Die Maatwerk Insolvenz

Das Geschäft mit den Arbeitslosen

Mitte Februar musste die Maatwerk Gesellschaft für Arbeitsvermittlung mbH, die deutsche Tochter des niederländischen Vermittlers Maatwerk, Insolvenz beantragen. Maatwerk (Arbeit nach Maß) ist seit 1996 in Deutschland in der Zeitarbeit und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern tätig. Der Bankrott von Maatwerk wirft ein bezeichnendes Licht auf die Arbeits- und Sozialpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Anstatt die Arbeitslosigkeit abzubauen, machen die privaten Vermittler Millionengewinne mit der Not der Arbeitslosen.

Maatwerk betrieb vor allem im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit (BA) die sogenannten Personal-Service-Agenturen (PSA). Sie sind Bestandteil der "Hartz-Reformen". Die nach dem VW-Personalchef Peter Hartz benannte Kommission, der eine Reihe von Wirtschaftsvertretern, Politikern und Gewerkschaftern angehörten, hatte im Auftrag der Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) vor zwei Jahren Reformen für den Arbeitsmarkt vorgeschlagen. Die Privatisierung der Arbeitsvermittlung stand im Zentrum der Vorschläge und wurde als Mittel verherrlicht, binnen kürzester Zeit die Arbeitslosigkeit zu senken. 500.000 neue Arbeitsplätze hatte Hartz damals versprochen.

Die Umsetzung der Hartz-Beschlüsse funktioniert folgendermaßen: Die Bundesagentur für Arbeit überstellt Arbeitslose an die Personal-Service-Agenturen (PSA) und Zeitarbeitsfirmen, die die Arbeitslosen gewöhnlich für einen Zeitraum von neun Monaten einstellen und die Aufgabe haben, die Arbeitsuchenden als Leiharbeiter weiterzuvermitteln. Die Vermittlungs-Agenturen erhalten dafür von der BA hohe Vermittlungsprämien. Seit Einführung der Personal-Service-Agenturen im April letzten Jahres hat die BA aus den Versicherungsbeiträgen der Arbeitenden insgesamt bereits 175 Millionen Euro an die privaten Vermittler überwiesen! Maatwerk betrieb von den 985 neu eingerichteten Agenturen allein über 200. Maatwerk war so der größte und wichtigste Partner der BA. Der private Arbeitsvermittler beschäftigte allein in Deutschland 9.500 Leiharbeiter und 600 Angestellte.

Die Bundesregierung und die Mitglieder der Hartz-Kommission begründeten damals die Privatisierung der Arbeitsvermittlung mit der Behauptung, die Arbeitslosigkeit sei vor allem ein Vermittlungsproblem. Die örtlichen Arbeitsämter würden die Arbeitslosen nicht genügend zur Mitarbeit "bewegen". Doch bisher wurden nicht mehr als 44.000 Leiharbeitsplätze durch die PSA geschaffen, von denen wiederum nur 32.000 besetzt sind. Eine feste Anstellung erhielten sogar nur 6.375 Menschen!

Der Grund ist einfach: Es gibt kaum freie Arbeitsplätze, in die Arbeitslose vermittelt werden können. Auch der jüngste Bericht der Bundesagentur für Arbeit belegt, dass immer mehr Arbeitsplätze abgebaut werden. Ungeachtet der ständigen Bereinigung der Statistik steigt die Arbeitslosigkeit. Wo aber keine Arbeitsplätze sind, kann auch kein Arbeitsloser vermittelt werden.

Ein namentlich nicht genannter Sprecher der Bundesagentur für Arbeit bestätigte gegenüber der Financial Times Deutschland diesen Sachverhalt und sprach von den "begrenzten Eingliederungserfolgen [der Personal-Service-Agenturen] bei dieser Arbeitsmarktsituation".

Ein Blick auf die Arbeitsweise der PSA-Agenturen zeigt, dass die Unternehmen die Arbeitslosen überwiegend nur für eine neunmonatige Probezeit entleihen. Nach eigenen Angaben liegt die Verleihquote der Agenturen zwischen 68 und 90 Prozent. Die Vermittlungsquoten der PSA - das heißt, die anschließenden Einstellungen in einem Unternehmen - sind allerdings wesentlich niedriger, sie schwanken zwischen drei und 22 Prozent. So werden nicht neue und dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen, sondern bestehende Arbeitsplätze durch günstigere Leiharbeiter ersetzt - ein zentrales Ziel der Reformvorschläge der Hartz-Kommission.

Andere Zeitarbeitsunternehmen, wie beispielsweise die Arbeitsvermittler-Gesellschaften Tuja Zeitarbeit GmbH & Co. KG und die Ferchau Engineering GmbH, hatten sich wegen der schlechten Arbeitsmarktlage erst gar nicht bei den öffentlichen Ausschreibungen der BA für die Personal-Service-Agenturen beworben. Nur fünf der zehn umsatzstärksten Zeitarbeitsunternehmen beteiligten sich.

