmarsch im Irak mit der Verteidigung der Unverletzbarkeit von UN-Resolutionen rechtfertigte, demonstrierte seine Verachtung für alle UN-Beschlüsse über die Rechte der Palästinenser. Das amerikanisch-israelische Übereinkommen, das die Annektierung palästinensischen Bodens durch Israel billigt, steht vollkommen im Gegensatz zu zahlreichen UN-Resolutionen, die die israelische Besetzung der Westbank verurteilen und ihre Beendigung fordern.

Das einseitige Abkommen zwischen Bush und Scharon sieht die Auflösung einer relativ kleinen Anzahl befestigter israelischer Enklaven im Gazastreifen und die Evakuierung von etwa 7.500 Siedlern vor, und beinhaltet im Gegenzug die Unterstützung der USA für das "Recht" Israels, einen großen Teil der Westbank dauerhaft zu annektieren, die es sich 1967 im Krieg gegen seine arabischen Nachbarstaaten angeeignet hatte. In den zionistischen Siedlungen in diesem Gebiet leben etwa 240.000 Israelis.

Scharon erhielt von Bush auch ausdrücklich grünes Licht für den Weiterbau seines "Sicherheitszaunes", einer riesigen Mauer, die die Westbank durchschneidet und weitere Hunderttausende Palästinenser heimatlos machen wird.

Israelische Gesprächsteilnehmer sagten, Scharon habe in Washington mehrere alternative Vorschläge über die Annexionen vorgelegt, die seine Regierung auf der Westbank plant. Bush habe den für die Palästinenser ungünstigsten ausgewählt. Er verpflichtet Israel lediglich, sich aus vier unbedeutenden Siedlungen im Nordwesten der besetzten Gebiete zurückzuziehen, in denen gerade einmal 500 Siedler leben.

Auch unterstützte Bush Scharons einseitige Ablehnung des Rechts der palästinensischen Flüchtlinge, die 1948-49 vor dem zionistischen Terror geflohen waren, in ihre Heimat im heutigen Israel zurückzukehren.

Scharon Antwort auf die palästinensische Empörung über die Übereinkunft wurde in der israelischen Presse mit den Worten zitiert: "Ich habe angekündigt, wir würden ihnen einen tödlichen Schlag versetzen, und wir haben ihnen einen tödlichen Schlag versetzt."

Dieses US-israelische Diktat markiert das Wiederaufleben von unverhülltem Imperialismus und Kolonialismus, wie er in der Region nach dem ersten Weltkrieg herrschte. Es erinnert an das Sykes-Picot Abkommen, durch das Grenzlinien in den Wüstensand gezogen wurde, um koloniale Einflusssphären abzugrenzen. Die arabischen Massen wurden nicht gefragt, sondern mit vorgehaltener Waffe gezwungen, sich zu fügen.

Vertreter der Palästinenser waren nicht nur von den Gesprächen ausgeschlossen, die zu diesem illegalen Landraub führten, der amerikanisch-israelische Deal wurde zudem in einer Art und Weise veröffentlicht, als ob das palästinensische Volk und seine historischen Ansprüche überhaupt nicht existierten.

Bush nannte die israelischen Maßnahmen "historisch und mutig" und fügte hinzu: "Wenn alle Parteien diese Gelegenheit ergreifen, können sie die Tür zum Fortschritt aufstoßen." Aber weder Washington noch Scharon erkennen irgendwelche anderen Parteien an. Weit davon entfernt, die "Tür zum Fortschritt" zu öffnen, kann der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat, nicht einmal die Tür seines belagerten Amtssitzes in Ramallah öffnen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, von einem israelischen Scharfschützen erschossen zu werden.

"Im Lichte der neuen Realitäten vor Ort", erklärte Bush, sei es "unrealistisch" für die Palästinenser, von den Israelis zu erwarten, ihre illegalen Siedlungen aufzugeben und das Land zu räumen, das sie 1967 erobert hatten. Im gleichen Atemzug betonte er, dass der einzige Weg der Palästinenser zu einem unabhängigen Staat die Unterdrückung jeden Widerstands gegen die israelischen Eroberer sei. "Wenn sie einen Staat wollen, der ihrem Volk eine hoffnungsvolle Zukunft bietet, müssen sie den Terror bekämpfen. Sie müssen entschlossen gegen den Terror kämpfen."

Die Tatsachen "vor Ort", von denen Bush spricht, sind gerade das Ergebnis des systematischen Terrors des israelischen Staates, der die Palästinenser von ihrem Land vertrieb und stattdessen zionistische Siedlungen errichtete. Auch die Forderung der Palästinenser nach Rückkehr ist eine Folge des zionistischen Terrors, der mit der Gründung Israels einherging und durch den eine Dreiviertel Million Menschen aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben und in Flüchtlingslager in der ganzen Region verstreut wurden.

