Präsidentschaftswahlen in der Slowakei:

Die Slowakei tritt der EU unter einem rechtsextremen Präsidenten bei

Bei der zweiten Runde der slowakischen Präsidentschaftswahlen am 17. April 2004 setzte sich Ivan Gasparovic gegen den früheren Premierminister Wladimir Meciar durch. Beide Kandidaten stehen gleichermaßen weit rechts und sind in großen Teilen der Bevölkerung verhasst.

Gasparovic war über zehn Jahre lang der engste Mitarbeiter von Meciar gewesen. Gemeinsam hatten sie 1991 die extrem rechte, rassistische "Bewegung für eine Demokratische Slowakei" (HZDS) gegründet. Während Meciars Regierungszeit, von 1992 bis 1998, hatte Gasparovic das Amt des Parlamentspräsidenten inne.

Nachdem ihm Meciar, wohl aus Gründen der persönlichen Rivalität, bei den Wahlen im September 2002 einen Listenplatz verweigert hatte, trennte sich Gasparovic von der HZDS und gründete eine eigene Partei, die "Bewegung für Demokratie" (HZD), die in der Slowakei allgemein als "HZDS ohne Meciar" bezeichnet wird.

Gasparovic erhielt in der Stichwahl 1.079.592 Stimmen bzw. 59,91 Prozent; Meciar 722.368 Stimmen bzw. 40,09 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 43,50 Prozent.

Die erste Wahlrunde am 3. April hatte Meciar deutlich mit 650.242 Stimmen (32,73 Prozent) gewonnen. Gasparovic erhielt 442.564 Stimmen oder 22,28 Prozent. Der Kandidat der größten Regierungspartei, Außenminister Eduard Kukan, folgte mit wenigen hundert Stimmen Abstand. Die Wahlbeteilung betrug nicht einmal 48 Prozent der rund 4,2 Millionen Wahlberechtigten.

Das Wahlergebnis wird die Krise der ohnehin instabilen slowakischen Regierung verschärfen. Die slowakische Regierungskoalition verfügt im 150 Sitze umfassenden Parlament, dem Nationalrat, über keine Mehrheit; sie hat nur 68 Abgeordnete. Meciars Partei, die HZDS, hat 26 Sitze und bereits angekündigt, sie werde der Regierung künftig das Leben noch schwerer machen. Gasparovics HZD ist im Parlament überhaupt nicht vertreten. Er wurde aber von der drittgrößten Partei im Parlament Smer unterstützt, die den Sturz der Regierung anstrebt.

Wenn die Regierung scheitert, gewinnt der Präsident eine entscheidende Rolle, denn ihm obliegt laut Verfassung die Ernennung eines neuen Premierministers. Dieser stellt dann ein neues Kabinett zusammen, dessen Mitglieder ebenfalls vom Präsidenten bestätigt werden müssen.

Darüber hinaus hat der Präsident gewisse innenpolitische Machtbefugnisse. Er kann Gesetzesentwürfe an das Parlament zurückverweisen, was der jetzige Präsident, Rudolf Schuster, aus Angst vor sozialen Unruhen bereits mehrfach getan hat.

Das Regierungsbündnis ruht auf einer schmalen sozialen Basis und ist in sich zerstritten. Es konnte sich vor den Präsidentschaftswahlen nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Erst hatte die Partei des Premierministers Mikulas Dzurinda, die Slowakische Christliche und Demokratische Union (SDKU), Eduard Kukan aufgestellt. Dann folgte Christlich-Demokratische Bewegung (KDH) mit einem eigenen Kandidaten, der schließlich auch von der Partei der ungarischen Koalition (SMK) unterstützt wurde. Die Allianz des neuen Bürgers (ANO), der vierte Koalitionspartner, zog seinen Kandidaten drei Wochen vor der ersten Wahlrunde zugunsten Kukans zurück. Insgesamt waren elf Kandidaten angetreten.

Die Meinungsumfragen, auch in diesem Fall eher der Meinungsmache verpflichtet, hatten für die erste Wahlrunde bis zuletzt einen klaren Sieg des Kandidaten der größten Regierungspartei vorhergesagt. Dessen Niederlage ist, darin stimmen sämtliche Kommentare überein, eine Quittung für die selbst nach osteuropäischen Maßstäben extrem aggressive "Reformpolitik" des Sozialabbaus und der Begünstigung von Investoren, wie sie die Regierung Dzurinda betreibt. Die Slowakei wird in Wirtschaftskreisen infolge dieser brutalen Linie inzwischen als "Tiger der Tatra" gepriesen.

Bei der Stichwahl hatten dann die vier Parteien des bürgerlichen Regierungsbündnisses direkt oder indirekt zum Wahlboykott aufgerufen. Es gebe, so ihre Sprecher, bei der Wahl zwischen Meciar und Gasparovic kein kleineres Übel. KDH und SMK hatten ihre Anhänger aufgefordert, der Wahl fern zu bleiben. Die SDKU sowie die ANO gaben keine Wahlempfehlung ab, ihre Führer kündigten jedoch an, sie würden nicht an die Urnen gehen.

Hinter dieser Haltung standen rein taktische Erwägungen. Denn hätten sich noch mehr Menschen enthalten, dann hätte sich aller Wahrscheinlichkeit nach Meciar durchgesetzt, dessen Anhängerschaft derzeit stabil ist und zuverlässig für ihn stimmt. Und dieser Ausgang wäre für die Regierung insofern günstiger gewesen, als ein Präsident Meciar dem konservativen Regierungsbündnis gegenüber der oppositionellen Smer, die seinen Rivalen Gasparovic stützte, die Stange gehalten hätte.