Und auch diese betonten, sich nur für PSA-Projekte zu bewerben, bei denen eine Vermittlung sicher sei. Die Firma Manpower werde sich "nur dort bewerben, wo schon Kundenbeziehungen bestehen" und das Unternehmen Randstad nur in Städten, "bei denen ein beschäftigungspolitischer Erfolg sicher" sei. "Außerdem müsste die Firma schon vor Ort tätig sein und Kundenzugang haben", berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Die Maatwerk-Direktoren nahmen auf solcherlei Widrigkeiten wie nicht vorhandene Arbeitsplätze keine Rücksicht und entwickelten eine Praxis, die darauf beruhte, bei geringsten Vermittlungen (Maatwerk hatte eine Verleihquote von nur fünf Prozent) so hohe Prämien wie möglich zu erhalten.

Je Leiharbeiter beträgt die Prämie der BA zwischen 500 und 2500 Euro im Monat. Dabei sinken die Prämien mit der Beschäftigungsdauer bei der PSA alle drei Monate um 25 Prozent.

Maatwerk ging dazu über, die Leiharbeiter - für diese meist völlig unerwartet - nach bereits drei Monaten zu kündigen. So stellte der PSA-Betreiber sicher, die höchsten Pauschalen zu erhalten. Damit nicht genug. Maatwerk verfeinerte das System, indem Leiharbeiter zum Ende eines Monats eingestellt und zu Beginn eines Monats wieder entlassen wurden. Der Grund: Die Agenturen erhalten für jeden Monat die volle Prämie. Während Maatwerk also für etwas mehr als einen Monat einen Niedriglohn an den Leiharbeiter zahlte, hochgeschätzt 1500 Euro brutto, kassierte das Unternehmen die Prämie für drei Monate aus der Arbeitslosenversicherung, bis zu 7.500 Euro. Diese Praxis der PSA-Betreiber verstößt ausdrücklich nicht gegen die Gesetzesvorgaben der rot-grünen Regierung.

Dennoch haben alle skrupellosen Geschäftsgebaren die Insolvenz nicht verhindert. Mehrere Tausend Personen werden nun wieder arbeitslos und müssen sich erneut in die langen Schlangen an den Arbeitsämtern einreihen. Diesmal wird ihr Arbeitslosengeld allerdings auf der Grundlage des größtenteils geringeren Einkommens während ihrer Zeit bei Maatwerk berechnet werden. Auch sie werden damit in die soziale Abwärtsspirale gestoßen, in der sich immer mehr Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bereits befinden.

Um von der Verantwortung für diese Geldmacherei mit der Not der Arbeitslosen abzulenken, erklärten die rot-grüne Regierung, die Opposition und auch die Vertreter anderer Leiharbeitsfirmen die Maatwerk-Pleite kurzerhand zu einem Einzelfall. Schuld an der Insolvenz sei die fehlende Infrastruktur, die mangelnde Erfahrung hinsichtlich der lokalen Arbeitsmärkte und vor allem Fehler des Managements bei Maatwerk gewesen. Insbesondere die Dumpingpreise, mit denen das Unternehmen in die öffentlichen Ausschreibungen der Bundesagentur einstieg, seien falsch und letztendlich geschäftsschädigend gewesen.

Es ist offensichtlich, dass Maatwerk bei den Ausschreibungen um die PSA weniger auf Qualität denn auf den Preis ihres Angebots geachtet hat. Aber Maatwerk hatte damit zeitweise durchaus Erfolg. Die Bundesagentur hätte ja die Ausschreibungsangebote von Maatwerk aus eben diesen Gründen ablehnen können. Dies geschah nicht, und zwar nicht nur bei Maatwerk.

Zahlreiche Wohlfahrtsverbände, Vereine und andere kommunale Bildungsträger leiden derzeit bei den Ausschreibungen der BA. Ob berufliche Weiterbildung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder auch Berufsvorbereitung und Ausbildung benachteiligter Jugendlicher, überall ist das entscheidende Kriterium nicht die Kompetenz der Agentur, sondern der Preis. Das hat zur Folge, dass einige wenige - meist überregionale - Träger aufgrund von Dumpingpreisen den Zuschlag für eine Arbeitsmarktmaßnahme erhalten, obwohl sie keinerlei Infrastruktur und Personal in der entsprechenden Region haben.

In Essen ist beispielsweise bei Trainingsmaßnahmen für Jugendliche kein einziger örtlicher Träger zum Zuge gekommen. Ein Unternehmen aus Nordhorn im Emsland erhielt den Zuschlag, obwohl es in Essen weder über Betriebskontakte noch über Schulungsräume oder Personal verfügt. Nicht selten übernehmen die beauftragten Firmen dann aber sowohl Werkstätten, Maschinen, Fuhrpark und auch das Personal - bei meist deutlich niedrigerem Lohn - von den kommunalen Trägern.

Der Hinweis auf die Fehler von Maatwerk fällt daher voll und ganz auf die Bundesagentur für Arbeit zurück. Die Auftragsvergabe der BA, die im Fall Maatwerk offensichtlich wird, lädt zweifelhafte Geschäftemacher geradezu ein, aus der Notlage der Arbeitslosen Profit zu schlagen.

Siehe auch:
SPD und Gewerkschaften fördern Niedriglohnarbeit
(20. September 2002)
Die Bundesregierung erklärt den Armen den Krieg
( 2. November 2002)
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