Bush und Scharon posierten im Weißen Haus vor den Kameras als Verbündete im "Kampf gegen den Terror" und Vorkämpfer für Frieden und Demokratie. Aber die ganze Welt weiß, dass sie in ihrer Aggression Komplizen sind. Beide betreiben räuberische Besetzungen, die den Widerstand der Massen hervorriefen, und beide sind von der Wucht des Widerstands schockiert.

Bush übernahm die Regierung mit zwei zusammenhängenden außenpolitischen Zielen: erstens den Irak zu überfallen und zweitens die israelischen Angriffe auf die Palästinenser voll zu unterstützen. Diese Ziele waren Teil einer umfassenderen Agenda, die unbestrittene Vorherrschaft der USA über den Nahen Osten und seine Ölreserven zu etablieren.

Der ehemalige Finanzminister Paul O'Neill hatte in dem Buch von Ron Suskind, Der Preis der Loyalität, daran erinnert, dass der US-Präsident schon auf dem ersten Treffen des Nationalen Sicherheitsrats (NSC) im Januar 2001 eine Wende zur bedingungslosen Unterstützung der israelischen Regierung signalisiert hatte.

Nach O'Neills Bericht teilte Bush dem NSC mit: "Wir werden das Ungleichgewicht der vorherigen Regierung im Nahostkonflikt korrigieren. Wir werden es wieder zu Israels Gunsten verschieben." Er fügte hinzu, die USA würden nicht mehr versuchen, ein Abkommen zu vermitteln.

Auf den Einwand von Außenminister Powell hin, ein solcher Schritt könne schlimme Konsequenzen haben und Scharon ermutigen, ungezügelte militärische Gewalt gegen die Palästinenser einzusetzen, antwortete Bush: "Vielleicht gewinnt man nur so ein Gleichgewicht zurück.... Manchmal muss eine Seite Stärke zeigen, um die Dinge zurecht zu rücken."

Die Einführung dieser Politik führte zur Unterstützung für die gezielten Morde der Scharon-Regierung an palästinensischen Führern und Kämpfern; ebenso unterstützte sie es, dass Selbstmordanschläge, die dadurch erst provoziert wurden, mit massiver Vergeltung und kollektiver Bestrafung bekämpft wurden.

Seit dem Ausbruch der sogenannten Al-Aksa-Intifada im September 2000, die durch den provokativen Besuch des damaligen Likud-Führers Ariel Scharon auf dem Tempelberg ausgelöst worden war, sind etwa 2.700 Palästinenser von israelischen Sicherheitskräften getötet worden, die überwiegende Mehrheit von ihnen Zivilisten, unter denen sich fast 600 Kinder befanden. Im gleichen Zeitraum wurden bei Selbstmordattentaten und anderen Angriffen etwa 840 Israelis getötet - Soldaten, Siedler und Zivilisten, darunter 100 Kinder.

"Krieg gegen den Terrorismus", so lautete der Vorwand der Bush-Regierung für ihren Einmarsch im Irak, und mit dem gleichen Argument begründet auch Scharon die israelischen Expansionspolitik und seinen gnadenlosen Vernichtungskampf, um den palästinensischen Nationalismus zu zerschlagen und die Palästinenser in ein machtloses und erniedrigtes Volk zu verwandeln.

Die arabischen Massen betrachten beide Besetzungen und den Widerstand dagegen immer mehr als zwei Teile eines einzigen Prozesses. Der Zusammenhang zwischen ihnen wird in der Tat immer offensichtlicher.

Seit vielen Jahren setzt Israel amerikanische Waffen bei seinen Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Palästinenser ein. Jetzt entwirft das US-Militär Taktiken und Einsatzregeln für seine brutale Unterdrückung des nationalistischen Aufstands gegen die US-Besetzung des Irak mithilfe israelischer Erfahrung und Berater.

Gleichzeitig waren sowohl Bush als auch Scharon am 14. April im Weißen Haus Getriebene ihrer jeweiligen Krise. Bush ist mit wachsender Opposition gegen seine Irakpolitik und vernichtenden Enthüllungen über das Versagen des Weißen Hauses konfrontiert, das es versäumt hat, die Terrorangriffe vom 11. September 2001 mit geeigneten Maßnahmen zu verhindern. Daher kam es ihm sehr gelegen, seine Unterstützung für Scharons Annexionsplan zu verkünden, um das Augenmerk der Öffentlichkeit abzulenken und beim amerikanischen Volk den Anschein zu erwecken, er setze sich für Frieden im Nahen Osten ein.

