USA verstärken Druck auf Libanon während Instabilität wächst

Der Staatssekretär im US-Außenministerium David Satterfield hat betont, dass die für Mai angesetzten Parlamentswahlen im Libanon unbedingt wie geplant stattfinden müssten, damit ein "anderes politisches Klima" entstehen könne.

Satterfield machte diese Bemerkung während seines zweiten Besuchs im Libanon seit der Ermordung von Ex-Premierminister Rafik Hariri. Satterfield traf sich mit dem Patriarchen der maronitischen christlichen Kirche Nasrallah Butros Sfeir und anderen bekannten Vertretern der Opposition, die den Rückzug Syriens aus dem Libanon fordern. Seine Erklärung zielte offenbar darauf ab, den Syrien-freundlichen designierten Premierminister Omar Karame davon abzuhalten, die Wahlen zu verschieben, bei denen vermutlich oppositionelle Kandidaten im Vorteil sein werden.

Dieser Schachzug der USA ist nur das jüngste einer ganzen Anzahl von Manövern, mit denen die bestehende politische Struktur im Libanon und Syrien destabilisiert und eine "Demokratie" eingeführt werden soll, die den Interessen Washingtons in der Region genehm ist. Syrien hat bereits 4.000 Truppen aus dem Libanon abgezogen, ebenso wie seine Geheimdienstagenten in Beirut. Die USA haben aber erklärt, dass auch alle noch verbliebenen etwa 10.000 Truppen, die in das östliche Bekaa-Tal verlegt worden sind, das Land noch vor den Wahlen im Mai verlassen müssen.

Diese Forderungen fallen in eine wachsende Krise im Libanon, wo die Spannungen sich bereits nach drei Bombenanschlägen auf vorwiegend christliche Gebiete in Beirut während der letzten acht Tage verschärft haben. Dabei sind mindestens 17 Menschen verletzt und viele getötet worden.

Oppositionspolitiker haben Syrien beschuldigt, hinter diesen Gräueltaten zu stehen. Allerdings hat niemand dafür die Verantwortung übernommen, und möglicherweise stehen sie noch nicht einmal in Verbindung mit der Ermordung von Hariri. Nichtsdestotrotz benutzen die USA die Anschläge für neue Drohungen gegen Syrien. Satterfield warnte: "Es könnte Parteien und Regierungen geben, die an Gewalt und Instabilität interessiert sind. Man wird sie für ihre Taten direkt zur Verantwortung ziehen."

Die Annahme, dass Syrien von solchen Anschlägen profitieren würde, ist höchst fragwürdig angesichts des wachsenden Drucks auf das schwache Regime in Damaskus. Der Eifer, mit dem die Bush-Regierung die Explosionen nutzte, um den Druck auf Damaskus und diejenigen Kräfte im Libanon zu erhöhen, die gegen die proamerikanische Opposition sind, zeigt aber, wie rücksichtslos die US-Politik vorgeht, was den Libanon leicht in einen weiteren Bürgerkrieg stürzen könnte.

Die Nachforschungen, welche die UNO über die Ermordung von Hariri anstellte, haben die offizielle libanesische Untersuchung kritisiert. Die UNO hat sowohl Sicherheitskräfte des Libanon wie auch den militärischen Geheimdienst Syriens beschuldigt, zur fraglichen Zeit unzureichende Sicherheitsmaßnahmen getroffen zu haben. Sie hat zu einer internationalen Untersuchung aufgerufen.

Angesichts der Haltung, die gegenwärtig von den USA und anderen westlichen Mächten gegenüber Syrien eingenommen wird, würde eine solche Untersuchung kaum unparteiisch sein. Sie würde zweifellos von der Annahme von Syriens Schuld ausgehen, obwohl andere Regierungen, wie die USA und Israel, viel von einem Anschlag zu gewinnen hatten, den sie Syrien anlasten und benutzen konnten, um die politischen Verhältnisse im Libanon aufzubrechen, die nach dem Bürgerkrieg vor 15 Jahren geschaffen worden sind.

