Berliner Senat beschließt weitere Sparmaßnahmen

Am 8. Dezember hat der Berliner Senat aus SPD und Linkspartei.PDS die Finanzplanung für die Jahre 2006 bis 2010 beschlossen. Die zentrale Achse dieser Finanzplanung bildet die Fortführung des strikten Konsolidierungskurses, der bereits in der vergangenen Legislaturperiode eine soziale Katastrophe in der Hauptstadt geschaffen hat, die in ganz Deutschland beispiellos ist.

Bereits im kommenden Jahr soll die Neuverschuldung (Nettokreditaufnahme) des Landes erstmalig die Summe der Investitionsausgaben unterschreiten. In den Folgejahren will der Senat dann die jährliche Neuverschuldung von gegenwärtig noch über 2 Milliarden Euro weiter senken, bis sie im Jahre 2010 höchstens noch 900 Millionen Euro beträgt. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen alle künftigen Einnahmeverbesserungen zur Rückführung der Nettokreditaufnahme verwendet und gleichzeitig die Primärausgaben (bereinigte Ausgaben des Landes abzüglich der Zinsausgaben) weiter konsequent abgesenkt werden.

Für die Berliner Bevölkerung ist das ein Schlag ins Gesicht. Nachdem in den vergangenen fünf Jahren sämtliche Einsparungen auf ihrem Rücken durchgeführt worden sind, soll sie sich nun damit abfinden, dass weder der Sparkurs gelockert noch die erzielten Mehreinnahmen in irgendeiner Weise für die Verbesserung ihrer Lage eingesetzt werden. Hier zeigt sich vor allem die Verlogenheit der Linkspartei.PDS, die sämtliche Sparmaßnahmen in Berlin mit dem Argument unterstützt hat, dass diese zunächst unvermeidbar wären, um überhaupt wieder einen finanziellen Spielraum für eine Politik im Interesse der Bevölkerung zu schaffen.

Noch deutlicher wird dies, wenn man sich ansieht, in welchem Verhältnis die geplanten Einnahmeerhöhungen zu den Ausgabensenkungen stehen sollen. Denn mit der geringfügigen Erhöhung der Grund- und Grunderwerbsteuer, die zum 1. Januar 2007 in Kraft tritt und jährliche Mehreinnahmen von etwa 220 Millionen Euro einbringen soll, sieht der Senat auf der Einnahmenseite "bereits wesentliche Handlungsschritte eingeleitet". Über eine wirksame Steuererhöhung auf hohe Privatvermögen oder wachsende Unternehmensgewinne wird nicht einmal nachgedacht. Die Gestaltung der Ausgabenseite sei demgegenüber allerdings eine Daueraufgabe, so dass eine "strenge Ausgabendisziplin [...] auch in der Zukunft oberstes Gebot" sei.

Der Hauptanteil des überraschenden Anstiegs der Einnahmen - gegenüber der Finanzplanung von 2005 immerhin durchschnittlich 1 Milliarde Euro jährlich - ist dabei weniger auf die aktive Politik der rot-roten Landesregierung zurückzuführen, als auf eine günstigere Wirtschaftsentwicklung im Gefolge des Aufschwungs der Weltwirtschaft und der bundesweiten Konjunkturerholung. In der Finanzplanung werden die Mehreinnahmen auf "die konjunkturelle Kräftigung wie auch die bundespolitischen Steuerrechtsänderungen, hier insbesondere die Erhöhung der Umsatzsteuer", zurückgeführt.

Doch genauso plötzlich, wie diese Mehreinnahmen aufgetaucht sind, können sie auch wieder verschwinden, was der rot-rote Senat sofort für eine weitere Verschärfung der Ausgabenkürzungen benutzen würde. So wird bereits davor gewarnt, dass "konjunkturelle Einbrüche, die auf das Steueraufkommen zurückwirken", die Finanzplanung gefährden könnten und jede Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Steuerquote, beispielsweise in Form erneuter Steuerrechtsänderungen, "notwendigerweise den von dieser Finanzplanung vorgezeichneten Kurs in Mitleidenschaft ziehen" müsste.

