Das Gemetzel im Libanon geht in die vierte Woche

Wie weiter im Kampf gegen den Krieg?

Der brutale amerikanisch-israelische Krieg gegen das libanesische Volk geht jetzt in die vierte Woche und es gibt keine Anzeichen für eine Beendigung des Massakers an unschuldigen Zivilisten. Stattdessen dringen die israelischen Bodentruppen unterstützt von Luftschlägen und Artilleriefeuer immer tiefer in den Libanon ein. Die Absicht besteht offensichtlich darin, über ein Gebiet von 30 km bis zum Fluss Litani vorzustoßen und das gesamte Territorium zwischen der israelischen Grenze und dem Fluss zu entvölkern, indem die dort lebenden Menschen entweder vertrieben oder getötet werden.

Israelische Bodentruppen haben inzwischen auch die nahe der syrisch-libanesischen Grenze gelegene Bekaa-Ebene erreicht.

Die Bombardements haben bereits einen Großteil des Südlibanons und Beiruts in einen Trümmerhaufen verwandelt und die Infrastruktur des Landes schwer beschädigt. 700 Menschenleben sind zu beklagen, Tausende wurden verwundet und mehr als eine Dreiviertel Million Menschen sind auf der Flucht. Doch es ist zu befürchten, dass die Schrecken der vergangenen drei Wochen nur ein Vorspiel zu einem bevorstehenden noch größeren Gemetzel waren. Kriegsverbrechen wie das in Kana, das über 60 Menschen - vor allem Kindern - das Leben kostete, könnten sich in den nächsten Wochen in der ganzen Region wiederholen.

Die israelische Regierung hat die so genannte 48-stündige Feuerpause, die sie nach dem Massaker von Kana angekündigt aber ohnehin kaum eingehalten hatte, schon beendet. Am Mittwochmorgen nahm das israelische Militär den umfassenden Luftkrieg gegen den Libanon wieder auf. Israelische Flugzeuge warfen erstmals auch nördlich des Litanis Fugblätter ab, auf denen die Dorfbewohner vor Bombardierungen und Raketenangriffen gewarnt und zur Flucht aufgefordert wurden.

Laut Augenzeugenberichten aus der Stadt Baalbek in der Bekaa-Ebene bombardierten israelische Kampfhubschrauber ein Krankenhaus voller Menschen, die bei vorhergehenden Angriffen verletzt worden waren und sich dort in Behandlung befanden.

Handelsminister Eli Yishai, der dem Sicherheitskabinetts der israelischen Regierung angehört, erklärte im Armeesender, es sei kaum zu befürchten, dass die Vereinten Nationen diese Woche einen Beschluss zu einem Waffenstillstand fassen würden. Er gab zudem bekannt, dass Israel sich ohnehin nicht an einen solchen Beschluss halten würde, falls er unerwartet doch zu Stande käme.

"Israel muss nicht strammstehen und seine Operationen beenden, wenn die Vereinten Nationen einen Waffenstillstandsbeschluss fassen", erklärte Yishai. Er sagte, die israelische Regierung beabsichtige nicht, irgendeine Waffenruhe - "außer zu unseren Bedingungen" - zu akzeptieren. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der USA, als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat jeden Beschluss blockieren zu können, bemerkte er noch, dass "unsere amerikanischen Freunde in einem solchen Fall ihr Veto einlegen werden". Ebenso wie er kündigten auch andere israelische Politiker die Fortsetzung des Angriffskriegs für mindestens einige Wochen an.

Im Krieg gegen den Libanon kann sich das israelische Regime vollständig auf die Rückendeckung seines Schirmherrn in Washington verlassen. Es deutet alles darauf hin, dass die Bush-Regierung Israel nicht nur den Rücken freihält, sondern auch so lange zu einer Ausweitung seiner Offensive drängt, bis das erklärte Ziel erreicht und die libanesisch-schiitische Hisbollah-Bewegung zerschlagen ist.

Noch mehr als vom wüsten militärischen Vorgehen Israels ist die Weltöffentlichkeit schockiert von der schamlosen und uneingeschränkten Unterstützung dieses Krieges durch Washington. Die Vereinigten Staaten decken einen Krieg, in dem auf ein israelisches Opfer 30 tote libanesische Zivilisten kommen und in dem der Libanon als Land um Jahrzehnte zurückgeworfen wird.

