CIA-gesponserte Opposition scheitert bei Referendum in Venezuela

Die Bevölkerung Venezuelas bescherte einem von Washington unterstützten Bündnis am Sonntag eine deutliche Niederlage, indem sie dessen Forderung nach der Absetzung des gewählten Präsidenten, Hugo Chavéz, eine Absage erteilte.

Chavéz, ein ehemaliger Offizier, hatte an die verarmten Arbeiter und Bauern des ölreichen Landes appelliert, indem er linksnationalistische Parolen gegen die USA und die einheimische Finanzoligarchie verbreitete und einige geringfügige Sozialreformen verfügte.

Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen eines nationalen Referendums gaben die Wahlbehörden bekannt, dass nahezu 60 Prozent die Absetzung von Chavéz und die Anberaumung von Neuwahlen abgelehnt hatten. Vor Zehntausenden Unterstützern bezeichnete Chavéz daraufhin vom Balkon des Präsidentschaftspalastes in Caracas aus das Referendum spöttisch als "Geschenk für Bush".

Die Führer der Coordinadora Democrática, des Bündnisses der venezolanischen Oligarchie, sprachen umgehend von "riesiger Wahlfälschung" und weigerten sich, den Ausgang des Referendums anzuerkennen. Internationale Beobachter bestätigten jedoch seinen korrekten Verlauf.

Einer dieser Beobachter, der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, gab an, dass die Wahlbeteiligung extrem hoch war und dass weder er noch andere "irgendeinen Hinweis auf Fälschungen" entdeckt hätten. Carter verlieh seiner Zuversicht Ausdruck, "dass die Wahlergebnisse zuverlässiger sein werden als unsere in Florida im Jahr 2000".

Für die rechtsgerichtete Opposition scheiterte mit dem Referendum der dritte Anlauf zum Sturz von Chavéz innerhalb von drei Jahren. Im April 2002 putschte sie in Zusammenarbeit mit der Bush-Regierung, sperrte den venezolanischen Präsidenten kurzfristig hinter Gitter und setzte eine Junta aus Militärs und Unternehmern ein. Angesichts des Massenwiderstands, der in den Slums und Arbeitervierteln von Caracas und anderen Landesteilen ausbrach, musste sie allerdings den Rückzug antreten.

Als Nächstes gelang es ihr nicht, die Regierung durch einen von den Unternehmern selbst organisierten Generalstreik zu stürzen, der erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichtete. Erst nachdem es ihr nicht gelungen war, die Regierung auf illegalem Wege zu beseitigen, verfiel die Opposition auf die Idee, eine Bestimmung in der unter Chavéz erlassenen Verfassung auszunutzen, nach der die Regierung per Referendum abgesetzt werden kann.

Die Abstimmung vom Sonntag widerspiegelte die starke soziale Polarisierung in Venezuela. Nahezu 60 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, während die Finanzelite die Gewinne aus dem Ölreichtum des Landes abschöpft. Chavéz hat unter der verarmten Bevölkerungsmehrheit Unterstützung gewonnen, weil er einen kleinen Teil der Öleinnahmen in Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungsbauprogramme steckte.

Aus demselben Grund zog er den glühenden Hass der venezolanischen Oligarchie und der privilegierten Teile der Mittelklasse auf sich. In den Augen dieser Schichten ist insbesondere die Aussetzung der geplanten Privatisierungen - darunter auch die Privatisierung der riesigen staatlichen Ölindustrie - eine unerträgliche Einschränkung der wirtschaftlichen Ausplünderung des Landes. Sie setzen diese beschränkten Sozialreformen mit Kommunismus gleich.

In Wirklichkeit ähnelt Chavéz Politik den Initiativen gemäßigter bürgerlicher Regierungen in Lateinamerika in den 1960er und 1970er Jahren. Sie fallen nur deswegen auf, weil die neoliberale Politik, die in den letzten Jahrzehnten vorherrschte, überhaupt keine Sozialreformen mehr zugelassen hatte.

