Spanien sucht Annäherung an Bush

Die Wiederwahl von Präsident Bush hat Spaniens politisches Establishment völlig aus dem Gleis geworfen.

Seit seiner Wahl im Frühjahr dieses Jahres schwankte der sozialistische Ministerpräsident Jose Rodriguez Zapatero zwischen der offenen Brüskierung Washingtons und unterwürfigen Gesten hin und her. Nach Bushs Wiederwahl steht die spanische Regierung unter starkem Druck, sich Washington anzunähern.

Zapateros Sozialistische Partei (PSOE) wurde im März mit der höchsten Stimmenzahl gewählt, die jemals eine Partei in Spanien erreicht hat. Er gewann die Wahl, weil die Bevölkerung den Irakkrieg und die Lügen der Regierung von Jose Maria Aznar zutiefst verabscheute. Aznar ist ein entschiedener Befürworter des Kriegs und der Rolle der USA als globaler "Supermacht". Zapatero zog sich den Zorn der Bush-Regierung zu, weil er die spanischen Truppen aus dem Irak abzog, andere Länder aufforderte, das gleiche zu tun, und die Beziehungen Spaniens zu Kuba stärkte.

Die Opposition des Ministerpräsidenten richtete sich nicht in prinzipieller Weise gegen Imperialismus und Militarismus, sondern diente der Neuorientierung der spanischen Außenpolitik und der Stärkung nationaler spanischer Interessen. Zapatero folgte der Linie: "Erst kommt Europa, dann unsere historischen Beziehungen zu Lateinamerika und zum Mittelmeerraum und erst danach die transatlantischen Beziehungen." Er hoffte, sich dadurch der Unterstützung Frankreichs und Deutschlands für ein gemeinsames, unabhängiges europäisches Vorgehen zu versichern; außerdem spekuliert er auf Unterstützung für das Referendum über die europäische Verfassung im Februar 2005. Darin äußert sich der Wunsch von Teilen der spanischen Elite, zu der traditionellen Achse der spanischen Außenpolitik zurückzukehren und sich den einseitigen Ambitionen des US-Imperialismus zu widersetzen. Aus diesem Grund orientierte Zapatero Spanien wieder mehr auf Paris und Berlin, die die USA in der Irakfrage nicht unterstützt hatten, und erklärte: "Ein starkes Europa ist im Hinblick auf seine Bedeutung für die Weltordnung das wichtigste historische Projekt des Jahrhunderts."

Gleichzeitig war Zapatero jedoch bestrebt, die Bush-Regierung nicht über Gebühr vor den Kopf zu stoßen. Trotz des Truppenrückzugs aus dem Irak machte seine Regierung gegenüber Washington deutlich, dass sie weiterhin Mittel zur Verfügung stellt und Aufbau- und humanitäre Hilfe leistet, solange man nicht von ihr erwartet, Truppen zu entsenden.

Auch darüber hinaus unterstützt Spanien die USA auf internationaler Ebene. Kurz vor den Präsidentschaftswahlen in den USA beklagte sich der Chef der spanischen Streitkräfte, General Felix Sanz Roldan, die militärischen Beziehungen Spaniens zu den USA seien "seltsam und ungleich". "Wir geben mehr, als wir erhalten", sagte er, "und wir geben zu einem hohen politischen Preis, ganz gleich, wer an der Regierung ist." Sanz Roldan wies darauf hin, dass Spanien 2.300 Mann nach Afghanistan (die zweitgrößte Truppe nach den USA), nach Bosnien und Kosovo (mehr als die Hälfte der 70.000 Soldaten der spanischen Armee haben dort schon einmal Dienst getan), und jetzt auch nach Haiti geschickt hat. US-Flugzeuge hätten während des Irakkriegs mehr als 8.000 Mal spanischen Luftraum durchquert und US-Kriegsschiffe fast 850 Mal in spanischen Häfen angelegt.

Zapatero hoffte, dass ein Sieg John Kerrys bei den Präsidentschaftswahlen und eine Rückkehr der USA zu einer multilateraleren Außenpolitik ihm aus seinem Dilemma helfen werde. In einem Interview mit El Païs vom 21. Oktober sagte er: "Nach den Ereignissen der letzten Zeit braucht die internationale Ordnung, glaube ich, mehr Ideale und weniger Lügen."

