Regierungswechsel in Griechenland

Bei den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag konnte die rechts-konservative Partei Nea Dimokratia (ND) einen deutlichen Wahlsieg über die bislang regierende Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) erringen. Die ND erhielt mit 45,37 Prozent der Stimmen etwa 5 Prozent mehr als die PASOK und verfügt damit nach dem griechischen Wahlrecht über eine absolute Mehrheit im Parlament (165 von 300 Sitzen). Neben den beiden großen Parteien ND und PASOK schafften auch die Kommunistische Partei (KKE) mit 5,89 Prozent und Synaspismos, ein Zusammenschluss verschiedener linker Gruppen, mit 3,26 Prozent den Einzug ins Abgeordnetenhaus. Der Sieg der Nea Dimokratia bei den Wahlen kam nicht unerwartet und der neue griechische Ministerpräsident und ND-Vorsitzende Konstantinos Karamanlis stellte bereits am Dienstag seine neue Regierung vor.

Bilanz der PASOK-Regierung

Das Wahlergebnis wird allgemein auf die Unzufriedenheit großer Teile der griechischen Bevölkerung mit der PASOK-Regierung zurückgeführt. Die PASOK dominierte die griechische Politik seit den 1980er Jahren wie keine andere Partei. In den Jahren 1981-1989 und 1993-2004 stellte sie die Regierung und übt zudem einen starken Einfluss auf die Gewerkschaften des Landes aus. Während die PASOK unter ihrem Gründer, Vorsitzenden und langjährigen Ministerpräsidenten Andreas Papandreou nationalistische Konzeptionen vertrat, die sich vor allem in antiamerikanischer und antieuropäischer Rhetorik äußerten, und begrenzte Sozialreformen durchführte, hat sich die Partei seit Mitte der 1990er Jahre zunehmend am neoliberalen Wirtschaftsmodell orientiert und unter dem Druck der Europäischen Union sowie der internationalen Finanzinstitutionen und Märkte einen umfassenden Sozialabbau begonnen.

1996 übernahm Konstantinos Simitis das Amt des Ministerpräsidenten von dem todkranken Papandreou und brachte die Partei nachfolgend auf einen "europaorientierten Reformkurs". Simitis setzte auf eine strikte Konsolidierungs- und Austeritätspolitik und schränkte Sozialleistungen sowie soziale Rechte ein, um die Maastrichter Kriterien für die Teilnahme an der europäischen Währungsunion zu erfüllen.

Die Regierung verlor durch ihre Politik der Deregulierung und Liberalisierung und dem damit einher gehenden massiven Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrie sowie durch ihre Unterstützung des Nato-Kriegs gegen Jugoslawien enorm an Unterstützung in der Bevölkerung. Sie konnte jedoch bei den letzten Wahlen im April 2000 abermals einen knappen Sieg über die ND erlangen und für eine weitere vierjährige Amtsperiode mit absoluter Mehrheit im Parlament regieren - nicht zuletzt, weil die PASOK im Wahlkampf eine Erhöhung des Lebensstandards und die "Umverteilung des Reichtums" versprochen hatte.

Der Reichtum wurde umverteilt - an die Spitze der Gesellschaft. Obwohl Griechenland die höchste Wirtschaftwachstumsrate in Europa aufweist, ist der Lebensstandard großer Bevölkerungsschichten in der jüngeren Vergangenheit dramatisch gesunken. Die Arbeitslosigkeit liegt mit etwa 10 Prozent im europäischen Vergleich sehr hoch, und zusammen mit Italien hat Griechenland den größten Anteil an Langzeitarbeitslosen in der Europäischen Union. Während vor allem junge Menschen und Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, arbeiten die Griechen, die einen Arbeitsplatz haben, mit durchschnittlich 42,3 Wochenstunden länger als alle anderen EU-Bürger. Mehr als ein Fünftel der griechischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.

In den letzten Jahren hat die Simitis-Regierung zahlreiche Privatisierungen und Veräußerungen von öffentlichem Eigentum durchgeführt, allein in den vergangenen zwei Jahren im Umfang von 5,8 Milliarden Euro. Für das Jahr 2004 sind bereits weitere so genannte "Entstaatlichungsmaßnahmen" geplant, die u.a. die Luftfahrtgesellschaft Olympic, die Post und Postbank, den Gaskonzern DEPA sowie Touristikimmobilien betreffen und dem Staat etwa 3 Mrd. Euro einbringen sollen. Einher mit der Privatisierungswelle gehen Massenentlassungen und Kürzungen im Sozialbereich.

