Der unrühmliche Abgang des CBS-Moderators Dan Rather

Vergangene Woche kündigte der langjährige Nachrichtenmoderator Dan Rather seinen Rücktritt vom Posten des CBS-Chefrredakteurs zum 9. März an, dem 24. Jahrestag seines Debüts als wichtigster Nachrichtensprecher des Senders. Berichten zufolge hatte der 73-jährige Journalist geplant, sein 25. Jubiläum noch als Chefredakteur zu begehen, und der Sender hatte wenig unternommen, um einen Nachfolger aufzubauen.

Rathers abrupter Abgang ist der jüngste einer Serie von Vorgängen, mit denen sich die Medienkonglomerate während der letzten Jahre dem Druck von Regierung, Konzernen, Militär und Geheimdiensten gebeugt haben, jede ernsthafte Nachforschung über die Praktiken der herrschenden amerikanischen Elite zu unterbinden.

CBS-Offizielle räumten in spontanen Äußerungen gegenüber Pressevertretern ein, die Entscheidung sei durch die internen Nachforschungen des Senders über eine Ausgabe der von Rather moderierten Sendung "60 Minutes" notwendig geworden. In dieser waren offenbar gefälschte Dokumente präsentiert wurden, die den wohlbegründeten Vorwurf gegen George W. Bush untermauern sollten, er habe während der Vietnam-Ära bei seinem Dienst in der Nationalgarde eine Sonderbehandlung erhalten. Der ehemalige Justizminister Richard Thornburgh sowie der ehemalige Chef von Associated Press, Louis Boccardi, sollen die Ergebnisse der Nachforschungen Anfang nächsten Jahres vorstellen. Man erwartet als Ergebnis ihres Berichts die Entlassung oder den forcierten Rückzug zahlreicher für die Sendung verantwortlicher Mitarbeiter.

Die Sendung vom 8. September wurde sehr schnell durch Material diskreditiert, das rechte Aktivisten mit Verbindungen zur Bush-Regierung ins Internet stellten. Ihre Berichte wiesen auf offensichtliche Fehler der Dokumente hin: So zeigte deren Typographie, dass sie nicht in den siebziger Jahren auf einer Schreibmaschine, sondern auf einem PC mit Microsoft Word Software erstellt worden waren. Rather sah sich schließlich gezwungen, während einer von ihm gelesenen Nachrichtensendung die Fehler der Sendung einzugestehen.

Das Debakel der "60 Minutes"-Sendung wurde von rechten Kreisen als fataler Schlag gegen die vermeintliche Linkslastigkeit von CBS begrüßt. Seit langem wird der Sender als liberalste der großen Fernsehstationen verteufelt, mit Rather als Obersatan. Sein Abschied - oder Rauswurf - wurde als Ablösung eines hartnäckigen Gegners der Bush-Administration und Unterstützers der Demokratischen Partei gefeiert.

Tatsächlich werden aber sowohl der Liberalismus, als auch die Standhaftigkeit Rathers und der CBS gewaltig überschätzt. Nur vom verzerrten Standpunkt der amerikanischen Ultrarechten - denen sogar der konservative "Neue Demokrat" Bill Clinton als verkappter Kommunist gilt - können Leitfiguren der US-Medienkonzerne als Teil der "Linken" gelten.

Rather begann seine Karriere als Lokalreporter bei einem texanischen Fernsehsender. Nationale Aufmerksamkeit erregte er erstmalig während der Ermordung John F. Kennedys in Dallas im November 1963. Bei CBS stieg er dann zum Reporter für nationale Angelegenheiten auf. Bald wurde ihm die Berichterstattung über das Weiße Haus unter Nixon übertragen. Er gewann großes Ansehen als wirksamer und konträrer Fragesteller bei Nixons Pressekonferenzen - ein Ansehen, das angesichts der schüchternen und unterwürfigen Praxis der derzeitigen Berichterstattung aus dem Weißen Haus durchaus gerechtfertigt ist.

Der Höhepunkt des Konflikts zwischen Nixon und der Presse war 1971 erreicht, als die New York Times die "Pentagon Papers" veröffentlichte, eine interne Sammlung von Berichten über die US-Intervention in Vietnam. CBS produzierte darauf die Sendung "Das verkaufte Pentagon". Die Dokumentation behandelte die offizielle Kriegspropaganda derart kritisch, dass einige Demokraten aus den Südstaaten nach einer Anhörung im Kongress riefen, da der Sender ihrer Auffassung nach das Militär unterminierte.

Die wohl schwerste Sünde des Senders war in den Augen der Militärs, dass sein Chef Walter Cronkite sich der Antikriegsstimmung im Land anschloss. Angesichts der Tet-Offensive von 1968 erklärte Cronkite öffentlich, der Krieg sei es nicht wert, amerikanische Leben zu opfern. Auch im Ruhestand bewahrte sich Cronkite seinen moderaten Liberalismus. Heute, da die US-Politik sich immer weiter nach rechts bewegt, erscheint er damit wohltuend radikal. Cronkite hat sich gegen den Irakkrieg ausgesprochen und erklärt, die Bush-Administration habe das amerikanische Volk in Hinsicht auf angebliche Verbindungen zwischen Saddam Hussein und den Anschlägen vom 11. September 2001 bewusst in die Irre geführt.