Gasparovic hingegen steht nun als neuer Präsident in der Schuld der größten Oppositionspartei. Die Smer und die Gewerkschaften hatten zeitgleich mit den Wahlen am 17. April ein Referendum über vorzeitige Neuwahlen durchgesetzt, das allerdings mangels Beteiligung (36 Prozent) scheiterte.

Die Smer benutzte den Einfluss, den sie mithilfe sozialer Demagogie zu gewinnen imstande war, um ein ultrareaktionäres Staatsoberhaupt ins Amt zu bringen. Sie trommelte unermüdlich für Gasparovic als "kleineres Übel" gegenüber Meciar.

Dabei war die politische Gleichartigkeit beider Kandidaten dermaßen bekannt, dass der Wahlkampf absurde Formen annahm. Laut Presseberichten zogen sich einige Wähler in der Hauptstadt Bratislava vor der Wahlkabine demonstrativ Gummihandschuhe an, andere betraten sie mit zugehaltener Nase.

Die online-Zeitschrift Slovak Spectator schrieb über Gasparovic: "Seine Vergangenheit ist so eng mit jener Meciars verbunden, dass man sicher sein konnte, dass viele Wähler keinerlei Unterschied zwischen beiden machen würden und dass ihre Ablehnung gegenüber Meciar Gasparovics Hoffnungen auf das Präsidentenamt ebenso durchkreuzen könnte wie diejenigen Meciars."

Dieses Dilemma führte, so der Slovak Spectator, zum Phänomen des "anonymen Wahlkampfs": "In den meisten slowakischen Großstädten, wo die Anti-Meciar-Stimmung am größten ist, doch die meisten Menschen Gasparovics politische Vergangenheit genau kennen, hingen überall Plakate, auf denen die Slowaken daran erinnert wurden, dass Stimmenthaltung einer Stimmabgabe für Meciar gleichkomme... Da Gasparovic keinen echten Wahlkampf führen konnte, blieb ihm nur die Hoffnung, dass die Wähler von selbst auf die Idee kommen würden, es gebe tatsächlich einen Unterschied zwischen ihm und Meciar."

Gasparovic verdankt seinen Sieg über Meciar in erster Linie der Unterstützung der Smer, einer populistischen Partei, die aus der Nachfolgeorganisation der früheren stalinistischen Regierungspartei hervorgegangen ist und derzeit in den Meinungsumfragen ganz vorn liegt.

Die Smer gilt derzeit als die beliebteste Partei der Slowakei und liegt in den Umfragen für die Europawahlen, die in der Slowakei am 13. Juni abgehalten werden, mit rund 30 Prozent ganz vorn. Sie würde von den 14 Sitzen im Europaparlament, die der Slowakei zustehen, derzeit fünf gewinnen, die Partei des Regierungschefs hingegen nur zwei. Die Smer erhielt bei den Wahlen im September 2002 13,6 Prozent der Stimmen und wurde damit drittstärkste Partei

Die Smer ist eine Abspaltung der Partei der Demokratischen Linken (SDL), der Nachfolgeorganisation der ehemaligen stalinistischen Staatspartei. Ihr Vorsitzender Robert Fico brach im Dezember 1999 auf einer rechten Plattform mit der SDL. Der Name Smer bedeutet "Richtung, Ziel", und die Organisation bezeichnet sich als "soziale Alternative für die Slowakei".

Ihre Abspaltung folgte auf den Regierungseintritt der SDL nach den Wahlen von 1998. Die SDL verlor durch den von ihr mitgetragenen rabiaten Sozialabbau rasch an Unterstützung in der Bevölkerung, und Fico verließ das sinkende Schiff. Dabei bezeichnete er die "Reformen" als "schmerzhaft, aber notwendig". Sie müssten eben nur "sozial gerecht" gestaltet werden.

Fico verbindet populistische Phrasen über das Wohl der einfachen Bevölkerung mit nationalistischer Demagogie und rassistischer Hetze gegen die Roma und die ungarische Minderheit in der Slowakei.

Als seine Vorbilder bezeichnet er Tony Blair und Gerhard Schröder. Die Smer nennt sich auch gern "Smer - dritter Weg". Fico ist ein vehementer Befürworter des Beitritts zur EU und unterstützte auch den NATO-Beitritt der Slowakei, der Ende März 2004 erfolgte.

Ein Argument, das Fico gegen die Wahl Meciars anführte, bezog sich auf den Präzedenzfall von Jörg Haiders Beitritt zur österreichischen Regierung 2001. Die EU fror damals vorübergehend die Beziehungen zu Österreich ein. Man befürchte, warnte Fico, eine Belastung der Beziehungen zur EU, sollte Meciar die Wahlen gewinnen. Gasparovic, so schlossen sich zahlreiche Kommentare der slowakischen Medien dieser Argumentation an, vertrete zwar dieselbe Politik, sei aber wenigstens im Ausland weniger bekannt und daher weniger rufschädigend für die Slowakei.

Diese Argumentation zielte darauf ab, der slowakischen Bevölkerung die Wahl zwischen Pest und Cholera als unvermeidlich zu verkaufen. Die Europäische Union hingegen findet sich durchaus mit Figuren ab, die noch vor wenigen Jahren als inakzeptabel galten.

Hatte die EU der Slowakei bis Mitte der 1990er Jahre unter Hinweis auf die rassistische, korrupte und undemokratische Politik des damaligen Regierungschefs Meciar Verhandlungen über den Beitritt verweigert, so wird das Land nun der EU unter einem Präsidenten beitreten, der Meciars exaktes politisches Ebenbild ist.

Siehe auch:
Unruhen im Osten der Slowakei
(27. Februar)
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