Eine sozialistische Antwort auf die starken Benzinpreiserhöhungen

Die enorme Erhöhung der Benzinpreise stellt eine starke Belastung für arbeitende Familien in den Vereinigten Staaten dar, deren Einkommen ohnehin durch hohe Kosten im Gesundheits- und Bildungswesen, durch steigende Mieten und Lebensmittelpreise aufgefressen werden. Allein in der vergangenen Woche stiegen die Preise an der Zapfsäule um beinahe 25 Prozent - auf einen Durchschnittspreis von 2,91 US-Dollar pro Gallone (3,8 Liter) - wobei die Preise in Kalifornien, New York und anderen Bundesstaaten die Marke von 3,10 Dollar überschritten.

Bei Umfragen geben rund 70 Prozent der erwachsenen US-Bürger an, dass die Benzinpreise - die seit vergangenem Jahr um 31 Prozent gestiegen sind - eine starke finanzielle Bürde für sie sind. In Amerika müssen zig Millionen Menschen täglich weite Strecken zum Arbeitsplatz zurücklegen, schwer getroffen sind zudem ältere Menschen mit Festeinkommen, die Landbevölkerung sowie Kleinunternehmer. Die Krise könnte auch zu Massenentlassungen bei den Luftfahrtgesellschaften und Transportunternehmen wie auch in anderen Wirtschaftssektoren führen.

In dieser Krise zeigt sich der grundlegende Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den gesellschaftlichen Beziehungen des kapitalistischen Profitsystems. Dieser Widerspruch findet seinen krassesten Ausdruck in der Beibehaltung einer Wirtschaft, die auf dem Erdöl als wichtigste Energiequelle basiert und von Tag zu Tag weniger mit den menschlichen Bedürfnissen und dem Leben überhaupt zu vereinbaren ist.

US-Präsident Bush hat gewarnt, die Amerikaner sollten sich auf einen "harten Sommer" einstellen, und eine angebliche "Lieferknappheit" für den Preisanstieg verantwortlich gemacht, der in den kommenden Monaten noch die Marke von 4 Dollar pro Gallone erreichen könne. Zudem reagierte er am Dienstag auf die wachsende Unzufriedenheit, indem er eine Reihe von überwiegend bedeutungslosen Maßnahmen ankündigte. Die vorgeschlagenen Schritte - Aufhebung von Umweltschutzvorschriften für Ölraffinerien, keine weiteren Zukäufe für die staatlichen Energiereserven und längere Zeiten für die Ölkonzerne, um ihre Rohölabnahmen aus diesen Reserven zu erstatten - werden kaum bis gar nicht dazu beitragen, dass die Preise fallen. Sie werden vielmehr dem Profitstreben der Energiekonglomerate weiter entgegenkommen.

Der Vorsitzende der Mehrheitsfraktion im Senat Bill Frist erklärte, es gebe keine "Wunderwaffe", um die Preise zu drücken, und empfahl den Amerikanern, ihre Autos nachzurüsten und langsamer zu fahren, um den Verbrauch zu senken. Für Arbeiter, deren Reallöhne durch die Kosten des langen täglichen Pendelns massiv schrumpfen, laufen Frists Bemerkungen zum Thema auf den Rat hinaus, Kuchen zu essen, wenn kein Brot da ist.

Zwar machen die Ölkonzerne und ihre Fürsprecher in Washington die Rohölpreise auf dem Weltmarkt und Umweltschutzbestimmungen für die Preissteigerungen verantwortlich, doch der Hauptgrund liegt in der Profitgier der Ölkonzerne, die derzeit Rekordgewinne verbuchen. Im vergangenen Jahrzehnt gab es eine Welle von Fusionen und Zusammenschlüssen in der Ölindustrie, wodurch eine Handvoll Monopole ihren Zugriff auf die Lieferungen verstärken, die Produktionsmengen manipulieren und die Preise hochtreiben konnte. Die jetzige Krise ist nicht das Ergebnis eines natürlichen Wirkens von Marktkräften, sondern den Entscheidungen von Vorstandschefs geschuldet, die in dieser Frage starke persönliche Interessen vertreten.