Niedergang der Hauptstadt

Die Finanzplanung enthält eine ganze Reihe von Zahlenmaterial und Statistiken zur finanzpolitischen Entwicklung der deutschen Hauptstadt in den Jahren 1995 bis 2005. Dieses Material zeichnet ein sehr deutliches Bild der enormen Einsparungen, die bereits in den vergangenen Jahren durchgesetzt worden sind. Man erhält dadurch einen recht konkreten Eindruck der finanziellen Misere und der Auswirkungen der Politik, mit welcher der rot-rote Senat seit dem Jahre 2002 darauf reagiert hat.

So wurden in Berlin die Primärausgaben gemessen an der Einwohnerzahl zwischen 1995 und 2005 um 11,7 Prozent zurückgefahren, während die Primärausgaben im Durchschnitt der Bundesländer im gleichen Zeitraum um 3,9 Prozent angestiegen sind. Selbst in Thüringen, dem zweitschlechtesten Land in dieser Statistik, betrug der Rückgang der Primärausgaben nur 4,2 Prozent. An der Spitze der Primärausgabensteigerung liegt Nordrhein-Westfahlen mit 13,3 Prozent Zuwachs. Als Folge dieser Entwicklung gibt Berlin heute jedes Jahr 940 Euro weniger pro Einwohner aus als der Länderdurchschnitt.

Diese Rückführung der Primärausgaben wurde in erster Linie durch Einsparungen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro bei den konsumtiven Sachausgaben (vor allem sächliche Verwaltungsausgaben) und 1,3 Milliarden Euro bei den Personalausgaben erreicht. Für die konsumtiven Primärausgaben Berlins bedeutete dies eine Kürzung um 5,6 Prozent zwischen 1995 und 2005, während im Ländervergleich ein Anstieg um 12 Prozent zu verzeichnen war. Die Personalausgaben sind im gleichen Zeitraum im Ländervergleich um 5,6 Prozent gestiegen und wurden in Berlin um 6,9 Prozent gekürzt.

Dabei kommt man nicht umhin, den enormen Beitrag von SPD und Linkspartei.PDS zu dieser Entwicklung anzuerkennen. Betrachtet man nämlich den Zeitraum von 1995 bis 2002 - also bis zu dem Jahr, in dem die rot-rote Landesregierung mit ihrer Arbeit begann - so lässt sich auch für Berlin ein Anwachsen der Personalausgaben gegenüber 1995 um 2,0 Prozent feststellen. Innerhalb von nur drei Jahren schaffte es diese Koalition dann allerdings, die Personalausgaben um 8,9 Prozentpunkte herunterzufahren.

Die Zahlen der Finanzplanung erlauben ebenfalls einen interessanten Einblick in die verheerenden Auswirkungen der Steuerpolitik der rot-grünen Bundesregierung. So brachen die Einnahmen Berlins aus Steuern und Zahlungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zwischen 2000 und 2002 um 1,4 Milliarden Euro drastisch ein. Dieser Einbruch war so gravierend, dass selbst im Jahre 2005 die Einnahmen mit knapp 11,4 Milliarden Euro noch annähernd 500 Millionen Euro unter dem Wert des Jahres 2000 (11,9 Milliarden Euro) lagen.

Welche historische Bedeutung diese Politik der rot-grünen Bundesregierung hatte, lässt sich an der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Steuerquote erkennen, die in der Finanzplanung ebenfalls dargestellt ist. Lag diese in der Nachkriegsperiode der Jahre 1950 bis 2000 im Schnitt bei etwa 23,1 Prozent, sackte sie unter der rot-grünen Koalition in vier Jahren auf etwa 20 Prozent im Jahre 2004 ab.

Auch einen Eindruck des sozialen Niedergangs der Hauptstadt seit der Wiedervereinigung vermitteln die Statistiken in der Finanzplanung. So ist die Anzahl der Industriebeschäftigten von 255.000 im Jahre 1991 auf lediglich noch 96.000 im Jahre 2005 gesunken - ein Rückgang von über 60 Prozent. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Erwerbstätigen im Verarbeitenden Gewerbe von 314.000 auf 130.000 - also ebenfalls beinahe um 60 Prozent - zurückgegangen.