Rather selbst machte sich - trotz seiner hartnäckigen Befragung Nixons über Watergate und andere Skandale - nie die Kritik an einer bestimmten Regierungspolitik zu eigen. Im Gegenteil, er praktizierte einen angepassten Patriotismus und Antikommunismus, der seinen schändlichsten Ausdruck in Afghanistan fand. Dort trat Rather in einem verherrlichenden Bericht über die Guerillatruppen, die seit 1979 in Afghanistan gegen die sowjetische Invasion kämpften, in der Uniform der islamisch fundamentalistischen Mujaheddin auf.

Dieselben von den USA unterstützten Truppen, organisiert, finanziert und bewaffnet durch die CIA, ermöglichten letztlich den Aufstieg Osama Bin Ladens und seines Al-Quaeda-Netzwerkes. Rather erhielt für seinen selbstdarstellerischen Auftritt den Beinamen "Gunga-Dan". Es war sein letztes großes Projekt, bevor er im September 1981 Cronkite als CBS-Chef ersetzte.

Dieser Aufstieg Rathers fiel mit einem Rechtsruck in der US-Politik zusammen. Reagan wurde Präsident und intensivierte die Aufrüstung gegen die Sowjetunion. Damit einher ging eine Politik der Aggression im Ausland und der Angriffe auf die Arbeiterbewegung im Inland. In diesem Kontext geriet CBS plötzlich und unerwartet unter rechtes Sperrfeuer.

Im Januar 1982 brachte der Sender die Dokumentation "Der ungezählte Feind - Täuschung Vietnam". In ihr wurde US-General William Westmoreland, Kommandierender der amerikanischen Truppen in Vietnam von 1965-68, beschuldigt, er habe Geheimdienstschätzungen über die Zahl der gegen das US-Militär kämpfenden Guerillatruppen verheimlicht und verfälscht. Die Sendung zielte darauf ab, einen Teil der Verantwortung für das Tet-Debakel von der Johnson-Regierung auf die Militärführung abzuwälzen.

Westmoreland strengte ein Gerichtsverfahren gegen die CBS an, das - anders als frühere derartige Versuche durch in die Kritik geratene Führungskräfte - beträchtliche Unterstützung in Medien und Politik gewann. Wenngleich das Verfahren 1895 eingestellt wurde, so gab CBS doch eine Stellungnahme heraus, die einer Entschuldigung und teilweise auch Rücknahme der Vorwürfe gleichkam. Noch bedeutender erwies sich, dass der Sender sich finanziell ausgehöhlt und daher anfällig für eine Reihe von Übernahmeversuchen sah - angefangen mit einem Angebot Ted Turners. 1987 wurde der Sender an die Tisch-Gruppe verkauft. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte CBS sich gerühmt, als einziger Fernsehsender nicht einem weit größeren Unternehmen zu gehören, dem die letzte Entscheidungsgewalt zukam. So wurde der Sender NBC seit langem von General Motors beherrscht. ABC unterstand Capital Cities und später Walt Disney.

Die Westmoreland-Affäre wurde zu einem Wendepunkt in der Entwicklung der US-Medien. Im Gefolge des Vietnamkrieges hatte sich in den obersten Kreisen von Politik und Wirtschaft ein Konsens herausgebildet, dass Berichterstattung und Kommentare über die sozialen Widersprüche in der US-Gesellschaft sowie kritische Enthüllungen in Bezug auf die amerikanische Außenpolitik zu unterbinden seien. Die Medien mussten diszipliniert werden, um die öffentliche Meinung hinter den außenpolitischen Zielsetzungen des amerikanischen Kapitalismus, insbesondere seinen Militärinterventionen, auf eine Linie zu bringen.

Rather - dies sei zu seiner Ehre gesagt - beugte sich diesem neuen Konsens um einiges langsamer als viele Andere in den konzernkontrollierten Medien. Während die Iran-Kontra-Affäre 1986-87 durch die Medien weithin vertuscht wurde - obwohl sie Verfassungsbrüche beinhaltete, die weitaus bedeutender waren als Watergate - zeigte sich Rather ehrlich erbost über die Unterminierung traditioneller demokratischer Normen und Prozeduren. Diese Einstellung trat 1988 in einem Interview mit dem damaligen Vizepräsidenten George Bush Sen. zutage. Das Gespräch endete in einem offenen Schlagabtausch.

