Terroranschläge in Jordanien: Ein Nebenprodukt der US-Aggression

Die Selbstmordanschläge am 9. November gegen drei große Hotels im jordanischen Amman waren wahllose, reaktionäre Angriffe auf unschuldige Zivilisten, für die es keine Rechtfertigung gibt.

Die Verantwortung für die Gräueltaten übernahm die al-Qaida Organisation im Irak, die vermutlich auch hinter vielen der Selbstmordattentate und religiös motivierten Angriffe im Irak selbst steckt und angeblich von dem jordanischen islamischen Extremisten Abu Mussab al-Sarkawi geführt wird. Als Begründung für die Anschläge gab sie an, dass die Hotels von westlichen und israelischen Geheimagenten besucht würden.

Im Hotel Radisson waren die meisten Opfer Jordanier, die an einer Hochzeitsfeier teilnahmen. Auch im Hyatt und im Days Inn waren die Opfer überwiegend Einheimische. Von den 54 Todesopfern waren 38 Jordanier, viele von ihnen palästinensische Flüchtlinge, von denen eine große Gruppe in Jordanien lebt. Unter den ausländischen Opfern befinden sich vier Vertreter der Botschaft der Palästinensischen Autonomiebehörde, ebenso wie vier Iraker, drei Chinesen, ein israelischer Araber, ein Libanese, ein Bürger von Katar und zwei Amerikaner nahöstlicher Abstammung.

Die Bombenattentate haben nur eines erreicht, sie haben die Sympathie der jordanischen Bevölkerung für den Kampf der irakischen Massen gegen die US-Besatzung unterhöhlt. Zornige Demonstranten riefen Ende vergangener Woche in Amman: "Al-Sarkawi soll in der Hölle schmoren." Die jordanische Monarchie hat die Gelegenheit benutzt, Hunderte islamisch-fundamentalistische Gegner des US-freundlichen Regimes im Rahmen der Untersuchung der Bombenanschläge zu verhaften. Ein hoher jordanischer Polizeioffizier gab gegenüber al-Dschasira zu: "Dutzende Personen sind seit den Anschlägen in verschiedenen Teilen des Landes festgenommen worden. Viele sind wahrscheinlich völlig unschuldig." Hunderttausende irakische Flüchtlinge in Jordanien werden jetzt streng überwacht.

Die übelste Art, die Bombenanschläge für eigene Zwecke auszunutzen, kam allerdings am vergangenen Donnerstag von US-Präsident George Bush. Der Oberbefehlshaber einer Armee, die sowohl in Afghanistan, wie im Irak Hochzeitsgesellschaften beschossen und bombardiert hat, verleumdete den irakischen Widerstand als einen Feind, "der bereit ist, eine Hochzeitsfeier zu bombardieren".

Auch wenn die Anschläge und die Art und Weise, wie sie ausgeführt wurden, den völlig bankrotten Charakter des Terrorismus und von al-Qaida unterstreichen, sind sie nur eine weitere Katastrophe, für die letztlich die Bush-Regierung und ihre illegale Invasion und Besetzung des Irak die Verantwortung tragen.

Die Attentäter waren alle Iraker aus der westlichen Provinz Anbar, wo Tausende Menschen von amerikanischen Soldaten getötet, verstümmelt oder eingekerkert worden sind. Über die Motive der Attentäter weiß man nicht viel. Klar scheint allerdings, dass Zorn und Trauer über die Verbrechen der amerikanischen Truppen in Falludscha im November 2004 Hauptgründe sind, warum sie sich al-Qaida angeschlossen haben.

Sajida Mubarak Atrous al-Rishawi, eine 35-jährige Frau aus Falludscha, versuchte sich zusammen mit ihrem Mann Ali Hussein Ali Shammari im Hotel Radisson in die Luft zu sprengen. Ihre Bombe war im Gegensatz zu der ihres Mannes nicht detoniert, und so befindet sie sich jetzt im Gewahrsam der jordanischen Polizei.

Die US-Invasion im Irak hat ihr Leben und ihre Familie zerstört. Ihr Bruder, ein Führer einer fundamentalistischen Widerstandsgruppe, die angeblich in Verbindung mit Abu Mussab al-Sarkawi steht, wurde letztes Jahr bei einem der zahllosen Luftschläge gegen Falludscha getötet, die der Bodenoffensive vorausgingen. Ihre familiären Beziehungen zu der Organisation machten ihren Mann zu einem Top-Ziel für die Verhaftung durch amerikanische Truppen oder die pro-amerikanische irakische Regierung. Sie hatten sich fast dauernd auf der Flucht befunden, bevor sie am 2. November mit gefälschten Pässen nach Jordanien einreisten.

Ein weiterer Attentäter, der 23-jährige Safaa Mohammed Ali, war während der Kämpfe verwundet worden. Er wurde von US-Truppen in der gleichen Moschee festgenommen, in der auch ein Marinesoldat gefilmt worden war, wie er gerade einen wehrlosen und schwer verletzten Gefangenen exekutierte. Safaa Mohammed Ali wurde zwei Wochen lang festgehalten. Nach allem, was man über das Vorgehen des amerikanischen Militärs weiß, muss man davon ausgehen, dass er wahrscheinlich intensiv verhört und gefoltert wurde.

Über den vierten Attentäter, den 23-jährigen Rawad Jassem Mohammed Abed, weiß man nur wenig. Es ist aber bekannt, dass auch er aus Falludscha stammt.