Selbst prominente ehemalige Vertreter der Bush-Regierung, wie der frühere stellvertretende US-Außenminister Richard Armitage und der ehemalige Planungschef im US-Außenministerium Richard Haass, haben ihr Missfallen darüber ausgedrückt, dass die Regierung nicht einmal mehr den Schein einer ausgewogenen Diplomatie aufrechterhält.

Immer wieder haben Bush und andere amerikanische Spitzenvertreter erklärt, dass sie eine sofortigen Waffenstillstand im Libanon ablehnen und stattdessen einen "dauerhaften Frieden" wünschen. Dies bedeutet, dass ein Ende der Kampfhandlungen für sie nur dann akzeptabel ist, wenn die USA und Israel ihre Kriegsziele vollständig erreicht haben. Ähnliche "Waffenstillstände" wurden Polen, Frankreich und anderen Ländern in den 1930er und 1940er Jahren vom Dritten Reich aufgezwungen.

Jedem, der seine Augen nicht absichtlich verschließt, ist heute klar, dass die Gefangennahme zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah am 12. Juli nicht die Ursache des gegenwärtigen Kriegs ist, sondern lediglich als Vorwand benutzt wurde, um eine seit langem geplante Aggression zu beginnen. Dieser Krieg wurde auch nicht einfach von der israelischen Regierung beschlossen und als vollendete Tatsache von Amerika abgesegnet. Im Gegenteil: Er stellt eine Ausweitung und Intensivierung der imperialistischen Intervention der USA im Nahen Osten dar, die vor mehr als drei Jahren mit der Invasion im Irak angefangen hat.

Das Ziel dieses Krieges erschöpft sich nicht darin, Israel vor der Hisbollah zu schützen. Vielmehr geht es den Vereinigten Staaten darum, ihre strategischen Ziele in Zentralasien und Nahost zu verfolgen; der so genannte "Krieg gegen den Terrorismus" dient dabei als Rechtfertigung für eine räuberische Politik, die Washingtons Zugriff auf die großen Ölreserven der Region sichern soll. Dies wiederum wird von der amerikanischen Politik als notwendig erachtet, um die unangefochtene weltweite Vorherrschaft des US-Imperialismus durchzusetzen.

Mit ihrer uneingeschränkten Unterstützung für den Krieg im Libanon entledigte sich die Bush-Regierung aller demokratischen und pazifistischen Ambitionen, mit denen in der Vergangenheit die wahren Ziele des US-Imperialismus verschleiert wurden. Krieg und das Abschlachten unschuldiger Zivilisten werden damit zu legitimen Mitteln der Außenpolitik.

All das Gerede von Bush und US-Vizepräsident Cheney über "Präventivkrieg" und "die neuen Kriege des 21. Jahrhunderts" zeigt sich nun in seiner wahren Bedeutung. Der Einmarsch im Irak war nur der Beginn eines weitaus umfassenderen Einsatzes von Gewalt und militärischem Schrecken, um die globalen Interessen der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzelite zu sichern.

Die amerikanische Unterstützung für den israelischen Krieg gegen den Libanon ist bloß ein Schritt auf dem Weg zu weiteren Militäreinsätzen, die einen "Regimewechsel" in Syrien und dem Iran herbeiführen sollen. Washington will keine Regierung an der Macht dulden, die auch nur ein mögliches Hindernis für die globalen Ambitionen der Vereinigten Staaten darstellen könnte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und den schrecklichen Verbrechen, die vom Faschismus und Imperialismus in Europa und Asien begangen wurden, schworen die Weltmächte formal der militärischen Aggression als Mittel zur Durchsetzung nationaler Interessen ab. Die Vereinten Nationen wurden gegründet und in der Präambel der UN-Charta festgeschrieben, die Aufgabe Organisation sei, "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat", und dafür zu sorgen, "dass Waffengewalt nur noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird".

Diese hehren Worte sind heute nichts mehr wert. Krieg ist von der führenden Weltmacht wieder zum akzeptablen Mittel erklärt worden, um politische Ziele zu erreichen. Das Gemetzel an unschuldigen Kindern wird in heuchlerischen Stellungsnahmen gegenüber der Presse gebührend bedauert, in der Praxis jedoch als "Kollateralschaden" abgetan - als unvermeidlicher und akzeptabler Preis, der für die Verwirklichung strategischer Ziele zu zahlen ist.

Die Zeit ist im wahrsten Sinne des Wortes zurückgedreht worden. Missachtung des Völkerrechts, Aggression und Militarismus - alle Methoden, die in den 1930er Jahren und vor dem Zweiten Weltkrieg weltweit vorherrschten - sind mit voller Macht zurückgekehrt.

