US-Demokraten akzeptieren Folter-Befürworter als Justizminister

Präsident George Bush kündigte am 10. November an, dass für den scheidenden Justizminister John Ashcroft, der am Tag zuvor seinen Rücktritt eingereicht hatte, der bisherige Rechtsanwalt des Weißen Hauses, Alberto Gonzales, nachrücken wird. Die Nominierung von Gonzales belegt, dass die Bush-Regierung ihre Angriffe auf demokratische Rechte und ihre Missachtung internationalen Rechts ausweiten wird.

Ashcroft wurde zu einer Art Symbol für die Verachtung, die die Bush-Regierung gegenüber verfassungsmäßigen Rechten an den Tag legt, und für die Polizeivollmachten, die sie sich anmaßt. In seine Amtszeit fielen ständige Angriffe auf demokratische Rechte, darunter der "Patriot Act", die massenhafte Verhaftung und Abschiebung von Muslimen und Arabern nach dem 11. September und die Inhaftierung der beiden US-Bürger Yasser Hamdi und Jose Padilla ohne Anklage. Ashcroft wird wegen seiner Aussage in Erinnerung bleiben, Kritiker der Regierung würden den Terroristen "Hilfe" leisten, die er vor einem Untersuchungskomitee des Kongresses machte.

Gonzales steht Prinzipien der Verfassung und Bürgerrechten eher noch feindlicher gegenüber. Berüchtigt wurde er für ein Memo aus dem Jahr 2002, in dem er behauptete, dass die Genfer Konventionen für den Krieg gegen Afghanistan nicht gälten. Er beteiligte sich auch an Diskussionen der Regierung über die juristische Rechtfertigung von Folter und Militärtribunalen und war für die Behauptung mit verantwortlich, der Präsident habe als Oberbefehlshaber im "Krieg gegen den Terror" praktisch unbegrenzte Vollmachten.

Führende Demokraten haben bereits angekündigt, dass Gonzales im Senat keine besonderen Hindernisse bei seiner Ernennung zu befürchten habe, und damit völlig vor Bush und der republikanischen Rechten kapituliert. Zwar haben die Republikaner eine Mehrheit in dieser Kammer, die Demokraten hätten jedoch mehr als genug Stimmen für eine Blockierung der Ernennung durch eine Marathondebatte, einen sogenannten Filibuster. Sie haben aber eilfertig versichert, dass sie diese Möglichkeit nicht ausnutzen werden.

Senator Charles Schumer aus New York erklärte, es sei ermutigend festzustellen, dass der Präsident jemanden gewählt habe, der weniger polarisiere als Ashcroft. Senator Joseph Biden aus Delaware nannte Gonzales einen "ganz ordentlichen Kerl".

Auch Donna Brazile, die Wahlkampfleiterin von Al Gore im Jahr 2000 und mögliche Nachfolgerin von Terry McAuliffe als Vorsitzende des nationalen Vorstandes der Demokraten, erklärte auf CNN, dass die Demokraten die Ernennung nicht blockieren würden.

Die New York Times, die Zeitung des liberalen Establishments und Unterstützerin von Kerrys Kampagne, schrieb in einem Leitartikel vom Donnerstag: "Herr Gonzales hat gezeigt, dass er zwischen politischen Zielen und dem Recht unterscheiden kann." Sie fuhr fort: "Wir hoffen, dass er diese abgeklärte Sichtweise auch in das Justizministerium einbringt."

Die Demokraten sind sich der Rolle von Gonzales in der Regierung wohl bewusst. In einer Rede vom 26. Mai 2004 hatte Gore selbst darauf hingewiesen, dass Gonzales zu den Beratern gehört, deren Einfluss auf die Regierungspolitik zur Folterung irakischer Gefangener im Gefängnis Abu Ghraib führte. In einer anderen Rede verurteilte Gore die von Gonzales unterstützte Politik als Regieren im "Big-Brother-Stil".

Was die New York Times angeht, so hat sie in einer Reihe von Artikeln die Verachtung von Gonzales für verfassungsrechtliche Prinzipen aufgezeigt. Ein Artikel des Times -Journalisten Tim Golden vom 24. Oktober 2004 ("Nach dem Terror: Das Kriegsrecht wird insgeheim umgeschrieben") beschreibt ausführlich, wie eine Gruppe rechter Anwälte - darunter Gonzales, Timothy Flanigan (einer seiner Stellvertreter) und der Rechtsberater des Vizepräsidenten, David Addington - eine Politik durchsetzte, mit der die Grundrechte für die im "Krieg gegen den Terror" Gefangenen unterhöhlt wurden.

Nur eine Woche nach den Angriffen vom 11. September setzte Gonzales eine Gruppe ein, die Optionen für den Umgang mit Personen prüfen sollte, die von amerikanischen Truppen oder Geheimdiensten gefangen werden. Gonzales selbst trat für den Einsatz von Militärkommissionen ein, in denen die meisten Grundrechte außer Kraft gesetzt sind. Als die Gruppe nicht rasch genug handelte, unterbrachen Flanigan und Gonzales’ Büro im Weißen Haus die Diskussion.

Golden zufolge kam die Planung von Militärtribunalen unter der Federführung des Weißen Hauses und von Gonzales’ Büro dann schneller voran. Sie wurde von einem Memo gekrönt, das Gonzales am 6. November 2001 erhielt. In diesem von Gonzales-Stellvertreter Patrick Philbin geschriebenen Memo wird ausgeführt, der Präsident habe kraft seines Amtes als Oberbefehlshaber die Autorität zur Einrichtung von Militärkommissionen ohne Zustimmung des Kongresses.