Chavéz machte sich im Jahr 1992 als Anführer eines gescheiterten Militärputsches gegen den damaligen Präsidenten Carlos Andrés Pérez einen Namen. Er wurde ins Gefängnis geworfen, zwei Jahre später begnadigt und dann 1998 zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt. Seine damalige Stimmenmehrheit verdankte er dem Zerfall der beiden korrupten Parteien, die Venezuela in den vorangegangenen vierzig Jahren beherrscht hatten, und zwar nach einem System, das man als Puntofijo bezeichnete: Sie wechselten einander an der Regierung ab und teilten sich die Beute.

Der Ausgang des Referendums vom Sonntag ging in erster Linie auf die Beteiligung von Millionen Wählern aus den armen Stadtvierteln und vom Lande zurück. Schon vor Sonnenaufgang bildeten sich Schlangen vor den Schulen, in denen die Abstimmung stattfand. Vor manchen Wahllokalen waren sie mehr als einen Kilometer lang, und ihre Schließung musste zwei Mal hinausgeschoben werden. Die letzten Stimmen konnten erst nach Mitternacht abgegeben werden.

Auch in den reichen Vierteln von Caracas, wo die Mehrheit für die Absetzung von Chavéz stimmte, wurde eine hohe Wahlbeteiligung verzeichnet. In den Wochen vor der Abstimmung hatten die privaten Fernsehsender und die wichtigsten Radiosender unaufhörlich Aufrufe der Oppositionspolitiker verbreitet und Meinungsumfragen veröffentlicht, die ihrer Initiative einen sicheren Erfolg prognostizierten. Den Anhängern der Coordinadora Democrática wurde versichert, dass die Mehrheit der "unentschiedenen" Wähler am Ende doch mit Ja stimmen wolle.

Am Wahltag selbst gab die nationale Wahlbehörde bekannt, sie habe eine CD gefunden, auf der Stimmen ihrer Mitarbeiter verfälscht worden seien. Außerdem sei eine Nachrichtensendung aufgezeichnet worden, in der ein Erfolg des Referendums gemeldet wurde. Offenbar sollten diese Aufnahmen vor Schließung der Wahllokale gesendet werden.

Doch dies war nicht der einzige schmutzige Trick, den die Opposition mit Unterstützung Washingtons anwandte. Seit Amtsantritt der Bush-Regierung flossen über die Stiftung National Endowment for Democracy (NED) etwa vier Millionen Dollar in die Taschen von Anti-Chavéz-Gruppen. Die NED ist de facto eine staatliche Agentur, die der US-Kongress 1983 gegründet hat, um politische Destabilisierungsaktionen zu betreiben, die früher verdeckt von der Central Intelligence Agency ausgeführt wurden.

Als herauskam, dass die NED - entgegen venezolanischem Gesetz - die Kampagne für ein Referendum direkt finanziert und bereits ein Kabinett für die Zeit nach Chavéz zusammengestellt hatte, verlor die Initiative stark an Unterstützung in der Bevölkerung. Chavéz selbst stellte sie als Abstimmung darüber dar, ob Venezuela "ein freies Land bleiben oder zu einer Kolonie der USA werden" sollte.

Chavéz' Sieg wirkte bezeichnenderweise beruhigend auf die Ölmärkte, der Rohölpreis sank von einer Rekordhöhe von fast 47 Dollar pro Barrel. Der Ausgang des Referendums dämpfte die Befürchtungen der Märkte, dass die Lieferungen aus dem fünftgrößten Ölexportland der Welt durch Unruhen beeinträchtig werden könnten.

In seiner eigenen Kampagne zum Referendum hatte Chavéz gegenüber den Armen und der Arbeiterklasse gegen die venezolanische Finanzelite und die Einmischung seitens der USA gewettert, gegenüber dem einheimischen und ausländischen Kapital schlug er aber ganz andere Töne an. Er stellte sich als den einzigen Politiker dar, der in Venezuela die Stabilität wahren und zuverlässige Öllieferungen gewährleisten könne.

