Wahlkampf der Partei für Soziale Gleichheit trifft auf große Resonanz

Für die bevorstehende, vorgezogene Bundestagswahl 2005 stellt die Partei für Soziale Gleichheit in vier Bundesländern - Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen - eigene Landeslisten auf. Während die großen Parteien automatisch zur Wahl zugelassen werden, muss die PSG trotz der verkürzten Fristen dafür in jedem Bundesland 2000 amtlich bestätigte Unterstützerunterschriften einreichen.

In allen vier Bundesländern haben letzte Woche Teams mit dem Sammeln der erforderlichen Unterschriften begonnen. Die erste Bilanz ist außerordentlich positiv. Insgesamt unterstützten in der ersten Woche rund 2.500 Wahlberechtigte die Zulassung der PSG. Viele weitere, vor allem ausländische Arbeiter und Jugendliche, die noch nicht 18 sind, hätten gerne unterschrieben. Das restriktive Wahlgesetz verbietet es aber ausländischen Arbeitern, die keine deutschen Staatsbürger sind, selbst wenn sie schon seit Jahrzehnten hier leben an Wahlen teilzunehmen oder Wahlvorschläge zu unterstützen.

In einer Situation der offensichtlichen Krise der rot-grünen Bundesregierung erntete die Perspektive der PSG, eine neue Arbeiterpartei auf internationaler und sozialistischer Grundlage aufzubauen, spontane Zustimmung. Viele verbanden ihre Unterschrift mit dem Wunsch, politische Fragen zu diskutieren. Ein zentrales Thema war dabei die zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Vor allem vor den Arbeitsämtern beklagten viele Menschen, dass sie nicht mehr wissen, wovon sie das nackte Leben bestreiten sollen.

So erklärte die Witwe eines griechischen Gastarbeiters aus Offenbach, der 38 Jahre lang in Deutschland gearbeitet hat, dass sie jetzt von 600 Euro im Monat leben müsse, bei rund 800 Euro laufenden Ausgaben pro Monat. "Wie soll das gehen?" fragte sie.

Eine Frau, die nach der Hartz-IV-Regelung von dem neuen ALG-II leben muss, rechnete vor: "Ich bin alleinstehend und erhalte 590 Euro im Monat. Das muss für alles reichen: Miete, Strom, Telefon und das ganze Leben. Da ich aktiv Arbeit suche, muss ich laufend Bewerbungen schreiben, die alle Geld kosten. Vom Arbeitsamt erhalte ich dafür fünf Euro Pauschalbewerbungskosten zurück, den Rest muss ich selbst finanzieren. Trotz meinem ‚Frankfurt-Pass’ [für Bedürftige] würde mich eine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr 41 Euro kosten; das kann ich mir nicht leisten."

Ein Arbeitsloser, der in zwei Wochen sein erstes Geld erwartet, wusste nicht, wie er Windeln und Essen für seine zwei Kinder kaufen soll. Er berichtete, dass sich das Sozialamt und weitere Hilfsorganisationen, wie z.B. die Caritas, in seinem Fall als "nicht zuständig" erklärt hätten. Oft sei er auf bürokratische Reaktionen gestoßen, auf den Ämtern sei man offensichtlich mehr am Papierkram als an den Menschen interessiert.

In Berlin schilderte Sylvia Müller die desolate Lage von Auszubildenden. Sie ist Ausbilderin in einer überbetrieblichen Bildungseinrichtung, in der Jugendliche eine reguläre dreijährige Ausbildung in kaufmännischen Bereichen absolvieren können. Sie erfahre regelmäßig, wie jeder Bereich des Lebens den Profitinteressen untergeordnet werde, sagte sie. "Es geht in meinem Bereich nicht mehr darum, den Jugendlichen eine vernünftige Ausbildung zu gewährleisten, sondern nur noch darum, wie billig man die Ausbildung anbieten kann. Der billigste Ausbildungsbetrieb bekommt den Zuschlag. Ich habe kein Vertrauen mehr in die Politik der etablierten Parteien. Man kann gar nichts mehr wählen."

Die Initiative der PSG fand sie dagegen gut. "Mann muss sich international zusammenschließen, um etwas zu erreichen. Auf die alten Bürokraten kann man sich dabei nicht mehr verlassen. Man muss sich an alle und vor allem an die Jugend wenden," sagte sie.

Einige von Armut und Arbeitslosigkeit Betroffene reagieren auf den Rechtsruck des politischen Establishment mit Resignation. Viele winken ab, wenn sie nur das Wort Partei hören. Die Politiker - egal welcher Couleur - erscheinen ihnen als völlig abgehoben, wie auf einem andern Stern.

"An die Not der kleinen Leute verschwenden die Politiker keinen Gedanken", meinte Robert Kohl, ein vierzigjähriger Arbeitsloser aus Frankfurt. "Egal, ob das SPD oder CDU ist, sie haben mein Vertrauen völlig verloren. Sich selbst erhöhen sie die Diäten und den Reichen und Unternehmern werden die Steuern gesenkt; aber wie wir zurecht kommen sollen - das ist für sie kein Thema."

Viele unterstützten die PSG, weil sie kein Vertrauen mehr in die alten Parteien haben und die Auffassung teilen, dass heute eine unabhängige Bewegung von unten und eine neue Partei notwendig seien. "Wir haben die PSG unterstützt, weil wir glauben, dass sich die Betroffenen selbst organisieren müssen", erklärte beispielsweise Jens Wittenbecher, ein 26-jähriger arbeitsloser Fliesenleger aus Berlin, der zusammen mit seiner Frau unterschrieb.

