USA unterstützen indische Großmachtpläne

In einer gemeinsamen Erklärung haben der indische Premierminister Manmohan Singh und US-Präsident George W. Bush am 18. Juli ihre Absicht verkündet, "die Beziehungen der beiden Länder zu einer globalen Partnerschaft zu entwickeln".

Seit mehreren Jahren sprechen indische und amerikanische Politiker schon von einer "strategischen Partnerschaft" zwischen Indien und Amerika mit einer verstärkten ökonomischen, wissenschaftlichen, technischen und militärischen Zusammenarbeit. Dass diese Partnerschaft nun plötzlich globale Dimensionen annimmt und von Bush und Singh als Mittel "zur Förderung von Stabilität, Demokratie, Wohlstand und Frieden auf der ganzen Welt" gepriesen wird, deutet auf eine rasche Veränderung der geopolitischen und ökonomischen Landschaft hin.

Die Bush-Regierung bemüht sich in der Hoffnung um Indien, dieses könne durch stärkere wirtschaftliche, geopolitische und militärische Bindungen an die USA zu einem wirkungsvollen Gegengewicht zu China ausgebaut werden und wäre für amerikanische Wünsche und amerikanischen Druck empfänglich. Indiens wirtschaftliche und politische Elite, deren Selbstvertrauen durch die Entwicklung des Landes zu einem wichtigen Standort für Datenverarbeitung, Forschung und Produktion und seine wachsende militärische Schlagkraft gestiegen ist, strebt ihrerseits eifrig nach einem Weltmachtstatus und einem permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Die Bush-Regierung war während des viertägigen Besuchs Manmohan Singhs in Washington intensiv darum bemüht zu demonstrieren, welche Bedeutung sie den aufblühenden indisch-amerikanischen Beziehungen beimisst. Bush begrüßte den indischen Premierminister mit einer umfangreichen Zeremonie auf dem Südrasen des Weißen Hauses und gab am Abend ein Staatsdiner zu seinen Ehren. Am Dienstag sprach Singh vor beiden Häusern des US-Kongresses, eine Ehre, die nur wenigen ausländischen Führern zuteil wird.

Singh scheute bei seinem ersten offiziellen Besuch der Vereinigten Staaten seit seiner Regierungsübernahme im Mai 2004 keine Mühe, um Bush und seine Regierung zu loben. Er pries den Präsidenten, der im Namen des Kampfs gegen den "Terrorismus" die Eroberung Afghanistans und Irak und umfassende Angriffe auf demokratische Rechte angeordnet hat, wegen seiner "Entschlossenheit und Führung im Kampf gegen die Herausforderungen des internationalen Terrorismus".

Singh ließ die traditionelle antiimperialistische Pose indischer Regierungen und besonders seiner eigenen Kongresspartei völlig beiseite und sprach mehrfach von den angeblich gemeinsamen Werten Indiens und der USA, darunter "der Offenheit unserer Gesellschaften und Wirtschaften... unserem Pluralismus, unserer Vielfalt und unserer Freiheit". Es entging Singhs Zuhörern nicht, dass er sich an die Rhetorik der Bush-Regierung anlehnte, wenn er Indien und die USA als gemeinsame Opfer des internationalen Terrorismus darstellte, die das gemeinsame Interesse verbinde, demokratische Werte auf der ganzen Welt zu verbreiten.

In einer Rede vor dem Nationalen Presseclub am Mittwoch erwähnte Singh beiläufig, dass die indische Regierung die US-Invasion des Irak offiziell abgelehnt hatte, und erklärte die Kontroverse im gleichen Atemzug zur "Vergangenheit". Er sah darüber hinweg, dass die amerikanische Besatzung des Irak andauert und dass die Bush-Regierung an der Doktrin des Präventivkriegs festhält - d.h. an dem unbeschränkten "Recht" der USA, internationales Recht zu brechen und jedes Land anzugreifen, das es für eine potentielle Bedrohung seiner Interessen hält.

Die gemeinsame Erklärung Bushs und Singhs enthält unter anderem folgende Punkte: Die Einrichtung eines Forums von indischen und amerikanischen Wirtschaftsführern, das Investitionen und Handel fördern soll; eine indische Verpflichtung, "sein Investitionsklima zu verbessern", um Zugang zu amerikanischem Kapital für die Modernisierung seiner Infrastruktur zu erhalten ("Verbesserung des Investitionsklimas" ist ein Euphemismus für Privatisierung, Deregulierung und den Abbau von Arbeitsschutzgesetzen); amerikanisch-indische Zusammenarbeit bei der Entwicklung "stabiler und effizienter Energiemärkte in Indien"; Public-Private-Partnerschaften im Weltraum- und Hochtechnologiesektor; die Gründung einer amerikanisch-indischen "Initiative für globale Demokratie", in deren Rahmen die amerikanische und indische Regierung gemeinsam Staaten unterstützen wollen, die Hilfe bei der Entwicklung "demokratischer" Institutionen suchen.