Kaum Beachtung in den westlichen Medien finden die zunehmenden Angriffe gegen syrische Arbeiter im Libanon. Bisher waren Hunderttausende von Syrern im Land beschäftigt, vor allem im Baugewerbe. Bis zu dreißig von ihnen sind letzten Monat ermordet worden, und Tausende wurden durch das antisyrische chauvinistische Klima gezwungen, das Land zu verlassen.

Die Opposition im Libanon

Die Opposition im Libanon hat sich bislang geweigert, an der "Regierung der nationalen Einheit" teilzunehmen, die Karame zu bilden versucht. Karame ist nach den antisyrischen Protesten letzten Monat zurückgetreten, nur um zwei Wochen später an die Regierung zurückzukehren. Bisher war er aber nicht in der Lage, eine Übergangsregierung zusammenzustellen, ohne die es nach der Verfassung unmöglich ist, Wahlen anzusetzen. Die Opposition verlangt Schlüsselpositionen und die Mehrheit der Minister im Kabinett.

Es ist noch nicht einmal klar, welches Wahlsystem im Mai benutzt werden soll, da das neue Wahlgesetz vom Januar dieses Jahres noch ratifiziert werden muss.

Das libanesische Wahlsystem stützt sich auf von der scheidenden Regierung gezogene Grenzen, die dafür sorgen, dass jeder Wahlbezirk von einer bestimmten religiösen Gruppierung dominiert wird. Die Kandidaten werden auf der Grundlage ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder einem bestimmten Clan innerhalb der Religionen ausgewählt, und weniger auf politischer Grundlage. Über Fragen von Armut und Arbeitslosigkeit, die eine große Mehrheit der Bevölkerung betreffen, wird in den Wahlen nicht diskutiert, geschweige denn abgestimmt.

Während Druck aus den USA möglicherweise die pro-syrischen Fraktionen, wie die Hisbollah und andere schiitische Parteien, zwingen wird, ein für die Opposition günstigeres Wahlsystem zu akzeptieren, würde das immer noch heißen, dass die Schiiten, die die Mehrheit der Bevölkerung und ihre ärmsten Teile stellen, drastisch unterrepräsentiert wären. Bei den Wahlen im Jahr 2000 bekamen die schiitischen Parteien Hisbollah und Amal gerade 27 von 120 Sitzen im Parlament.

Am 8. März hatte die Hisbollah zwischen 500.000 und einer Million Menschen auf den Straßen Beiruts gegen die Einmischung der USA im Libanon mobilisiert. Das macht ihr politisches Gewicht im Lande deutlich. Ihr militärischer Erfolg, Israel nach 22 Jahren der Besatzung zum Rückzug aus dem Südlibanon zu zwingen, hat ihr breite Unterstützung verschafft.

Die Tatsache, dass Israel mit seiner weit überlegenen Militärmacht eine Bedrohung für das libanesische Volk bleibt - es besetzt immer noch die von Libanon beanspruchten Shebaa-Farmen - führt die Hisbollah als Begründung für das Beibehalten ihrer Miliz an. Ohne die syrische Armee und mit einer entwaffneten Hisbollah hätte die kleine libanesische Armee Israel nichts Ernsthaftes entgegenzusetzen. Vor allem aus diesem Grund beharrt die Bush-Regierung so sehr auf einer "Demokratie", die die Hisbollah als "terroristische Organisation" verbietet, solange sie nicht vollständig entwaffnet ist.

Die libanesische Wirtschaft

Das "andere politische Klima", das die USA im Libanon fordern, bedeutet nicht nur die Entwaffnung der Hisbollah und die Erhöhung des Drucks auf Libanon und Iran, den anderen Unterstützer der Hisbollah. Es geht auch um die Kontrolle über die libanesische Wirtschaft, ein Finanzzentrum des Mittleren Ostens mit Verbindungen in der ganzen arabischen Welt.

Letztes Jahr ist die libanesische Wirtschaft um 5 Prozent gewachsen, vor allem aufgrund von Einnahmen aus dem Finanzwesen und dem Tourismus. Das Land ist aber vom Internationalen Währungsfonds wegen seiner hohen Haushaltsverschuldung, die auf 33 Milliarden Dollar geschätzt werden, stark kritisiert worden.