In den 1990er Jahren klagten die Benzinhersteller über zu große Raffineriekapazitäten und über ein "Überangebot" an Kraftstoff, das den Profit drücken würde. Die Industrie reagierte darauf, indem sie seit 1995 allein in den Vereinigten Staaten 25 Raffinerien stilllegte und die Kapazitäten um 830.000 Barrel pro Tag verringerte. Zudem sprachen sich die Konkurrenten ab, um die Öl- und Benzinmenge auf dem Markt unter Kontrolle zu halten, unabhängige Hersteller zu eliminieren und den Ölmonopolen die Kontrolle über Liefermengen wie Preise zu sichern.

Im Jahre 2005 wuchsen die Profite der fünf größten Ölkonzerne - ExxonMobil, BP, Royal Dutch Shell, Chevron und ConocoPhillips - auf mehr als 111 Milliarden Dollar. Die weltweite Nummer Eins im Ölgeschäft, ExxonMobil, fuhr einen Gewinn von 36,1 Milliarden ein - den höchsten Profit in der Wirtschaftsgeschichte der Vereinigten Staaten und mehr als die addierten Erträge der nächsten vier Großkonzerne auf der Liste der gewinnträchtigsten Unternehmen "Fortune 500". Die Firmeneinnahmen in Höhe von 339 Milliarden Dollar übertreffen das Bruttosozialprodukt von Taiwan, Norwegen und Argentinien.

Während Millionen normaler Menschen an den Zapfsäulen ausgepresst werden, haben die Chefetage und die Investoren von ExxonMobil Hunderte Millionen an Abfindungen und steigenden Aktienwerten abgegriffen. Lee R. Raymond, der im Dezember in Pension ging, erhielt in seinem letzten Jahr im Unternehmen mehr als 400 Millionen Dollar. Zwischen 1993 und 2005 bekam Raymond mehr als 686 Millionen, umgerechnet 144.573 Dollar für jeden Tag, den er bei dem Konzern mit Sitz in Texas verbrachte. In dieser Zeit leitete Raymond die Übernahme von Mobil für eine Summe von 81 Milliarden Dollar ein - wodurch ExxonMobil in die Lage versetzt wurde, etwa doppelt so viel Öl zu produzieren wie das Land Kuwait - und sorgte für den Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen.

Raymonds Nachfolger Rex Tillerson erhielt im vergangenen Jahr eine Gehaltserhöhung von 33 Prozent und kommt nun auf ein Jahreseinkommen von 13 Millionen Dollar. Die fünf Spitzenmanager von ExxonMobil zusammen erhielten im Jahr 2005 Vergütungen in Höhe von 130 Millionen Dollar, besitzen Aktien des Konzerns in Höhe von mehr als 280 Millionen Dollar und verfügen über Aktienoptionen im Wert von 113 Millionen Dollar. Die Ölbosse der anderen Konzerne haben sich auf ähnliche Weise bedient, nachdem sich die Preise in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt haben.

Diese Konzerne und Einzelpersonen haben sich enorm bereichert, indem sie die derzeitige Krise anheizten und ausnutzten. Keiner unter ihnen hat das geringste Interesse daran, die gewaltige gesellschaftliche Anstrengung zu unternehmen, die nötig ist, um nicht nur den derzeitigen Bedarf zu decken sondern vor allem auch alternative, sichere und nachhaltige Energiequellen zu erschließen.

Es ist nicht zu bestreiten, dass die jetzige Abhängigkeit vom Öl langfristig nicht aufrecht zu erhalten ist und tödliche Gefahren mit sich bringt. Die weltweiten Rohölreserven sind begrenzt und werden noch schneller aufgebraucht sein, wenn Schritte zur Vergrößerung der Produktionsmenge getroffen werden. Gleichzeitig ist der Verbrauch dieser fossilen Energiequellen die wichtigste Ursache für die globale Erwärmung, die - auch wenn die Bush-Regierung dies leugnet und wissenschaftliche Erkenntnisse unterdrückt - die Erde unbewohnbar zu machen droht.

Darüber hinaus hat das Bemühen, diese begrenzten Reserven zu kontrollieren, zu einer katastrophalen Zunahme des Militarismus geführt. Es ist die wichtigste Ursache des verbrecherischen amerikanischen Kriegs gegen den Irak, der Hunderttausenden Irakern und mehr als 2.500 US-Soldaten das Leben gekostet hat. Dasselbe Motiv steht hinter den Vorbereitungen für einen Krieg gegen den Iran und den Plänen für eine militärische Konfrontation mit China, dessen expandierende Wirtschaft die Konkurrenz um die globalen Energiereserven verschärft.

