Opel baut über 10.000 Arbeitsplätze ab

Proteste der Belegschaft

Bochum - Unmittelbar nachdem General Motors am Donnerstag bekannt gegeben hatte, von den insgesamt 63.000 Arbeitsplätze in Europa 12.000 abzubauen, davon alleine 10.000 in Deutschland, legte die Belegschaft in den Bochumer Werken die Arbeit nieder.

Während im Stammwerk Rüsselsheim - dem Sitz des Gesamtbetriebsrats - die Produktion weiterlief, ruhte in den Opel-Werken in Bochum auch am Freitag ein Großteil der Produktion. Mit Hinweis auf die "Friedenspflicht" hatte die IG Metall nicht zu offiziellen Arbeitskampfmaßnahmen aufgerufen, sondern sprach von "Informationsveranstaltungen". Sie bemühte sich, die Produktion wieder in Gang zu setzen.

Die Entscheidung des Detroiter Konzern-Vorstands hatte in Bochum und Rüsselsheim einen Schock ausgelöst. "Wir setzen alles dran, in wenigen Wochen den Maßnahmenplan umzusetzen", sagte der frühere Opel-Chef und heutige zweite Mann bei General Motors in Europa, Carl-Peter Forster, am Donnerstag in Rüsselsheim. Der Maßnahmenplan der Muttergesellschaft GM sieht vor, durch Arbeitsplatzabbau und Sozialkürzungen bis zum Jahre 2006 eine halbe Milliarde Euro einzusparen.

Über 4.000 der 9.600 Arbeitsplätze in Bochum sollen abgebaut werden, davon nach Angaben des Betriebsrates 3.100 bereits im nächsten Jahr. Offenbar wird auch die Stillegung des gesamten Montagewerks diskutiert. Im Rüsselsheimer Stammwerk bei Frankfurt, wo fast 20.000 Menschen beschäftigt sind, davon 5.500 in der Produktion, sollen ebenfalls 4.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Weitere rund 1.000 Stellen sollen nach GM-Angaben bei ausgelagerten Betriebsteilen, wie dem Motorenhersteller Opel Powertrain, wegfallen.

GM reagiert mit diesem Kahlschlag - wie schon zuvor seine Konkurrenten DaimlerChrysler, Volkswagen und andere - auf die wachsende internationale Konkurrenz bei sinkendem Absatz, insbesondere in Deutschland. Seit vier Jahren gehen die Neuzulassungen zurück. Opel verliert dabei überdurchschnittlich. Die Marke hat allein in diesem Jahr auf dem deutschen Markt knapp zehn Prozent weniger Autos verkauft und verfügt nur noch über einen Marktanteil von 9,4 Prozent. Vor gut zehn Jahren betrug der Marktanteil noch 17 Prozent.

GM schreibt mit seinen europäischen Töchtern Opel, Saab und Vauxhall seit Jahren rote Zahlen. Der Autokonzern erzielte in Europa in den ersten neun Monaten 2004 einen deutlich erhöhten Verlust von 397 Millionen Dollar.

Dieser Konkurrenzkampf wird nun auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen. Doch nicht nur die Opel-Beschäftigten sind betroffen, sondern die gesamte Bevölkerung von Rüsselsheim und Bochum. Opel ist in diesen beiden Städten der Hauptarbeitgeber. In Rüsselsheim beschäftigt der nächst größte Arbeitgeber 2.000 Menschen, halb soviel wie nun bei Opel abgebaut werden. Der geplante Kahlschlag zieht zudem einen weiteren Arbeitsplatzabbau bei Zulieferbetrieben nach sich, die teilweise innerhalb der Opel-Werke tätig sind.

Die Opel-Werke in Bochum waren ab den sechziger Jahren aufgebaut worden, um Ersatz für die Arbeitsplätze zu schaffen, die damals dem Zechensterben zum Opfer fielen. Seither ist auch die Stahlproduktion eingestellt worden und der Verlust der Opel-Werke würde zu einer weiteren Deindustrialisierung des Ruhrgebietes führen. Laut Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) wären die Auswirkungen "nicht dramatisch, sondern katastrophal".

