Bericht verweist auf unkontrollierte Plünderung irakischer Ölreserven

Die unabhängige britische Hilfsorganisation Christian Aid veröffentlichte am 28. Juni einen Bericht, in dem auf die unkontrollierte Plünderung des irakischen Öls durch die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten hingewiesen wird. Das Dokument mit dem Titel "Verdachterregend: Die Koalition und die Öl-Milliarden des Iraks" enthüllt, dass Einnahmen aus dem Ölexport in Höhe von bis zu drei Milliarden Dollar verschwunden sind.

Die entschiedene Weigerung der inzwischen aufgelösten US-Zivilverwaltung CPA, ihren Einzug dieser Einnahmen akkurat und nachvollziehbar darzulegen, hat dazu geführt, dass niemand weiß, wie viel irakisches Öl die amerikanischen Verwaltung verkauft hat und welcher Preis dafür verlangt wurde.

Der Bericht von Christian Aid betont die außergewöhnlichen Befugnisse der CPA hinsichtlich jedes Aspekts der Aneignung und Ausgabe von Geldern, die aus dem Verkauf irakischen Öls gewonnen wurden. Das Öl des Landes befand sich de facto im Privatbesitz der CPA und ihres amerikanischen Chefs Paul Bremer.

Christian Aid merkt an, dass die Daten zu Einnahmen aus dem Ölgeschäft, die die CPA veröffentlicht hat, den "internationalen Buchhaltungsstandards nicht genügen, obwohl der CPA die Informationen zur Verfügung stehen, um dies zu leisten". Der Bericht wirft ein Schlaglicht auf eine Reihe von groben Unstimmigkeiten in den von der CPA veröffentlichten Zahlen.

Am 29. Mai veröffentlichte der von der CPA kontrollierte Entwicklungsfond für Irak (DFI), in den die Öleinnahmen zunächst flossen, seinen Finanzbericht und stellte darin fest, dass Einnahmen in Höhe von 10 Milliarden Dollar aus Ölverkäufen in den 12 Monaten vor Mai 2004 stammten. Dies steht im Widerspruch zum "Wochenbericht" der CPA, der einen Tag zuvor erschienen war, und in dem für den gleichen Zeitraum von Öleinnahmen in Höhe von 11,5 Milliarden Dollar die Rede war. Es gab keinen Hinweis darauf, wie diese Zahlen berechnet worden sind.

Chriatian Aid führte eine eigene Untersuchung zum Wert der Ölexporte durch und gelangte zu einem von der Organisation selbst als "extrem konservativ" bezeichneten Schätzwert von 11,8 bis 13 Milliarden Dollar. Das bedeutet, dass die CPA ihre Einnahmen um bis zu drei Milliarden Dollar (oder 30 Prozent der Gesamtsumme) unter Wert angegeben hat. Christian Aid schließt die Frage an: "Fehlen diese Extra-Milliarden? Es ist nicht möglich, hierzu etwas zu sagen."

Die amerikanisch kontrollierte Ölindustrie im Irak folgt immer noch nicht der internationalen gängigen Praxis, die Produktion zu messen. Diese Messungen stellen eine effektive Maßnahme dar, um die Menge und die Qualität des verkauften Öls zu bestimmen. Zu der Zeit, als die Vereinigten Staaten die Kontrolle über das irakische Öl übernahmen, fanden aufgrund der Schäden durch Krieg und Sanktionsregime keine solchen Messungen mehr statt.

Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die amerikanischen Autoritäten absichtlich die Instandsetzung der Messanlagen verzögert haben, um die Plünderung der irakischen Ölreserven zu erleichtern. Christian Aid konsultierte Experten aus der Ölindustrie, nach deren Angaben die Einführung von Messungen keine Schwierigkeit darstellt und keine zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen verlangt. Trotzdem berichtete die CPA im Mai, dass Verträge zur Instandsetzung der Messanlagen erst in 12 bis 18 Monaten erfüllt werden könnten - das heißt mehr als ein Jahr nach dem Ende der CPA-Herrschaft und nachdem Milliarden Dollar den Besitzer gewechselt haben.

