Disney verhindert Aufführung von Michael Moores Fahrenheit 9/11

Zensur in den USA

Das Milliarden schwere Unternehmen Walt Disney Entertainment hat die ihm untergeordnete Miramax Film Corporation angewiesen, Michael Moores jüngsten Film Fahrenheit 9/11 nicht frei zu geben. Disneys Vorgehen gegen den Film des Oscar-Preisträgers ist ein besonders krasses Beispiel politischer Zensur durch wirtschaftliche Macht. Es ist Teil einer Kampagne der herrschenden Kreise in den USA, die Opposition gegen die Regierung und gegen Bushs "globalen Krieg gegen den Terror" zum Schweigen zu bringen.

Die Dokumentation, deren Titel sich an Ray Bradburys düstere Novelle über die Zensur in einem zukünftigen faschistischen Staat anlehnt, untersucht die Reaktion des Weißen Hauses auf die Terrorangriffe vom 11. September sowie die engen personellen und finanziellen Verbindungen der Bush Regierung zur saudischen Familie Bin Laden. Der Film enthält auch Interviews mit amerikanischen Soldaten, die den Irakkrieg ablehnen. Er folgt dem Vorbild des populären Dokumentarfilms Bowling for Columbine.

Moores satirische Enthüllungen über die Bush-Regierung sind sehr populär. Bowling for Columbine fand breiten Beifall und ist die profitabelste Dokumentation der Filmgeschichte. Sie kostete 3 Millionen Dollar und spielte bisher 120 Millionen Dollar ein. Moores Buch Stupid White Men war monatelang auf den internationalen Bestsellerlisten und wurde über eine Million mal verkauft.

Moore selbst sagt, sein neuer Film wolle zeigen, was sich seit dem 11. September in den USA ereignet hat und "wie die Bush-Regierung das tragische Ereignis benutzte, um ihre Ziele besser durchsetzen zu können."

Auf das Verbot reagierte Moore mit den Worten: "Irgendwann muss man sich fragen: ‚Darf das in einer freien und offenen Gesellschaft geschehen, wo Geldinteressen bestimmen, welche Informationen das Publikum sehen darf?'" Fahrenheit 9/11 sei ein Film der "Partei ergreift", fügte er hinzu. "Er nimmt Partei auf der Seite der Armen und arbeitenden Menschen in diesem Land, die als Futter für die Kriegsmaschine dienen."

Seit seiner Rede bei der Oskar-Verleihung im Jahre 2003 steht Moore unter Beschuss der Rechten und Teilen der Medienunternehmen. Er hatte sich gegen den bevorstehenden Irakkrieg ausgesprochen und Bush als "fiktiven" Präsidenten bezeichnet, der durch eine "fiktive" Wahl an die Macht gelangt sei.

Um Fahrenheit 9/11 fertig zu stellen, hatte der Filmemacher verschiedene Finanzierungsprobleme zu überwinden. Mel Gibsons Icon Productions stimmte ursprünglich zu, die Produktion zu finanzieren, trat aber im letzten Jahr plötzlich zurück. Presseberichten zufolge wurde Gibson vom Weißen Haus kontaktiert und "abgeschreckt."

Sichere Profite witternd sprang Miramax ein und sagte im Gegenzug für lukrative Vertriebsrechte zu, "Überbrückungsmittel" bereitzustellen. Disney hatte sich jedoch, als es vor mehr als zehn Jahren Miramax aufkaufte, vertraglich das Recht vorbehalten, jede Veröffentlichung von Miramax zu blockieren, wenn es mit ihr nicht einverstanden sei.

Die New York Times schrieb, Disney habe Miramax gesagt, Moores Film sei zu polarisierend und schlecht fürs Geschäft. "Es ist nicht im Interesse einer großen Firma, in einen hochpolitischen Konflikt hineingezogen zu werden", sagte einer der Geschäftsführer der Zeitung.

Laut Times sagten Vorstände von Disney, mit Steuervergünstigungen hätte ihre Entscheidung nichts zu tun. Vielmehr sei die Firma "auf Familien mit den unterschiedlichsten politischen Ansichten ausgerichtet, Moores Dokumentation könnte Zuschauer aber vor den Kopf stoßen." Diese Argumente sind - gelinde gesagt - unaufrichtig. Disney ist in Wirklichkeit um die Familie des Bush-Clans und ihre Parteigänger besorgt.

Moore hat versprochen, der Film werde vor der Präsidentschaftswahl in diesem Jahr in die amerikanischen Kinos kommen.