Es geht hierbei nicht bloß darum, dass Bush, Cheney und eine Clique von "Neokonservativen" eine abweichende und reaktionäre Regierungspolitik in den Vereinigten Staaten durchsetzen. Die Demokraten, die angeblich die Oppositionspartei sind, haben mit ihrer Unterstützung für Israels Krieg versucht, die Regierung noch rechts zu überholen. Politiker wie die New Yorker Senatorin Hillary Clinton erklären ihre bedingungslose Unterstützung für Israels "Recht auf Selbstverteidigung" und befürworten jegliche und sämtliche Handlungen des zionistischen Regimes, selbst wenn dabei Frauen und Kinder abgeschlachtet werden.

Im politischen Establishment der Vereinigten Staaten existiert keine Opposition, die diesen Namen verdient. Die Medien unterstützen beinahe einhellig den Krieg und seine Fortsetzung. Das Wall Street Journal, das die Ansichten des amerikanischen Finanzkapitals und der Bush-Regierung wiedergibt, erklärte am Dienstag: "Während [US-Außenministerin] Rice diplomatische Optionen prüft, hoffen wir, Mr. Bush möge im Privatem [dem israelischen Ministerpräsidenten] Olmert mitteilen, dass Israel das zu Ende führen muss, was gegen die Hisbollah begonnen wurde - auch um den Preis einer Bodenoffensive im Südlibanon, wenn sich dies als notwendig erweist." Weiter heißt es in dem Artikel nur noch, Israel müsse "den Willen sich durchzusetzen so schnell wie militärisch möglich" unter Beweis stellen.

Die Washington Post beklagte nur wenige Tage nach dem Massaker in Kana die "vorhersehbare Konzentration der Medien weltweit auf die israelischen Fehler und Exzesse" und drängte auf eine Fortsetzung des Krieges bis zum Sieg. "Die Kunst besteht darin, zu bestimmen, wie viel vom anhaltenden Militäreinsatz Israels zu erledigen ist und wie viel von der internationalen Truppe, die von den Vereinten Nationen im Libanon eingesetzt werden soll", schreibt die Post in ihrem Leitartikel.

Dann heißt es zu den größeren Zielen im Libanon-Krieg: "In den kommenden Wochen müssen sowohl die iranische als auch die syrische Regierung eine deutliche Botschaft zu hören bekommen: Eine Entscheidung, an der Stabilisierung des Nahen Ostens vom Irak bis zum Libanon und Gazastreifen mitzuwirken, wird ihre derzeitige Isolation verringern. Doch Versuche, Massenvernichtungswaffen zu erlangen oder durch solche Gruppen wie die Hisbollah Stellvertreterkriege zu führen, werden mit Härte beantwortet und nicht mit Appeasement."

Mit anderen Worten: Unterwerft euch dem amerikanisch-israelischen Diktat oder erwartet das gleiche Schicksal wie der Libanon.

Die großen internationalen Institutionen haben sich als absolut unfähig erwiesen, dem amerikanisch-israelischen Kriegsstreben etwas entgegenzusetzen. Die Vereinten Nationen erinnern an den Völkerbund, an den der äthiopische Herrscher Haile Selassie vergeblich appellierte, als sein Land in den 1930ern vom italienischen Faschismus angegriffen wurde.

Die Europäische Union bestätigte einmal mehr die Rückgratlosigkeit der europäischen Bourgeoisie, als sie am Dienstag keine Resolution mit der Forderung nach einem Waffenstillstand im Libanon verabschiedete. Stattdessen richteten sich die europäischen Regierungen nach Bushs wichtigstem Verbündeten, dem britischen Premierminister Tony Blair und übernahmen die von ihm vorgeschlagene Forderung nach einer "Einstellung der Kampfhandlungen", was als Formulierung weniger eindeutig ist und dem israelischen Militär ausreichend Zeit verschaffen soll, um seine Politik der verbrannten Erde im Libanon zu Ende zu führen.

Die Ereignisse im Libanon haben nicht nur im Nahen Osten sondern auch in den Vereinigten Staaten und weltweit verhängnisvolle Auswirkungen für die arbeitende Bevölkerung.

Wie lange wird es dauern, bis die allgemeine Wehrpflicht in den USA wieder eingeführt wird und junge Leute zwangsweise in die Armee gesteckt werden, um die immer zahlreicheren Angriffskriege der Vereinigten Staaten zu führen?

