Linkspartei verabschiedet reformistisches Programm

Die Linkspartei.PDS hat am Samstag auf einem Parteitag in Berlin ihr Programm für die Bundestagswahl vom 18. September verabschiedet.

Wie bei anderen Parteien auch, diente die mitten im Wahlkampf angesetzte Veranstaltung vor allem der Öffentlichkeitsarbeit. Der achtstündige Parteitag wurde vom Fernsehsender Phoenix in voller Länge übertragen und von Dutzenden Journalisten und Fotografen verfolgt. Im Mittelpunkt standen die jeweils halbstündigen Reden der beiden Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine und Gregor Gysi. Für die Debatte und Abstimmung von Änderungsanträgen durch die über 300 Delegierten war lediglich eine Stunde angesetzt, die dann allerdings um eine halbe Stunde verlängert werden musste.

Es ist bezeichnend für das knapp 30-seitige, mit nur zwei Gegenstimmen verabschiedete Wahlprogramm, dass der Begriff "Sozialismus" darin kein einziges Mal vorkommt. Es handelt sich um einen Katalog sozialer und politischer Reformvorschläge, wie man sie früher auch in Programmen der SPD und sogar der CDU finden konnte - und dies zum Teil auch heute noch tut.

Die bestehende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung wird nicht in Frage gestellt. Vielmehr zieht sich durch das gesamte Programm der Leitgedanke, dass im Rahmen kapitalistischer Verhältnisse auch eine andere Politik möglich wäre, wenn die Politiker dies nur wollten. Das Programm wendet sich nicht gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung als solche, sondern lediglich gegen eine bestimmte Form kapitalistischer Politik, den "Neoliberalismus", dem es eine andere, sozialere Form kapitalistischer Politik entgegenstellt.

"Es kann nicht sein" und "es darf nicht sein" waren die häufigsten Wendungen in der Rede Oskar Lafontaines. Er benutzte sie stets, wenn er soziale Missstände anprangerte. Aber Lafontaine stellte nie die Frage, warum etwas ist, obwohl es nicht sein darf. Das Stellen dieser Frage rechtfertigt die bestehenden Zustände nicht. Im Gegenteil, man kann gesellschaftlichen Missständen nur abhelfen, wenn man sich Rechenschaft über ihre Ursachen ablegt.

Karl Marx war auf dem Wahlparteitag allgegenwärtig. Immer wieder verwiesen die Redner auf den "alten Mann mit dem Bart", der in der Vorwoche das Titelblatt des Spiegel geziert hatte. Aber die wichtigste Erkenntnis, die Marx gewonnen und in seinem Hauptwerk "Das Kapital" wissenschaftlich begründet hatte, weisen die Vertreter der Linkspartei weit von sich: dass nämlich das kapitalistische System aufgrund seiner eigenen, immanenten Widersprüche unweigerlich gesellschaftliche Krisen hervorruft, weil das Privateigentum an den Produktionsmitteln nicht mit dem gesellschaftlichen und internationalen Charakter der modernen Produktivkräfte zu vereinbaren ist.

Paradoxerweise setzt die Linkspartei mehr Vertrauen in die Fähigkeit des kapitalistischen Systems, gesellschaftliche Missstände zu überwinden, als deren glühendsten Verteidiger. Während letztere kategorisch darauf pochen, dass weitere Lohnsenkungen und Kürzungen von Sozialleistungen unverzichtbar sind, um das Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaft zu gewährleisten, behauptet die Linkspartei, die wirtschaftliche Krise könne durch eine Steigerung der Massenkaufkraft überwunden werden.

"Arbeitsplätze können nur gesichert, Arbeitslosigkeit kann nur dann zurückgedrängt werden, wenn in der Wirtschaftspolitik der Grundsatz beachtet wird: Ohne Nachfrage kein Wachstum und keine Arbeitsplätze. Deshalb muss die Kaufkraft der Bevölkerung auf dem Binnenmarkt gestärkt werden," heißt es im Wahlprogramm.

Dem globalen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts setzt die Linkspartei also die keynesianischen Rezepte aus den sechziger Jahren entgegen.