Die Bereitschaft dieser vier Iraker, ihr Leben für einen sinnlosen Angriff auf jordanische Hotels zu opfern, kann nur als Ergebnis von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Wut verstanden werden. Die psychologische Wirkung des Kriegs und der Besatzung auf die irakische Bevölkerung ist enorm.

Wie alle anderen Bewohner von Falludscha wurden auch die Bombenattentäter von Jordanien Zeuge des grausamen Todes von Männern, Frauen und Kindern, von Dutzenden Freunden und von der Zerstörung des größten Teils der Stadt. Das amerikanische Militär hat in Falludscha nicht nur Gefangene ermordet. Weitere Kriegsverbrechen waren der Einsatz von Scharfschützen gegen Zivilisten, der Beschuss von Ambulanzen, die Bombardierung von Moscheen und der Einsatz von weißem Phosphor, um Wohngebiete in Brand zu setzen. Der irakische Journalist Fadil al-Badrani berichtete damals: "Jede Minute explodieren Hunderte Bomben und Granaten... Der Norden der Stadt steht in Flammen. Ich sehe Feuer und Rauch. Falludscha wird zur Hölle..."

In den folgenden zwölf Monaten wurden auch Städte wie Tal Afar, Qaim, Haditha und Husaybah Opfer ähnlicher Angriffe. Es gibt zwar keine genauen Zahlen, aber eine realistische Schätzung besagt, dass mehr als 100.000 Iraker seit der Invasion im März 2003 getötet wurden, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Neben der ständigen Furcht, getötet oder verwundet zu werden, leben Millionen Iraker unter katastrophalen Bedingungen. Ohne Arbeitsplätze, Elektrizität, funktionierende Abwasserentsorgung oder sauberes Trinkwasser kämpfen die Menschen ums Überleben. Die Lebensmittelrationen, die das alte Regime bereitstellte, werden nicht mehr regelmäßig ausgegeben. Grundnahrungsmittel wie Mehl, Reis, Zucker und Tee erreichen Millionen Familien oft nicht, die buchstäblich von den Rationen abhängig sind, um nicht hungern zu müssen.

Ein Standardthema in der Propaganda des Weißen Hauses in den letzten Jahren war der Vorwurf, dass Syrien "ausländischen" Extremisten erlaube, nach Irak einzusickern und Selbstmordanschläge und andere Angriffe durchzuführen. Aber in Wirklichkeit treiben die US-Besatzung und die Massaker des amerikanischen Militärs al-Qaida mit ihrem Versprechen eines "Märtyrertods" ausreichend Rekruten in die Arme. Der "Märtyrertod" ist für viele eine Flucht aus den unerträglichen Lebensbedingungen und ein Weg, gegen den ausländischen Unterdrücker zurückzuschlagen. Die Zahl der Selbstmordanschläge hat im Land wirklich erschütternde Ausmaße angenommen. Es sind inzwischen manchmal mehr als sechzig Anschläge in einem Monat. Einige werden durchaus von Fundamentalisten aus dem ganzen Nahen Osten begangen, aber amerikanische Quellen äußerten im September gegenüber der Los Angeles Times, dass "mehr als die Hälfte" der Kräfte von al-Qaida inzwischen aus dem Irak stammen.

2002 und 2003 belog die Bush-Regierung das amerikanische Volk und die Welt mit der Behauptung, Saddam Hussein habe Verbindungen zu al-Qaida und zu den Terroranschlägen von New York und Washington. Dem amerikanischen Volk wurde weisgemacht, die Invasion im Irak verringere die Gefahr zukünftiger Terroranschläge. Diese Lüge war für die Rechtfertigung des Kriegs von derart zentraler Bedeutung, dass die Stützpunkte der amerikanischen Truppen in Kuwait, deren Leben bei der Invasion aufs Spiel gesetzt wurde, nach den US-Bundesstaaten benannt wurden, die am 11. September getroffen worden waren.

In Wahrheit hatte der Irak nichts mit dem 11. September zu tun und al-Qaida keinerlei Präsenz im Irak. Das wirkliche Motiv für die Invasion bestand darin, Kontrolle über das irakische Öl zu erlangen und ein amerikanisches Marionettenregime im Herzen des Nahen Ostens zu errichten.

Durch ihr Vorgehen hat die Bush-Regierung den Irak selbst in das größte Rekrutierungsfeld für al-Qaida verwandelt. Vor März 2003 hatten Leute wie al-Sarkawi keinerlei Unterstützung im Irak. Alles, was man von ihm wusste, war, dass er von 1996 bis 1999 in Jordanien im Gefängnis gesessen hatte, dann im Rahmen einer Amnestie entlassen und praktisch nach Afghanistan deportiert wurde. Nach der amerikanischen Invasion Afghanistans soll er sich in abseits gelegene Dörfer in der Grenzregion zwischen Iran und Irak durchgeschlagen haben, wo die irakische Regierung keine Kontrolle hatte. Er hatte keine Organisation und keine Mittel, um Terroranschläge zu organisieren.

Es wird vermutet, dass al-Qaida heute im Irak mehrere tausend Anhänger hat. Die Anschläge in Amman waren die ersten Selbstmordattentate von Irakern im Ausland, aber es werden wohl kaum die letzten gewesen sein. Mustafa Alani, Analyst beim Gulf Research Center, bemerkte gegenüber Associated Press: "Der Irak zieht inzwischen nicht mehr den Terrorismus an,... er exportiert inzwischen Terroristen."

Verantwortlich dafür ist Washington.

Siehe auch:
Weitere US-Luftangriffe auf Falludscha
(2. Oktober 2004)
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