Die beste Regierung, die man mit Ölgeldern kaufen kann

Die steigenden Benzinpreise haben Politiker von der Demokratischen und Republikanischen Partei gleichermaßen veranlasst, Untersuchungen zur Preistreiberei zu fordern. Vereinzelt wurden sogar Forderungen nach einer Sondersteuer auf Profite der Ölkonzerne laut. Diese Phrasendrescherei ist jedoch nur zur Beruhigung der Öffentlichkeit gedacht und wird garantiert folgenlos bleiben.

Die großen Ölkonzerne üben schon seit Langem einen enormen Einfluss auf die beiden politischen Parteien in Washington aus, doch heute stellt das Ausmaß ihrer politischen Kontrolle alles in den Schatten, was John D. Rockefeller und seine Firma Standard Oil zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Macht besaßen. Da heute zwei ehemalige texanische Ölmänner im Weißen Haus sitzen und Senatoren wie Kongressabgeordnete beider Parteien über Wahlkampfspenden und Lobbyarbeit mit Hunderten Millionen Dollar geschmiert werden, haben die Großen im Ölgeschäft nichts zu fürchten. Demokratische und republikanische Regierungen haben die Ölkonzerne gleichermaßen mit gewaltigen Subventionen und Steuernachlässen beschenkt, Umweltschutz- und Arbeitssicherheitsvorschriften gelockert und das US-Militär praktisch als Privatarmee abgestellt, um die Ölfelder und Pipelines der Unternehmen auf dem ganzen Globus zu bewachen.

ExxonMobils ehemaliger Vorsitzender Raymond, ein enger Vertrauter der Bush-Regierung, war an der Ausformulierung der Bohrvorschriften im Nationalpark Alaska beteiligt und lehnt jede Maßnahme zur Verringerung der globalen Erwärmung ab. Im Jahre 2001 nahm das Unternehmen eine Schlüsselfunktion in der Energiekommission von US-Vizepräsident Cheney ein. In dieser Kommission wurde unter anderem über die Ölfelder des Iraks diskutiert und über die Gefahr, dass nach dem Ende des UN-Sanktionsregimes die weitgehend unerschlossenen Ölreserven des Landes an die russische, chinesische oder französische Konkurrenz fallen könnten, anstatt den amerikanischen oder britischen Ölkonzernen offen zu stehen.

Im vergangenen März hielt das Rechtskomitee des Senats eine öffentliche Anhörung ab, um angeblich die Preistreiberei der Ölkonzerne zu "untersuchen". Auch damals ließen sich die Demokraten über die "Habgier der Unternehmen" aus und zeigten mit dem Finger auf die Ölbosse, die vorgeladen waren. In seinen Auslassungen spottete der neue Vorsitzende von ExxonMobil, Rex Tillerson, über das hilflosen Getue und frischte die Erinnerung der Senatoren auf: "Ich nehme an, dass Mitglieder dieses Komitees von unserem Erfolg im vergangenen Jahr profitiert haben." Der langjährige Ölmann wusste, wovon er sprach: Unter den wohlhabenden Senatoren des Komitees befand sich auch der Republikaner Jon Kyl aus Arizona, der ein riesiges Aktiendepot des Konzerns besitzt und schon seit Langem die Interessen der Ölindustrie vertritt.

Das Programm der Socialist Equality Party

Derzeit sinkt der Lebensstandard von Hunderten Millionen arbeitender Menschen in den Vereinigten Staaten durch die rasch steigenden Ölpreise. Unter diesen Bedingungen müssen sofortige Maßnahmen getroffen werden, um die Kraftstoffkosten unter Kontrolle zu bringen.

Gleichzeitig darf die weitaus größere Aufgabe, alternative Energiequellen zu erschließen und der wachsenden Gefahr globaler Erwärmung entgegenzutreten, nicht nach hinten verschoben werden.

Weder eine kurzfristige Antwort auf die derzeitige Benzinpreiskrise noch die langfristige Abkehr von einem auf Öl basierten Wirtschaftsleben ist möglich, ohne das kapitalistische Profitsystem und die mächtigen gesellschaftlichen, finanziellen und politischen Interessen hinter dem großen Ölgeschäft direkt anzugreifen.