Da kann der überproportionale Anstieg der offiziellen Arbeitslosenquote in Berlin kaum überraschen. Während diese von 1991 bis 2005 im Länderdurchschnitt um 5,2 Prozentpunkte von 6,5 Prozent auf 11,7 Prozent anstieg, verzeichnete die Hauptstadt einen Anstieg um beinahe 10 Prozentpunkte von 9,5 Prozent auf 19 Prozent.

Rolle von SPD und Linkspartei.PDS

Der Weg den die SPD/Linkspartei.PDS-Koalition nun für die nächsten Jahre vorzeichnet, wird diesen Abwärtstrend noch beschleunigen. Dabei soll auch weiterhin nach dem Grundsatz verfahren werden: Die Zeche zahlt die Bevölkerung. So sollen alle bereits eingeleiteten bzw. beschlossenen Sparmaßnahmen konsequent umgesetzt und neue finanzwirksame Maßnahmen nur realisiert werden, wenn im Gegenzug dafür jeweils an anderer Stelle neue Einsparungen verwirklicht werden können.

Die "der öffentlichen Daseinsvorsorge dienenden Beteiligungen des Landes" sollen "im Rahmen der finanzpolitischen Möglichkeiten saniert" - sprich ausverkauft - werden. In "zahlreichen Projekten" sollen "staatliche Aufgaben kritisch auf ihre Notwendigkeit hin analysiert, Verwaltungsabläufe verbessert und Gesetze aufgehoben" werden, denn "eine effiziente Verwaltung, die mit wenig Mitteln große Wirkung erzielt, ist ein positiver Standortfaktor".

Dadurch soll die "Effizienz des Verwaltungshandelns" weiter erhöht werden. Welche Einsparungspläne sich dahinter konkret verbergen, hat Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bereit durchblicken lassen. Dieser hatte kürzlich eine Vergleichsstudie anfertigen lassen, welche die Verwaltungskosten von 27 deutschen Städten betrachtete. Das Ergebnis der Studie benutzte Sarrazin dann, um provokant festzustellen, dass in Berlin mindestens ein Drittel des Verwaltungspersonals in den Bezirken eingespart werde könnte.

Ein wesentlicher Teil der Konsolidierungsstrategie des Senats beruht auf weiteren Einsparungen bei den Personalausgaben. Nachdem in der vergangenen Legislaturperiode von SPD und Linkspartei.PDS schon mehr als 15.000 Stellen gestrichen worden sind, wird nun bis zum Jahre 2012 der Abbau von weiteren 20.000 Stellen angepeilt. Der Senat rühmt sich damit, dass Berlin im Jahre 2010 mit knapp 100.000 Personen weniger als halb so viele Mitarbeiter im unmittelbaren Landesdienst beschäftigen wird wie im Jahre 1991.

Neben dem ungebremsten Stellenabbau soll auch bei der Bezahlung weiter eingespart werden. In diesem Zusammenhang wird in der Finanzplanung zunächst eine kurze Zusammenfassung der bereits erreichten Einsparungen gegeben. Es lohnt sich, aus diesem Abschnitt etwas ausführlicher zu zitieren, da man hier aus erster Hand eine erstaunlich sachliche Darstellung der rot-roten "Errungenschaften" für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst erhält:

"Bereits zu Beginn der 15. Legislaturperiode hatte sich der Senat darauf verständigt, im Rahmen eines Solidarpaktes mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden einschneidende Entlastungen bei den Personalausgaben (250 Mio Euro im Jahre 2003, jeweils 500 Mio Euro jährlich ab dem Jahre 2004) zu erreichen. Hierzu hatte der Senat mit der Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes einen neuen Tarifvertrag vereinbart, der auf dem Grundprinzip des Tausches von Entgelt gegen Freizeit beruht. Die Löhne und Vergütungen wurden - abhängig von der jeweiligen Vergütungsgruppe - um 8, 10 oder 12 % gesenkt; gleichzeitig wurde die Arbeitszeit in gleichem Umfange vermindert."