Reformistische Illusionen

Der schlagendste Beweis, dass derartige Rezepte nicht mehr funktionieren, ist die Rechtsentwicklung der Sozialdemokratie. Es handelt sich dabei um ein internationales Phänomen. Ebenso wie die SPD sind auch alle anderen sozialdemokratischen Parteien auf einen neoliberalen Kurs eingeschwenkt. Angefangen mit New Labour unter Tony Blair bis hin zur Arbeiterpartei Lulas in Brasilien gibt es weltweit keine einzige sozialreformistische Partei mehr - zumindest keine, die Regierungsverantwortung trägt -, die noch nennenswerte Verbesserungen für die arbeitende Bevölkerung anstrebt. Auch in Frankreich hat sich die Sozialistische Partei in den fünf Regierungsjahren Lionel Jospins derart diskreditiert, dass die Rechte mit überwältigender Mehrheit an die Regierung zurückkehren konnte.

Der allgemeine Charakter dieses Phänomens zeigt, dass es tiefere Ursachen hat, als Lafontaine und die Linkspartei wahrhaben wollen, die sich mit Hinweisen auf die persönliche Verantwortung Schröders, Blairs und anderer sozialdemokratischer Führer begnügen.

Die Globalisierung der Produktion und eine tiefe Krise des Weltkapitalismus haben der sozialdemokratischen Politik des sozialen Ausgleichs den Boden entzogen. Der Möglichkeit beraubt, die bürgerliche Ordnung mittels der Versöhnung der Klassengegensätze zu verteidigen, geht die Sozialdemokratie zu offenen Angriffen auf die Arbeiterklasse über und stellt sich uneingeschränkt auf die Seite des Kapitals. Anstatt die Arbeiter durch Reformen mit dem Kapitalismus auszusöhnen, besteht ihre Politik nun darin, die bürgerliche Gesellschaft durch den Verzicht auf Reformen zu retten.

Damit kann sich die Linkspartei nicht auseinandersetzen, verfolgt sie doch selbst das Ziel, neue Illusionen in die sozialreformistische Perspektive zu wecken, die so gründlich Schiffbruch erlitten hat. Bei allen Spannungen und Differenzen, die innerhalb der Linkspartei existieren, blieb dieses Thema auf dem Parteitag tabu.

Die Parteitagsdelegierten stritten sich zwar heftig darüber, ob sie einen Mindestlohn von 1.000 Euro netto oder 1.400 Euro brutto fordern sollen - was unter dem Strich ungefähr gleich viel ergibt -, aber sie stimmten stillschweigend überein, dass diese und alle anderen im Wahlprogramm enthaltenen Forderungen nicht mit einer sozialistischen Perspektive verbunden werden sollen, die sich gegen die bürgerliche Ordnung richtet.

Allein schon die Anwesenheit der Linkspartei im Bundestag, behauptete der Parteivorsitzende Lothar Bisky in seiner einleitenden Rede, werde die anderen Parteien zu einer sozialeren Politik zwingen.

"Unsere Vorschläge setzen Rot-Grün und Schwarz-Gelb unter Druck," sagte Bisky. "Unser politischer Geltungsanspruch und unsere Erfahrungen machen diesen Parteien Feuer unter dem Hintern. Wir spüren es: Eine Linkspartei kann viel in der Fraktion und für die Menschen im Land bewirken. Sie kann die Stärke der Schwachen für soziale Reformen nutzen, für Reformen, die diesen Namen verdienen."

Selbst einen zukünftigen Zusammenschluss mit der SPD schloss Bisky nicht aus. "Sollte die CDU - wie manch Umfrage gerade frohlockt - mit der FDP regieren, dann ist die Entwicklung der SPD offen," erklärte er. Er glaube zwar bei der gegenwärtigen Sozialdemokratie nicht "an einen alsbaldigen Schwenk hin zum konsequenten demokratischen Sozialismus", dennoch "wäre es gut, wenn die Anzahl sozialer Alternativen wieder größer würde". "Die Ausgrenzung", schloss er, "sollten wir den letzten Anhängern des Kalten Krieges überlassen."