Wie lange wird es dauern, bis gegen einen der selbstgewählten Feinde Washingtons Atomwaffen zu Einsatz kommen - eine Option, die von der Bush-Regierung in Bezug auf das iranische Atomprogramm bereits angesprochen wurde - und damit die Gefahr einer weltweiten Katastrophe Wirklichkeit wird?

Wie lange wird es dauern, bis die Militarisierung der US-Gesellschaft zur direkten Außerkraftsetzung von demokratischen Rechten, zur Inhaftierung von politischen Gegnern und zur Anwendung des Kriegsrechts gegen die amerikanische Bevölkerung führt?

Täglich häufen sich die Hinweise, dass sich solch ein Wechsel in den Herrschaftsmethoden der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzelite anbahnt. Die Stimmung innerhalb der amerikanischen Regierung zeigte sich auf übelste Weise bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus am vergangenen Freitag. Auf die ungewöhnlich forsche Frage eines Reporters, ob der amerikanische Einfluss im Nahen Osten abnehme, antwortete Bush, dies sei die Schuld der "Terroristen", und fügte hinzu: "Sie töten unschuldige Leute, um ihre Ziele zu erreichen. [...] Sie schaffen es auf die Fernsehbildschirme und sie kriegen Leute dazu Fragen zu stellen über, nun ja, dies und das."

Die unmissverständliche Bedeutung dieser Äußerung bestand darin, dass jeder Journalist, der die Politik der Regierung im Nahen Osten in Frage stellt, als Komplize des Terrorismus zu gelten hat. Der logische Schluss wäre, solche Menschen ins Gefängnis zu werfen und ihre Publikationen zu verbieten.

Erst vor kurzem wurde bekannt, dass sich die Bush-Regierung für Gesetzesänderungen einsetzt, nach denen die Methoden aus Guantánamo -unbefristete Inhaftierung und Verurteilung durch provisorische Militärkommissionen - auf amerikanische Bürger ebenso wie auf "feindliche Kämpfer" anzuwenden wären.

Wenn die Tragödien, von denen die Menschheit in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts heimgesucht wurde - Weltkrieg und Faschismus - sich nicht in noch entsetzlicherem Maßstab wiederholen sollen, dann muss die Arbeiterklasse ihre eigene politische Alternative entwickeln und vertreten. Es reicht nicht, das Töten zu verabscheuen, das täglich im Irak und Libanon stattfindet, und die Lügen zu hassen, mit denen es gerechtfertigt wird. Es genügt auch nicht, gegen diese Verbrechen zu protestieren. Eine neue politische Kraft muss geschaffen werden, die ihnen Einhalt gebietet.

Dies kann nur durch den Aufbau einer neuen politischen Bewegung der Arbeiterklasse erreicht werden, die unabhängig von den existierenden Parteien der Großkonzerne ist. Ihre Perspektive muss darin bestehen, die arbeitenden Menschen weltweit - auch die arabischen und jüdischen Arbeiter im Nahen Osten - in einem gemeinsamen Kampf für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft zu vereinen.

Dies ist das grundlegende Ziel der Kampagne, die die Socialist Equality Party in den Vereinigten Staaten zu den Kongresswahlen führt. Unsere Kandidaten treten an, um die tief verwurzelte Opposition zum Ausdruck zu bringen, die in der Arbeiterklasse gegen die Politik des Krieges, der sozialen Ungleichheit und des politischen Rückschritts besteht - eine Politik, die sowohl die Demokratische als auch die Republikanische Partei kennzeichnet.

Alle, die das Blutbad im Irak und im Libanon ablehnen und nach Handlungsmöglichkeiten suchen, um diese Entwicklung zu stoppen, fordern wir dringend auf, das Programm der Socialist Equality Party in den USA - und in Deutschland der PSG - zu studieren, sich an der Wahlkampagne zu beteiligen, sich unserer Partei anzuschließen und für den Aufbau einer neuen revolutionären Führung in der Arbeiterklasse zu kämpfen.

Siehe auch:
Nach dem Massaker in Kana: Israel weitet mit amerikanischer Unterstützung die Libanon-Offensive aus
(2. August 2006)
Das Massaker von Kana: Im Libanon werden völlig Unbeteiligte abgeschlachtet
( 1. August 2006)
Appeasement 2006: Europa kapituliert vor amerikanisch-israelischer Aggression
( 28. Juli 2006)
Rice hinterlässt blutige Spuren im Libanon
( 27. Juli 2006)
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