Die zunehmend zensierte und verzerrte Berichterstattung der Massenmedien zeigte sich besonders krass bei den Auslandseinsätzen des US-Militärs. Sie begann mit Grenada, wo die Reagan-Regierung 1983 einmarschierte und ein linksnationalistisches Regime stürzte, das sich mit Kuba verbündet hatte. Die Medien schluckten den offensichtlich verlogenen Vorwand für die Aktion praktisch kritiklos. Angeblich sollte das Leben gefährdeter Medizinstudenten aus den USA gerettet werden. (Als der Hurrikan Ivan vergangenen Sommer das Land verwüstete und das Leben der Studenten an der dortigen medizinischen Hochschule in weitaus größere Gefahr brachte, sahen US-Regierung und Medien gleichermaßen gelangweilt darüber hinweg.)

Medienkampagnen zur Dämonisierung von Zielen amerikanischer Militäraktionen wurden zur gängigen Praxis. Muammar Gaddafi in Libyen, Manuel Noriega in Panama, Saddam Hussein im Irak, der somalische Warlord Mohammed Aideed, der serbische Präsident Slobodan Milosevic und abermals Hussein: Jeder von ihnen wurde als Bestie in Menschengestalt dargestellt, als neuer Hitler, schlimmster Terrorist der Welt usw. Wiederum fügte sich Rather nicht vorbehaltlos in die Rolle des Gehirnwäschers, der das amerikanische Volk lehren sollte, den Feind des Tages zu hassen. Sein Interview mit Saddam Hussein knapp vor der US-Invasion im März 2003 wurde von rechten Presseablegern wie Fox oder der New York Post als etwas angesehen, das eigentlich dem Landesverrat gleichkam.

Auch weil CBS vergangenen April daran mitwirkte, den Skandal der Gefangenenmisshandlungen im Gefängnis von Abu Ghraib zu enthüllen, geriet der Sender ins Visier der Regierung und des Militärs. Die CBS Produzentin Mary Mapes und der Redakteur Seymour Hersh vom New Yorker spielten Schlüsselrollen dabei, die anschaulichen Aufnahmen gefolterter Gefangener ans Licht zu bringen. Die Erstveröffentlichung der Bilder erfolgte in der CBS-Sendung "60 Minutes II".

Mary Mapes produzierte auch die "60 Minutes"-Ausgabe vom letzten September, die Bushs Dienst bei der Nationalgarde thematisierte. Es erscheint plausibel, dass sie zum Opfer eines Manövers wurde, bei dem falsches Beweismaterial in der Sendung platziert wurde, das auf sie selbst, Rather und den Sender als ganzes zurückfallen musste. Doch jeder Betrug benötigt auch einen Betrogenen, und die Leichtgläubigkeit Mapes‘ und Rathers beweist nur die Unfähigkeit der konzerngesteuerten Medien, ernsthafte und unabhängige Untersuchungen über das politische und wirtschaftliche Establishment durchzuführen, dessen Teil sie selbst sind.

Als Reaktion auf die Angriffe, die nach der Sendung über Bushs Zeit bei der Nationalgarde vom 8. September auf den Sender niedergingen, kündigte dieser am 27. September an, dass ein "60 Minutes"-Bericht aus dem Programm genommen werde, der kurz vor der Wahl vom 2. November hätte ausgestrahlt werden sollen. Der Bericht sollte die Verwendung gefälschter Dokumente durch die Bush-Administration im Vorfeld des Einmarschs im Irak aufzeigen. Seit Monaten zur Ausstrahlung bereit, behandelte der Beitrag die - später zurückgezogene - Behauptung der Administration, der Irak habe sich in Niger Uran zu verschaffen versucht.

Ein wichtiger Faktor, der zur völligen Unterwerfung der Medien unter die Regierungs- und Konzernpropaganda und zum Niedergang des "Vierten Standes" - wie die amerikanische Presse sich einst selbst nannte - beitrug, ist der enorme Anstieg der Honorare für Nachrichtenredakteure. Diese sind inzwischen zu einer eigenen Gattung von Multimillionären und Prominenten aufgestiegen.

Die Haupttätigkeit von Dan Rather, Tom Brokaw oder Peter Jennings - das Schreiben und Vortragen von Nachrichten - kann vom Standpunkt ihres gesellschaftlichen Nutzens nicht den hundertfachen Wert der Arbeit einer Krankenschwester, eines Automechanikers oder eines Computerprogrammierers haben. Dennoch liegen die Jahresgehälter der wichtigsten Sprecher von CBS, NBC, ABC oder Fox weit über 5 Millionen Dollar.

Jeder Journalist, der es wagt, die Hierarchie in Politik und Konzernen in Frage zu stellen, setzt damit nicht nur seinen Job aufs Spiel, sondern auch die Aussicht auf die Sphären siebenstelliger Gehälter, in denen sich "Persönlichkeiten" aus der Medienlandschaft auf gleicher Höhe mit Konzernchefs und Politprofis bewegen. Selbstzensur der eigenen Karriere zuliebe ist eine weit wirksamere Methode als direkte Anweisungen von oben, wenn es um die Frage geht, was zum Objekt von Nachforschungen werden soll und was nicht.

Loading