Deutsche Konzerngewinne explodieren

Die im August veröffentlichten Halbjahresbilanzen großer deutscher Dax-Unternehmen sprechen eine deutliche Sprache. Die sprudelnden Gewinne der führenden Konzerne setzen sich auch dieses Jahr unvermindert fort, selbst die hohen Energie- und Rohstoffpreise konnten den Ertragsverbesserungen kaum etwas anhaben.

Die jüngsten Zahlen übertrafen selbst die Erwartungen vieler Aktienanalysten. An den Börsen und in den Vorstandsetagen herrscht Sektlaune, während zur gleichen Zeit die Massenentlassungen unvermindert weitergehen und Hunderttausende Lohneinbußen oder einen sozialen Absturz hinnehmen müssen.

Analysten führen dies nicht nur auf eine verbesserte Weltkonjunktur, sondern in hohem Maße auch auf die in Deutschland stagnierenden Löhne und Gehälter zurück.

So konnte BMW im ersten Halbjahr einen Rekordgewinn von 2,5 Milliarden Euro einfahren. Dies bedeutet eine Steigerung des Vorsteuergewinns um 44,5 Prozent. International zählt BMW damit zu den profitabelsten Autoherstellern.

Der Stahlkonzern ThyssenKrupp hat sogar sein bisher bestes Quartalsergebnis seit seiner Entstehung erzielt. Im 2. Quartal stieg sein Gewinn vor Steuern auf 806 Millionen Euro. Diese satte Steigerung um 39,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal, wird vor allem auf die starke Nachfrage und das hohe Preisniveau auf dem Stahlmarkt zurückgeführt. Der Nettogewinn stieg im selben Vergleichszeitraum um 81 Prozent auf 468 Millionen Euro - ein klarer Hinweis auf drastische Rationalisierungsmaßnahmen. Der vor acht Jahren fusionierte ThyssenKrupp Konzern, hatte zuvor mehrere Tausend Arbeiter entlassen und steigerte jetzt seinen Umsatz um acht Prozent auf 12,1 Milliarden Euro.

Auch die Deutsche Börse konnte im 2. Quartal ihr bisher bestes Ergebnis feiern. Vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen schoss der Gewinn um 67 Prozent in die Höhe. Im gesamten Halbjahr stieg der Gewinn damit um 59 Prozent auf 348 Millionen Euro.

Mit 15,3 Prozent im 2. Quartal, verbuchte der weltgrößte Chemiekonzern BASF ebenfalls einen unerwarteten kräftigen Gewinnanstieg und verbesserte damit sein Ergebnis auf 1,91 Milliarden Euro.

Der größte deutsche Pharmahersteller Boehringer Ingelheim steigerte seinen Umsatz um 17 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro. Im Wesentlichen mit teuren verschreibungspflichtigen Medikamenten. Sein Betriebsergebnis stieg um statte 34 Prozent auf 1 Milliarde Euro.

Es wird erwartet, dass die 30 DAX-Unternehmen dieses Jahr Profitsteigerungen von durchschnittlich 20-30 Prozent erzielen werden. Im Jahr 2005 lagen diese Gewinne zwar insgesamt noch höher, nämlich bei 35 Prozent, dennoch konnten einzelne Bereiche - vor allem die stark exportorientierten Unternehmen - außergewöhnlich hohe Gewinnsteigerungen vermelden.

Zu verdanken haben die Konzerne diese Gewinnorgie - oder wie es offiziell heißt: gestiegene "Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands", zu allererst natürlich den Beschäftigten dieser Unternehmen, die diese immensen Werte tagtäglich produzieren. Dass die Gewinne derart üppig ausfallen und auch die Managergehälter deutlich in die Höhe gingen, hat aber einen eindeutig politischen Grund.

Trotz allem Geschrei über die angeblich zu hohen Löhne in Deutschland, erfreut sich die Wirtschaft über seit Jahren stagnierende Löhne. In keinem anderen Land in Europa ist die Steigerungsrate der Lohnkosten so gering. Während für 2006 im Durchschnitt die Löhne und Gehälter in Europa um ca. 3 Prozent ansteigen, werden es in Deutschland magere 0,8 Prozent sein. Seit Anfang der 1990er Jahre haben die Gewerkschaften Jahr für Jahr Reallohnsenkungen vereinbart, unbezahlten Arbeitszeiterhöhungen zugestimmt und generell den Weg frei gemacht für unerträgliche Arbeitsbedingungen - alles im Namen der "Verteidigung des Industriestandortes Deutschland". Seit Jahren predigten sämtliche Gewerkschaften, nur durch Zugeständnisse an die Unternehmer, könne das Schlimmste verhindert werden.