In einem Interview mit der argentinischen Zeitung Pagina 12 äußerte sich der venezolanische Vizepräsident José Vicente Rangel in dieser Hinsicht ganz unmissverständlich. Die rechte Opposition, erklärte er, habe niemanden, mit dem sie Chavéz ersetzen könne, und keine Basis in der Bevölkerung, um eine Regierung zu bilden.

"Ich sage Ihnen heute, dass sie dieses Land nicht in den Griff bekommen können", sagte er. "Chavéz ist ein Damm gegen soziale Unruhen, und die Märkte wissen das. Sie wissen es genau. Die Märkte sind viel klüger als die politischen Beobachter, weil sie Verluste unbedingt vermeiden wollen."

Die auffällig gedämpfte Reaktion Washingtons auf Chavéz' Sieg - sowie Carters eilige Bestätigung des Ergebnisses - unterstreichen diese Einschätzung. Die Bush-Regierung, die über enge Verbindungen zur Ölindustrie verfolgt, schloss sich der Logik der Märkte an. Auf keinen Fall möchte sie ausgerechnet jetzt einem weiteren Anstieg der Rohölpreise Vorschub leisten und damit eine weitere Erhöhung der Benzinpreise vor den Präsidentschaftswahlen im November riskieren.

Angesichts des anhaltenden Debakels im Irak und der potenziellen Gefährdung der Öllieferungen aus dem gesamten Mittleren Osten, von dem drohenden Zusammenbruch des Ölgiganten Yukos in Russland ganz zu schweigen, sind zuverlässige Exporte aus Venezuela von entscheidender strategischer Bedeutung. Das lateinamerikanische Land liefert derzeit 1,5 Millionen seiner Tagesproduktion von 2,6 Millionen Barrel an die USA, das sind 13 Prozent der Gesamt-Ölimporte in die USA.

Es steht außer Frage, dass eine Niederlage von Chavéz zu größeren Unruhen geführt hätte. Rangel wies ganz zu Recht darauf hin, dass die Opposition keinen glaubwürdigen Ersatz für ihn anzubieten hatte. Außerdem verlangt die Verfassung Neuwahlen innerhalb von dreißig Tagen, was kaum praktikabel gewesen wäre. Überdies hätte die Frage, ob Chavéz bei solchen Wahlen zur Kandidatur berechtigt gewesen wäre, zu heftigen Auseinandersetzungen geführt.

Washington hat sich allerdings nur vorübergehend und aus taktischen Erwägungen heraus mit Chavéz' Sieg abgefunden. Die Planungen für seinen Sturz gehen unvermindert weiter.

Ungeachtet der Wutausbrüche seiner rechten Gegner hat Chavéz Politik nichts mit Sozialismus zu tun. Der Boden befindet sich fest in den Händen der Großgrundbesitzer. Die reichsten drei Prozent der Bodenbesitzer verfügen über 77 Prozent der bebaubaren Flächen, und die ärmsten 50 Prozent der Bauern zusammen über lediglich 1 Prozent. Es gibt Millionen landloser Bauern.

Die Tätigkeit ausländischer Ölunternehmen ist in Venezuela keinen Beschränkungen unterworfen, und sie fördern mehr als ein Drittel der Gesamtproduktion. Außerdem hält sich die Regierung Chavéz exakt an die Auflagen für den Schuldendienst, die ihr die internationalen Banken und Kreditagenturen diktiert haben.

In dem Maße allerdings, wie seine Politik dem Wirtschaftsmodell entgegensteht, das Washington dem Rest des lateinamerikanischen Kontinents aufzwingt, gilt Chavéz als Bedrohung, die beseitigt werden muss. Besonders unbeliebt hat er sich mit seinen Plänen gemacht, die Lizenzgebühren für ausländische Ölunternehmen von 16 auf 30 Prozent fast zu verdoppeln. Außerdem stößt seine gegen die USA gerichtete Rhetorik in Lateinamerika auf wachsende Resonanz, da die liberale Wirtschaftspolitik und der Einfluss der USA bei der Bevölkerung verhasst sind.