Bisky schürt gefährliche Illusionen. Ganz unabhängig vom Wahlergebnis steht jetzt schon fest, dass sich das gesamte offizielle politische Spektrum einschließlich der SPD nach der Bundestagswahl vom 18. September weiter nach rechts bewegen wird.

Das geht allein schon aus den Umständen hervor, unter denen die Wahl zustande kam. Schröder hat die vorzeitige Auflösung des Bundestags ausdrücklich damit begründet, dass er ein neues Mandat für seine Agenda 2010 brauche, von der er kein Jota abweichen werde. Ansonsten, so die implizite Drohung, übergebe er die Regierung an Union und FDP, die mit Kopfpauschale und Einheitssteuer noch viel weitergehende soziale Angriffe planen.

Unausweichliche Konflikte

Die rasche Verschärfung der internationalen Krise, die ihr Zentrum in den USA hat, macht heftige Klassenauseinandersetzungen auch in Deutschland absolut unausweichlich. Die gigantischen Außenhandels- und Haushaltsdefizite der USA, die damit verbundenen Ungleichgewichte der Weltwirtschaft, das Debakel im Irak und die Entschlossenheit Washingtons, seine globale Übermacht mit militärischen Mitteln zu verteidigen, verschärfen die internationalen Spannungen. Der deutsche und europäische Imperialismus reagiert, indem er seinerseits mit dem Säbel rasselt und mit wachsender Aggressivität auftritt.

Der Kampf um Einfluss, Rohstoffe und Absatzmärkte hat einen hohen Preis, den - wie schon in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts - die arbeitende Bevölkerung bezahlen muss. Er setzt Angriffe auf demokratische und soziale Rechte auf die Tagesordnung, wie es sie seit den dreißiger Jahren nicht mehr gegeben hat. Hier - und nicht in einer "neoliberalen" Verblendung der Politiker - liegt die Ursache für die Agenda 2010 und die unersättlichen Forderungen der Wirtschaftslobby.

Man blicke auf die USA. Dort hat die Fluggesellschaft Northwest Airlines ihre Flugzeugmechaniker soeben vor das Ultimatum gestellt, eine 25-prozentige Lohnsenkung, die Entlassung der Hälfte der Belegschaft sowie massive Renteneinbussen hinzunehmen oder ein Konkursverfahren zu riskieren, bei dem voraussichtlich alle Arbeitsplätze und sämtliche Rentenansprüche verloren gehen. Zur Durchsetzung seiner Forderungen hat Northwest gezielt einen Streik provoziert und 180 Millionen Dollar investiert, um Streikbrecher auszubilden. Obwohl damit die Existenz der Arbeiterbewegung in Frage gestellt wird, stehen die Flugzeugmechaniker alleine da. Alle anderen Gewerkschaften leisten Streikbrecherarbeit.

Ist so etwas auch in Deutschland möglich? Es ist, betrachtet man die ökonomische und politische Weltlage, sogar unvermeidlich.

Die wichtigste Aufgabe einer sozialistischen Partei besteht darin, die Arbeiterklasse auf diese unvermeidlichen Klassenkämpfe vorzubereiten. Sie muss die Dinge beim Namen nennen und allen Illusionen entgegentreten, der Angriff auf soziale und demokratische Rechte könne durch Druck auf die SPD oder andere bürgerliche Parteien gestoppt werden.

Auf dieser Grundlage beteiligt sich die Partei für Soziale Gleichheit an der Bundestagswahl. "Wir nehmen an diesen Wahlen teil, um in ganz Europa einer breiten politischen Massenbewegung den Weg zu bereiten, die sich gegen das kapitalistische System richtet," heißt es in ihrem Wahlaufruf. "Denn ohne das politische Eingreifen der arbeitenden Bevölkerung ist es unmöglich, diese reaktionären Entwicklungen zu stoppen und ihre katastrophalen Konsequenzen zu verhindern."

Erst in diesem Zusammenhang ergeben Forderungen nach sozialen Reformen, wie sie sich im Wahlprogramm der Linkspartei finden, einen Sinn. Solche Forderungen können nur von einer Arbeiterregierung verwirklicht werden, die massive Eingriffe in die private Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel vornimmt.