Bei den Auseinandersetzungen, die die Regierung über die Behandlung von Gefangenen führte, war Gonzales stets konsequent dagegen, ihnen demokratische Rechte zu gewähren. Golden schreibt, dass Gonzales, Flanigan und Addington "dagegen waren, zivile Anwälte als Verteidiger zuzulassen, wie es das Militärrecht erlaubt, oder Zivilisten in der Berufungsinstanz zuzulassen, die die Kommission überwacht. Sie waren außerdem dagegen, den Angeklagten die Unschuldsvermutung einzuräumen."

In der Frage der Strafverfolgung von Gefangenen wurde sogar Justizminister Ashcroft von Gonzales rechts überholt. Er sorgte sich, einige der von Gonzales vorgeschlagenen Regelungen seien zu "drakonisch".

Die Militärkommissionen, die entsprechend der Vorschläge von Gonzales eingerichtet wurden, sind diese Woche von einem Bundesgericht für illegal erklärt worden.

Gonzales war auch Autor eines Memos vom 25. Januar 2002, in dem es hieß, dass allen Gefangenen im Krieg gegen Afghanistan die Rechte nach den Genfer Konventionen verweigert werden sollten. Seine Position war noch extremer als die von der Regierung schließlich eingenommene.

Eine zwei Wochen später vom Präsidenten gefällte Entscheidung legte fest, dass die Genfer Konventionen zwar auf den Krieg in Afghanistan anwendbar seien, dass aber von amerikanischen Truppen gefangene Taliban als "feindliche Kämpfer" und nicht als Kriegsgefangene behandelt werden. Alle Fraktionen in der Regierung stimmten darin überein, dass angeblichen Mitgliedern von Al Qaida keinerlei Rechte zustehen.

Gonzales war gegen diese Haltung, weil er befürchtete, sie würde die Flexibilität der US-Regierung bei ihren Vernehmungstechniken und ihre Pläne für künftige Kriege einschränken. Sein Memo führt aus: "Der Krieg gegen den Terrorismus ist eine neue Art Krieg... Die Natur des neuen Krieges bestimmt maßgeblich andere Faktoren, wie die Möglichkeit, von gefangenen Terroristen und deren Hintermännern schnell Informationen zu erlangen.... Meiner Meinung nach macht dieses neue Paradigma die strikten Einschränkungen obsolet, die Genf der Befragung von Kriegsgefangenen auferlegt."

Gonzales war auch der Ansicht, dass sich die Regierung besser gegen künftige Anklagen wegen Kriegsverbrechen schützen könne, wenn sie die Genfer Konventionen für Afghanistan als nicht anwendbar erkläre. Er wies darauf hin, dass das amerikanische Gesetz über Kriegsverbrechen für derartige Verbrechen, die als schwere Verletzung der Genfer Konventionen definiert werden, die Todesstrafe vorsieht. Einige Regelungen der Konventionen (wie das Verbot von "eklatanten Verletzungen der Menschenwürde") sind unabhängig davon anwendbar, ob der Häftling als Kriegsgefangener eingestuft wird. "Eine Bestimmung, dass sie [die Genfer Konventionen] nicht auf die Taliban anwendbar sind, würde bedeuten, dass es [das Gesetz über Kriegsverbrechen] nicht für Maßnahmen gegen die Taliban gilt", schrieb er.

Es erstaunt daher nicht, dass Gonzales an den Memos mitarbeitete, mit denen die Regierung eine juristische Grundlage für die Anwendung von Folter schaffen wollte. Die wichtigsten Memos zu diesem Thema, die an die Presse durchsickerten, wurden auf Anordnung von Gonzales verfasst. Darunter war auch das Memo vom 1. August 2002, das vom stellvertretenden Justizminister Jay Bybee geschrieben wurde.

Das Memo von Bybee definierte Folter in extrem engen Begriffen, um eine Reihe von nach internationalem Recht verbotenen Methoden zuzulassen. Es entwickelt auch das Argument, dass der Präsident als Oberbefehlshaber unbegrenzte Vollmachten habe. Selbst wenn daher Folter gesetzlich verboten wäre, wären solche Gesetze verfassungswidrig, wenn sie die Vollmachten des Präsidenten unzulässig beschränkten. (Siehe http://www.wsws.org/de/2004/jun2004/folt-j22.shtml)

Gonzales enge Verbindungen mit Bush - die bis auf Bushs Zeit als Gouverneur in Texas zurückgehen - spielten ohne Zweifel eine Rolle bei seiner Ernennung. Es gibt eine Reihe von Ermittlungen des Justizministeriums, die mit dem Weißen Haus zu tun haben. Eine davon betrifft eine CIA-Agentin und Frau eines Regierungskritikers, deren Namen man an die Medien durchsickern ließ, und eine Untersuchung über Halliburton, die frühere Firma von Cheney. Die Washington Post zitiert ein Regierungsmitglied mit der Bemerkung: "Ein Justizminister mit so engen Beziehungen zum Weißen Haus wäre der Todeskuss [für die Untersuchungen]."

Während die Demokraten Gonzales als "ganz ordentlichen Kerl" loben, applaudiert die Fraktion der christlichen Fundamentalisten seiner Nominierung ebenfalls, vor allem weil er dann nicht in den Obersten Gerichtshof kommen wird. Diese Schichten stehen Gonzales reserviert gegenüber, weil er Quoten für ethnische Minderheiten und eine ihrer Meinung nach "weiche" Position gegenüber der Abtreibung unterstützt. Seine Nominierung als Justizminister ist ein Signal, dass die Bush-Regierung bestrebt ist, der christlichen Rechten mit einem ihr genehmen Kandidaten für den Gerichtshof entgegenzukommen, falls der Vorsitzende Richter William Rehnquist zurücktritt.

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