Laut einem Bericht der spanischen Zeitung El Mundo arbeitet die CIA bereits an Plänen, wie einer Ausdehnung des venezolanischen Einflusses im Anschluss an das Referendum entgegengewirkt werden kann. Das in Madrid erscheinende Blatt berichtete auf der Titelseite seiner Ausgabe vom 9. August, dass William Spencer, der stellvertretende Direktor für Angelegenheiten der südlichen Hemisphäre, sich in Chile mit den CIA-Direktoren für Kolumbien, Brasilien und Peru getroffen hat, um Pläne zur "Neutralisierung" von Chavéz zu besprechen.

Die Zeitung berichtet weiter, dass die CIA über eine Erhöhung des finanziellen und militärischen Drucks gegen Venezuela diskutiere. Außerdem habe sich das US-Außenministerium auf die Eventualität vorbereitet, dass die Chavéz-Regierung mit der Begründung, es seien Attentatspläne gegen den Präsidenten entdeckt worden, das Referendum absagen würde.

Dieses Szenario ist entlarvend. Innerhalb der US-gestützten Opposition spricht man zunehmend über eine gewaltsame Lösung für die lange politische Krise Venezuelas und fordert Chavéz' Tod. Besonders offen äußert sich der ehemalige venezolanische Präsident Carlos Andrés Perez, den Chavéz in seinem gescheiterten Putsch von 1992 zu stürzen versucht hatte und der später wegen Korruption seines Amtes enthoben wurde.

Gegenüber der venezolanischen Zeitung El Nacional erklärte Perez in Miami: "Ich arbeite an der Absetzung von Chavéz. Mit Gewalt werden wir ihn absetzen können. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht." Er fuhr fort: "Chavéz muss sterben wie ein Hund, denn er verdient es."

Der frühere Präsident ließ durchblicken, dass dem Sturz und / oder der Ermordung von Chavéz eine Periode der Diktatur folgen sollte. "Wir können nicht einfach Chavéz los werden und sofort eine Demokratie einführen", sagte er. "Wir werden eine Übergangszeit von zwei bis drei Jahren brauchen, um die Grundlagen für einen Staat zu legen, in dem Recht und Gesetz herrschen." "Eine Junta", führte er aus, werde das Parlament, den Obersten Gerichtshof und alle anderen Institutionen, in denen die Chavéz-Anhänger die Mehrheit haben, zunächst schließen.

Perez ist ein ausgewiesener Spezialist für die Einführung der "Herrschaft von Recht und Gesetz". Er ist in Venezuela berüchtigt, weil er 1989 die Armee einsetzte, um einen Aufstand der armen Bevölkerung gegen ein drakonisches Austeritätspaket des Internationalen Währungsfonds niederzuschlagen. Schätzungen gehen davon aus, dass dabei bis zu 3000 Menschen getötet wurden. Perez ist das authentische Antlitz der "demokratischen" Opposition von US-Gnaden.

Man muss davon ausgehen, dass die Kabale aus Reaktionären und Castro-feindlichen kubanischen Exilanten, die die Abteilung "westliche Hemisphäre" des amerikanischen Außenministeriums dominieren, mit verdoppelter Energie versuchen werden, bei nächster Gelegenheit einen erfolgreichen Putsch in Venezuela zu inszenieren. Auch in diesem Fall wird, wie im Falle des Irak, die politische Kontinuität im Falle eines Wahlsiegs von John Kerry, Bushs demokratischem Herausforderer, gewahrt bleiben.

Kerry hat wiederholt gefordert, dass mehr gDruckg auf die Regierung Chavez ausgeubt werden musse. Er warf ihr vor, sich ?auser-legaler Methodeng zu bedienen, einen ?Zufluchtsort fur Drogenterroristeng zu schaffen und ?Instabilitat in der Regiong zu saen. Auserdem forderte er eine Verdreifachung der Gelder fur die National Endowment for Democracy.

Siehe auch:
Planen die USA die Ermordung des venezolanischen Präsidenten?
(16. Oktober 2003)
Streik in Venezuela - Anatomie einer von den USA gestützten Provokation
( 29. Januar 2003)
Venezuela: Bereitet die CIA einen neuen Putschversuch vor?
( 17. Dezember 2002)
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