Rosa Luxemburg, die von der Linkspartei ebenso wie Marx gerne zitiert, aber nicht verstanden wird, hat dies in ihrer Polemik gegen den Stammvater des Reformismus Eduard Bernstein treffend formuliert. Das "sozialistische Endziel", schrieb sie, ist "das einzige entscheidende Moment, das die sozialdemokratische Bewegung von der bürgerlichen Demokratie und dem bürgerlichen Radikalismus unterscheidet, das die ganze Arbeiterbewegung aus einer müßigen Flickarbeit zur Rettung der kapitalistischen Ordnung in einen Klassenkampf gegen diese Ordnung, um die Aufhebung dieser Ordnung verwandelt."

Die Linkspartei hat sich - um bei Luxemburg zu bleiben - eindeutig der "müßigen Flickarbeit zur Rettung der kapitalistischen Ordnung" verschrieben. Ein großer Teil ihrer Wahlpropaganda besteht aus Beteuerungen, dass ihr Programm "realistisch" und "finanzierbar" sei. Mit anderen Worten, dass es verwirklicht werden könne, ohne die kapitalistischen Verhältnisse anzutasten. Auch den negativen Auswirkungen der Globalisierung - so das Wahlprogramm - könne durch "eine umfassende Demokratisierung der internationalen Organisationen wie IWF und Weltbank" entgegengetreten werden.

Solche Beteuerungen haben eine ähnliche Wirkung wie Valium. Sie schüren Illusionen in die Reformierbarkeit des Kapitalismus und schläfern so die Arbeiterklasse angesichts der bevorstehenden Gefahren ein. Eine solche Politik der Illusionen ruft unweigerlich Enttäuschungen hervor, die der Reaktion zugute kommen und leicht in ultrarechte Kanäle gelenkt werden können.

Beispiel Berlin

Die Linkspartei geht dabei äußerst bewusst und zynisch vor. Das zeigt - bildlich gesprochen - ein Blick aus dem Fenster des Parteitags. Das moderne und luxuriöse Estrel Convention Center liegt inmitten verfallener Industrieanlagen im Berliner Bezirk Neukölln, wo die Arbeitslosenquote 23 Prozent beträgt. Berlin wird seit fast vier Jahren von einer Koalition aus SPD und PDS regiert, die sich mittlerweile Linkspartei nennt. Die Folgen für die Bevölkerung lesen sich wie ein Gegenentwurf zum Wahlprogramm der Linkspartei.

Ein Beispiel: Das Programm enthält ein Unterkapitel "Gegen Kinderarmut: Jedem Kind einen guten Start ins Leben!", das folgende Forderungen enthält: "Gebührenfreie Kitaplätze für alle Kinder; uneingeschränkten Rechtsanspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung von Anfang an; Ganztagsbetreuungsangebote für Kinder jedes Alters, damit beide Elternteile, aber auch Alleinstehende erwerbstätig sein können; gute Startchancen für alle Kinder durch Bildungsaufgaben im Kindergarten, durch den Einsatz ausgebildeter Fachkräfte und durch intensive Sprachförderung in der Schule."

Und so sieht die Realität aus: In Berlin beträgt die Kinderarmut laut dem jüngsten Bericht des Paritätischem Wohlfahrtsverbandes 30 Prozent. Eltern kämpfen mit einer rapiden Verschlechterung der Betreuungs- und Ausbildungsangebote. Die Kitagebühren wurden unter der Verantwortung von SPD und PDS um 40 Prozent erhöht, der Personalschlüssel derart gesenkt, dass Horte und Kindergärten zu reinen Verwahranstalten verkommen sind, die Mittel für Schulen kontinuierlich gestrichen.

Natürlich blieb auch dieses Thema auf dem Wahlparteitag tabu. Man hat ja die Chance "in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen", wie vereinzelten kritischen Stimmen immer wieder entgegen gehalten wurde, und die will man sich nicht vermasseln lassen.