Wie unpopulär die Politik der PASOK-Regierung war, zeigte sich exemplarisch an den Protesten gegen die Rentenreform, die Simitis im Frühjahr 2001 präsentierte. Die Regierungspläne, nach denen die Renten erheblich gekürzt und das Rentenalter stark heraufgesetzt werden sollten, lösten eine Welle der Empörung aus, die sich in zwei eintägigen Generalstreiks und großen Demonstrationen entlud. Zur Überraschung der Gewerkschaften - die in einem Spagat versuchten, einerseits die PASOK zu unterstützen, andererseits die Opposition gegen die unsoziale Politik der Sozialdemokraten zu kanalisieren - traten an dem von ihnen für den 26. April 2001 ausgerufenen Streiktag 85 Prozent der griechischen Arbeitnehmer in den Ausstand und sammelten sich in Athen und anderen Städten zum größten Protestzug seit dem Ende der Militärdiktatur im Jahre 1974.

Unter dem Eindruck dieser Massenmobilisierung zog die Simitis-Regierung die Rentenreformpläne zunächst zurück, ohne dabei von ihrem Kurs abzurücken. Sie entschied sich statt dessen die Reformen in kleinen Paketen durchzusetzen, die einzelne Branchen, Altersgruppen etc. betrafen, um so die Bevölkerung nach Interessengruppen zu spalten und ihre Opposition zu brechen. Ein "Linksruck" der Gewerkschaften oder der PASOK, wie ihn sich einige radikale Gruppen unter dem Eindruck der Massenproteste versprachen, fand nicht statt: Simitis ließ sich und seinen "Reformkurs" auf einem Sonderparteitag der PASOK im Herbst 2001 mit deutlicher Mehrheit bestätigen; die Gewerkschaften haben der Regierungspolitik nichts entgegenzusetzen und halten selbst einen "Umbau des Sozialstaats" für notwendig. Dass sich ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung Griechenlands von den Gewerkschaften nicht mehr vertreten sieht, zeigt sich am deutlichsten in ihrem Mitgliederschwund - zählten die griechischen Gewerkschaften 1981 noch 782.500 Mitglieder, so waren es zwanzig Jahre später nur noch 440.000.

Ähnlich wie die sozialdemokratischen Regierungen Schröder in Deutschland und Jospin in Frankreich hatte die Simitis-Regierung durch ihre unsoziale Politik die PASOK höchst unpopulär gemacht und in ein Allzeittief in den Umfragen geführt, aus dem sie sich auch durch taktische Winkelzüge nicht befreien konnte. Nachdem Simitis im Januar 2004 angekündigt hatte, dass die Parlamentswahlen am 7. März stattfinden würden, trat er vom Parteivorsitz zurück, um ihn dem Außenminister und PASOK-Spitzenkandidaten bei den kommenden Wahlen, Georgios Papandreou, zu überlassen. Der jüngste Spross des Papandreou-Klans, dessen Großvater und Vater bereits als Ministerpräsidenten in Griechenland amtierten, sollte durch seinen Familiennamen und die damit verbundene Erinnerung an bessere Zeiten als vermeintlicher "Linker" die PASOK vor der Wahlniederlage retten - doch die Rechnung ging nicht auf.

Karamanlis setzt die rechte Politik fort

Die PASOK-Regierung hat den Weg frei gemacht für eine ND-Regierung unter Konstantinos Karamanlis, die den von der PASOK eingeschlagenen Kurs fortsetzen und ohne Rücksicht auf die Interessen und Bedürfnisse der breiten Masse der Bevölkerung durchsetzen wird. Zwar hat Karamanlis im Kampf um Wählerstimmen mehr Gelder für Soziales, Bildung und das Gesundheitssystem versprochen, gleichzeitig aber auch eine Senkung der Unternehmensbesteuerung angekündigt und sich beim global agierenden Kapital direkt als neuer Ministerpräsident empfohlen. "Die Welt wird ein Land in Europa erleben, dessen Politik davon geleitet ist, für ausländische Investitionen attraktiv zu werden und öffentliche Unternehmen zu privatisieren", erklärte Karamanlis wenige Tage vor der Wahl. Die griechische Börse reagierte auf seinen Wahlsieg mit einem Zwei-Jahres-Hoch.

Während sich die soziale Krise in Griechenland verschärft hat und eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die neoliberalen Konzeptionen des Sozialabbaus und der deregulierten Wirtschaft deutlich ablehnt, orientiert sich die ND ebenso wie ihre Vorgängerregierung der PASOK an den Forderungen, die der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) an das Land stellen. Diese drängen auf weitere Reformen bei der Rentenversicherung, eine stärkere Absenkung der Löhne, eine Kommerzialisierung des Bildungswesens, weitere Privatisierungen und Reformen im Gesundheitswesen sowie einen vermehrten Personalabbau im öffentlichen Dienst. Das deutsche Auswärtige Amt preist auf seiner Website die Agenda 2010 als Vorbild für Griechenland - interessanterweise mit dem Hinweis, dass solche "unpopulären Entscheidungen" erst nach der Wahl auf die Tagesordnung gesetzt werden können.

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