Die Bush-Regierung widersetzte sich jedem Vorschlag, ihre Kontrolle über das irakische Öl in irgendeiner Form beaufsichtigen zu lassen. Mit der Resolution 1483 des UN-Sicherheitsrats, verabschiedet im Mai 2003, wurde die Internationale Beratungs- und Kontrollkommission (IAMB) geschaffen, die sich aus Vertretern der Vereinten Nationen, des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und des Arabischen Entwicklungsfonds zusammensetzt. Die IAMB sollte die Handhabung und den Verkauf des irakischen Ölreichtums durch die CPA überwachen, doch über Monate hinweg sträubten sich die Vereinigten Staaten, dieser Institution irgendetwas zuzugestehen.

Erst im Oktober 2003, als das von Krisen geplagte Weiße Haus auf der Madrider Geberkonferenz für den Irak um internationale Unterstützung warb, wurden der IAMB begrenzte Befugnisse eingeräumt. Die Institution erhielt das Recht, den Export von irakischem Öl und Gas zu kontrollieren und alle Transaktionen zu prüfen, die den Entwicklungsfond für Irak betrafen, darunter auch die Einnahmen aus den Ölverkäufen.

Aufgrund des anhaltenden Widerstands aus Washington wurden die ersten beiden Sitzungen des IAMB jedoch auf den Dezember 2003 und den Februar dieses Jahres verschoben. Erst im April wurde angekündigt, das Buchprüfungsunternehmen KPMG werde eine Überprüfung der Verwendung der irakischen Öleinnahmen durch die CPA durchführen. Wie die Vereinigten Staaten sehr wohl wussten, war es kaum möglich, eine solch umfangreiche Überprüfung in der kurzen Zeit durchzuführen, die bis zu der für den 30. Juni anvisierten Übergabe der Souveränität verblieb.

Um sicherzustellen, dass sich dies auch so verhielt, behinderten die amerikanischen Autoritäten die Überprüfung. Die Gruppe Iraq Revenue Watch, die selbst den Verbleib irakischer Einnahmen beobachtet, gelangte an den vorläufigen, noch unveröffentlichten Bericht der Überprüfung. Sie bemerkt: "KPMG berichtet von ernsten Problemen, Zugang zu erhalten, und einem Mangel an Kooperation, was den Abschluss der Aufgabe bis zum Stichtag am 30. Juni verhindern könnte [und letztlich auch konnte]. [...] Die KPMG-Besuche in irakischen Ministerien wurden ebenfalls behindert und bislang konnte erst ein Treffen in einem Ministerium stattfinden. Sie trafen auch auf bürokratische Hindernisse bei der Ausstellung von Ausweisen, die sie zum Betreten der ‚Grünen Zone' berechtigen, wo die CPA und die Regierungsbüros angesiedelt sind."

Die Ergebnisse der Überprüfung, die unter Bedingungen des Zeit- und Informationsmangels stattfinden musste, werden nun zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, wo die CPA bereits seit längerem die Kontrolle an das irakische Marionettenregime abgegeben hat. Hinzu kommt, wie der Bericht von Chriatian Aid bemerkt, dass "kein Weg auszumachen ist, auf dem irgendjemand für die Entscheidungen der CPA zur Verantwortung gezogen werden kann". Selbst wenn Beweise für kriminelle Aktivitäten und Korruption vorliegen, gibt es keine Möglichkeit, irgendeinen amerikanischen Vertreter dafür zu belangen.