Er fügte hinzu: "Die gegenwärtige Politik der Regierung von Präsident Bush ist eine Sache, die Werte der US-Gesellschaft und der wichtigsten amerikanischen Führer eine andere. Die Prinzipien des internationalen Rechts, der Multilateralismus und die Bedeutung der Vereinten Nationen werden sich bald wieder durchsetzen."

Zapateros Hoffnung auf eine Rückkehr zu früheren Verhältnissen hat sich nicht erfüllt. Stattdessen hat Bush angekündigt, dass er seine Wahl als Mandat versteht, die politische und ökonomische Reorganisation der ganzen Welt im Interesse der herrschenden Elite Amerikas noch entschlossener voranzutreiben, und jedes Land zu isolieren und zu bedrohen, das versucht, die amerikanische Hegemonie zu unterminieren. Dazu müssen nicht nur schwache und unterentwickelte Länder wie der Irak seinem Willen unterworfen werden, sondern gerade auch seine mächtigen imperialistischen Rivalen in Europa.

Zapatero war einer der ersten internationalen Politiker, die Bush gratulierten. In seinem Telegramm schrieb er: "Meine Regierung und ich sind fest entschlossen, mit Ihnen und Ihrer Regierung mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, die freundschaftlichen Beziehungen und die Kooperation zu verstärken." Bush wartete mit seiner Antwort auf das Telegramm zwei Wochen und lud als spezielle Brüskierung in der Zwischenzeit Aznar als ersten internationalen Besucher zu einem vierzigminütigen privaten Gespräch ins Weiße Haus ein.

Als Reaktion beeilte sich die spanische Regierung, den US-Imperialismus ihrer Dienste und Loyalität zu versichern. Außenminister Miguel Angel Moratinos erinnerte Bush daran, dass "heute kein Staat und keine Regierung der 25 Mitgliedsländer der Europäischen Union, mit der Ausnahme Großbritanniens, den USA so viel nützen kann, wie Spanien.... Spanien hat in der internationalen Politik den USA am meisten zu bieten... vor allem in Lateinamerika und im Nahen Osten."

Er versprach: "Wir werden dieser Regierung Ergebnisse liefern. In Lateinamerika können wir mehr liefern, als die vorige Regierung. Wir haben in der moslemischen Welt enorme Möglichkeiten. Wir werden Ergebnisse liefern."

Diese Unterwürfigkeit wurde anerkannt. Moratinos wurde ein Zusammentreffen mit der Nationalen Sicherheitsberaterin und nominierten Außenministerin Condoleezza Rice gewährt, und Verteidigungsminister Jose Bono hatte ein Gespräch mit George Bush Senior. Auch der König und die Königin Spaniens wurden zu einem Essen auf Bushs Ranch in Texas eingeladen, als dieser erfuhr, dass die beiden Seattle besuchten.

Gleichzeitig wird der Druck auf Zapatero erhöht. Aznar weigerte sich, den Ministerpräsidenten über den Inhalt seines Gesprächs mit Bush zu informieren, ermahnte ihn aber, "seine unkluge Außenpolitik zu überdenken". Mariano Rajoy, der Führer von Aznars Volkspartei (PP), sagte, Zapatero solle "aufhören mit der einzigen Supermacht der Welt sein Spiel zu treiben".

Die konservative Tageszeitung ABC verspottete Zapatero, Außenminister Miguel Angel Moratinos und Verteidigungsminister Jose Bono mit den Worten: "Sie haben sogar solch illustre Namen wie Schröder, Joschka Fischer, Jacques Chirac und Michel Barnier [französischer Außenminister] von der Spitze der Liste derer verdrängt, die jenseits des Atlantik die stärksten Irritationen hervorriefen."

Die Zeitung kritisierte Zapateros wiederholt geäußerte Unterstützung für John Kerry als "eine Voreiligkeit, die uns noch teuer zu stehen kommen kann".

Militärspezialisten des Real Instituto Elcano, Spaniens einflussreichstem außenpolitischen Institut, prophezeien, dass die USA das Hauptquartier ihrer sechsten Flotte wohl nicht, wie erhofft, von Italien nach Rota an der spanischen Atlantikküste verlegen werden. Ebenso wenig werden sie wohl ihr Versprechen einhalten, Instandhaltungsarbeiten an Izar zu vergeben, Spaniens staatliche Werft, bei der es wegen Umstrukturierungsplänen schon zu gewaltsamen Arbeiterunruhen gekommen ist.

