Knapper Sieg von Rajapakse bei Präsidentschaftswahl in Sri Lanka

Premerminister Mahinda Rajapakse, der Kandidat der Sri Lanka Freedom Party (SLFP), ist aus den srilankischen Präsidentschaftswahlen vom 17. November als knapper Sieger hervorgegangen. Rajapakse erhielt 4.880.950 oder nur 50,29 Prozent aller abgegebenen Stimmen, während sein Hauptrivale, Ranil Wickremesinghe von der United National Party (UNP), mit 4.694.623 Stimmen auf 48,4 Prozent kam. Innerhalb der nächsten vierzehn Tage wird der neue Präsident vereidigt werden.

Weil Rajapakse die verfassungsmäßig erforderlichen fünfzig Prozent ganz knapp erreicht hat, vermeidet er eine zweite Runde. In einer stark polarisierten Wahl hat er die knappste Mehrheit bei den letzten vier Präsidentschaftswahlen seit 1982 erreicht. Rajapakse, der ein Wahlbündnis mit der singhalesisch-chauvinistischen Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) und mit der Jathika Hela Urumaya (JHU) eingegangen war, erhielt die meisten seiner Stimmen aus dem überwiegend singhalesischen Süden der Insel. Wickremesinghe schnitt in den singhalesisch-, tamilisch- und muslimisch-gemischten Bezirken von Colombo, im zentralen Hügelland und dem Osten besser ab.

Für die herrschende Klasse hat diese Wahl kein Problem gelöst. Rajapakses hauchdünner Sieg bedeutet, dass die nächste Regierung genau so instabil wie die letzte sein wird und über kein wirkliches Mandat der Bevölkerung verfügt. Der neue Präsident erbt von seiner Vorgängerin, Chandrika Kumaratunga, eine politische Krise. Unter ihrer Präsidentschaft kam es seit 1999 zu fünf Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Während er die mächtige Präsidialregierung kontrolliert, wird die regierende Koalition, die von seiner SLFP geführt wird, im Parlament nach wie vor keine Mehrheit haben. Neue Konflikte zwischen den zwei Flügeln der Regierung werden ausbrechen, und der neue Präsident könnte gezwungen sein, auf der Suche nach einem Ausweg aus der politischen Sackgasse parlamentarische Neuwahlen auszurufen.

Hauptursache der Krise ist die Unfähigkeit beider großer Parteien, den Bürgerkrieg zu beenden, der das Land seit zwanzig Jahren erschüttert. Trotz seiner falschen Versprechungen, ein "Mann des Friedens" zu sein, hat das Wahlbündnis von Rajapakse mit der JVP und der JHU die Weichen in Richtung eines Wiederauflebens des Kriegs gestellt. Die zwei Parteien extremer singhalesischer Nationalisten fordern ein Ende des gemeinsamen Vorgehens bei der Verteilung der Tsunami-Hilfe, bei der die Regierung mit der LTTE (Befreiungstiger von Tamil Eelam) zusammenarbeitet, und eine radikale Neufassung der aktuellen Waffenstillstandsbedingungen. Weil Rajapakse diesen faktischen Ultimaten bereits zugestimmt hat, ist sein Versprechen, er werde direkt mit der LTTE verhandeln, wenig wert.

Rajapakse steht jetzt bei der JVP in tiefer politischer Schuld. Die Organisation hat eine prominente Rolle in seinem Wahlkampf gespielt und JVP-Führer Wimal Weerawansa fungierte als sein oberster politischer Berater. Mehrere JVP-Politiker nahmen an seinen Auftritten teil und JVP-Mitglieder übernahmen im Wahlkampf die Basisarbeit. Ohne Zweifel wird die JVP jetzt einen hohen Preis für ihre Unterstützung einfordern und hohe Ministerposten beanspruchen - eine Entwicklung, die die scharfen Differenzen innerhalb der über den Pakt mit der JVP zerstrittenen SLFP noch vertiefen wird.