Die Schamlosigkeit, mit der die Bush-Regierung bei ihrer neokolonialen Operation vorging, hat im politischen Establishment der Vereinigten Staaten Bedenken bezüglich der möglichen Nachwirkungen im Irak und Mittleren Osten aufkommen lassen. Unter der Überschrift "Wer hat Irak verloren?" schrieb Paul Krugman in der New York Times : "Angesichts des Verdachts der arabischen Welt, wir seien gekommen, um das irakische Öl zu stehlen, hatte die Besatzungsmacht allen Grund, eine unabhängige Überprüfung durchzuführen, die Halliburton und andere amerikanische Konzerne von dem Vorwurf freigesprochen hätte, sie machten Profite auf Kosten des Iraks. Außer natürlich, wenn diese Vorwürfe stimmen. Nennen wir die Dinge beim Namen. Indem sie den Irak zu einer Spielwiese für rechte Theoretiker, zu einer Beschäftigungsagentur für Familie und Freunde und zu einer Quelle lukrativer Verträge für ihre Geldgeber aus der Wirtschaft machte, hat die Regierung denjenigen, die Terroristen rekrutieren, einen sehr großen Gefallen erwiesen."

In Wirklichkeit ist die Wegnahme des irakischen Öls ein Kennzeichen für den kriminellen Charakter des Kriegs unter amerikanischer Führung. Die Bush-Regierung hat eine Flut falscher Vorwürfe gegen den Irak erhoben und darauf einen illegalen Angriffskrieg gegen das verarmte Land begonnen. Neben der Absicht, eine militärische und strategische Basis im Mittleren Osten einzurichten, versuchten die Vereinigten Staaten sich den Ölreichtum des Iraks anzueignen und konkurrierende Mächte davon abzuhalten, Zugang zu den weltweit zweitgrößten Reserven dieses höchst wichtigen Rohstoffes zu erlangen.

Wie die Koalition Irakische Ölgelder verprasst

Die Vereinigten Staaten haben nicht nur sorgfältig den Wert der Öleinnahmen vertuscht, die ihnen zuflossen, sondern legen auch nicht offen, wie und wofür sie das Geld genau ausgaben. Christian Aid bemerkt hierzu: "Für das gesamte Jahr, in dem sie im Irak an der Macht war, ist es unmöglich genauer festzustellen, was die US-Zivilverwaltung CPA mit den rund 20 Milliarden Dollar gemacht hat, die dem Irak gehörten. [...] Wir wissen immer noch nicht, wie genau dieses irakische Geld verdient wurde, für welche Verträge es ausgegeben wurde und ob diese Ausgaben im Interesse der irakischen Bevölkerung lagen."

Die CPA nennt zwar eine Reihe von Projekten, deren Kosten sie übernommen haben will, aber die diesbezüglichen Informationen sind allesamt unzureichend und unklar, und es wird nirgends aufgeführt, welche Firma für welche Aufgabe bezahlt worden ist. Ein hochrangiger UN-Mitarbeiter klagte gegenüber Christian Aid im Juni: "Wir kennen nur die Gesamtsummen der Transaktionen, die über den DFI [Entwicklungsfond für Irak] gelaufen sind. Wir haben überhaupt keine Kenntnis darüber, für welchen Zwecke sie bestimmt waren und ob diese mit der Sicherheitsratsresolution [1483] in Einklang stehen."

Irakische Ölgelder wurden eingesetzt, um Wiederaufbauverträge von gewaltigem Umfang an amerikanische Firmen zu vergeben. Christian Aid berichtet, dass es trotz dieser Verträge in vielen Fällen keine Anzeichen von Wiederaufbaumaßnahmen an den bezeichneten Orten gibt. In anderen Fällen präsentierten die Besatzungsbehörden verschiedene Wiederaufbauprojekte auf eine Weise, dass Iraker vor Ort "zumeist nicht begriffen, dass das eingesetzte Geld aus den Einnahmen des Iraks selbst stammen könnte, sondern es für Spenden ausländischer Geldgeber hielten".

Der irakische Reichtum wurde von der Bush-Regierung auch genutzt, um sich aus Verpflichtungen bei ihren bevorzugten Unternehmen freizukaufen - zu diesen gehört unter anderem die Firma Halliburton, in deren Vorstand Richard Cheney saß, bevor er Vizepräsident unter Bush wurde. Nachdem der amerikanische Kongress der Auftragsvergabe ohne Ausschreibung einen Riegel vorgeschoben hatte, wurden die Ölgelder an jene Unternehmen - wie Halliburton - ausgezahlt, die zuvor solche Aufträge erhalten hatten.