Die Erklärung bekräftigt auch den "Neuen Rahmenplan für die amerikanisch-indischen Verteidigungsbeziehungen", der im vergangenen Monat von hohen Vertretern der beiden Länder unterzeichnet worden war, darunter dem indischen Verteidigungsminister Pranab Mukherjee und US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

Der Rahmenplan ist in Indien stark umstritten. Die Linksfront, die mit ihren Stimmen die Regierungskoalition United Progressive Alliance unterstützt, und breite Teile des indischen politischen und militärischen Establishments sind gegen den Rahmenplan oder Teile davon, weil er Indiens politische und militärische Unabhängigkeit bedrohe. Sie wenden sich insbesondere gegen den möglichen Einsatz indischer Truppen bei gemeinsamen Auslandseinsätzen mit den USA, die nicht von der UNO sanktioniert sind. Auch Klauseln, die den Kauf amerikanischer Waffen mit politischen Vorgaben der USA verbinden oder verbinden könnten, werden von ihnen zurückgewiesen.

Ein Sonderstatus für Indien

Der wichtigste Aspekt der gemeinsamen Erklärung der amerikanischen und indischen Regierung war aber eine Vereinbarung mit dem Ziel, das Verkaufsverbot für zivile Nukleartechnologie und Nuklearbrennstoff an Indien aufzuheben, das seit 1974 in Kraft ist, als Indien seinen ersten Nuklearsprengkopf zur Explosion brachte.

Die Bush-Regierung ist zwar nicht so weit gegangen, Indien, das sich selbst seit 1998 als Atomwaffenstaat bezeichnet, als Staat anzuerkennen, der zum Besitz von Atomwaffen berechtigt ist (was eine Verletzung des Atomwaffensperrvertrags von 1968 wäre). Aber sie tritt offen dafür ein, dass Indien im Rahmen der internationalen Verträge und Regeln über die Nukleartechnologie einen Sonderstatus erhält - als "verantwortungsbewusster Staat mit fortgeschrittener Nukleartechnologie", wie es in Bushs und Singhs Erklärung heißt -, solange sich Indien mit gewissen Beschränkungen und einer internationalen Aufsicht über sein ziviles Nuklearprogramm einverstanden erklärt und "andere Atomwaffenstaaten" sowie der US-Kongress zustimmen.

Indische Regierungsvertreter bezeichnen die Vereinbarung als wesentlichen Fortschritt. Außenminister Shyam Saran prahlte bei einem Pressegespräch: "Wir haben die Anerkennung der USA erreicht, dass Indien in der Praxis die Vorteile und Rechte eines Atomwaffenstaats haben sollte."

Indien, das stark von ausländischem Öl abhängig ist, ist sehr daran interessiert, die Kapazität seiner Atomkraftwerke zu erweitern, und benötigt dafür Zugang zu ausländischer Nukleartechnologie und zu Nuklearbrennstoff.

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt für Delhi und Washington ist, dass die Sanktionen, die gegen Indien verhängt wurden, weil es sich den internationalen Atomwaffenverträgen entzog, auch den Verkauf hochentwickelter amerikanischer Militärgüter untersagten. Laut Stratfor, einem den Geheimdiensten nahestehenden amerikanischen Informationsdienst, wird Indien bei amerikanischen Herstellern Waffen im Wert von bis zu 5 Milliarden Dollar ordern, falls die Sanktionen aufgehoben werden. Stratfor stützt sich auf offizielle Angaben, die aus dem Pentagon durchgesickert sind. Unter anderem stehen hochentwickelte U-Boot- und Raketen-Abwehrsysteme zum Schutz der indischen Flotte im Indischen Ozean auf der Einkaufsliste.

Die Bush-Regierung hat ein zweifaches Interesse an der Steigerung des Waffenverkaufs an Indien. Natürlich will sie die US-Waffenindustrie stützen, aber sie ist auch sehr daran interessiert, Indien von amerikanischer Waffentechnologie abhängig zu machen.

