Rumänien: Rechts-liberale Regierung im Amt

"Heute beginnt die Modernisierung der rumänischen Gesellschaft", erklärte Premierminister Calin Popescu-Tariceanu in seiner ersten Regierungserklärung Ende Dezember. Und er betonte, dass seine Regierung eng mit den Gremien der Europäischen Union zusammenarbeiten werde. Der Vorsitzende der Nationalliberaler Partei (PNL) war zuvor vom ebenfalls neu gewählten Präsidenten Traian Basescu, dem Vorsitzenden der Demokratischen Partei (PD), zum Regierungschef ernannt worden. Damit hat in Bukarest eine Regierung die Macht übernommen, die in enger Absprache mit der EU umfassende Privatisierungen der Industrie, Steuersenkungen und Sozialabbau anstrebt.

Aber die Regierung stützt sich auf sehr wackelige Mehrheiten im Parlament. Bei den Parlamentswahlen Ende November hatte das Wahlbündnis von Tariceanus Nationalliberalen und Basescus Demokraten nicht genügend Stimmen auf sich vereint. Erst durch die wiederholte Drohung, notfalls Neuwahlen durchzuführen, gelang es Tariceanu, zwei kleinere Parteien im Parlament auf seine Seite zu ziehen. Ursprünglich hatten sowohl die Partei der ungarischen Minderheit (UMDR) als auch die Humanistische Partei (PUR) ein Bündnis mit den bislang regierenden Sozialdemokraten (PSD) bevorzugt.

Doch selbst diese Vier-Parteien-Koalition reicht nicht für eine absolute Mehrheit, und so ist die Regierung auf die Unterstützung der ultra-rechte Großrumänienpartei (PRM) angewiesen. Deren Vorsitzender Vadim Tudor, ein ehemaliger Offizier von Ceausescus berüchtigtem Geheimdienst Securitate, vertritt offen faschistische Positionen. Von den 27 Stimmen, die die Regierung aus dem Lager der nicht in ihr vertretenen Parteien erhielt, stammten offenbar nicht wenige von der rechten PRM.

Während Regierungsvertreter nicht müde werden, das Land nun als "Vorbild" und als "Exporteur für Sicherheit und Stabilität" darzustellen, lassen bereits die Zusammensetzung der neuen rumänischen Regierung und ihre ersten Amtshandlungen erkennen, dass es in der kommenden Zeit, in deren Mittelpunkt der EU-Beitritt 2007 steht, zu großen Spannungen und Konflikten kommen wird.

Tariceanus 24-köpfiges Kabinett besteht weitgehend aus unbekannten Vertretern der schmalen Oberschicht des Landes. Sie stehen im krassen Gegensatz zur großen Mehrheit der rumänischen Bevölkerung, von denen über ein Viertel unterhalb der Armutsgrenze lebt. Zehn der 24 Kabinettsmitglieder sind Teilhaber an großen Wirtschaftsunternehmen. Es macht bereits das Wort von der "Regierung der reichen Männer" oder der "Regierungs GmbH" die Runde.

Regierungschef Tariceanu war von 1996 bis 1997 Industrie- und Handelsminister und gilt als "erfolgreicher Geschäftsmann" mit einem geschätzten Privatvermögen von etwa 15 Millionen Euro. Vize-Premier George Copos ist mit etwa 160 Millionen Dollar Privatvermögen der reichste Minister. Und auch Verteidigungsminister Theodor Atanasiu, Wirtschaftsminister Ioan Codrut Seres und andere brüsten sich mit gewinnbringenden Unternehmensbeteiligungen.

In Form einer Dringlichkeitsverordnung beschloss die neu ernannte Regierung nur wenige Stunden nach ihrer Vereidigung, die Steuern radikal zu senken. Seit dem ersten Januar besteht nun eine einheitliche Besteuerung von 16 Prozent auf alle Einkommen. Bisher galt ein Spitzensteuersatz von 40 Prozent. Auch der Steuersatz auf Unternehmensgewinne, der bisher bei 25 Prozent lag, sinkt auf 16 Prozent. Gleichzeitig wurden die Sozialabgaben von Unternehmen um 10 Prozent gesenkt.

Damit greift die Bukarester Regierung in den Steuerwettbewerb ein, der gegenwärtig in Osteuropa in vollem Gange ist. In der Slowakei, in Estland und Ungarn wurden zur Freude westlicher Großkonzerne im vergangenen Jahr die Steuern für Unternehmen und auf Vermögen erheblich gesenkt. Nachdem bereits die Arbeitskosten in Rumänien mit etwa 1,50 Euro in der Stunde im Vergleich zu den im Mai 2004 beigetretenen Staaten nur knapp ein Drittel ausmachen, will die Regierung nun auch dieniedrigste effektive Steuerbelastung vorweisen.

Umso dramatischer werden sich die Steuersenkungen zu Lasten der Bevölkerung auswirken. Selbst der IWF, der Ende Januar eine Delegation nach Bukarest entsandte, äußerte sich besorgt darüber, dass ein jährlicher Rückgang der Steuereinnahmen von mindestens 30 Milliarden Lei (750 Millionen Euro) langfristig zu einem Haushaltsdefizit führen und Inflation in die Höhe treiben werde.