Die Socialist Equality Party tritt für eine Politik ein, die die gesellschaftlichen Bedürfnisse über die Profitinteressen stellt. Wir fordern eine sofortige Deckelung der Benzinpreise für individuelle Verbraucher sowie kleine und mittelständische Unternehmen bei 1,50 Dollar pro Gallone.

Dem Ausnutzen dieser Krise im Interesse der Konzernprofite und der persönlichen Bereicherung muss ein Ende gesetzt werden. Die Handlungen der Ölriesen müssen objektiv als das betrachtet werden, was sie sind: als kriminelles, gesellschaftsfeindliches Verhalten. Gegen die Praktiken der großen Ölkonzerne muss strafrechtlich ermittelt werden, auch in Hinblick auf die persönlichen Vergütungen sämtlicher Firmenvorstände. Die gewaltigen Gewinne, die von den Ölkonzernen im vergangenen Jahr eingefahren wurden sowie die obszönen Multimillionen-Abfindungen für die Vorsitzenden müssen enteignet und in einen öffentlich kontrollierten Fond überführt werden.

Diese kurzfristigen Maßnahmen sind zu ergänzen durch eine grundlegende Veränderung in der finanziellen Struktur und Organisation der Energieindustrie. Die amerikanische Bevölkerung und die Weltbevölkerung sind derzeit den Profitinteressen gigantischer Energiekonglomerate unterworfen, die den Planeten mit sinkendem Lebensstandard, Umweltzerstörung und Krieg bedrohen. Es ist notwendig, diese Vormachtstellung durch die Verstaatlichung der Energiekonglomerate zu beenden - d.h. ExxonMobil, Chevorn, ConocoPhillip etc. in öffentliches Eigentum und demokratisch kontrollierte Wirtschaftseinheiten zu verwandeln.

Hierdurch würden finanzielle Ressourcen frei werden, um auf internationaler Ebene ein Billionen Dollar umfassendes Projekt zu beginnen, mit dem alternative Energiequellen erschlossen und den Gefahren für die Umwelt und die Zukunft der Menschheit begegnet werden könnte.

Im Gegensatz zur vorsätzlichen "Fixierung" des Marktes durch Preisabsprachen, die der Bereicherung einer reichen Elite dienen, muss die Entwicklung, Erschließung und Verwendung von Energievorräten von einem rationalen internationalen Plan geleitet sein, der von der arbeitenden Bevölkerung öffentlich diskutiert und demokratisch beschlossen wird. Dieser Plan muss die Bedürfnisse der Weltbevölkerung nach billiger, umweltfreundlicher und erneuerbarer Energie erfüllen.

Um sich gewaltige Profite zu sichern, haben die Energiemonopole und die Autoindustrie lange Zeit Hand in Hand gearbeitet und den Aufbau eines vernünftigen öffentlichen Verkehrssystem verhindert, teilweise sogar aktiv an der Zerstörung existierender öffentlicher Transportsysteme gearbeitet. Ein rationaler Plan zum Energieverbrauch muss Milliarden Dollar für den öffentlichen Nahverkehr und Eisenbahnsysteme bereitstellen und ebenso in die Entwicklung von Fahrzeugen mit niedrigem Verbrauch investieren.

Diese Ideen sind nicht utopisch, sondern für die Zukunft der Menschheit absolut unverzichtbar. Sie setzen allerdings voraus, dass die arbeitende Bevölkerung ihre Rechte - auf einen vernünftigen Lebensstandard, sichere Arbeitsplätze, eine saubere Umwelt und eine Zukunft ohne Krieg - über die Profit- und Eigentumsinteressen der herrschenden Elite Amerikas stellt. Um dies zu erreichen, muss die Arbeiterklasse ihr eigenes politisches Instrument schaffen - eine sozialistische Massenpartei - um dem Monopol der beiden wirtschaftshörigen Parteien ebenso ein Ende zu setzen, wie dem ausgedienten und bankrotten kapitalistischen System, das diese verteidigen. Dies ist die Perspektive der Socialist Equality Party und ihrer Kandidaten, die sich 2006 in den Vereinigten Staaten zur Wahl stellen.

Siehe auch:
Socialist Equality Party gibt Kandidaten für New York Michigan und Kalifornien bekannt
(31. März 2006)
Loading