Auf der Website des Filmemachers ist zu lesen: "In den kommenden Tagen und Wochen werden wir alles über den Hintergrund dieses (und anderer) Versuche, unseren Film zu verhindern, berichten. Seit fast einem Jahr lehrt dieser Kampf, wie schwierig es in diesem Land ist, ein Kunstwerk zu schaffen, das denen nicht passt, die in der Verantwortung stehen... Alles was ich sagen kann ist, Dank an Gott für Harvey Weinstein und Miramax, die während der ganzen Produktion des Films zu mir standen."

Dieses Vertrauen in Weinstein und Miramax ist kurzsichtig und töricht. Wie Disney, haben auch Miramax und Weinstein kein Interesse daran, dass die Bush-Regierung entlarvt oder publik gemacht wird, wie das Weiße Haus die Ereignisse des 11. September 2001 nutzte, um seine langgehegten Eroberungspläne gegen den Irak umzusetzen.

Die Zeiten, in denen Miramax als Förderer "unabhängiger" Produktionen angesehen werden konnte und bereit war, für ihre Veröffentlichung zu kämpfen, sind lange vergangen. Das zentrale Interesse des Unternehmens ist der Profit. Es hat Filme bereitwillig gänzlich oder zeitweise zurückgehalten, um nicht bei denen anzuecken, die im Land das Sagen haben.

Miramax lehnte nach dem 11. September 2001 die Veröffentlichung von The Quiet American des Australiers Philip Noyce fast 18 Monaten lang ab, weil der Film als "antiamerikanisch" und "unpatriotisch hätte angesehen werden können. Ähnlich erging es Gregor Jordans Buffalo Soldiers, einer Satire auf das Leben der US-Armee im Deutschland der späten 1980er Jahre. Der Film stand fast zwei Jahre lang in den Regalen, weil Miramax der Ansicht war, unter den Bedingungen des "Kriegs gegen den Terror" sei es "zu schwierig", ihn zu veröffentlichen.

Disneys Vertriebssperre für Fahrenheit 9/11 passt in das Muster der Angriffe auf demokratische Rechte und zeigt, dass die herrschende Schicht in den USA keine Kritik an ihrem sogenannten "Krieg gegen den Terror" dulden kann.

Die Entscheidung des Medien- und Unterhaltungsgiganten, sich als politische Polizei für Bush einzusetzen, resultiert aus einer Konferenz der bedeutenden Filmstudios und Fernsehsender der USA mit Karl Rove, Bushs wichtigstem politischem Berater, die im November 2001 stattfand. Das Ziel der damaligen Gespräche bestand darin, zu diskutieren, wie die amerikanische Unterhaltungsbranche und die Medienfirmen die Politik des Weißen Hauses unterstützen könnten.

Die von Großkonzernen kontrollierten Medien haben die Presseerklärungen des Weißen Hauses sklavisch wiedergekäut, Gräueltaten des US-Militärs ignoriert oder vertuscht und um Unterstützung für den Irakkrieg geworben. Auch Hollywood tut sein Bestes, um jede ehrliche, abweichende künstlerische Stimme zu entmutigen, und stellt sich auf die politischen Interessen des Weißen Hauses und der Rechten ein.

Den zweiteiligen Beitrag "Die Reagans" verwarf CBS im vergangenen November nach Angriffen der Rechten, die den Film als "wenig schmeichelhaft" für den ehemaligen Präsidenten und seine Frau bezeichneten.

Der Rummel um die jüngsten Enthüllungen der Folter in Abu Ghraib durch "Sixty Minutes II" verdeckt die Tatsache, dass die Produzenten von CBS in der Angelegenheit mit dem Militär zusammengearbeitet haben und ihr Material erst sendeten, nachdem das Pentagon grüne Licht gegeben hatte.

Die Vertriebssperre für Michael Moores jüngste Dokumentation erfolgte nur knapp eine Woche nach der Weigerung der rechten Sinclair Broadcast Group, eine Sonderausgabe des populären "Nightline"-Programms zu senden, in der die Namen der gefallenen amerikanischen Soldaten verlesen wurden. Sinclair behauptete, dieses Vorhaben sei Teil einer Verschwörung, die US-Besetzung des Irak zu untergraben.

Disneys Vorgehen gegen Fahrenheit 9/11 ist ein ganz klarer politischer Angriff auf die Meinungsfreiheit. Filmemacher, Künstler und alle, die entschlossen sind, grundlegende demokratische Rechte zu verteidigen, müssen sich dieser Zensur entgegenstellen und die sofortige Freigabe von Moores Fahrenheit 9/11 fordern.

Siehe auch:
Michael Moore unterstützt General Clark: die erbärmliche - und vorhersehbare - Logik der Protestpolitik
(30. Januar 2004)
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