Auf der sogenannten Paris II Konferenz 2002 sicherte Hariri, der damalige Premierminister des Libanon, dem Land einen Kredit über 3 Milliarden Dollar von Frankreich und den Golfstaaten, mit dem die während des Bürgerkrieges angehäufte Staatsverschuldung teilweise zurückgezahlt werden sollte. Im Gegenzug sollte der Libanon nach den Worten der IWF-Vertreter vor Ort "energische und schmerzhafte Reformen" durchführen, darunter einen massiven Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Sektor und die Privatisierung von Schlüsselbereichen, wie etwa der Telekommunikation.

Hariri und andere Politiker willigten in diese Privatisierungen ein, wurden aber von Syrien zurückgehalten. Das Middle East Intelligence Bulletin (August/September 2003) beschwerte sich, dass Investoren mit "fehlender Transparenz und unzuverlässiger Vertragserfüllung" konfrontiert seien. Während "Hariri, ein Milliardär und Baumagnat mit guten Verbindungen zu saudischen und europäischen Investoren eher von der Privatisierung gewinnen würde (politisch und finanziell)", versuchten die pro-syrischen Kräfte und die Militär- und Geheimdienstelite "bei jeder Gelegenheit, die Privatisierung zu behindern", so das Bulletin.

Es sind nur sehr wenig Sozialstatistiken über die libanesische Bevölkerung verfügbar, aber es ist wohlbekannt, dass das schnelle Anwachsen der Wirtschaft bereits einen großen Graben zwischen der schmalen Schicht der Reichen aufgerissen hat, die vor allem in Beirut leben, und den verarmten Massen im übrigen Land.

Etwa 300.000 Menschen, fast 10 Prozent der Bevölkerung - vor allem die jungen und am besten ausgebildeten - haben den Libanon im Laufe der letzten zehn Jahre verlassen. Die Arbeitslosigkeit steht offiziell bei 10 Prozent, aber Wirtschaftsexperten schätzen sie auf 20 bis 25 Prozent, und 30 bis 35 Prozent unter jungen Leuten.

Studien aus dem Jahr 1996 zeigen, dass etwa ein Drittel der Libanesen unter der Armutsgrenze lebt. Die Regierung hat versucht, die Zahlen von 1996 zu diskreditieren, und hat weitere Studien verhindert, aber der Ökonom Antoine Hadad, der eine der Studien von 1996 durchgeführt hat, erklärte letztes Jahr gegenüber der Zeitung An Nahar : "In den letzten sieben Jahren haben die sozialen Probleme sich vervielfacht. Dazu zählen Arbeitslosigkeit, niedrigeres Bildungsniveau, geringere Gesundheitsversorgung, geringere Qualität der Sozialleistungen in den Städten und Vorstädten, niedrigere Einkommen, höhere private Verschuldung, Wohnungsnot usw."

Selbst diese beschränkten Daten machen deutlich, was die vom IWF verlangten Maßnahmen in Bezug auf Arbeitsplatzverluste, Einschnitte bei der staatlichen Bildung, Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen für die Mehrheit der libanesischen Bevölkerung bedeuten würde. Aber es gibt keine öffentliche Diskussion über die Wirtschaftspolitik der Opposition und deren Unterstützung für den "freien Markt". Oppositionspolitiker behaupten lediglich, dass Syrien, stark abhängig von der Wirtschaft des Libanon, diesem jedes Jahr Milliarden Dollar entziehe.

Die Oppositionsführer haben besonders unter bessergestellten Schichten Unterstützung bekommen, weil dort das syrische Regime abgelehnt wird, dessen Geheimdienste das öffentliche Leben im Libanon dominiert haben. Es kann aber keinen Zweifel geben, dass der Enthusiasmus der US-Regierung über die "Zedern-Revolution" nichts mit einem Wunsch nach Demokratisierung des Landes zu tun hat, dafür um so mehr mit der Durchsetzung "energischer und schmerzhafter Reformen", die seit langem vom IWF und vielen US-Konzernen mit Wirtschaftsinteressen in der Region gefordert werden.

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