Nach dem Willen der neuen Regierung soll dieses Haushaltsloch zum einen durch den Verkauf staatseigener Betriebe und zum anderen durch die Verdoppelung der Massensteuern und Streichung von Subventionen für kleine und kleinste Betriebe erreicht werden.

Für Investitionen in die völlig maroden öffentlichen Kultur-, Bildungs- oder Sozialeinrichtungen bleibt unter diesen Bedingungen nichts. Es gibt bereits Hinweise darauf, dass die durch die Vorgängerregierung auf den Weg gebrachte, ohnehin nur minimale Erhöhung der Renten sowie Sozialprogramme für Schulkinder rückgängig gemacht werden. Für die Einkommen der Angestellten im öffentlichen Dienst wurde bereits eine Null-Runde vereinbart.

Schon die Einführung der einheitlichen Steuer von 19 Prozent in der benachbarten Slowakei machte den Prozess der gesellschaftlichen Umverteilung deutlich, der mit diesen Entscheidungen verbunden ist. Um die vordringlichsten Löcher im Haushalt zu stopfen, wurde dort die Mehrwertsteuer um 5 Prozent angehoben, was eine drastische Steigerung der Lebenshaltungskosten zur Folge hatte.

In den Kriterien für den rumänischen Beitritt 2007 fordert die EU eine "beschleunigte Handelsliberalisierung" und Preisfreigaben, was eine erneute Teuerungswelle auslösen wird. Hinzu kommt, dass die EU-Institutionen in Brüssel den Abbau von "Überkapazitäten" im Bergbau und in der Stahlindustrie verlangen. Allein in diesen Bereichen steht damit der Abbau von fast 50.000 Arbeitsplätze auf der Tagesordnung.

Während innenpolitisch Steuersenkung und Privatisierung das soziale Gefüge zu sprengen drohen, forciert die Tariceanu-Regierung die Militarisierung des Landes. In seiner Antrittsrede erklärte der Ministerpräsident, dass trotz der anstehenden Aufnahme in die EU die Vereinigten Staaten der "privilegierte Partner" seien. Der Regierungschef machte klar, dass die von den sozialdemokratischen Vorgängern Illiescu und Nastase eingeleitete enge Bindung an die USA unter der neuen Regierung fortgeführt und intensiviert wird.

Rumänien hatte sich im Irakkrieg uneingeschränkt an die Seite der Bush-Regierung gestellt. Trotz der Tatsache, dass Umfragen zufolge 71 Prozent der Rumänen diesen Krieg ablehnten, unterhält das US-Militär umfangreiche Militärbasen im Land. Rumänische Einheiten sind im Irak ebenso wie in Afghanistan stationiert. Verteidigungsminister Atanasiu kündigte bereits die Ausweitung des Engagements im Irak an.

Als Reaktion stellten amerikanische Regierungsvertreter lukrative Aufträge in Aussicht. Die rumänische Industrie soll einen Teil der Ausrüstung für die irakische Armee liefern. Zusätzlich sollen weitere 28 Millionen Dollar Militärhilfe nach Rumänien fließen. Vertreter des US-Militär gaben bekannt, dass die bestehenden Basen an der Schwarzmeerküste weiter ausgebaut und weitere Soldaten dorthin verlagert werden sollen. 32 rumänische Unternehmen, vorwiegend Öl- und Gasgesellschaften, wurden bisher bereits an der Ausplünderung des Irak beteiligt.

Die USA nehmen auf allen Ebenen Einfluss auf die rumänische Politik. Vor kurzem wurde bekannt, das der Chef des rumänischen Geheimdienst SRI, Radu Timofte, im letzten Jahr 150.000 Dollar aus amerikanischen Quellen erhalten habe. Auch die erste Auslandsreise von Präsident Basescu zum britischen Premier Tony Blair stand im Zeichen des Irakkriegs und drehte sich um die Aufstockung rumänischer Truppen, die im Irak unter britischer Führung agieren. Der Irak wird auch das Hauptgesprächsthema sein, wenn im nächsten Monat die rumänische Führung im Weißen Haus eingeladen ist.

Die Interessen der USA gehen allerdings über die derzeitigen Militäreinsätze hinaus. Wie aus einem Treffen des amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld mit seinem rumänischen Amtskollegen hervorging, steht die "Stabilität" im Schwarzmeerraum im Vordergrund. Dabei geht es um die langfristige Sicherung der amerikanischen Einflusssphäre in diesem, an Russland grenzenden Gebiet. Wie in den Gesprächen zwischen Blair und Basescu deutlich wurde, wird eine enge Beziehung zwischen Rumänien und der Ukraine angestrebt.

Die enge Zusammenarbeit mit Washington führte schon in der Vergangenheit zu Konflikten mit der EU. Vor zwei Jahren sah sich der damalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi zu der Aussage veranlasst: "Rumänien kann nicht wirtschaftlich zu Europa gehören und militärisch zu den USA."

Siehe auch:
Rumänien: Wahlen in Europas Armenhaus
(21. Dezember 2004)
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