Die Besetzung von Schlüsselpositionen der Regierung mit JVP-Politikern wird darüber hinaus die politische Krise verschärfen, die das gesamte politische Establishment erschüttert. Als Teil der Regierung wird die JVP gezwungen sein, das Wirtschaftsprogramm des IWF und der Weltbank durchzusetzen, was ihr die eigene Basis unter den armen Bauern weiter entfremden wird. Um von ihrer Praxis abzulenken, wird die Partei die demagogischen Angriffe gegen die LTTE verschärfen und dadurch ethnische und religiöse Spannungen und die Kriegsgefahr erhöhen.

Es gibt jetzt schon bedrohliche Anzeichen, dass die LTTE einen Friedensvertrag mit Colombo heute schon als ein Ding der Unmöglichkeit ansieht. Während sie öffentlich erklärte, dass die Tamilen im Norden und Osten der Insel an der Wahl teilnehmen könnten, ernannte die LTTE-Führung den 17. November zum "Tag der Trauer". Sie stellte selbst keinen Kandidaten auf und sorgte durch Einschüchterung und Drohungen dafür, dass in der ganzen Gegend ein inoffizieller Boykott aufrechterhalten wurde.

Im Norden wurde der Boykott durchweg befolgt. Im Bezirk Jaffna gingen im Gegensatz zur allgemeinen Wahlbeteiligung von 75 Prozent nur 1,2 Prozent der registrierten Wähler zur Urne. In weiteren nördlichen Bezirken waren die Zahlen ebenfalls niedrig, zum Beispiel betrug die Beteiligung im LTTE-kontrollierten Bezirk Wanni nur 34,4 Prozent. In den Ostbezirken, wo die LTTE mit einem rivalisierenden Ableger erbittert um die Kontrolle kämpft, lag die Beteiligung generell unter fünfzig Prozent.

Früher hatte die LTTE zu einer Stimmabgabe für Wickremesinghe geneigt, der sich als stärkster Befürworter des "Friedensprozesses" darstellte. Die LTTE-Führer sahen in diesem Prozess die beste Möglichkeit, ihr Ziel zu verfolgen, sich als neue kapitalistische Regierung im Norden zu etablieren. Aber weil sie seit dem Stillstand der Friedensgespräche vor zwei Jahren in Ungewissheit gehalten wurden, und wegen der wachsenden Feindschaft der tamilischen Massen gegenüber ihren anti-demokratischen Methoden, hat die LTTE ihre nationalistische Rhetorik gegen alle "singhalesischen Politiker" wieder hochgefahren. Ein weiterer Grund ist die wachsende Enttäuschung der tamilischen Bevölkerung darüber, dass sich der Lebensstandard im Norden und Osten nicht verbessert hat. Ihre Haltung in dieser Wahl ist ein weiteres Anzeichen für ein neues Abgleiten in den militärischen Konflikt.

Wickremesinghe droht, Neuwahlen für den Norden und Osten zu fordern, aber seine Niederlage gegen Rajapakse ist das direkte Ergebnis seines wirtschaftsfreundlichen Programms. Hinter seinem Engagement für den "Friedensprozess" stehen die Forderungen der Wirtschaftsführer und der Großmächte nach einem Ende des Krieges und der Öffnung des Landes für Auslandsinvestitionen. In seiner Zeit als Ministerpräsident von 2001 bis 2004 begann Wickremesinghe ein weit reichendes Programm der ökonomischen Umstrukturierung und Privatisierung in die Tat umzusetzen, das bei den Arbeitern in allen Teilen des Landes auf breite Ablehnung und Opposition traf.

Obwohl auch die SLFP die Forderungen von IWF und Weltbank erfüllt hat, versuchte Rajapakse die Bilanz der UNP für sich auszunutzen und stellte sich als "einfachen Mann" aus dem Dorf hin, der mit dem Los der Menschen sympathisiere. Wickremesinghe wird immer noch als Initiator der Wirtschaftsreformen gesehen, der Arbeitsplätze, Kunstdüngersubventionen und Sozialleistungen zusammengestrichen und die Privatisierungen in Gang gesetzt hat. Beide Kandidaten machten ellenlange Wahlversprechen, von denen beide wussten, dass sie sie nicht erfüllen konnten. Nur wenige Menschen glaubten ihnen.