Auf dem Infotisch der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung lag allerdings eine erste Bilanz der rot-roten Berliner Landesregierung aus, neben anderen verfasst von Michael Brie, der als programmatischer Vordenker der Linkspartei gilt. Darin heißt es: "Rot-rote Regierungspolitik hat es mit Rahmenbedingungen zu tun, die der Neoliberalismus auf Dauer gestellt hat. Schnelle Veränderungen insbesondere in den Bereichen Haushalts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sind deshalb nicht möglich."

Auch wenn dies nicht Bries Absicht war, ein verheerenderes Urteil über das Wahlprogramm der Linkspartei lässt sich kaum aussprechen.

Ein "historisches Datum"?

Oskar Lafontaine, bis 1999 Vorsitzender der SPD und in diesem Frühjahr nach vierzigjähriger Mitgliedschaft aus der Partei ausgetreten, sprach erstmals auf einem Parteitag der Linkspartei.PDS. Er ist mittlerweile Mitglied der Wahlalternative (WASG), die auf den Listen der Linkspartei zur Bundestagswahl kandidiert und sich anschließend zügig mit dieser vereinigen will.

Lafontaine bezeichnete seinen Auftritt als "historisches Datum". Er sehe ihn "im Rahmen der Geschichte der Arbeiterbewegung" und sei stolz, an einer freiwilligen Vereinigung der deutschen Linken mitwirken zu können.

Er spielte damit auf die Vereinigung von KPD und SPD in der damaligen Ostzone im Jahr 1946 an. Dieser Zusammenschluss zur SED, der späteren Staatspartei der DDR, ist von der SPD stets als "Zwangsvereinigung" verurteilt worden. Die Wirklichkeit war aber komplexer.

Die damalige Berliner SPD-Führung unter Otto Grotewohl war durchaus zur Vereinigung bereit; sie hatte sie ursprünglich sogar vehement gefordert. KPD- und SPD-Führung hatten ein gemeinsames Interesse, den unter Arbeitern weitverbreiteten Sozialisierungsbestrebungen entgegenzutreten und jede selbständige Regung zu unterdrücken. Der Gegensatz zwischen SED und Arbeiterklasse sollte sich schließlich 1953 im Aufstand vom 17. Juni offen entladen.

Die SPD hatte sich aber verrechnet, wenn sie glaubte, die von Stalin abhängige KPD-Führung werde ihr einen gewissen Freiraum lassen. Spätestens mit Beginn des Kalten Krieges wurden kritische SPD-Mitglieder systematisch gemaßregelt und unterdrückt. Viele flohen in den Westen. Während die SPD in der DDR nicht wieder entstand, geriet sie in der Bundesrepublik unter den Einfluss vehementer Antikommunisten.

Diese Spannungen wirkten auch auf dem Wahlparteitag der Linkspartei nach. Ein großer Teil der stark überalterten PDS-Mitgliedschaft stammt aus der SED, die WASG wiederum setzt sich aus langjährigen Sozialdemokraten und Gewerkschaftsfunktionären zusammen, die der SPD erst wegen der Agenda 2010 den Rücken gekehrt haben.

Die Hauptredner waren sichtlich bemüht, diese Spannungen zu dämpfen. Lafontaine begann seinen Beitrag mit einem Lob auf den PDS-Ehrenvorsitzenden Hans Modrow, den langjährigen SED-Bezirksleiter von Dresden und letzten SED/PDS-Ministerpräsidenten der DDR. Gysi verteidigte Lafontaine ausgiebig gegen den von der Boulevard-Presse erhobenen Vorwurf, er sei ein "Luxuslinker".

Doch trotz aller Bemühungen, die Vereinigung von PDS und WASG als Neuanfang und Zusammenschluss der linken Arbeiterbewegung darzustellen, ist sie nichts dergleichen. Was sich hier zusammenschließt, sind die Restbestandteile zweier sklerotischer bürokratischer Apparate, die in einem letzten Aufbäumen versuchen, den Widerstand gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit in eine reformistische Sackgasse zu lenken.

Wie schrieb Marx doch so schön: "Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."

Siehe auch:
Was bedeuten die hohen Umfragewerte der Linkspartei?
(4. August 2005)
Neuer Name altes Programm
( 21. Juli 2005)

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