Auf die internationale und sozialistische Perspektive der PSG reagierten die meisten Menschen bemerkenswert offen und aufgeschlossen. Neben der Rechtsentwicklung von SPD und Grünen, Sozialabbau und Arbeitsplatzvernichtung haben besonders die weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen zu einem gegenüber früheren Wahlen deutlich gesteigerten Interesse an einer politischen Alternative geführt.

Die Unterschriftenteams hatten oft den Eindruck, offene Türen einzurennen. Fast jeder, der unterschrieb, fand es naheliegend, dass angesichts der Globalisierung der Produktion eine Weltpartei aufgebaut werden muss, um Sozialabbau, Arbeitsplatzvernichtung und Kriegsgefahr entgegenzutreten.

Vor allem unter jüngeren Leuten fand diese Perspektive große Resonanz. In Nordrhein-Westfalen wurden viele Unterschriften auf Musikfestivals gesammelt. Während einer Studentendemonstration gegen Studiengebühren am 23. Juni in Essen kamen 95 Unterschriften zusammen. Beim Christopher Street Day in Bielefeld unterschrieben 74 Leute.

Das Parteienbündnis aus PDS und WASG, das mit dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine an der Spitze zur Wahl antritt, trifft auf eine gemischte Resonanz. Einige unterschrieben erst für die PSG, nachdem sie sich vergewissert hatten, dass es sich nicht um eine Unterstützung für Lafontaine und Gysi handelt.

Interview mit einem arbeitslosen Ehepaar

Vor dem Frankfurter Arbeitsamt trafen Korrespondenten der WSWS auf das Ehepaar Herold-Schnitzler mit seinen zwei kleinen Kindern. Sie kamen auf die jüngste "Heuschrecken"-Kampagne des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering zu sprechen.


Die Familie Herold-Schnitzler

Herr Herold sagte: "Ausgerechnet jetzt, kurz vor der Wahl, behauptet Müntefering, die SPD wolle die Reichen besteuern. Jetzt auf einmal wollen sie das sozial Gerechte wieder gutmachen, das sie acht Jahre lang versäumt haben. Aber jetzt ist es zu spät. Das ist doch hundertprozentig nur Wahlkampf - weiter nichts. Die haben ja bereits ihre Absicht bekannt gemacht, mit der CDU eine große Koalition einzugehen. Keiner will die SPD mehr wählen. Man sieht es an den letzten Länderwahlen und an den Umfragen, da liegt die SPD nur noch bei 25 Prozent."

Herr Herold ist Betonbauer und hat als Stahlbeton-Polier bei Hochtief gearbeitet, ehe er nach einer Operation ausscheiden musste. "Er hat sich jahrzehntelang kaputtgearbeitet", sagte Frau Schnitzler, seine Frau. "Jetzt ist er in Frührente geschickt worden. Ich bin Hausfrau und Mutter von zwei Kindern; da können wir jetzt sehen, wie uns geholfen wird."

Herr Herold berichtete, wie die aktuelle Politik der EU die europäischen Bauarbeiter gegeneinander aufbringt. Als Polier, der jahrelang für Hochtief gearbeitet oder für verschiedene Subunternehmer auf Großbaustellen von Bilfinger/Berger, Waiß & Freitag und Philipp Holzmann tätig war, berichtete er: "Auf diesen Großbaustellen arbeiten Polen und Tschechen für die Subunternehmer. Sie schaffen Tag und Nacht, Montag bis Samstag, zehn oder zwölf Stunden für ein kleines Geld. Ich gönne es den Leuten ja, dass sie Arbeit haben, und außerdem ist ihre Arbeit sehr hart. Ich habe selbst auch auf Montage gearbeitet, ich weiß wie das ist. Aber auf diese Weise werden die Tariflöhne und Arbeitsrechte zerstört; das ist keine Lösung."

"Schröder", berichtete Herold, "kam hier nach Frankfurt, als Holzmann pleite ging. Da hat er wer weiß was versprochen. Und dann hat er die Arbeiter fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Das ist ein Riesenbetrug. Er hat ja schon als Ministerpräsident in Niedersachsen so viele Versprechungen gemacht und nicht gehalten. Den Mann hätte man gar nie zum Kanzler wählen sollen."

"Die CDU ist natürlich auch nicht besser als die SPD", sagte seine Frau. "Das sieht man schon daran, wie sie hier in Hessen, wo [der CDU-Ministerpräsident Roland] Koch dran ist, das Bildungssystem herunterwirtschaften. Und da gehen die Leute noch wählen. Also ich gehe überhaupt nicht mehr wählen - oder doch, jetzt kann ich ja euch wählen", setzte sie hinzu.

Ihr Mann erklärte: "Die CDU ist vielleicht noch ein wenig für den Mittelstand gut." - "Aber das reicht nicht", warf die Frau ein, "wenn der ganze Rest hängen bleibt." - "Ja richtig", antwortete er. "Das wird dann auf die Arbeiter abgewälzt. Die CDU ist zum Beispiel für eine Aufweichung des Kündigungsschutzes."

Wie für viele andere, die wir fragten, stellte auch für diese Familie die neue "Linkspartei" von Lafontaine und Gysi keine Alternative dar. Besonders Lafontaine wird als rückgratloser Politiker gesehen. "Lafontaine war doch früher selbst jahrelang Politiker in der SPD", sagte Herr Herold, "man kann ihm nicht vertrauen".

Siehe auch:
Aufruf der Partei für Soziale Gleichheit zur Bundestagswahl 2005
(25. Juni 2005)
Wahlwebsite der PSG
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