Scharon, dem möglicherweise eine Anklage wegen Korruption droht und dessen Rechtskoalition auseinanderbrechen könnte, hofft, dass ihn die bedingungslose Unterstützung der Regierung, die Israel mit allem Lebensnotwendigen an Geld, Hilfe und Waffen versorgt, vor dem Sturz bewahrt.

Die schmutzige Einigung in Washington markiert den Zusammenbruch des sogenannten "Friedensprozesses", der sich in den letzten zehn Jahren - seit dem Handschlag Jassir Arafats mit dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Jitzak Rabin im Rosengarten des Weißen Hauses 1993 - ohnehin schon als Fiktion erwiesen hat.

Sie ist eine weitere Erniedrigung für Arafat, der das damals von den USA vermittelte Abkommen mit Israel auf der Grundlage akzeptiert hatte, dass es auf dem Tausch von "Land gegen Frieden" beruhe. In Wirklichkeit enthielt schon das damalige Abkommen die gleichen Elemente, die Israel und Washington jetzt einseitig festgelegt haben: die Beibehaltung zumindest einiger Westbank-Siedlungen und die Ablehnung des Rückkehrrechts. Nur sollten sie damals noch Teil einer endgültigen Verhandlungslösung sein, die die palästinensische Staatsgründung beinhalten würde.

Seither haben alle israelischen Regierungen bewiesen, dass sie entschlossen sind, jeden Fortschritt hin zu einem palästinensischen Staat oder einer wirklich demokratischen Lösung der Palästinafrage zu sabotieren. Stattdessen hat Israel ständig darauf bestanden, dass Arafat jeden Widerstand gegen die israelische Unterdrückung bekämpfe, womit er sich zwangsläufig bei den palästinensischen Massen diskreditieren musste.

Auch hat keine amerikanische Regierung - ob demokratisch oder republikanisch - wirklichen Druck auf Israel ausgeübt. Nach der Ankündigung von Bush und Scharon am Mittwoch gab der voraussichtliche Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Senator John Kerry aus Massachusetts, eine Erklärung heraus, in der er die Vereinbarung als einen "positiven Schritt" begrüßte. Er sagte der Washington Post : "Die Sicherheit des Staates Israel ist eindeutig wichtig, und darum geht es dem Ministerpräsidenten und dem Präsidenten."

In einem anderen Interview mit der New York Sun erklärte Kerry: "Mein Eindruck war immer, dass das Rückkehrrecht mit der Lebensfähigkeit eines jüdischen Staates unvereinbar ist, und das ist Israel nun einmal."

Für den demokratischen Herausforderer wie für den republikanischen Amtsinhaber existiert das palästinensische Volk nicht.

Zweifellos spielen auch innenpolitische Überlegungen für Bush und Kerry eine Rolle. Beide versuchen sich in der Hoffung auf Wahlkampfspenden und Stimmen bei der zionistischen Lobby einzuschmeicheln. Bush bedient auch seine "christlich-zionistische" Basis, für die die israelische Vorherrschaft der Weg zum Armageddon ist.

Noch wichtiger ist, dass Washingtons Unterstützung für den israelischen Expansionismus aus den gleichen Quellen gespeist wird, wie das Streben nach Hegemonie, das seinem kolonialistischen Abenteuer im Irak zugrunde liegt. Es stützt Israel mit jährlich sechs Milliarden Dollar an Hilfszahlungen und Krediten, um einen waffenstarrenden Staat zu unterhalten, von dem aus es seine Macht im Nahen Osten konsolidieren kann.

Die Politik Washingtons und Israels destabilisiert die gesamte Region und schafft die Bedingungen für revolutionäre Unruhen. Nicht nur Arafat, sonder alle korrupten arabischen Regime werden von dem amerikanisch-israelischen Handel desavouiert. Der Besuch des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak kurz vor seiner Bekanntgabe am 14. April und die geplante Ankunft des jordanischen Königs Abdallah II. am 21. April zeigen die Unterwürfigkeit der arabischen herrschenden Klasse gegenüber dem US-Imperialismus.

Dieser kolonialistische Pakt ist kein Ausweg für das israelische Volk aus dem Kreislauf von Unterdrückung und Gewalt. Er wird den Zorn der palästinensischen Massen noch steigern.

Nur ein Programm, dass Juden und Araber auf demokratischer, säkularer und wirklich antiimperialistischer - d. h. sozialistischer - Grundlage vereint, bietet einen Ausweg aus dieser blutigen Sackgasse.

Siehe auch:
"Ein brutaler Akt eines verbrecherischen Regimes" - Bill Van Auken Präsidentschaftskandidat der SEP in den USA verurteilt Mord an Hamas-Führer
(25. März 2004)
Scharons Kriegsverbrechen im Libanon - eine Bilanz
( 2.-7. März 2004)
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