Der Wandel der amerikanisch-indischen Beziehungen

Der Plan der Bush-Regierung, Indien einen Sonderstatus im internationalen Atomwaffenkontrollsystem zu verschaffen, soll das von US-Außenministerin Condoleezza Rice anlässlich eines Indienbesuchs im März gegebene Versprechen mit Inhalt füllen, die USA würden Indien dabei helfen, zu einer Weltmacht zu werden.

Hier ist kein Raum, die komplexe Geschichte der amerikanisch-indischen Beziehungen aufzurollen. Es muss aber festgehalten werden, dass das Verhältnis zwischen Indien und den USA vier Jahrzehnte lang gespannt war, weil sich die nationale Bourgeoisie Indiens nach der Unabhängigkeit von Großbritannien weigerte, ihre Außenpolitik den Erfordernissen der USA im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion unterzuordnen. Als Folge machte Washington Pakistan, Indiens südasiatischen Rivalen, zum Mittelpunkt seines Bündnissystems im Kalten Krieg. Indien reagierte darauf, indem es enge militärische und ökonomische Beziehungen zur Sowjetunion entwickelte. Ein wesentlicher Faktor seiner Außenpolitik bildete außerdem das Bemühen um eine nationale Wirtschaftsstrategie, die durch Importsubstitution und ein gewisses Maß an Staatseigentum die Dominanz der fortgeschrittenen kapitalistischen Mächte verringern sollte.

Mit dem Ende des Kalten Kriegs und der zunehmenden Krise der indischen Wirtschaft aufgrund ihrer relativen Isolation von der Weltwirtschaft vollzog die indische Bourgeoisie seit 1991 einen radikal Kurswechsel. Sie versuchte nun, Auslandsinvestitionen anzuziehen und Indien in ein Billiglohnparadies für das Weltkapital zu verwandeln. Die Auflösung der traditionell national regulierten Wirtschaft und die damit einhergehenden Angriffe auf die begrenzten sozialen Zugeständnisse, die der Arbeiterklasse und den unterdrückten Massen in den ersten Jahrzehnten der Unabhängigkeit gemacht worden waren, wurden von einem tiefgehenden Wandel der indischen Außenpolitik begleitet. Die USA sind zum größten Handelspartner und Auslandsinvestor Indiens geworden, und Neu-Delhi und Washington haben eine Vielzahl von Bindungen entwickelt, bis hin zu gemeinsamen Militärmanövern.

Die USA ihrerseits bemühen sich zunehmend, Indien als Verbündeten zu gewinnen. Schon unter Clinton veränderte sich die Haltung der USA zu Südasien stark. Das Gewicht verschob sich von Pakistan auf Indien. Vor allem weil sie die wachsende Macht Chinas fürchtet, versuchte die Bush-Regierung, die Beziehungen zu Indien seit ihrer Amtsübernahme 2001 auf eine neue Grundlage zu stellen. Die amerikanische Entscheidung, Afghanistan zu überfallen und die damit zusammenhängende Wiederbelebung der Beziehungen zu Pakistan, besonders zum pakistanischen Militär, haben die Bemühungen der Bush-Regierung um eine "strategische Partnerschaft" mit Indien allerdings kompliziert.

Aber führende Köpfe in der Regierung haben erkennen lassen, dass die angestrebte Partnerschaft mit Indien in ihrer geopolitischen Strategie einen zentralen Platz einnimmt. Vor allem das Angebot von Rice, Indien auf dem Weg zur "Weltmacht" zu unterstützen, hat dies deutlich gemacht.

Im Mai sagte die Nummer drei im Außenministerium, Staatssekretär Nicholas Burns, zu den amerikanisch-indischen Beziehungen: "Ich denke, Sie werden hier einen wichtigen Schwerpunkt unseres Präsidenten und unserer Außenministerin erkennen, und es wird das Gebiet mit der dynamischsten Veränderung in der amerikanischen Außenpolitik sein."

Der weltweit wichtigste "Swingstaat"

Wie wichtig mächtige Teile des Washingtoner Establishments die "indische Karte" einschätzen, zeigt ein CIA-Bericht aus jüngster Zeit, der Indien angeblich als wichtigsten "Swingstaat" im geopolitischen System identifiziert - d.h. als Staat, der sich sowohl einem Bündnis mit den USA als auch einem Bündnis gegen die USA anschließen könnte.