Die Finanzkreise reagierten scharf auf den Rückgang von Wickremesinghes Umfrageergebnissen. Für den Absturz der Börse in Sri Lanka am Montag um 39.95 Punkte machte der Daily Mirror das "Kopf an Kopf Rennen" zwischen Rajapakse und dem "marktfreundlicheren" Wickremesinghe verantwortlich. Am Mittwoch stieg die Börse auf ein Rekordhoch, als Gerüchte aufkamen, die LTTE habe ihren Boykott aufgehoben, weil das Wickremesinghes Chancen erhöht hätte. Als am Wahltag die niedrige Wahlbeteiligung im Norden bekannt wurde, die "die Hoffnungen des wirtschaftsfreundlichen Wickremesinghe zunichte machten", fiel der Index um 51.4 Punkte auf 2.500.

Viele Wähler waren von beiden Parteien abgestoßen und wollten auch von deren Verbündeten, der JVP, der JHU und den kleineren bürgerlichen Parteien, nichts wissen. Obwohl sich im Wahlkampf eine starke Polarisierung zeigte und Gesichtspunkte der Zugehörigkeit zu Volksgruppe und Religion eine große Rolle spielten, zogen es viele Menschen vor, eine Proteststimme für eine der zwei "linken" Parteien abzugeben - für die Vereinigte Sozialistische Partei (United Socialist Party, USP) oder die Neue Linksfront (New Left Front, NLF). Beide Parteien bezeichnen sich als Sozialisten und Gegner der SLFP und der UNP, aber ihre Grundlage ist Nationalismus, und sie haben mit dem srilankischen Staat und dem offiziellen politischen Establishment ihren Frieden geschlossen. Der USP-Kandidat Sititunga Jayasuriya erhielt 35.319 Stimmen, und die NLF, eine Frontorganisation der Nava Sama Samaja Party (NSSP), bekam 9.286 Stimmen.

Wije Dias, Kandidat der Socialist Equality Party (SEP), erhielt 3.500 Stimmen, die eine bewusste Entscheidung für eine wirklich sozialistische und internationalistische Alternative nicht nur zu den zwei großen Parteien, sondern auch zu den "linken" Kandidaten und den verschiedenen Stellvertretern von UNP oder SLFP darstellten. Die Stimmen für die SEP kamen aus dem ganzen Land, auch aus mancher Region, wo sie nicht in der Lage war, direkt Wahlkampf zu führen.

In ihrer ganzen Kampagne erklärte die SEP, dass die politische Krise in Sri Lanka und die Probleme, mit der die Arbeiterklasse konfrontiert ist, keine isolierte Erscheinung sei. Sie habe ihre Wurzeln vielmehr in der Krise des globalen Kapitalismus, die am schärfsten im Ausbruch des US-Imperialismus zum Ausdruck käme. Im Gegensatz zur USP und der NLF betonte die SEP, dass es keine nationale Lösung für Krieg und wachsende soziale Ungleichheit gebe. Dias nutzte seine Kampagne, um in der arbeitenden Bevölkerung von Sri Lanka und der ganzen Region eine Diskussion über die notwendige Gegenoffensive der internationalen Arbeiterklasse gegen den US-Militarismus und die Raubzüge des globalen Kapitals in Gang zu setzen.

Nach den Wahlen werden die drohende Kriegsgefahr und die Angriffe auf den Lebensstandard nur noch zunehmen. Die SEP ruft all jene, die für Wije Dias gestimmt haben, dazu auf, die World Socialist Web Site regelmäßig zu lesen, das Programm und die Perspektiven der SEP und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale sorgfältig zu studieren und ihr als Mitglied beizutreten.

Siehe auch:
Unterstützt die Socialist Equality Party bei den Präsidentschaftswahlen 2005 in Sri (Wahlerklärung der srilankischen SEP)
(1. November 2005)
SEP diskutiert mit "radikalen Linken"
( 16. November 2005)
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