Große Koalition plant Absenkung der Unternehmenssteuern

Mit wachsender Intensität wird seit spätestens Februar in Regierung und Opposition über eine weitere Steuersenkungsrunde für Großkonzerne diskutiert. Nach der Verabschiedung der Hartz-IV-Gesetze hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder noch erklärt, dass es bis zu den nächsten Bundestagswahlen im Herbst 2006 keine weiteren Gesetze geben werde, die soziale Einschnitte nach sich ziehen könnten.

Seit Anfang des Jahres wurde der Druck von Unternehmerseite jedoch immer stärker. Zunächst brachen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und kurze Zeit später Finanzminister Hans Eichel das Eis. Auf dem Job-Gipfel im März vereinbarten dann Regierung und CDU/CSU-Opposition, nach Möglichkeit noch vor der Sommerpause eine Gesetzesänderung zur Senkung der Unternehmensbesteuerung zu verabschieden.

Wie bei Teilen der Hartz-Gesetze ist dazu die Zustimmung des Bundesrats nötig, in dem die CDU/CSU-geführten Länder über die Mehrheit verfügen. Die laufenden Verhandlungen streben ein Übereinkommen zwischen Regierung und Opposition an. Wie bei den Hartz-Gesetzen steht die Bevölkerung de facto einer Großen Koalition gegenüber.

Kern der Überlegungen ist die Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 25 auf 19 Prozent. Damit würden vor allem die großen Kapitalgesellschaften entlastet, deren Gewinne - neben der für alle Unternehmen geltenden Gewerbesteuer, die den Kommunen zukommt - der Körperschaftssteuer unterliegen. Die meisten mittelständischen und kleinen Unternehmen wären dagegen nicht betroffen. Sie sind in der Rechtsform der Personengesellschaften registriert und die Eigentümer müssen die Gewinne über die persönliche Einkommensteuer an den Fiskus abführen.

Die vorgeschlagene Senkung hätte Steuerausfälle von mehr als 6,5 Mrd. Euro zur Folge, die ein weiteres Loch in die öffentlichen Kassen reißen würden. Im publikumswirksam ausgetragen Streit zwischen Rot-Grün und CDU/CSU geht es um die Gegenfinanzierung dieser Summe. Eichel schlägt vor, dass gut die Hälfte durch eine Einschränkung der Steuersparmodelle bei Fonds, die den Anlegern Steuer reduzierende Verluste vermitteln (für Schiffe, Immobilien, Medien, Windkraft, Videospiele), und eine Erhöhung der Mindestbesteuerung von Unternehmen gegenfinanziert wird. Auch über den erleichterten Verkauf von Immobilien erwartet er Steuermehreinnahmen.

Die übrigen gut 3 Mrd. Euro erwartet Eichel von der Steuersenkung selbst - er hofft auf entsprechende Mehreinkünfte durch die "Repatriierung" von Unternehmenssteuern. Er rechnet vor, dass international tätige Unternehmen, die Gewinne bisher über Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern am deutschen Fiskus vorbei versteuert haben, diesen Umweg nicht mehr gehen müssten und Gewinne von mehr als 10 Mrd. Euro aufgrund der verbesserten Bedingungen wieder in Deutschland versteuern würden.

Sämtliche Steuerexperten bestätigen allerdings, dass dies zumindest zur Hälfte eine Luftbuchung sei, und legen damit den eigentlichen Sinn der geplanten Steuersenkung offen: die Großkonzerne sollen entlastet und noch weniger als bisher an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beteiligt werden.

Die gegenwärtig diskutierten Vorschläge zur Steuerreform sind nicht neu, sie liegen schon seit langem in den Schubladen. Sie sind eine Reaktion auf den wachsenden internationalen Wettbewerb um Investitionen, der nicht nur mit billigen Löhnen, sondern auch durch die gegenseitige Unterbietung von Steuer- und Sozialabgaben geführt wird.

Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise von 1981/82 haben die Regierungen, beginnend in den USA und Großbritannien, alles unternommen, um die Marktbedingungen für die Unternehmen auf diese Weise zu verbessern. Deutschland konnte sich dank seiner starken Position in der Maschinenbau- und Anlagenbauindustrie, die in den 80er Jahren einen außerordentlichen Aufschwung erlebte, diesem Druck relativ lange entziehen. Drastische Rationalisierungen und die Entwicklung und Einführung neuester und hochwertigster Technologien gaben weiteren Spielraum.

In den 90er Jahren sind diese Vorteile immer weiter abgeschmolzen. Der Einbruch im deutschen Wirtschaftswachstum, die anhaltend steigende Arbeitslosigkeit und die wachsende Verschuldung der öffentlichen Hauhalte - vor allem seit dem Ende der New Economy ab 2000 - haben in der deutschen Bourgeoisie eine intensive Diskussion ausgelöst, alles, was die Gewinne schmälert, in beschleunigtem Tempo abzubauen.

Die Senkung der Unternehmenssteuern wird dabei als eines der vorrangigen Ziele angesehen. Im europäischen Vergleich sehen sich die deutschen Unternehmen inzwischen auf dem letzten Platz. Im Jahr 2004 wurden auf deutsche Unternehmensgewinne 36 Prozent Steuern erhoben, während es in Frankreich knapp 35, in den Niederlanden 32, in Schweden 23 und in Irland 13 Prozent waren. Die neuen EU-Mitgliedsstaaten liegen durchschnittlich um 16 Prozent unter dem Durchschnitt Westeuropas. In allen Ländern sind weitere Senkungen geplant.

Überall in Europa werden die Steuern von den Unternehmen weg hin zu den Verbrauchern und den Lohnabhängigen verlagert - die Arbeiterklasse muss also die öffentlichen Ausgaben über höhere Mehrwert- und Einkommenssteuern weitgehend alleine finanzieren.

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