Zweifel, ob Indien sein Schicksal in dem sich verschärfenden Kampf der Großmächte um Rohstoffe, Märkte und strategische Vorteile wirklich mit dem der USA verbinden wird, sind durchaus angebracht. Viele im politischen und nationalen Sicherheitsestablishment Indiens sind immer noch sehr skeptisch hinsichtlich der amerikanischen Absichten und Ziele. Diese Bedenken sind durch den kriegerischen und unilateralistischen Kurs der Bush-Regierung noch verstärkt worden.

Indien hat seine engen diplomatischen und militärischen Bindungen zu Russland aufrechterhalten. Kurz nach der US-Invasion im Irak bemühte sich die Regierung der Nationaldemokratischen Allianz unter Führung der entschieden proamerikanischen Hindu-Partei BJP intensiv um eine Verbesserung der Beziehungen zu China. Im April besuchte der chinesische Ministerpräsident Indien, und die beiden Länder gaben die Bildung einer strategischen Partnerschaft bekannt. Indien hat auch Schritte unternommen, sich der chinesisch-russisch geführten "Shanghai Organisation für Zusammenarbeit" anzuschließen, mittels der Moskau und Peking versuchen, dem US-Einfluss in Asien entgegenzuwirken, besonders in Zentralasien.

Manmohan Singh ist zwar bisher davor zurückgeschreckt, sich dem Bemühen Moskaus und Pekings anzuschließen, der gegenwärtigen geopolitischen Ordnung eine multipolare Welt entgegenzustellen. Aber er hat sich mehrfach gegen den Unilateralismus in der Weltpolitik ausgesprochen, mit anderen Worten, gegen Washingtons gegenwärtige Politik. Und er und seine Regierung sahen sich gezwungen, amerikanische Bemühungen entschieden zu verurteilen, Indien und Pakistan zur Aufgabe einer geplanten Gaspipeline aus dem Iran zu zwingen.

Die gleichzeitigen strategischen Partnerschaften Indiens mit Russland, China und den USA deuten darauf hin, dass die gegenwärtige, von der Kongresspartei geführte UPA-Regierung den Umstand ausnutzt, dass Indien von anderen Großmächten umworben wird. Das ist allerdings ein gefährliches Spiel. Andere im indischen Establishment fürchten, dass die gegenwärtige Regierung zu leichtgläubig gegenüber den zunehmend unberechenbaren und provokativen USA ist und Indiens Spielraum schon deutlich eingeschränkt hat.

Gleichzeitig gibt es auch im politischen und nationalen Sicherheitsestablishment der USA Zweifel über die Weisheit eines Kurses, der derart offen den Aufbau eines asiatischen Gegengewichts zu China verfolgt und so stark auf Indien setzt, das eine lange Geschichte der Opposition gegen amerikanische Ziele hat und dessen politische und ökonomische Elite immer eifersüchtig ihre Unabhängigkeit von Washington bewahrt hat. Selbst auf kurze Sicht kompliziert das starke Interesse der Bush-Regierung an Indien die Beziehungen der USA zu Pakistan.

Bezeichnenderweise unterstützen die USA zwar die Forderung ihres langjährigen Verbündeten Japan, das ihre Sorgen über den Aufstieg Chinas teilt, nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, haben aber das ähnliche Bestreben Indiens bisher nicht offiziell unterstützt.

Insgesamt wurde Singhs Besuch in den US-Medien sehr positiv aufgenommen, dies nicht zuletzt, weil US-Konzerne Indien zunehmend als Niedriglohnplattform nutzen, um die Weltmärkte zu erobern. Aber über die wichtigste Entscheidung des Gipfels ist das Urteil noch nicht gesprochen - über die Bereitschaft der Bush-Regierung, Indien einen Sonderstatus im Rahmen des Systems der internationalen Atomkontrollen zu gewähren. Viele fragen sich, ob das die Glaubwürdigkeit der USA nicht weiter unterhöhlt, wenn sich diese unter Berufung auf das Völkerrecht den angeblichen oder tatsächlichen Bemühungen um eigene Atomwaffen entgegenstellen, wenn die entsprechenden Länder Washington nicht freundlich gesonnen sind.

Die Washington Post brachte einen besonders bissigen Kommentar unter dem Titel "Eine neue nukleare Ära". "Die Bush-Regierung", beginnt der Kommentar, "geht bekanntlich gern hohe Risiken ein, und ihre Kehrtwendung in der Atomzusammenarbeit mit Indien beweist das." Der Kommentar schließt mit der Bemerkung, dass "das Bush-Team schon einmal feststellen musste, dass es leichter ist, eine kühne neue Politik zu verkünden, als sie umzusetzen."

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