In Rüsselsheim, wo 1899 Adam Opel den traditionsreichen Betrieb mit der Produktion von Nähmaschinen und Fahrrädern begann, sind die Arbeiter tief enttäuscht und wütend über die Pläne der Konzernleitung. Gleichzeitig klammern sie sich an die Hoffnung, dass nicht das gesamte Werk geschlossen wird. In den vergangenen Wochen hatte es geheißen, GM werde entweder die Fabrik in Rüsselsheim oder das ebenfalls zu GM gehörende Saab-Werk im schwedischen Trollhättan schließen. Diese Entscheidung ist vorerst verschoben worden. Bei der schwedischen GM-Tochter Saab werden zunächst 500 Stellen gestrichen, sagte Saab-Vorstandschef Peter Augustsson. Europa-Chef Fritz Henderson hat aber erklärt, dass die nächste Generation des Opel Vectra und des Saab 9-3 nur in einem von beiden Werken gebaut werden soll.

Ohnehin wird der aktuelle GM-Plan nur der Anfang sein: Nach dem Stellenabbau seien weitere Kostensenkungen geplant, sagte GM- Finanzvorstand John Devine laut dpa in einer Telefonkonferenz in Detroit.

Spiegel Online berichtete, dass sich die Empörung der Arbeiter auch gegen die Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte richtet: "Mit Transparenten und lautstarken Rufen protestierten sie sowohl gegen das Management als auch gegen die Gewerkschaft IG Metall. Die IG Metall habe die Opelaner,verkauft‘, hieß es mehrfach." Auch die Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet von Unmut gegenüber den Betriebsräten: "Auf einmal beschimpfen einige einen Betriebsrat als,Doppelagenten‘ und,Verräter‘."

Tatsächlich haben sich Betriebsrat und IG-Metall bereits jetzt mit der Arbeitsplatzvernichtung arrangiert. Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, erklärte im Bayrischen Rundfunk: "Dass man ungeschoren aus so einem Prozess... herauskommt, dass glaubt auf unserer Seite niemand." In einem anderen Interview sagte Huber, er habe Verständnis für die "schwierige Lage des Unternehmens", und betonte die Bereitschaft der Gewerkschaft zur Zusammenarbeit. Seine Hauptkritik richtete sich gegen die "Ankündigungspolitik der Geschäftsleitung", d.h. dagegen, dass sich die Konzernleitung nicht wie bisher üblich mit den Betriebsräten und der Gewerkschaft über ein gemeinsames Vorgehen abgesprochen hat, bevor sie an die Öffentlichkeit ging.

Ähnlich äußerte sich der Opel-Gesamtbetriebsratvorsitzende Klaus Franz, der gleichzeitig auch stellvertretender Aufsichtsratvorsitzender ist: "Ohne Personalabbau werden wir aus dieser Situation nicht herauskommen." Es müssten daher alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Einschnitte beim Personal "so gering wie möglich zu halten". Um Beschäftigung an den hiesigen Opel-Standorten zu sichern, seien die Belegschaften zu "Zugeständnissen" bereit.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung, eine Koalition von SPD und Grünen, erklärt seit Tagen und Wochen, dass sie die Arbeiter nicht unterstützen könne - und wolle. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Peer Steinbrück rief die Belegschaft von Opel Bochum in einem Radiointerview auf, "Ruhe zu bewahren" und die Arbeitsniederlegung zu beenden. Gleichzeitig erklärte er, dass er die Arbeitsplatzvernichtung in Bochum nicht verhindern könne. Der NRW-Wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau (SPD), ehemaliger Leiter des auch für Bochum zuständigen IG-Metall-Bezirks Dortmund, kündigte am Dienstag in Düsseldorf an: "Wir werden nicht mit öffentlichem Geld winken. Das bringt nichts."

Auch von der Bundesregierung ist keine Unterstützung zu erwarten. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), der aus Bochumer stammt und an einem Krisengespräch am Donnerstag mit Schartau, Steinbrück und Opel-Managern teilnahm, hofft auf eine "einvernehmliche Lösung". Auch er forderte die Arbeiter in Bochum auf, die Arbeit wieder aufzunehmen. Für den Kürzungsplan zeigte er Verständnis. Das Kostenproblem des Unternehmens am Standort Deutschland müsse überwunden werden.

IG Metall und Betriebsräte kündigten für kommenden Dienstag einen europaweiten Aktionstag an. Auf die Frage, welche Aktionen von diesem "Aktionstag" ausgehen werden, antwortete der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Franz, den Arbeitnehmervertretern sei daran gelegen, einen Streik wie bei GM in den USA 1998 zu vermeiden.

Siehe auch:
Stimmen von Opel-Arbeitern
(16. Oktober 2004)
Opel erpresst Belegschaft mit drohender Werksschließung
( 25. September 2004)
Hartz-Reformen bei Volkswagen
( 24. September 2004)
DaimlerChrysler: Uneingeschränkte Kapitulation von IG Metall und Betriebsrat
( 27. Juli 2004)
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