Ein Spezialist sagte: "Das sollte eigentlich die Rettung für Izar sein. Es geht um Tausende Arbeitsplätze.... Die Amerikaner werden Rota zwar nicht verlassen; es ist ihnen immer noch wichtig, am Zugang zur Straße von Gibraltar einen Marinestützpunkt zu haben, aber wir sind für sie kein strategischer Alliierter mehr, und das ist eine Katastrophe für Spanien." Das Institut glaubt, dass Israel seinen Auftrag an Izar zum Bau von Fregatten auf Druck der Bush-Regierung storniert hat, und dass Washington Marokko, das Anspruch auf die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla in Nordafrika erhebt, nicht länger bremsen wird.

Zapatero hofft immer noch, sich den USA nützlich machen zu können, aber das heißt nicht, dass er seine Bemühungen aufgibt, Bündnisse in Europa aufzubauen. Er weiß, dass ohne solche Bündnisse weder Spanien noch die anderen europäischen Mächte hoffen können, ihre Interessen gegen Washington zu verteidigen. Seine Sirenengesänge stoßen übrigens nicht auf taube Ohren. Die erste positive Reaktion kam vom deutschen Kanzler Gerhard Schröder. Bei einem Treffen, dessen "makellose Atmosphäre der Zusammenarbeit" gelobt wurde, vereinbarten die beiden verstärkte Kooperation in Fragen der Inneren Sicherheit und in Verteidigungsfragen und bekräftigten ihre gemeinsame Haltung in internationalen Fragen. Der Spiegel zitierte Zapatero mit den Worten, Deutschland müsse wieder der "Motor" eines Europa werden, das daran glaube, in den nächsten zwanzig Jahren auf Weltebene zur führenden ökonomischen und politischen Macht zu werden.

Zapatero betonte die Verantwortung Washingtons, seine Haltung zu seinen europäischen Verbündeten zu ändern, und sagte: "Wir verlangen Ehrlichkeit und Respekt vor unseren Prinzipien und Idealen."

El Païs, die der PSOE am nächsten stehende spanische Tageszeitung, beschrieb Zapateros Dilemma und den Kurs, den er zu steuern versucht, am klarsten. Sie warnte Zapatero, nach Bushs "eindeutigem Mandat, international Stärke zu zeigen", müsse er sich "mit der neuen Realität arrangieren, auch wenn das Ergebnis nicht das erhoffte ist".

Die Zeitung meint dann, Bush werde entweder "die Chance ergreifen und ein einigender Präsident werden - was er vor vier Jahren versprach aber nicht hielt" (diese Möglichkeit ist nichts weiter als Wunschdenken der Zeitungsmacher). Oder seine Wiederwahl "wird die Europäer oder wenigstens einige von ihnen zur Einsicht bringen, dass sie ihre eigene militärische Autonomie anstreben (und finanzieren) müssen, wenn sie handlungsfähig sein und nicht gegen ihren Willen in Krisen hineingezogen werden wollen".

Solche Forderungen nach einem aggressiveren europäischen Militarismus sind eine verspätete Anerkennung, dass Amerikas Hegemoniebestrebungen die politischen, ökonomischen und strategischen Interessen der europäischen herrschenden Eliten bedrohen. Damit wird ein direkter und offener, potentiell gewalttätiger Konflikt zwischen den imperialistischen Großmächten auf die Tagesordnung gesetzt.

Die Perspektive der PSOE, ein Bündnis der europäischen Bourgeoisie zu schmieden, soll ihre eigene Position den USA gegenüber stärken und ihre eigenen kolonialen Ambitionen erleichtern. Für die spanische und europäische Arbeiterklasse ist dies keine tragfähige Alternative im Kampf gegen den Militarismus und die Hegemoniebestrebungen der USA. Die Konkurrenz zwischen den USA und Spanien geht zu Lasten der Arbeiterklasse, die die Kosten für die steigenden Militärausgaben und den ökonomischen Konkurrenzkampf in Form von größerer Arbeitshetze, Arbeitsplatzverlust und Steuererhöhungen tragen muss. Nicht zu vergessen die Opfer an Menschenleben, die der wachsende Militarismus als Folge von Eroberungskriegen und von Terroranschlägen, wie denen vom 11. März, kosten wird.

Siehe auch:
PSOE-Regierung vertuscht Hintergründe der Madrider Bombenanschläge
(10. Juli 2004)
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