Große Teile der irakischen Öleinnahmen wurden darauf verwendet, die amerikanische Kontrolle über das Land zu verstärken. Etwa eine Milliarde Dollar aus dem DFI flossen in "erhöhte Sicherheitsmaßnahmen", wie es in CPA-Dokumenten heißt. Auch in diesem Fall gibt es keine Details, wofür und an wen dieses Geld ausgegeben wurde.

Die New York Times berichtete am 21. Juni, dass ein Teil der "Sicherheitsgelder" an amerikanische Militärteams ging, die im ganzen Land mit Ranzen voller 100-Dollar-Scheine unterwegs waren und in einem verzweifelten Versuch, dem Aufstand durch Bestechungen etwas entgegenzusetzen, das Geld an Iraker verteilten. "Die Militärkommandeure lieben dieses Programm, weil sie sich dadurch Freunde kaufen können", zitiert die Times einen amerikanischen Vertreter. "Wenn du alle auf der Straße anheuern willst, steckst du Geld in ihre Taschen und machst sie dir gleich. Wir haben schon immer irakisches Geld dafür ausgegeben."

Als die CPA aufgelöst wurde, hatten die amerikanischen Behörden die 20 Milliarden Dollar im Entwicklungsfond für den Irak bis auf 900 Millionen ausgegeben. In den Wochen vor der Übergabe der Souveränität beschleunigte sich die Ausgabe der Öleinnahmen, was die Gruppe Iraq Revenue Watch veranlasste, von einem "Irak-Schlussverkauf" zu sprechen. Alle von der CPA eingegangenen Verpflichtungen sind für das neue irakische Regime bindend, das nun vollständig von amerikanischen Geldern abhängig ist.

Die Geschwindigkeit, mit der die Vereinigten Staaten beinahe die gesamten Öleinnahmen des Iraks ausgegeben haben, steht im starken Kontrast zu dem praktischen Ausbleiben amerikanischer Gelder für den Wiederaufbau des Iraks. Am 22. Juni 2004 hatten die Vereinigten Staaten erst zwei Prozent aus dem 18,4 Milliarden Dollar umfassenden Wiederaufbaufond Irak ausgegeben, den der Kongress im vergangenen Oktober bewilligt hatte. Amerikanische Vertreter haben zugegeben, dass weniger als 140 der geplanten 2.300 Wiederaufbauprojekte angefangen wurden. Von den ausgegebenen 366 Millionen Dollar gingen 194 Millionen - mehr als die Hälfte - an die irakischen Polizei- und Sicherheitskräfte.

Die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten nicht einen Cent für das Gesundheitssystem oder die Wasserversorgung des Iraks ausgegeben haben, ist ein unmissverständlicher Beweis dafür, wie gleichgültig der Bush-Regierung das Wohlergehen der irakischen Bevölkerung ist. Obwohl im Wiederaufbaufond Irak 5,4 Milliarden Dollar für die Instandsetzung der Stromversorgung vorgesehen sind, wurden davon erst 109 Millionen ausgegeben. Mit dem Fond sollten ursprünglich 250.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, entstanden sind bisher15.000, ein Bruchteil des Geplanten.

Die Invasion im Irak unter amerikanischer Führung bedeutete einen schrecklichen Rückschlag für die Wirtschaft und das Sozialwesen des Landes. Die Iraker sind alles andere als "befreit" und in ihrer Mehrheit mit noch schlimmeren Lebensbedingungen konfrontiert als vor dem Krieg. Dass die Bush-Regierung das irakische Öl geplündert hat und praktisch keinen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes leistet, zeigt einmal mehr die völlig Missachtung, die sie der Lage der irakischen Bevölkerung entgegenbringt.

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