Und weiter: "Das Abgeordnetenhaus hatte - auf Vorschlag des Senats - auf der Grundlage der vom Bundesrat beschlossenen Öffnungsklausel für den Besoldungsbereich das Urlaubsgeld gestrichen und die Sonderzuwendung (‚Weihnachtsgeld’) deutlich abgesenkt. Seit Ende 2003 erhält jeder Beamte einen Festbetrag von 640 Euro als Sonderzahlung, Versorgungsempfänger erhalten die Hälfte. Verglichen mit den anderen Ländern und mit dem Bund hat Berlin damit - nach Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt - die Sonderzuwendung derzeit am stärksten reduziert."

Um den erwähnten Solidarpakt gegen die Beschäftigten durchzusetzen, betonten sowohl die Linkspartei.PDS als auch die beteiligten Gewerkschaften damals immer wieder, dass es sich dabei nur um eine Übergangsregelung bis zum Jahre 2009 handele, um einmalig eine außerordentliche Notlage zu überwinden. So laufen die Regelungen dieses Anwendungstarifvertrages zur Absenkung der Vergütungen und Löhne am 31. Dezember 2009 zwar aus, doch geht die Finanzplanung bereits davon aus, "dass es hierfür eine modifizierte Anschlussregelung geben wird, die - ggfs. einschließlich zusätzlicher struktureller Maßnahmen im Besoldungs- und Versorgungsrecht - zu einer Entlastungswirkung von rd. 150 Mio Euro p.a. führt."

Zahlen sind hartnäckig. Misst man die soziale Bilanz des Berliner Senats an den von ihm selbst herausgegebenen Statistiken, so löst sich die gesamte Propaganda, er sei "links", "sozial" oder auch nur ein "kleineres Übel", in Luft auf. An den Finanzdaten gemessen steht die Koalition von SPD und Linkspartei.PDS nicht links, sondern rechts von Unions-geführten Landesregierungen.

Die SPD/Linkspartei.PDS-Koalition ist sich ihrer bundesweiten Vorreiterrolle bei den sozialen Angriffen auf die Bevölkerung dabei vollkommen bewusst. Nicht zufällig wird in der Finanzplanung mehrfach betont, dass "eine relative Verbesserung [des Primärüberschusses] - auf die es in erster Linie ankommt, wenn es um die Überwindung angespannter Haushaltslagen geht - [...] nur durch Maßnahmen zu bewirken [ist], die Berlin vom Länderdurchschnitt abheben." Der rot-rote Senat fühlt sich also herausgefordert, auf zukünftige Kürzungen in anderen Bundesländern jeweils mit einer weiteren Verschärfung des eigenen Sparkurses zu reagieren.

Alles in allem zeichnet die Finanzplanung des rot-roten Senats ein deutliches Bild davon, wie die deutsche Hauptstadt in den vergangenen Jahren systematisch kaputt gespart wurde, und wie vor allem die Regierung aus SPD und Linkspartei.PDS sämtliche Verluste, die wie die Reform der Körperschaftssteuer oder der Berliner Bankenskandal jeweils zu einen Geldsegen für die Wirtschaft und reiche Privatpersonen geführt haben, unmittelbar auf die einfache Bevölkerung abgewälzt hat.

Obwohl die Linkspartei.PDS durch diesen Kurs bereits in der letzten Abgeordnetenhauswahl in Berlin über die Hälfte ihrer Wähler verloren hat, schickt sie sich jetzt zusammen mit der SPD an, ihre zutiefst verhassten Sparmaßnahmen auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Hatte der Berliner Senat bisher in den letzten Jahren dabei immer noch auf eine Entschuldungshilfe durch den Bund gehofft und mit einer laufenden Klage vor dem Bundesverfassungsgericht "notwendige Eigenanstrengungen" begründet, soll nun nach der Abweisung dieser Klage die Schuldenlast vollständig auf die Bevölkerung abgewälzt werden.

Siehe auch:
Berlin: Rot-rot verschärft den Sparkurs
(9. November 2006)
Urteil zum Berliner Haushalt: Bundesverfassungsgericht vertieft Spaltung der Gesellschaft
( 21. Oktober 2006)
Berlin: SPD und Linkspartei wollen Koalition fortsetzen
( 10. Oktober 2006)
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