In enger Zusammenarbeit und mit tatkräftiger Unterstützung dieser unterwürfigen Gewerkschaften gingen die Konzerne dazu über, Hunderttausende Arbeitsplätze zu vernichten. Bei Opel, VW, DaimlerChrysler oder Telekom, um nur einige zu nennen, sind diese Massenentlassungen gegenwärtig in vollem Gange, ohne dass die Gewerkschaften dem irgendetwas entgegenzusetzen hätten.

Allianz ist gegenwärtig das beste Beispiel dafür, welch krasse Formen diese Entwicklung angenommen hat. Der Münchner Versicherungskonzern hat seine Gewinnprognose für 2006 von ursprünglich schon 4,9 Milliarden Euro auf 5,5-6,0 Milliarden Euro erhöht. Konzernvorstand Helmut Perlet teilte letzte Woche stolz mit, in der korrigierten Schätzung seien natürlich bereits 900 Millionen Euro an Ausgaben für Abfindungszahlungen einberechnet, die für die 5700 wegfallenden Arbeitsplätze in der Versicherungsparte und die 2500 bei der Commerzbank fällig seien.

Wozu die gewerkschaftliche Unterordnung unter die Profitinteressen der Konzerne geführt hat, lässt sich jetzt schmerzlich besichtigen. Während viele große Unternehmen gigantische Gewinne machen, haben die ständigen Lohnsenkungen weder Arbeitsplätze gesichert, noch haben sie den systemimmanenten Appetit der Konzerne nach noch größerer Profitmaximierung stoppen können, der durch die Globalisierung der Produktion immer neue Dimensionen erreicht.

Doch Wirtschaft und Industrie konnten sich dabei nicht nur auf die reformistischen Gewerkschaften verlassen. Die rot-grüne Bundesregierung ist in den sieben Jahren ihrer Regierungszeit so ziemlich jedem Wunsch der Wirtschaftschaftsverbände nachgekommen. Angefangen von der drastische Absenkung der Unternehmenssteuern, der Schaffung eines Niedriglohnsektors, indem bereits 4,6 Millionen Menschen ihr Dasein fristen, bis hin zu HartzIV. Als die Schröder-Regierung mit ihrer unsozialen Politik auf immer größeren Widerstand in der arbeitenden Bevölkerung stieß, und selbst die Wahlen in NRW verlor, gehorchte sie dem Drängen der Wirtschaftseliten und machte den Weg frei für die Große Koalition

Die Merkel-Regierung setzt diesen Kurs nun verschärft fort. Und wieder ist es die SPD mit Arbeitsminister Müntefering und Finanzminister Steinbrück an ihrer Spitze, die als Hauptakteure auftreten, um weitere Sozialkürzungen voranzutreiben.

Das geplante neue Steuergeschenk für Konzerne in Höhe von 5 Milliarden Euro kann nach einer jüngst veröffentlichten Untersuchung nur noch als finanzpolitisch pervers bezeichnet werden. Das Bundesfinanzministerium selbst hatte eine Untersuchung über die Gewinnverlagerung von Konzernen ins Ausland angeordnet, deren Ergebnis jetzt bekannt wurde. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums bestätigte am Montag in der Grundtendenz einen Bericht der Zeitung Die Welt. Die hatte unter Berufung auf ein internes Papier des Ministeriums von rund 65 Milliarden Euro an Gewinnen berichtete, die von den Firmen in Deutschland erzielt, aber nicht versteuert würden.

Diese völlig legale Verlagerung von Unternehmensgewinnen ist seit Jahren gängige Praxis und wurde von der SPD-Grünen-Regierung stets geduldet. Angesichts des desolaten Haushalts und der breiten Wut, die es in der Bevölkerung gegen die Sparpolitik der Großen Koalition gibt, sieht sich Steinbrück nun bemühsigt kosmetische Korrekturen anzumahnen.

Nach Berechnungen der Commerzbank werden die privaten Haushalte in den nächsten drei Jahren um 40 Milliarden Euro zusätzlich belastet. Eckart Tuchtfeld, leitender Volkswirt der Commerzbank, spricht nicht nur für sich, wenn er dazu erfreut feststellt: "Anders als die privaten Haushalte werden die Unternehmen mit der Großen Koalition im Ganzen gesehen nicht schlecht fahren".

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